T 0601/11 (BASF SE/ Mitsubishi Gas Chemical Company) of 30.6.2015

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T060111.20150630
Datum der Entscheidung: 30 Juni 2015
Aktenzeichen: T 0601/11
Anmeldenummer: 04764998.3
IPC-Klasse: C07C 209/48
C07C 211/27
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON XYLYLENDIAMIN DURCH KONTINUIERLICHE HYDRIERUNG VON FLÜSSIGEM PHTHALODINITRIL
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: Mitsubishi Gas Chemical Company, Inc.
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
Schlagwörter: Alle Anträge: Neuheit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher das europäische Patent Nr. 1 663 947 widerrufen wurde. Der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 1 lautete wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung von Xylylendiamin durch kontinuierliche Hydrierung von flüssigem Phthalodinitril an einem Heterogenkatalysator in Gegenwart von flüssigem Ammoniak in einem Reaktor, dadurch gekennzeichnet, dass mittels einer Mischeinrichtung ein Strom einer Phthalodinitrilschmelze flüssig mit einem Strom von flüssigem Ammoniak gemischt wird und die flüssige Mischung in den Hydrierreaktor gefahren wird."

II. Im Einspruchsverfahren war das Streitpatent wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 100 a) EPÜ angegriffen worden. Es wurde unter anderem die folgende Druckschrift herangezogen:

(2) US 2003/0013917.

III. In ihrer Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Gegenstand der erteilten Ansprüche neu gegenüber der Druckschrift (2) sei, da dieser Druckschrift nicht direkt und unmittelbar zu entnehmen sei, dass das Phthalodinitril in geschmolzenem Zustand mit dem flüssigen Ammoniak vermischt werde, bevor es in den Hydrierreaktor eingebracht werde. Die Darstellung der Fig. 1 sei lediglich ein vereinfachtes schematisches Flussdiagramm, aus dem keine detaillierte Information entnommen werden könnten. Ausgehend von Druckschrift (2) als nächstliegendem Stand der Technik beruhe der Gegenstand der erteilten Ansprüche, sowie der Ansprüche der damaligen Hilfsanträge 1 und 3, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß damaligem Hilfsantrag 2 sei unklar definiert.

IV. Die Beschwerdeführerin reichte mit der Beschwerdebegründung einen neuen ersten und zweiten Hilfsantrag ein.

Anspruch 1 des ersten Hilfsantrages basierte auf dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 1, an dessen Ende ein Disclaimer angefügt wurde, wonach "der Einsatz von aufgeschmolzenem, zuvor als Feststoff vorliegendem Phthalodinitril ausgeschlossen ist."

Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrages basierte auf dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 1, an dessen Ende die Passage angefügt wurde "wobei das geschmolzene Phthalodinitril aus einer einer Ammonoxidation nachgeschalteten Destillationskolonne kommt und als Schmelze über Sumpf dieses thermischen Trennapparates abgetrennt wird und wobei der Einsatz von aufgeschmolzenem, zuvor als Feststoff vorliegendem Phthalodinitril ausgeschlossen ist."

V. Hinsichtlich des Hauptantrages (Patent wie erteilt) brachte die Beschwerdeführerin vor, das Verfahren gemäß Anspruch 1 sei neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Insbesondere wies sie darauf hin, dass das beanspruchte Verfahren ökonomischer sei, als das Verfahren der Druckschrift (2), da ein Vermischen von festem Phthalodinitril nur diskontinuierlich in einem Rührkessel durchgeführt werden könne und eine kontinuierliche Fahrweise daher immer den Einsatz von zwei Rührkesseln im alternierenden Parallelbetrieb erfordere. Darüber hinaus sei Ammoniak bei der Schmelztemperatur von Phthalodinitril von etwa 160°C überkritisch. Bei einer Vermischung von geschmolzenem Phthalodinitril und flüssigem Ammoniak sei mit heftigen Siedeverzügen zu rechnen, so dass der Fachmann ein Vermischen von flüssigem Ammoniak mit geschmolzenem Phthalodinitril nicht in Erwägung gezogen hätte.

