T 0212/11 (Prozessleitsystem/SIEMENS) of 31.7.2014

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:T021211.20140731
Datum der Entscheidung: 31 Juli 2014
Aktenzeichen: T 0212/11
Anmeldenummer: 02724112.4
IPC-Klasse: G05B 15/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Prozessleitsystem
Name des Anmelders: Siemens Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: ABB Patent GmbH
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 99(1)
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention R 76(2)(c)
European Patent Convention R 77(1)
European Patent Convention 1973 R 55(c)
European Patent Convention 1973 R 56(1)
Schlagwörter: Zulässigkeit des Einspruchs - (ja)
Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0222/85
T 0077/94
T 0511/02
T 0804/05
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Ein Einspruch wurde am 15. September 2005 gegen das europäische Patent Nr. 1373994 in seiner Gesamtheit gestützt auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 52 (1), 54 und 56 EPÜ und unter Bezugnahme auf Artikel 123 (2) EPÜ eingelegt. Das Patent beansprucht eine Priorität vom 2. April 2001 und die zu Grunde liegende Europäische Patentanmeldung wurde als WO 02/079884 A1 veröffentlicht. Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung den Einspruch zurückgewiesen.

II. Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung den Einspruch für zulässig erachtet. Sie entschied ferner, dass keine unzulässige Erweiterung des Patentgegenstandes vorlag und dass der beanspruchte Gegenstand neu war und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte.

Sie hat dazu unter anderem auf die Druckschrift

D1: Operate**IT, Version B0, Übersicht, ABB Automation, 2000, Seiten 1 bis 16

Bezug genommen.

III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Beschwerde ein und begründete dieselbe. Es wurde beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat in ihrer Antwort zur Beschwerde Stellung genommen und ihre Zurückweisung beantragt. Sie beantragte ferner, den Einspruch wegen mangelnder Substanziierung der Einspruchsgründe als unzulässig zu verwerfen und eine Zwischenentscheidung zu erlassen, aus der hervorgehe, welche von der Beschwerdeführerin genannten Dokumente zulässig sind und dem weiteren Verfahren zu Grunde gelegt werden.

V. Die Kammer hat die Parteien zur mündlichen Verhandlung geladen. Der Ladung war ein Bescheid nach Artikel 15 (1) VOBK beigefügt, in dem die Kammer ihre vorläufige Meinung zur Sache äußerte. Insbesondere nahm sie zur Frage der Zulässigkeit des Einspruchs und zur Frage der unzulässigen Erweiterung des beanspruchten Gegenstands Stellung.

VI. Die mündliche Verhandlung fand am 31. Juli 2014 vor der Kammer statt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

VII. Anspruch 1 des erteilten Patents lautet wie folgt:

"Prozessleitsystem (5) mit mindestens einem Leitrechner (7) und mindestens einem Leitsystembus (9,10) zur Steuerung mindestens einer technischen Anlage, dadurch gekennzeichnet, dass

a) das Prozessleitsystem (5) mindestens ein Kommunikationsnetzwerk (11), welches mindestens einen daran angeschalteten Rechner (47) enthält - insbesondere ein Bussystem mit einem oder mehreren daran angeschalteten Rechnern - umfasst, wobei das Kommunikationsnetzwerk (11) vom Leitsystembus (9,10) physikalisch entkoppelt ist,

b) der Leitrechner (7) mit dem Leitsystembus (9,10) einerseits und dem Kommunikationsnetzwerk (11) andererseits verbunden ist,

c) der Leitrechner (7) ertüchtigt ist, im Leitsystembus (9,10) anfallende Daten derart aufzubereiten, dass diese Daten vom Rechner (47) des Kommunikationsnetzwerks (11) mittels eines Internet-Browsers (70) verarbeitbar sind,

d) der Leitrechner (7) ertüchtigt ist, im Kommunikationsnetzwerk (11) anfallende Daten, welche den Betrieb der Anlage betreffen und welche mittels eines Internet-Browsers (70) erzeugt sind, derart aufzubereiten, dass die Anlage durch die aufbereiteten Daten steuerbar ist, und

e) die Anlage sowohl mittels des Leitrechners (7) als auch mittels des Rechners (47) des Kommunikationsnetzwerks steuerbar ist, wobei die Anlage mittels des Leitrechners (7) auf mindestens zwei Arten steuerbar ist:

- mittels einer Bedienung einer Prozessleitsystem-Software über Ein- und/oder Ausgabemittel des Leitrechners (7), und

- mittels einer Bedienung eines weiteren Internet-Browsers (71),

wobei sowohl die Prozessleitsystem-Software, als auch der weitere Internet-Browser (71) auf dem Leitrechner (7) installiert sind."

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit des Einspruchs (Artikel 99 (1) EPÜ, Regel 55 c) und 56 (1) EPÜ 1973, Regel 76 (2) c) und 77 (1) EPÜ)

1.1 Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass die beschwerdeführende Einsprechende in ihrer Einspruchsschrift der Substantiierungspflicht gemäß Artikel 99 (1) EPÜ in Verbindung mit Regel 76 (2) EPÜ nicht nachgekommen sei, da sie im Hinblick auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) die öffentliche Zugänglichkeit der verwendeten Beweismittel nicht nachgewiesen habe. In Bezug auf die Druckschrift D1 argumentierte die Beschwerdegegnerin, dass es sich dabei um einen Werbeprospekt mit Druckdatum 2000 handele, für den kein eindeutiger Nachweis der öffentlichen Zugänglichkeit vorliege.

Des weiteren fehle und im Hinblick auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) jegliche Erläuterung, inwiefern bei der genannten Textstelle eine unzulässige Erweiterung vorliege.

1.2 Die Einspruchsabteilung ist in ihrer Entscheidung davon ausgegangen, dass die Copyright-Vermerke mit der Jahresangabe 2000 einiger der für den Einspruch relevanten Druckschriften - unter anderem D1 - prima facie diese Druckschriften als zum Stand der Technik gehörend kennzeichneten und diese somit geeignet erschienen, den Einspruch hinreichend zu substantiieren.

1.3 Gemäß Regel 76 (2) c) EPÜ, deren Text mit dem der im vorliegenden Fall relevanten Regel 55 c) EPÜ 1973 identisch ist, muss die Einspruchsschrift eine Erklärung darüber enthalten, in welchem Umfang gegen das europäische Patent Einspruch eingelegt und auf welche Einspruchsgründe der Einspruch gestützt wird, sowie die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel.

Im vorliegenden Fall war unbestritten, dass der Einspruch gegen das europäische Patent im gesamten Umfang und zumindest gestützt auf den Grund nach Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 52 (1) und 54 EPÜ eingelegt wurde.

In der Rechtsprechung wurde herausgearbeitet (T 222/85, ABl. EPA 1988, 128, Punkt 4 der Gründe), dass das Erfordernis der Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel nur dann erfüllt ist, wenn die relevanten (d. h. für den Umfang des angefochtenen Patents relevanten) "Tatsachen und Beweismittel" so ausreichend angegeben sind, dass die angeführten Einspruchsgründe und ihre Stichhaltigkeit von der Einspruchsabteilung und vom Patentinhaber richtig verstanden werden können. Dies ist aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns auf dem Gebiet, auf das sich das angefochtene Patent bezieht, objektiv zu beurteilen.

Dies ist im vorliegenden Fall gegeben.

Die Einspruchsschrift zählt als einen der Einspruchsgründe die fehlende Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1 auf.

