European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2015:T175710.20150227 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 27 Februar 2015 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1757/10 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04004151.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | H01H 37/48 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Temperaturfühler | ||||||||
Name des Anmelders: | Electrovac AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | E.G.O. Elektro-Gerätebau GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.5.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 569 257 zurückzuweisen. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegenstehe.
II. Folgende Dokumente des Standes der Technik sind für diese Entscheidung relevant:
D1: US 3 004 123 A,
D2: EP 0 279 368 A2,
D3: US 6 304 165 B1,
D9: EP 0 898 291 A2, und
D10: DE 29 37 309 A1.
III. Am 27. Februar 2015 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, d.h. das Patent in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten, oder das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der mit Schreiben vom 26. Januar 2015 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 9 aufrecht zu erhalten.
IV. Der unabhängige Anspruch 1 des erteilten Patents lautet wie folgt:
"Temperaturfühler für einen Strahlungsheizkörper (1), welcher Temperaturfühler (7) ein mit einem Gehäuse (10) eines Schalters (18) verbundenes als Rohr (8) gebildetes erstes Ausdehnungselement (8) aufweist, das mit einem als Stab (9) gebildetem weiteren Ausdehnungselement (9) im Bereich seines freien Endes (100) fest verbunden ist, wobei die beiden Ausdehnungselemente (8, 9) verschiedene Wärmeausdehnungskoeffizienten aufweisen, und der Schalter (18) mindestens eine gegen eine Stelle vorgespannte und einen Kontakt (14) tragende Kontaktfeder (11) aufweist und eines (9) der Ausdehnungselemente (8, 9) von einer in dessen axialer Richtung wirkenden Feder (19) beaufschlagt ist, wobei auf eine Seite der Kontaktfeder (11) der Stab (9) und auf die andere Seite die Feder (19) in axialer Richtung des Stabes (9) wirkt, wobei die Feder (19) gegen den Stab (9) über ein Auflager (21) wirkt dadurch gekennzeichnet, dass die Kontaktfeder (11) als Schnappfeder ausgebildet ist."
Die Ansprüche 2 bis 9 des Patents sind vom Anspruch 1 abhängig.
V. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Das Dokument D1 gelte als nächstliegender Stand der Technik. Der in D1 offenbarte Temperaturfühler sei für einen Strahlungsheizkörper geeignet, wie in Absatz [0003] des Streitpatents zugegeben sei, weil seine mechanische Größe sowie Betriebstemperatur die der bekannten Strahlungsheizkörper ähnlich seien (siehe D1, Spalte 5, Zeilen 10 bis 12 bzw. Spalte 2, Zeile 2 und Figur 1). Die in D1 zu messende Temperatur sei nicht wesentlich größer (um etwa 50K) als die des Gehäuses. Daher sei der einzige Unterschied des beanspruchten Gegenstands gegenüber D1, dass die Kontaktfeder als Schnappfeder ausgebildet ist.
Es sei für den Fachmann naheliegend gewesen, den aus D1 bekannten Temperaturfühler "unter Strahlungsheizkörperbedingungen zu verbessern", insbesondere angesichts der Lehre dieses Dokuments zu dem breiten Anwendungsgebiet solcher Fühler (siehe Spalte 1, Zeilen 17 bis 28). Da die entsprechenden Vorteile einer Schnappfeder gegenüber einer normalen Kontaktfeder z.B. aus D9 und D10 bekannt seien, sei der Gegenstand des erteilten Patents für den Fachmann naheliegend.
Auch bei einem Nachbrenner eines Düsentriebwerks, wie bei den Ausführungsbeispielen des Dokuments D1, sei das Ersetzen der in Figur 1 gezeigten Kontaktfeder durch eine Schnappfeder naheliegend gewesen, weil die Vorteile einer Schnappfeder in einem Temperaturfühler bereits bekannt gewesen seien (siehe z.B. D2 und D3). Der Temperaturfühler werde dadurch genauer und zuverlässiger arbeiten sowie langlebiger sein.
VI. Die Beschwerdegegnerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Der in D1 offenbarte Temperaturfühler sei für Strahlungsheizkörper nicht geeignet, weil der von der Beschwerdeführerin zitierte Temperaturbereich lediglich der der Umgebung (d.h. des Gehäuses) sei. Die in D1 zu messende Temperatur sei wesentlich höher (etwa 2000K). Die in einem Nachbrenner eines Düsentriebwerks zu erwartenden Temperaturänderungen seien außerdem wesentlich rascher als die eines Strahlungsheizkörpers.
Es sei für den Fachmann nicht naheliegend gewesen, den aus D1 bekannten Temperaturfühler Strahlungsheizkörperbedingungen anzupassen, weil dies
dem in Spalte 2, Zeilen 20 bis 36 angeführten Zweck dieses Dokuments direkt entgegenstehe.
Wie in der angefochtenen Entscheidung bereits ausgeführt, sei der Fachmann der Meinung gewesen, dass eine Schnappfeder zur Verwendung unter den Bedingungen eines Nachbrenners nicht geeignet wäre, weil sie zu Unzuverlässigkeiten beim Schaltpunkt führen würde.
