European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T140510.20110505 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 Mai 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1405/10 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04012602.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | E04B 1/68 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Dichtungselement | ||||||||
Name des Anmelders: | ISO-Chemie GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | HANNO-Werk GmbH & co. KG Tremco illbruck Produktion GmbH Odenwald-Chemie GmbH |
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Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Hauptantrag: erfüllt EPÜ | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Mit ihrer Zwischenentscheidung vom 7. Mai 2010 hat die Einspruchsabteilung das Europäische Patent Nr. 1 600 571 (auf der Basis der Europäischen Patentanmeldung EP 04012602.1) in geändertem Umfang aufrechterhalten.
II. Gegen vorgenannte Entscheidung der Einspruchsabteilung haben alle am Einspruchsverfahren beteiligten Parteien Beschwerde eingelegt.
Die relevanten Daten lauten wie folgt:
a) Patentinhaberin (Beschwerdeführerin I):
- Einlegen der Beschwerde und Entrichten der Beschwerdegebühr am 7. Juli 2010;
- Einreichen der Beschwerdebegründung
am 15. September 2010;
b) Einsprechende OI (Beschwerdeführerin II):
- Einlegen der Beschwerde am 2. Juli 2010;
- Entrichten der Beschwerdegebühr am 5. Juli 2010
- Einreichen der Beschwerdebegründung
am 31. August 2010;
c) Einsprechende OII (Beschwerdeführerin III):
- Einlegen der Beschwerde und Entrichten der Beschwerdegebühr am 28. Juni 2010;
- Einreichen der Beschwerdebegründung
am 10. September 2010.
III. Am 13. Oktober 2010 hat die Firma Odenwald-Chemie GmbH, Ziegelhäuserstr. 25, in D-69250 Schönau (im Weiteren Einsprechende OIII) ihren Beitritt erklärt; gleichzeitig wurde die Einspruchsgebühr entrichtet und eine Einspruchsbegründung eingereicht.
Zum in Artikel 105 EPÜ geforderten Nachweis für den Beitritt hat die Einsprechende OIII eine Kopie der Verletzungsklage der Patentinhaberin vom 15. Juli 2010 eingereicht. Die Verletzungsklage ist gemäß dem Empfangsstempel in der allgemeinen Einlaufstelle der Justizbehörden in München am 15. Juli 2010, eingegangen.
IV. Antragslage
a) Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) beantragte:
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis eines der Anspruchssätze nebst jeweils geänderten Beschreibungen, eingereicht als Hauptantrag und als Hilfsanträge 1 bis 19 mit Schriftsatz
vom 5. April 2011.
b) Die Beschwerdeführerinnen II und III (Einsprechenden OI und OII) sowie die Beitretende (Einsprechende OIII) beantragten:
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Europäischen Patents Nr. 1 600 571.
c) Die Einsprechende OIII (Beitretende) hat ferner einen Beschleunigungsantrag gestellt.
d) Die Beschwerdeführerin III (Einsprechende OII) hat zudem am Beginn der mündlichen Verhandlung vom 5. Mai 2011 einen Beweisantrag (Anlage A des Protokolls der mündlichen Verhandlung) gestellt, diesen dann aber zurückgenommen.
V. Der Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:
"Dichtungselement aus weichem Polyurethanschaumstoff mit einer Luftdurchlässigkeit von höchstens 50 l/m**(2)s, das derart ausgebildet ist, dass es nach Kompression eine
Rückstellung vollzieht,
dadurch gekennzeichnet, dass
aufgrund einer homogenen Tränkung des gesamten Dichtungselements mit einem Imprägnat die Rückstellung des Dichtungselements im wesentlichen über die gesamte Länge und Breite des Dichtungselements homogen ist und verzögert erfolgt."
VI. Relevanter Stand der Technik:
A3: DIN 53887, Ausgabe 08.1986
A4: EP-B1- 0 688 382
A15: DE 3808275 Al
C8: Produktblatt "Luftdurchlassprüfgerät 21443" der Firma "Karl Frank GmbH", Weinheimer Str.6, 6943 Birkenau, Deutschland,
C9: Schreiben (Fax) der Firma "FRANK-PTI GmbH" (Anschrift: Auf der Aue 1, D-68484 Birkenau) vom 28. März 2011 mit Angaben zur Historie der FRANK-Luftdurchlassprüfgeräte zur Messung gemäß DIN 53887.
VII. Eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 5. Mai 2011 statt.
Am Schluss der Verhandlung hat die Kammer ihre Entscheidung verkündet.
VIII. Die Beschwerdeführerin I (Patentinhaberin) stützt sich im Wesentlichen auf folgende Argumente hinsichtlich des Hauptantrags.
Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beruhe auf der Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 2.
Die während dem Prüfungsverfahren am erteilten Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen, nämlich die kausale Beziehung zwischen der homogenen Tränkung mittels einem Imprägnat und die homogene und verzögerte Rückstellung des Dichtungselements, ergäben sich für den Fachmann eindeutig aus der ursprünglich eingereichten Beschreibung (insbesondere aus den Angaben in den Absätzen [0013] und [0014]) und stellten folglich keine unzulässige Erweiterung dar. Daher verletze der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag die Vorschriften des Artikels 100c) EPÜ nicht.
Der Erfindungsgegenstand gemäß dem Hauptantrag sei durch die Unterlagen der ursprünglich eingereichten Anmeldung wie auch des Patents ausreichend beschrieben und offenbart, so dass kein Verstoß gegen Artikel 100b) EPÜ vorliege.
