European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2013:T155110.20131018 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 18 October 2013 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1551/10 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99952421.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | H04M 17/00 H04M 3/48 H04Q 7/38 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Echtzeitvergebührung von Telekommunikationsverbindungen bei Aufenthalt eines Teilnehmers außerhalb seines Heimatnetzes | ||||||||
Name des Anmelders: | T-Mobile Deutschland GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Swisscom (Schweiz) AG | ||||||||
Kammer: | 3.5.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit- Hauptantrag (nein)- erster Hilfsantrag (nein) Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Ein Einspruch wurde gegen das europäische Patent Nr. 1106011 in seiner Gesamtheit, gestützt auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a), b) und c) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 (1), (2), 56 und 83 EPÜ, am 20. März 2008 eingelegt. Ausführungen zum Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ wurden in der Einspruchsschrift nicht gemacht. Als Einsprechende wurde die Swisscom Mobile AG, CH-3050 Bern genannt.
II. Die Einspruchsabteilung stellte in der angegriffenen Entscheidung fest, dass Anspruch 1 einen klaren technischen Charakter aufweise und das Patent den Erfordernissen des Artikels 83 und 84 EPÜ genüge, dass jedoch der Gegenstand des Anspruchs 1 keine erfinderische Tätigkeit aufweise. Daher wurde das Patent widerrufen. In ihrer Entscheidung bezog sich die Einspruchsabteilung auf die Druckschrift:
E4: WO 97/29609.
III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) form- und fristgerecht Beschwerde ein und begründete dieselbe. Es wurde beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent im Umfang der mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 eingereichten Ansprüche 1 bis 6, auf denen die Widerrufsentscheidung basiert, aufrecht zu erhalten. Hilfsweise wurde beantragt, das Patent im Umfang der Ansprüche 1 bis 6 des der Beschwerdebegründung beigefügten Hilfsantrags aufrecht zu erhalten. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.
In einem Nachtrag vom 14. Oktober 2010 zur Beschwerdebegründung wies die Beschwerdeführerin unter Vorlage einer Kopie einer Internetmitteilung (URL: www.handelsregister-ch.ch) über das Schweizer Handelsregister darauf hin, dass die in der Einspruchsschrift als Einsprechende angegebene Swisscom Mobile AG spätestens am 9. Januar 2008 und somit vor der Einspruchserhebung am 20. März 2008 aus dem Register gelöscht wurde und infolge Fusion auf die Swisscom Fixnet AG (nun Swisscom (Schweiz) AG) übergegangen sei. Zum Nachweis der Rechtsnachfolge wurde ein Internet-Vollauszug des Handelsregisters Bern für Firmennummer CH-035.3.016.930-9 eingereicht. Zwar habe das Europäische Patentamt mit Schreiben vom 6. Februar 2009 mitgeteilt, dass der Name der Einsprechenden mit Wirkung vom 23. Mai 2008 in Swisscom (Schweiz) AG geändert wurde. Dieses Datum liege aber nach dem Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs. Somit sei der Einspruch seinerzeit im Namen einer nicht mehr bestehenden Rechtsperson eingelegt worden und damit unzulässig.
In einem weiteren Nachtrag vom 17. Dezember 2010 wurde eine Kopie eines Handelsregisterauszugs des Kantons Bern (Firmennummer CH-035.3.016.929-1, Blattnummern 159-166) als Nachweis eingereicht, aus dem sich ergebe, dass die Übernahme der Einsprechenden Swisscom Mobile AG gemäß Fusionsvertrag vom 10. Dezember 2007 und Bilanz per 30. September 2007 erfolgt sei. Es wurde zusätzlich beantragt, der Einsprechenden alle Kosten des vorliegenden Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
IV. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) wies in ihrer Beschwerdeerwiderung unter anderem darauf hin, dass die Einspruchsabteilung die Swisscom (Schweiz) AG als Einsprechende identifiziert hat. Sie machte ferner Ausführungen zu Fragen der unzureichenden Offenbarung (Artikel 83 EPÜ), der Klarheit (Artikel 84 EPÜ), der unzulässigen Erweiterung (Artikel 123 (2) EPÜ), der Technizität und der erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ). Sie beantragte, die Beschwerde und den Antrag auf Kostenauferlegung zurückzuweisen. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.