Auch wenn der Fachmann entscheiden würde, eine Schnappfeder, wie er sie aus der D2 oder der D3 kenne, in einem Temperaturfühler nach D1 zu verwenden, gelange er nicht in einer naheliegenden Weise zu einem Temperaturfühler gemäß dem erteilten Anspruch 1, weil keines dieser Dokumente lehre, dass eine Schnappfeder zwischen zwei Elementen eingespannt sein solle. In D1 zeige nur die Figur 1, dass die Kontaktfeder in dieser Weise eingespannt werde, wohingegen bei den anderen Ausführungsbeispielen (z.B. dem der Figur 5) die Kontaktfeder nur von einer Seite vorgespannt werde. Diese anderen Ausführungsbeispiele seien deshalb mit den Temperaturfühlern der Dokumente D2 und D3 kompatibler als die der Figur 1. Diese eher naheliegende Kombination führe aber nicht zu den in den Absätzen [0015] bis [0017] des Streitpatents erwähnten Vorteilen der Erfindung des erteilten Patents.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Aus den folgenden Gründen ist die Kammer der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
2.1 Obwohl die Kammer, wie ihrerseits bereits die Einspruchsabteilung (siehe Punkt 2.2.5, letzter Absatz der angefochtenen Entscheidung), der Auffassung ist, dass das Dokument D1 als nächstliegender Stand der Technik nicht ideal ist, folgt sie in der vorliegenden Entscheidung dem Vorschlag der Beschwerdeführerin, dieses Dokument als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu verwenden. Es ist nicht bestritten, dass dieses Dokument folgendes offenbart:
Ein Temperaturfühler, welcher Temperaturfühler ein mit einem Gehäuse eines Schalters verbundenes als Rohr gebildetes erstes Ausdehnungselement aufweist, das mit einem als Stab gebildetem weiteren Ausdehnungselement im Bereich seines freien Endes fest verbunden ist, wobei die beiden Ausdehnungselemente verschiedene Wärmeausdehnungskoeffizienten aufweisen, und der Schalter mindestens eine gegen eine Stelle vorgespannte und einen Kontakt tragende Kontaktfeder aufweist und eines der Ausdehnungselemente von einer in dessen axialer Richtung wirkenden Feder beaufschlagt ist, wobei auf eine Seite der Kontaktfeder der Stab und auf die andere Seite die Feder in axialer Richtung des Stabes wirkt, wobei die Feder gegen den Stab über ein Auflager wirkt.
2.2 Das Merkmal, dass der Temperaturfühler "für einen Strahlungsheizkörper" vorgesehen ist, ist derart auszulegen, dass er für diese Verwendung geeignet ist. Das Dokument D1 offenbart nicht ausdrücklich, dass dies der Fall ist. Der einzige in D1 genannte Anwendungsbereich für den Temperaturfühler ist im Nachbrenner eines Düsentriebwerks. Die Beschwerdeführerin machte bezüglich dieses Merkmals geltend, dass trotz dieses unterschiedlichen Zwecks, der in D1 beschriebene Temperaturfühler zur Verwendung in einem Strahlungsheizkörper geeignet sei. In diesem Zusammenhang verwies sie auf den in Spalte 2, Zeile 2 genannten Temperaturbereich sowie die in Spalte 5, Zeilen 10 bis 12 im Zusammenhang mit Figur 1 genannten mechanischen Größen. Die Kammer merkt aber an, dass der aus D1 zitierte Temperaturbereich (900 bis 1000°F, d.h. ungefähr 800K) die Umgebungstemperatur betrifft, wohingegen die zu messende Temperatur in einem Nachbrenner wesentlich höher ist. Die Beschwerdegegnerin hat in diesem Zusammenhang einem Temperaturbereich um 2000K genannt, was die Kammer als glaubhaft betrachtet. Die Ausführung der Beschwerdeführerin, dass die in einem Nachbrenner zu messende Temperatur nur etwa 50K höher als der Umgebungstemperatur und daher im Temperaturbereich eines Strahlungsheizkörpers sei, erachtet die Kammer als nicht nachvollziehbar. Aus diesen Gründen bestehen Bedenken, ob der in D1 offenbarte Temperaturfühler für einen Strahlungsheizkörper geeignet wäre. Die Neuheit des im Anspruch 1 des Streitpatents beanspruchten Gegenstands gegenüber D1 ist trotzdem gegeben, da D1 nicht offenbart, dass die Kontaktfeder als Schnappfeder ausgebildet ist.
2.3 Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdeführerin zwei unterschiedliche Argumente vorgebracht, warum es für den Fachmann naheliegend gewesen sei, die Kontaktfeder des Dokuments D1 durch eine Schnappfeder zu ersetzen.