Bei dem Dokument D1 handelt es sich um eine Druckschrift der Firma ABB bezüglich des Systems "OperateIT", die die Kammer als Prospekt versteht. Diese Druckschrift weist auf ihrer letzten Seite (Seite 16) einen Copyright-Vermerk mit der Jahreszahl 2000 auf. In der Einspruchsschrift ist diese Druckschrift in Punkt 1 der Begründung, in der Liste der Anhänge und im Formblatt 2300.3 ohne weitere Erklärung mit der Jahreszahl 2000 versehen.

Folglich war, zumindest in Bezug auf diesen Einspruchsgrund, für die Patentinhaberin und die Einspruchsabteilung klar erkennbar, dass die Einsprechende von der aufgedruckten Copyright-Jahreszahl als Veröffentlichungszeitraum ausging. Die Copyright-Jahreszahl ist das vor dem relevanten Prioritätsdatum vorausgehende Jahr. Des Weiteren wird in Punkt 3.1 der Einspruchsschrift für jedes Merkmal des Anspruchs 1 des Streitpatents auf Textstellen der Druckschrift D1 Bezug genommen, um die mangelnde Neuheit des beanspruchten Gegenstandes gegenüber D1 nachzuweisen. Folglich ist der auf eine mangelnde Neuheit bezüglich des Dokuments D1 aufbauende Einspruchsgrund ohne weiteres zu verstehen.

Die Frage, ob D1 zum Zeitpunkt des angegebenen Copyright-Datums tatsächlich veröffentlicht wurde, ist eine Frage die die Begründetheit dieses Einspruchsgrunds betrifft, jedoch nicht die Zulässigkeit des Einspruchs als solches.

1.4 Die Beschwerdegegnerin hat in ihrer Argumentation auf die Entscheidung T 511/02 verwiesen. In diesem Fall wurden mit der Einspruchsschrift zwei Druckschriften zitiert, aus denen sich nicht in offensichtlicher Weise ein Veröffentlichungsdatum entnehmen ließ. Diese Druckschriften wiesen zwar Ziffernkombinationen auf. Aus diesen ließ sich jedoch nicht ohne weitere Informationen, die in der Einspruchsschrift nicht enthalten waren, ein Veröffentlichungsdatum entnehmen. Die Einspruchsschrift zitierte diese Druckschriften zwar mit einem Veröffentlichungsdatum, enthielt aber keine Erklärung dazu, wie sich dieses Datum aus den Druckschriften oder auf sonstige Weise bestimmen ließe (siehe Punkt I der Entscheidung).

Diese Entscheidung hat somit für den vorliegenden Fall keine Relevanz, da hier, wie unter Punkt 1.3 ausgeführt, die Druckschrift eine Jahreszahl im Klartext aufweist, auf die die Einspruchsschrift als Veröffentlichungszeitraum Bezug nimmt.

Die weitere, von der Beschwerdegegnerin angeführte Entscheidung T 804/05 betrifft die Frage, ab wann ein Werbeprospekt ausgehend von dem auf ihm angegebenen Druckdatum als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht gilt, und betrifft die Begründetheit dieses Einspruchsgrunds, jedoch nicht die Zulässigkeit des Einspruchs als solches. Auch die weitere Entscheidung T 77/94 betrifft die öffentliche Zugänglichkeit eines Prospekts und ebenfalls die Begründetheit dieses Einspruchsgrunds, jedoch nicht die Zulässigkeit des Einspruchs als solches.

1.5 Da zumindest ein Einspruchsgrund ausreichend im Sinne der Regel 55 c) EPÜ 1973 (jetzt Regel 76 (2) c) EPÜ) begründet ist und die übrigen Erfordernisse gemäß Artikel 99 (1) EPÜ und Regel 55 c) EPÜ 1973 (jetzt Regel 76 (2) c) EPÜ erfüllt sind, ist der Einspruch zulässig (Regel 56 EPÜ 1973, jetzt Regel 77 (1) EPÜ).

2. Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ

2.1 Die Kammer schließt aus Punkt 5 der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung, dass die Einspruchsabteilung der Meinung war, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ im Einspruchsschreiben ebenfalls ausreichend begründet war. Die Kammer kann sich dieser Meinung nicht anschließen, und ist der Auffassung, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ in der Einspruchsschrift nur deklamatorischen Charakter hat, und für sich betrachtet und unter Berücksichtung der oben zitierten Rechtsprechung (T 222/85), die Erfordernisse der Regel 55 c) EPÜ 1973 (jetzt Regel 76 (2) c) EPÜ) nicht erfüllt.

Da die Einspruchsabteilung den Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ jedoch in das Verfahren zugelassen und geprüft hat, und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass keine unzulässige Erweiterung im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ vorliegt, ist der Einspruchsgrund Bestandteil der angefochtenen Entscheidung und somit im Verfahren. Folglich kann sie auch von der Beschwerdekammer geprüft werden.

2.2 Anspruch 1 des Streitpatents weist gegenüber Anspruch 1 der ursprüngliche eingereichten Anmeldung folgendes zusätzliches Merkmal auf:

"wobei die Anlage mittels des Leitrechners (7) auf mindestens zwei Arten steuerbar ist:

- mittels einer Bedienung einer Prozessleitsystem-Software über Ein- und/oder Ausgabemittel des Leitrechners (7), und

- mittels einer Bedienung eines weiteren Internet-Browsers (71),

wobei sowohl die Prozessleitsystem-Software, als auch der weitere Internet-Browser (71) auf dem Leitrechner (7) installiert sind."

Die von der Beschwerdegegnerin behauptete, diesem Merkmal zu Grunde liegende Textstelle der veröffentlichten Patentanmeldung lautet (Seite 10, Zeilen 19-31):

"Ferner ist es im vorliegenden Ausführungsbeispiel möglich, bei demjenigen Leitrechner 7, welcher auch über einen installierten Internet-Browser verfügt, die technische Anlage auf zwei verschiedene Arten zu steuern: Zum einen kann das Bedienpersonal mittels des besagten Leitrechners 7 die Anlage dadurch steuern, indem es, nach entsprechend vorangegangener Ausbildung und Schulung, die in diesem Leitrechner 7 implementierte Prozessleittechnik-Spezialsoftware bedient und deren Möglichkeiten der Datenein- und Datenausgabe sowie des Datentransfers nutzt. Des Weiteren besteht an diesem Leitrechner 7 weiterhin die Möglichkeit, zumindest auf einen Teil der Funktionalität des Prozessleitsystems 5 mittels des Internet-Browsers 70 zuzugreifen."

2.3 Das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 weist gegenüber dieser Textstelle unter anderem folgende Unterschiede auf:

a) die Anlage ist auf mindestens zwei Arten steuerbar

b) es wird eine Prozessleitsystem-Software verwendet

c) die Bedienung erfolgt über Ein- und/oder Ausgabemittel des Leitrechners.

Zumindest diese drei Merkmale ergeben sich nicht aus der ursprünglichen Offenbarung, so dass Anspruch 1 nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ genügt.

2.4 Bezüglich des Merkmals a) hat die Beschwerdegegnerin auch auf die weitere Textstelle Seite 6, Zeilen 14-28 der veröffentlichten Patentanmeldung verwiesen. Insbesondere aus Zeile 26 ("mehrere Möglichkeiten") ergebe sich eine ursprüngliche Offenbarung für eine Steuerung der Anlage mittels des Leitrechners auf mehr als zwei Arten.