Des weiteren reichte die Beschwerdegegnerin die Entscheidung über den Widerruf des parallelen deutschen Patents durch das Bundespatentgericht (Aktenzeichen 20 W (pat) 49/06) ein.
V. Die Kammer hat mit Schreiben vom 21. Februar 2011 den Parteien mitgeteilt, dass sie beabsichtigte, die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs zusammen mit der Hauptsache zu entscheiden. Mit Schreiben vom 3. Juli 2013 hat die Kammer die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung für den 18. Oktober 2013 geladen und zur Sache vorläufig Stellung genommen.
VI. Mit Schreiben vom 18. September 2013, eingegangen am 19. September 2013, reichte die Beschwerdeführerin Ansprüche 1-5 gemäß Hauptantrag, Ansprüche 1-4 gemäß 1. Hilfsantrag und Ansprüche 1-4 gemäß 2. Hilfsantrag ein und beantragte die Zurückweisung des Einspruchs als unzulässig bzw. die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang eines dieser Anträge.
VII. Mit Schreiben vom 18. September 2013 hat die Beschwerdegegnerin ihren Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde bestätigt.
VIII. Die mündliche Verhandlung fand am 18. Oktober 2013 vor der Kammer statt. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Einspruch als unzulässig zurückzuweisen. Für den Fall, dass der Einspruch nicht als unzulässig zurückgewiesen wird, beantragte sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 5 des Hauptantrags, Ansprüche 1 bis 4 des ersten Hilfsantrags oder Ansprüche 1 bis 4 des zweiten Hilfsantrags (alle Anträge eingereicht mit Schreiben vom 18. September 2013) aufrecht zu erhalten. Der Antrag auf eine andere Verteilung der Kosten wurde zurückgenommen. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Am Ende der Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
IX. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"Verfahren zur Echtzeitvergebührung von Telekommunikationsverbindungen zwischen einem sich außerhalb seines Heimatmobilfunknetzes (3) im Bereich eines fremden Mobilfunknetzes (2) aufhaltenden Mobilfunkteilnehmer (1) und einem Teilnehmer (4), wobei zwischen den Betreibern der Mobilfunknetze (2; 3) ein Roaming-Abkommen besteht,
dadurch gekennzeichnet,
dass bei einem eintretenden Verbindungswunsch des Mobilfunkteilnehmers (1) dieser zunächst ein Nachrichtentelegramm (6), das zumindest die gewünschte Zielrufnummer des Teilnehmers (4) und die Identität des Mobilfunkteilnehmers (1) enthält, an ein spezielles Netzelement (7) im Heimatmobilfunknetz (3) sendet, und das spezielle Netzelement (7) nach Prüfung der im empfangenen Nachrichtentelegramm (6) enthaltenen Daten Telekommunikationsverbindungen (8, 9) zum Teilnehmer (4) und zum Mobilfunkteilnehmer (1) aufbaut, wobei der Aufbau der Telekommunikationsverbindung zwischen dem Mobilfunkteilnehmer (1) und dem Teilnehmer (4) und die Echtzeitvergebührung der Telekommunikationsverbindung (8; 9) vom Heimatmobilfunknetz (3) durchgeführt werden."
Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag umfasst die weiteren Merkmale, dass das Nachrichtentelegramm "in Form einer Kurznachricht (SMS)" und "über die Mobilfunknetze (2; 3)" gesendet wird, dass das spezielle Netzelement nach Prüfung der im empfangenen Nachrichtentelegramm enthaltenen Daten "und eines vorausbezahlten Guthabens des Mobilfunkteilnehmers (1)" die Telekommunikationsverbindungen aufbaut und dass "die Verbindungsentgelte direkt vom Heimatmobilfunknetz (3) abgerechnet und von dem vorausbezahlten Guthaben des Mobilfunkteilnehmers (1) abgebucht werden".
Anspruch 1 gemäß 2. Hilfsantrag lautet wie folgt:
"Verfahren zur Echtzeitvergebührung von Telekommunikationsverbindungen zwischen einem sich außerhalb seines Heimatmobilfunknetzes (3) im Bereich eines fremden Mobilfunknetzes (2) aufhaltenden Mobilfunkteilnehmer (1) und einem Teilnehmer (4), wobei zwischen den Betreibern der Mobilfunknetze (2; 3) ein Roaming-Abkommen besteht,
dadurch gekennzeichnet,
dass ein spezielles Netzelement (7) im Heimatmobilfunknetz (3) angeordnet ist, und dem speziellen Netzelement (7) eine bestimmte Rufnummer zugeordnet ist, die vom Teilnehmer (1) anwählbar ist, wobei im Dialogverfahren die Rufnummer des gewünschten Gesprächsteilnehmers (4) vom Netzelement (7) abgefragt und über die Tastatur eines Endgerätes eingebbar ist, und das spezielle Netzelement (7) nach Prüfung der Daten und eines zugeordneten aktuellen vorausbezahlten Gebührenguthabens des Mobilfunkteilnehmers (1) Telekommunikationsverbindungen (8, 9) zum angerufenen Teilnehmer (4) und zum rufenden Mobilfunkteilnehmer (1) aufbaut, wobei der Aufbau der Telekommunikationsverbindung zwischen dem Mobilfunkteilnehmer (1) und dem Teilnehmer (4) und die Echtzeitvergebührung der Telekommunikationsverbindung (8; 9) vom Heimatmobilfunknetz (3) durchgeführt werden, wobei die Verbindungsentgelte direkt vom Heimatmobilfunknetz (3) abgerechnet und von dem vorausbezahlten Guthaben des Mobilfunkteilnehmers (1) abgebucht werden."
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit des Einspruchs
1.1 Es ist zwischen den Parteien unstrittig, dass die ursprünglich als Einsprechende genannte Swisscom Mobile AG bereits vor Einlegung des Einspruchs im Handelsregister gelöscht worden und die Swisscom (Schweiz) AG - zunächst unter dem früheren Namen Swisscom Fixnet AG - ihre Rechtsnachfolgerin geworden war (siehe oben, Punkt III). Nach Auffassung der Beschwerdeführerin soll deshalb der Einspruch unzulässig sein, da er im Namen einer nicht mehr existierenden Rechtsperson eingelegt worden war.
1.2 Für die Zulässigkeit eines Einspruchs ist es erforderlich, dass der Einsprechende mit Ablauf der Einspruchsfrist identifizierbar ist (siehe T 25/85, ABl. EPA 1986, 81, Punkt 6). Ist dies der Fall, können falsche Angaben berichtigt werden (siehe T 219/86, ABl. EPA 1988, 254, Punkt 5 und T 870/92, Punkt 1.2). Die Swisscom (Schweiz) AG war, wie aus den vorgelegten Handelsregisterauszügen ersichtlich, - zunächst unter ihrem früheren Namen Swisscom Fixnet AG, später unter ihrem jetzigen Namen - die (alleinige) Gesamtrechtsnachfolgerin der ursprünglich als Einsprechende genannten Swisscom Mobile AG. Es ist weder vorgetragen worden noch anderweitig ersichtlich, dass Teile des Geschäftsbetriebs der Swisscom Mobile AG von einer anderen Rechtsperson übernommen worden sind. Daher war, ungeachtet der unrichtigen Angabe des Namens ihrer Rechtsvorgängerin in der Einspruchsschrift, die Swisscom (Schweiz) AG unter ihrem früheren Namen Swisscom Fixnet AG bzw. unter ihrem jetzigen Namen mit Ablauf der Einspruchsfrist als Einsprechende erkennbar und eindeutig identifizierbar. Es ist in der Beschwerderechtsprechung anerkannt, dass prozessuale Erklärungen, die unrichtigerweise in Namen einer bereits verstorbenen Partei oder einer infolge Fusion nicht mehr existenten juristischen Person abgegeben werden, als im Namen des jeweiligen Gesamtrechtsnachfolgers abgegeben angesehen werden können (siehe T 15/01, ABl. EPA 2006, 153, Punkte 2 - 16).