2.3.1 Erstens hat die Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung ausgeführt, dass es naheliegend gewesen sei, zu versuchen, den aus D1 bekannten Temperaturfühler "unter Strahlungsheizkörperbedingungen zu verbessern", und dass, angesichts der Lehre des Dokuments D9, es ebenfalls naheliegend gewesen sei, das Schaltverhalten des Temperaturfühlers dadurch zu verbessern, die Kontaktfeder als Schnappfeder auszubilden. Die Kammer kann diesem Argument nicht folgen, weil der Zweck der Erfindung des Dokument D1 darin liegt, den Temperaturfühler so auszubilden, dass er bei starken Vibrationen und mechanischen Stößen sowie hoher Temperatur zuverlässig schaltet (siehe insbesondere Spalte 2, Zeilen 20 bis 36). Der Gedanke einen solchen Temperaturfühler einer Umgebung wie der eines Strahlungsheizkörpers anzupassen, geht in eine völlig andere Richtung als die Lehre dieses Dokuments und ist daher für den Fachmann nicht naheliegend. Dass der einleitende Teil des Dokuments D1 (siehe Spalte 1, Zeilen 17 bis 28) weitere Anwendungsgebiete beschreibt, ändert nichts daran, dass die Erfindung dieses Dokuments weitaus anspruchsvollere Anwendungsgebiete betrifft als Strahlungsheizkörper.
2.3.2 Zweitens hat die Beschwerdeführerin vorgebracht, dass es auch im Kontext des Anwendungsgebiets des Dokuments D1 (d.h. im Nachbrenner eines Düsentriebwerks) naheliegend gewesen sei, die Kontaktfeder durch eine Schnappfeder zu ersetzen, weil der Temperaturfühler dadurch genauer und zuverlässiger arbeiten sowie langlebiger sein würde. Auch dieses Argument findet die Kammer nicht überzeugend, weil, wie bereits in der angefochtenen Entscheidung (siehe Punkt 2.2.3) ausgeführt, der Fachmann diese Entwicklung als nachteilig ansehen würde. Denn hierbei würde er befürchten, dass unter starken Vibrationen oder Stößen eine Schnappfeder im falschen Zeitpunkt schalten könnte, sodass die Schaltgenauigkeit des Temperaturfühlers beeinträchtigt würde.
2.3.3 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass es für den Fachmann nicht naheliegend war, die Kontaktfeder des Dokuments D1 durch eine Schnappfeder zu ersetzen.
2.4 Die Kammer ist zudem der Auffassung, dass selbst wenn der Fachmann die Kontaktfeder des Dokuments D1 durch eine Schnappfeder ersetzen würde, er nicht in einer naheliegenden Weise an einen Temperaturfühler gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 gelangen würde.
2.4.1 Zu diesem Punkt merkt die Kammer an, dass eine einfache Kombination des Dokuments D1 mit D2, D3, D9 oder D10 nicht unbedingt zu einem Temperaturfühler gemäß Anspruch 1 des Streitpatents führen würde, weil die Schnappfeder laut dem Anspruch derart angeordnet sein muss, dass sie zwischen zwei Elementen eingespannt wird, einerseits durch den Stab, andererseits durch die Feder und das Auflager. Bei allen Ausführungsbeispielen des Dokuments D1 außer jenem der Figur 1 sowie bei D2, D3, D9 und D10 wird die Kontaktfeder lediglich von einer Seite vorgespannt. Um zu einem anspruchsgemäßen Temperaturfühler zu gelangen, müsste der Fachmann daher entscheiden, genau das Ausführungsbeispiel des Dokuments D1 zu verwenden, das die geringste Kompatibilität mit D2, D3, D9 oder D10 aufweist, obwohl der Stand der Technik keinen Hinweis auf eine zwischen zwei Elementen eingespannte Schnappfeder enthält. Die Kammer ist deshalb der Auffassung, dass eine solche Auswahl nur durch eine ex post Betrachtung des Stands der Technik zustande kommt.
2.4.2 In diesem Zusammenhang merkt die Kammer ferner an, dass die beanspruchte Kombination einer Schnappfeder mit dem Stab und der Feder, die die Schnappfeder beidseitig einspannen, gemäß den Absätzen [0015] bis [0017] des Streitpatents bei Anwendungen, wie z.B. Strahlungsheizkörpern, bei denen hohe Ströme durch die Kontaktfeder fließen, mehrere Vorteile mit sich bringt. Insbesondere ist es möglich, die Vorspannung im kalten Zustand derart einzustellen, dass bei steigender Temperatur die mechanische Spannung der Schnappfeder abnimmt. Dies wirkt sich im Hinblick auf die Materialermüdung durch die hohe Strombelastung positiv aus. Da aus D1 zu entnehmen ist, dass nur niedrige Ströme durch die Kontaktfeder fließen, ist dies ein weitere Hinweis darauf, dass der diesbezügliche Einwand der Beschwerdeführerin auf einer ex post Betrachtung beruht.
3. Aus den vorliegenden Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der einzige von der Beschwerdeführerin erhobene Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des erteilten Patents nicht entgegensteht. Dem Antrag der Beschwerdeführerin, die Beschwerde zurückzuweisen, war damit stattzugeben. Bei dieser Sachlage war daher über die Hilfsanträge 1 bis 9 der Beschwerdegegnerin nicht zu entscheiden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.