VI. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) brachte unter anderem vor, das Verfahren, wie im erteilten Anspruch 1 definiert, sei nicht neu. Insbesondere offenbare das Beispiel 1 der Druckschrift (2), ein Verfahren zur Herstellung von m-Xylylendiamin, bei dem Isophthalodinitril, welches in geschmolzener Form direkt aus der Ammonoxidation von m-Xylol erhalten werde, mit flüssigem Ammoniak und einem Lösungsmittel gemischt und anschließend an einem Heterogenkatalysator in kontinuierlicher Fahrweise mit Wasserstoff zu m-Xylylendiamin hydriert werde. Das von der Beschwerdeführerin behauptete technische Vorurteil, wonach der Fachmann technische Probleme bei der Vermischung von geschmolzenem Phthalodinitril mit flüssigem Ammoniak erwartet habe, sei nicht durch einschlägige Fachliteratur belegt. Darüber hinaus wisse der Fachmann, dass er beim Mischen die Reaktionsbedingungen so zu wählen habe, dass eine Verdampfung von Ammoniak, beispielsweise durch Anlegen eines geeigneten Druckes oder durch Verwendung eines großen Ammoniaküberschusses vermieden werde.

Die Beschwerdegegnerin brachte vor, die in den Ansprüchen der beiden Hilfsanträge vorgenommenen Änderungen genügten nicht den Erfordernissen der Artikel 123 (2) und 84 EPÜ. Die zusätzlichen Merkmale in den jeweiligen Ansprüchen 1 seien bereits in der Druckschrift (2) offenbart, so dass sich die Argumentation zur Neuheit des Hauptantrages auch auf den Gegenstand des ersten und zweiten Hilfsantrages übertragen lasse.

VII. Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2015 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie an der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht teilnehmen werde und beantragte eine Entscheidung nach Aktenlage.

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte schriftlich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt, sowie hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patentes auf der Grundlage der Ansprüche des ersten oder zweiten Hilfsantrages, beide wie eingereicht mit Schriftsatz vom 18. Mai 2011.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

IX. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 30. Juni 2015 wurde die Entscheidung verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

2.1 Die Beschwerdegegnerin zitierte die Druckschrift (2) als neuheitsschädlich gegen den erteilten Anspruch 1.

2.2 Druckschrift (2) offenbart ein Verfahren zur Herstellung von Xylylendiamin, wobei in Beispiel 1, welches sich ausdrücklich auf das in Fig. 1 dargestellte Reaktionsschema bezieht (siehe Paragraph [0063]), zunächst durch eine Ammonoxidationsreaktion aus m-Xylol geschmolzenes Isophthalodinitril hergestellt wird, welches anschließend in Gegenwart von Wasserstoff und Ammoniak zu m-Xylylendiamin hydriert wird. Die Hydrierung des Isophthalodinitrils erfolgt in kontinuierlicher Fahrweise, wie sich aus Paragraph [0070] durch Angabe eines Feeds von 6 kg/h erkennen lässt. Das aus der Ammonoxidation erhaltene Isophthalodinitril wird am unteren Ende der Rektifikationskolonne D als Reinprodukt entnommen (Paragraph [0068]). Da der Schmelzpunkt von Isophthalodinitril bei 161°C liegt und diese Rektifikationskolonne D an ihrem unteren Ende eine Temperatur von 183°C aufweist (siehe Paragraph [0068]), liegt das dort entnommene Isophthalodinitril als Schmelze vor. Wie aus dem Reaktionsschema des Beispiels 1, dargestellt in Fig. 1, erkennbar ist, wird diese Isophthalodinitril-Schmelze ohne weitere Zwischenstufen mit flüssigem Ammoniak vermischt (siehe Paragraph [0063] und [0069]) und als flüssiges Gemisch in den Hydrierreaktor E eingespeist, wo das Isophthalodinitril in Gegenwart von Wasserstoff zu m-Xylylendiamin hydriert wird (siehe Paragraph [0070]).

Somit offenbart Druckschrift (2) alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag.