Aus diesen Gründen folgt, dass die unrichtige Bezeichnung der Einsprechenden im vorliegenden Fall gemäß Regel 139 EPÜ korrigiert werden kann.
1.3 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass es genauso wenig Aufgabe der Patentinhaberin und der Einspruchsabteilung sein darf, einen falsch oder unvollständig angegebenen Einsprechenden zu identifizieren wie zum Beispiel die Tatsachen einer unvollständig begründeten Einspruchsbegründung zu ermitteln. Ferner würde es dem Grundsatz der Rechtssicherheit zuwiderlaufen, wenn ein Einspruch im Namen einer erloschenen Firma eingereicht würde, da dadurch eine Täuschung der Öffentlichkeit ermöglicht würde. Eine Korrektur sei nicht möglich, da zum Zeitpunkt des Einspruchs zwar die Löschung, nicht aber die sich hieraus ergebenden Konsequenzen bekannt waren. Eine lückenlose Rechtsnachfolge sei nie dargelegt worden. So hätten mehrere Firmen mit der Bezeichnung Swisscom existieren können.
Diese Argumente überzeugen die Kammer nicht. Wie oben ausgeführt, war mit Ablauf der Einspruchsfrist die Swisscom (Schweiz) AG als Einsprechende identifizierbar. Die Möglichkeit der Täuschung der Öffentlichkeit sieht die Kammer nicht, da die vorgelegten Handelsregisterauszüge nur eine Rechtsnachfolgerin zum Zeitpunkt des Einreichens des Einspruchs zeigen, nämlich die Swisscom (Schweiz) AG unter ihrem früheren Namen Swisscom Fixnet AG bzw. unter ihrem jetzigen Namen. Daher ist eine Korrektur des Namens der Einsprechenden möglich.
1.4 Da eine Nichterfüllung sonstiger Erfordernisse für einen zulässigen Einspruch (Regel 77 EPÜ) weder von der Beschwerdeführerin geltend gemacht wurde noch anderweitig ersichtlich ist, gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Einspruch zulässig ist.
2. Hauptantrag, erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
2.1 Dem beanspruchten Gegenstand liegt laut Patentschrift die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Echtzeitvergebührung von Telekommunikationsverbindungen bei Aufenthalt eines Teilnehmers außerhalb seines Heimatnetzes vorzuschlagen, welches einfach und kostengünstig zu realisieren ist und ohne oder mit nur geringfügigen Änderungen an bestehenden Netzwerkeinrichtungen auskommt (Paragraph [0005] des Streitpatents). Beispielhaft wird die Situation betrachtet, in der für einen im Ausland sich befindenden Teilnehmer dort eine Rufsperre, also eine eingeschränkte Subskription, besteht (Paragraph [0008]).