Die Kammer teilt diese Auffassung nicht. Die besagte Textstelle beschreibt die Bedienungsmöglichkeit der technischen Anlage mittels eines Leitrechners unter Verwendung eines dort installierten Internet-Browsers als weitere Bedienmöglichkeit ("Des Weiteren ..."). Im davor stehenden Absatz (Seite 6, Zeilen 1-12) werden als Bedienmöglichkeiten die Bedienung mittels des Leitrechners und mittels eines Rechners des Kommunikationsnetzwerks genannt, wobei letztere nicht den Bedienmöglichkeiten mittels des Leitrechners zuzurechnen ist. Was unter "mehrere Möglichkeiten" einer Bedienung mittels des Leitrechners zu verstehen ist, ergibt sich im Zusammenhang mit dem in Verbindung mit Figur 1 beschriebenen Ausführungsbeispiel. Dort wird die Bedienung des Prozessleitsystems durch Leitrechner mittels spezieller Prozessleitsystem-Software einer Bedienung mittels eines auf einem Leitrechner installierten Internet-Browser entgegengestellt (Seite 10, Zeilen 19-31). In der gesamten Anmeldung findet sich darüber hinaus nichts, was zu dem Schluss führen könnte, dass es mehr als diese beiden beschriebenen Bedienmöglichkeiten mittels des Leitrechners - über eine spezielle Prozessleitsystem-Software und über einen Internet-Browser - geben könnte. Somit stellt das Merkmal "auf mindestens zwei Arten steuerbar" eine unzulässige Erweiterung dar.

2.5 Bezüglich des Merkmals b) ist festzustellen, dass der Begriff "eine Prozessleitsystem-Software" so nirgends in der ursprünglichen Anmeldung verwendet wird. In der von der Beschwerdegegnerin als Grundlage für die Änderungen zitierten Textpassage (Seite 10, Zeile 19-31) wird der Begriff "Prozessleittechnik-Spezialsoftware" verwendet, und in der davor stehenden Zeile 18 ist im gleichen Zusammenhang von einer "speziellen Prozessleitsystem-Software" die Rede. Selbst wenn man - arguendo - die spezielle Prozessleitsystem-Software mit der Prozessleittechnik-Spezialsoftware gleichsetzt, stellt das neue Merkmal des Anspruchs 1 - "Prozessleitsystem-Software" - eine unzulässige Erweiterung dar. Neben der rein semantisch offensichtlichen Erweiterung durch den Wegfall des Wortes "speziell" würde der Fachmann im Zusammenhang mit der vorliegenden Anmeldung den Begriff "speziell" in Verbindung mit speziell ausgestatteten Rechnern und dem Einsatz spezieller Betriebssysteme, wie zum Beispiel UNIX, sehen, das weit verbreiteten Betriebssystemen, wie zum Beispiel Windows, gegenübergestellt wird (siehe z.B. Seite 2, Zeilen 5-16). Folglich ist durch den Wegfall des Wortes "speziell" im Zusammenhang mit der Prozessleitsystem-Software die Möglichkeit, dass diese auf Universalrechnern und einem weit verbreiteten Betriebssystem wie Windows ausgeführt wird, nicht mehr ausgeschlossen. Dafür gibt es aber keine Grundlage.

2.6 Bezüglich des Merkmals c) hat die Beschwerdegegnerin auch auf Seite 6, Zeilen 16-29 der ursprünglichen Anmeldung verwiesen und argumentiert, dass die dort erwähnte Aufbereitung der Daten, welche die Steuerung der technischen Anlage betreffen, allgemein eine Ein- und/oder Ausgabe von Daten am Leitrechner impliziere. Dem kann die Kammer nicht folgen. Die von der Beschwerdegegnerin zitierte Textstelle, aus der allgemein die Ein- und/oder Ausgabe von Daten am Leitrechner folgen soll, bezieht sich auf die Bedienung des Leitrechners mittels eines Internet-Browsers, während sich das fragliche Merkmal auf die Bedienung des Leitrechners mittels einer (speziellen) Prozessleitsystem-Software bezieht. Da diese Textstelle für diese Änderung keine Relevanz hat und auch sonst keine Grundlage für diese Änderung erkennbar ist, stellt auch diese Änderung eine unzulässige Erweiterung dar.

3. Da der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegensteht, war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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