2.3 Die Beschwerdeführerin berief sich im schriftlichen Verfahren auf die Argumentation der Einspruchsabteilung, wonach Druckschrift (2) keine detaillierte Information über den Aggregatszustand des Isophthalodinitrils zum Zeitpunkt des Vermischens mit flüssigem Ammoniak enthalte, so dass in Beispiel 1 das Isophthalodinitril zum Zeitpunkt des Vermischens mit flüssigem Ammoniak auch in fester Form vorgelegen haben könne. Das Vermischen von festem Isophthalodinitril mit flüssigem Ammoniak müsse jedoch in einem Rührkessel durchgeführt werden, wobei eine kontinuierliche Fahrweise den Einsatz von zwei Rührkesseln im alternierenden Parallelbetrieb erfordere.

Indessen fehlt sowohl im Text des Beispiel 1 als auch in Fig. 1 jeglicher Hinweis auf weitere Bauteile, die für das Vermischen von festem Isophthalodinitril mit flüssigem Ammoniak erforderlich gewesen wären. Daher entnimmt der Fachmann aus Beispiel 1 der Druckschrift (2), dass die am unteren Ende der Rektifikationskolonne D entnommene Isophthalodinitril-Schmelze direkt mit flüssigem Ammoniak vermischt wird. Das Argument des Beschwerdeführers kann somit nicht durchgreifen.

2.4 Die Beschwerdeführerin brachte weiter vor, dass Ammoniak bei der Schmelztemperatur von Phthalodinitril von etwa 160°C überkritisch sei und bei Kontakt mit geschmolzenem Isophtalodinitril zu Siedeverzügen geführt hätte. Der Fachmann hätte der Druckschrift (2) daher nicht entnommen, dass dort Isophthalodinitril als Schmelze mit flüssigem Ammoniak gemischt wird.

Indessen hat die Beschwerdeführerin für diese Behauptung keine Belege vorgebracht. Der Fachmann erkennt auch aus Paragraph [0069] der Druckschrift (2), dass ein Überschuss an Ammoniak eingesetzt wird, so dass durch den Eintrag von geringen Mengen an geschmolzenem Isophthalodinitril keine übermäßige Verdampfung von Ammoniak zu erwarten ist. Daher kann auch dieses Argument der Beschwerdeführerin nicht überzeugen.

2.5 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag von Druckschrift (2) neuheitsschädlich vorweggenommen ist.

Erster und zweiter Hilfsantrag

3. Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)

Die Beschwerdegegnerin hatte gerügt, dass die in den jeweiligen Ansprüchen 1 des ersten und zweiten Hilfsantrages eingefügten Merkmale nicht den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ genügten. Angesichts der negativen Beurteilung der Neuheit (siehe Punkt 4. infra) kann eine Entscheidung der Kammer im Hinblick auf Artikel 123(2) EPÜ dahinstehen.

4. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

4.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrages beruht auf dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 und enthält als zusätzliche Beschränkung das Merkmal, wonach der Einsatz von aufgeschmolzenem, zuvor als Feststoff vorliegendem Phthalodinitril ausgeschlossen ist. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des zweiten Hilfsantrages enthält neben dem im ersten Hilfsantrag eingefügten Merkmal als zusätzliche Beschränkung das Merkmal, dass das geschmolzene Phthalodinitril aus einer einer Ammonoxidation nachgeschalteten Destillationskolonne kommt, und als Schmelze über Sumpf dieses thermischen Trennapparates abgetrennt wird (siehe Paragraph IV supra). Beide Merkmale sind jedoch bereits in Druckschrift (2) offenbart (siehe Paragraph 2.2 supra), so dass auch durch die in den beiden Hilfsanträgen eingefügten Beschränkungen kein technischer Unterschied zu dem in Druckschrift (2) offenbarten Verfahren resultiert.

4.2 Daher gelten für den ersten und zweiten Hilfsantrag die gleichen Überlegungen und Schlussfolgerungen wie für den Hauptantrag.

4.3 Die Kammer gelangt daher zu der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, sowie gemäß des ersten oder zweiten Hilfsantrages von Druckschrift (2) neuheitsschädlich vorweggenommen ist.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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