2.2 Die Kammer geht von E4 als nächstliegendem Stand der Technik aus.
Dieses Dokument geht von einem Teilnehmer mit einer eingeschränkten Subskription im Mobilfunknetz aus, die ihm zwar die Anwahl bestimmter Dienste, z.B. der Notrufdienste, erlaubt, ihn aber selbst nicht über den Sprachkanal erreichbar macht und ihm auch nicht die Anwahl eines anderen Gesprächspartners ermöglicht (Seite 2, Zeilen 2-7). Die in E4 beschriebene Erfindung schafft für solche Teilnehmer und darüber hinaus auch für Teilnehmer, die nicht beliebige Gesprächspartner direkt anrufen können, die Möglichkeit, im Falle eines Gesprächswunsches durch einen Kontrollrechner eine Datenmitteilung über einen zusätzlichen Datenkanal an eine als Gegenstelle fungierende Servicezentrale zu übermitteln (Seite 2, Zeile 32 bis Seite 3, Zeile 5). Die Servicezentrale benutzt die Datenmitteilung, die alle erforderlichen Daten für einen Anruf des gewünschten Gesprächspartner und des Teilnehmers, der die Datenmitteilung versandt hat, enthält, in der Weise, dass der Gesprächspartner und der Teilnehmer durch die Servicezentrale über den Sprachkanal angerufen und dann beide miteinander verbunden werden. Die Servicezentrale tritt hierbei als Makler auf und kann die entstehenden Kosten mit ihrem Kunden (dem Teilnehmer) verrechnen (Seite 3, Zeilen 5-18). Mit anderen Worten ist aus E4 ein Verfahren zur Vergebührung von Telekommunikationsverbindungen zwischen einem (ersten) Mobilfunkteilnehmer und einem zweiten, anzurufenden Teilnehmer bekannt, wobei bei einem eintretenden Verbindungswunsch des (ersten) Mobilfunkteilnehmers dieser zunächst ein Nachrichtentelegramm (die besagte Datenmitteilung), das implizit die gewünschte Zielrufnummer des anzurufenden Teilnehmers und die Identität des ersten Mobilfunkteilnehmers enthält, an ein spezielles Netzelement (die besagte Servicezentrale) sendet, und das spezielle Netzelement nach Prüfung der im empfangenen Nachrichtentelegramm enthaltenen Daten Telekommunikationsverbindungen zum anzurufenden Teilnehmer und zum (ersten) Mobilfunkteilnehmer aufbaut, wobei der Aufbau der Telekommunikationsverbindung zwischen dem (ersten) Mobilfunkteilnehmer und dem anzurufenden Teilnehmer und die Vergebührung der Telekommunikationsverbindung von dem speziellen Netzelement (der Servicezentrale) durchgeführt werden. Da dieses Verfahren nur von einem Netz ausgeht, ist das spezielle Netzelement (die Servicezentrale) Teil dieses Netzes, so dass man auch sagen kann, dass die Vergebührung durch dieses Netz durchgeführt wird.
2.3 Das Verfahren nach Anspruch 1 unterscheidet sich von dem bekannten Verfahren dadurch, dass die Vergebührung in Echtzeit erfolgt (in E4 wird die Art der zeitlichen Erfassung der Vergebührung nicht explizit erwähnt) und dass sich der erste Mobilfunkteilnehmer im Bereich eines fremden Netzes außerhalb seines Heimatnetzes aufhält, wobei zwischen den Betreibern der Mobilfunknetze ein Roaming-Abkommen besteht. Ferner ist das spezielle Netzelement Teil des Heimatnetzes.
2.4 Die durch diese Unterschiede zu lösenden Aufgaben bestehen darin, (1) eine bessere finanzielle Absicherung des Netzbetreibers des (ersten) Teilnehmers und eine bessere Kostenkontrolle durch den (ersten) Teilnehmer zu schaffen und (2) die durch das in E4 beschriebene Verfahren für Teilnehmer mit eingeschränkter Subskription geschaffene Möglichkeit eines Gesprächsaufbaus mit weiteren (anzurufenden) Gesprächspartnern auch im Falle eines Aufenthaltes des (ersten) Teilnehmers außerhalb seines Heimatnetzes zu ermöglichen.
2.5 Die obigen Aufgaben sind ebenso wie ihre beanspruchten Lösungen voneinander unabhängig und können somit unabhängig voneinander betrachtet werden.
2.6 Die Echtzeiterfassung anfallender Verbindungsentgelte ist ein bekanntes Verfahren und, soweit technisch möglich, das bevorzugte Verfahren (siehe Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 19-24). Daher würde der von E4 ausgehende Fachmann, wenn immer möglich, stets eine Echtzeitvergebührung vorsehen. Dieses Merkmal kann somit nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen.
2.7 Die Erweiterung des aus E4 bekannten Verfahrens für den Fall eines Aufenthalts des (ersten) Teilnehmers außerhalb seines Heimatnetzes, das sogenannte Roaming, war für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt naheliegend, da schon der dem Fachmann bekannte, um 1990 geschaffene GSM (Global System for Mobile Communications) Standard ausdrücklich das Roaming vorsieht. Dieser Standard, auf den sich auch das Streitpatent bezieht (Spalte 3, Zeilen 24 und 25), schafft die Möglichkeit, dass sich ein erster Mobilfunkteilnehmer im Bereich eines fremden Netzes außerhalb seines Heimatnetzes aufhält, wobei zwischen den Betreibern der Mobilfunknetze ein Roaming-Abkommen besteht. Zur Lösung der obengenannten Teilaufgabe (2) wäre es somit für den Fachmann naheliegend gewesen, diese aus dem GSM-Standard bekannte Möglichkeit auf das aus E4 bekannte Verfahren anzuwenden. Eine notwendige Folge der Verwendung des aus dem GSM-Standard bekannten Roamings ist, dass die Servicezentrale (das spezielle Netzelement im Wortlaut des Anspruchs) Teil des Heimatnetzes ist, da nur im Heimatnetz alle zur Abrechnung erforderlichen Daten, wie Name, Adresse, Kontoverbindung des (ersten) Mobilfunkteilnehmers und die mit dem Betreiber des Heimatnetzes festgelegten Tarifdetails, vorhanden sind. Dies ist übrigens auch im GSM-Standard der Fall. Und auch nur so wird die technische Voraussetzung dafür geschaffen, dass eine Echtzeitvergebührung möglich ist. Somit sind auch die mit dem Roaming verbundenen Merkmale des Anspruchs für den von E4 ausgehenden Fachmann naheliegend.
2.8 Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen argumentiert, dass mit dem beanspruchten Verfahren erstmals die Möglichkeit geschaffen wurde, das Roaming für Benutzer von Prepaid-Karten zu ermöglichen. Vorher war dies nicht möglich, da die Betreiber der Roaming-Netze keinen Zugriff auf das Guthaben der Prepaid-Karten haben. Diese Möglichkeit habe nur der Netzbetreiber des Heimatnetzes.
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag weist keine eine Prepaid-Karte betreffenden Merkmale auf. Entsprechende Merkmale sind jedoch Gegenstand des Anspruchs 1 des ersten Hilfsantrags. Die Kammer nimmt dort (Punkt 3.1) dazu Stellung.
Alle weiteren von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente betrafen eine in E4 beschriebene Ausführungsvariante, bei der der anzurufende Gesprächspartner möglicherweise in einem anderen Mobilfunknetz erreichbar ist als der anrufende Teilnehmer (Seite 6, Zeilen 31-34). Da jedoch die Kammer bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit auf diese Ausführungsvariante, die von der Beschwerdegegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung erörtert wurde, keinen Bezug nimmt, spielen die diesbezüglich vorgebrachten Argumente hier keine Rolle.
2.9 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ). Der Antrag ist daher nicht gewährbar.
3. Erster Hilfsantrag, erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
3.1 Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags umfasst die weiteren Merkmale, dass das Nachrichtentelegramm "in Form einer Kurznachricht (SMS)" und "über die Mobilfunknetze" gesendet wird, dass das spezielle Netzelement nach Prüfung der im empfangenen Nachrichtentelegramm enthaltenen Daten "und eines vorausbezahlten Guthabens des Mobilfunkteilnehmers (1)" die Telekommunikationsverbindungen aufbaut und dass "die Verbindungsentgelte direkt vom Heimatmobilfunknetz (3) abgerechnet und von dem vorausbezahlten Guthaben des Mobilfunkteilnehmers (1) abgebucht werden".
Das Versenden des Nachrichtentelegramms in Form einer Kurznachricht (SMS) ist aus E4 bekannt (Seite 3, Zeilen 31-33).
Die weiteren zusätzlichen Merkmale dieses Anspruches beziehen sich auf ein vorausbezahltes Guthaben (sogenanntes Prepaid-Guthaben) des Mobilfunkteilnehmers und seine Verwendung zur Abrechnung der aufgebauten Telekommunikationsverbindung. Die Echtzeitvergebührung anfallender Verbindungsentgelte unter Verwendung eines vorausbezahlten Guthabens war als solche zum Prioritätsdatum bekannt. Nicht bekannt war jedoch unter diesen Umständen eine Echtzeitvergebührung von abgehenden Verbindungen aus dem Roamingnetz (siehe Paragraph [0003] des Streitpatents). Die diesen weiteren Merkmalen zugrunde liegende Aufgabe kann somit in der Verwendung der Echtzeitvergebührung in einer Roamingsituation gesehen werden, die bislang technisch nicht möglich war, da das Roamingnetz keinen direkten Zugriff auf das vorausbezahlte Guthaben hatte. Für den von E4 ausgehenden Fachmann ergibt sich der beanspruchte Gegenstand aus folgenden Gründen in naheliegender Weise. Wie schon unter Punkt 2.7 ausgeführt, war es für den Fachmann naheliegend, das aus E4 bekannte Verfahren derart zu erweitern, dass ein Roaming ermöglicht wurde. Dabei ist notwendigerweise das spezielle Netzelement dem Heimatnetz des Mobilfunkteilnehmers zugeordnet, so dass die Vergebührung der Telekommunikationsverbindung durch das Heimatnetz durchgeführt wird, für das ein direkter Zugriff auf das vorausbezahlte Guthaben besteht. In dieser Situation war es für den Fachmann naheliegend, die an sich bekannte Echtzeitvergebührung anfallender Verbindungsentgelte unter Verwendung eines vorausbezahlten Guthabens zu verwenden, wenn er dies für wünschenswert hielt.
3.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ). Der Antrag ist daher nicht gewährbar.
4. Zweiter Hilfsantrag, Zulässigkeit (Artikel 13 (1) und (3) VOBK)
4.1 Die Ansprüche des zweiten Hilfsantrags wurden mit Schreiben vom 18. September 2013, also mithin einen Monat vor der mündlichen Verhandlung und mehr als zwei Monate nach deren Anberaumung eingereicht.
Gemäß Artikel 13 (1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Gemäß Artikel 13 (3) VOBK werden Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.
In Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags ist im wesentlichen das Übersenden eines Nachrichtentelegramms des (ersten) Teilnehmers an das spezielle Netzelement durch ein Dialogverfahren des Teilnehmers mit dem Netzelement ersetzt. Diese Änderung führt zu einem neuen Gegenstand, der bislang nicht Teil des Beschwerdeverfahrens oder des Einspruchsverfahrens war und in dieser Form auch weder in der ursprünglichen Anmeldung noch im Streitpatent beansprucht wurde. Die Zulassung dieses Antrags würde somit eine Zurückverweisung an die Vorinstanz erfordern. Dies wäre aber nicht mit der gebotenen Verfahrensökonomie zu vereinbaren.
4.2 In Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 13 (1) und (3) VOBK ließ die Kammer daher den zweiten Hilfsantrag nicht in das Verfahren zu.
5. Da kein gewährbarer Antrag vorliegt, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.