Auch wenn die Definition des Gegenstands laut Anspruch 1 relativ breit sein möge, so betreffe dies laut gängiger Rechtssprechung keine mangelnde Offenbarung im Sinne von Artikel 100b)/83 EPÜ, sondern, wenn überhaupt, eine Frage der Klarheit. Ein Mangel an Klarheit bezüglich der erteilten Unterlagen stelle aber keinen Einspruchsgrund dar und sei damit bezüglich des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag außer Betracht zu lassen.
Die Erfindung, wie im Hauptantrag definiert, sei für den Fachmann durchaus ausführbar.
Die im Anspruch 1 angegebene Obergrenze für den Wert der Luftdurchlässigkeit betreffe entweder das imprägnierte Dichtungselement oder den als Ausgangsmaterial definierten Polyurethanschaumstoff.
Die für die Luftdurchlässigkeit anzuwendende Messmethode sei in der Beschreibung, Absatz [0013] angegeben, nämlich solle "nach DIN 53887 mit einem sogenannten Frank-Gerät" gemessen werden. Wie aus der Anlage C9 ersichtlich habe es am Anmeldetag des Streitpatents nur ein einziges Luftdurchlassprüfgerät der Firma Frank GmbH gegeben, nämlich das Prüfgerät Nr. 21443 (Anlage C8).
Anhand dieser Kenntnisse könne der Fachmann die Messungen der Luftdurchlässigkeit ohne weiteres vornehmen.
Der Erfindungsgegenstand nach Anspruch 1 umfasse sowohl Dichtungselemente mit einer Luftdurchlässigkeit von höchstens 50 l/m**(2)s als auch Dichtungselemente auf der Basis eines Polyurethanschaumstoffes, welcher eine Luftdurchlässigkeit von höchstens 50 l/m**(2)s aufweise, wobei die Messungen im Rahmen der DIN 53887 und unter Berücksichtigung folgender technischen Parameter des Frank-Prüfgeräts (siehe C8, Tabelle auf Seite 2) vorzunehmen seien:
Prüffläche cm**(2): 10, 20, 50 oder 100;
Überdruck mbar: 0 bis 3;
Öffnungsweite mm: max. 25.
Die maximale Öffnungsweite des Prüfgeräts bestimme die maximale Dicke des in das Prüfgerät einzuspannenden Prüfstücks.
Ein weiterer Hinweis, dass der Fachmann diese Lehre ausführen könne, sei der eigenen Anmeldung A4 der Einsprechenden OII zu entnehmen, da dort eine identische Angabe für das Messverfahren der Luftdurchlässigkeit des Schaumstoffes zu lesen sei, vgl. Spalte 2, Zeilen 45 bis 54.
Der beanspruchte Gegenstand sei gegenüber dem genannten Stand der Technik, insbesondere A4 und A15, neu (Artikel 54(1) EPÜ) und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
Die A4 (Ansprüche 1 und 2, Spalte 1, Zeile 29 bis Spalte 3, Zeile 57) offenbare zwei getrennte Ausführungsformen von verzögert rückstellbaren Polyurethanschaumstoffen (Spalte 6, Zeilen 21 und 22), nämlich einen homogen, durchgehend imprägnierten offenzelligen Schaumstoff (Luftdurchlässigkeit von etwa 250 l/m**(2)s) mit gesondert imprägnierten Randbereichen bzw. einen deutlich luftdichteren Schaumstoff (Luftdurchlässigkeit von 30 bis 60 l/m**(2)s), der mittels eines besonderen Imprägnierungsmittels nur in seinen Randbereichen imprägniert sei (Spalte 3, Zeilen 14 bis 46), wobei der Mittelbereich, wenn überhaupt, nur über eine geringe Tiefe imprägniert sei (Spalte 3, Zeile 48 bis Spalte 4, Zeilen 2).
Das beanspruchte Dichtungselement unterscheide sich von A4 durch die Kombination der Merkmale eines dichten Polyurethanschaumstoffes und einer homogenen Tränkung mit einem Imprägnat.
Aus der Wertangabe der Luftdurchlässigkeit in Spalte 3, Zeilen 19 bis 24 der A15 entnehme der Fachmann, dass die A15 einen offenzelligen Schaumstoff verwende, da die Luftdurchlässigkeit umgerechnet mindestens 300 l/m**(2)s bei 1 mbar Differenzdruck erreiche.
Es fehle ebenfalls jede nachvollziehbare Anregung für den Fachmann, den in A4 und A15 offenbarten Stand der Technik in irgendeiner naheliegenden Weise derart zu kombinieren, um zum Dichtungselement gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags zu gelangen.
IX. Die Argumente der Beschwerdeführerinnen II und III (Einsprechende OI und OII) und der Beitretenden (Einsprechende OIII) gegen die Erfindung gemäß dem Hauptantrag können wie folgt zusammengefasst werden.
Das Merkmal des Anspruchs 1, wonach eine verzögerte Rückstellung des Dichtungselements durch homogene Tränkung mit einem Imprägnat erreicht werde, sei ursprünglich nicht offenbart (Artikel 100c) EPÜ). In Absatz [0014] der Veröffentlichung der Patentanmeldung EP-A werde lediglich eine kausale Beziehung zwischen einer homogenen Tränkung und der homogenen Rückstellung offenbart, die gewünschte Verzögerung der Rückstellung sei ihrerseits durch das Raumgewicht des Schaumstoffs und die Restfeuchtigkeit nach Imprägnierung verursacht.
Zudem könnten auch nicht imprägnierte viskoelastische Schaumstoffe verzögert rückstellbar sein.
Aus folgenden Gründen sei die Erfindung gemäß dem Hauptantrag nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könnte (Artikel 100b) EPÜ):
- es existiere kein Imprägnat, welches einen vollkommen luftdichten Polyurethanschaumstoff (der Wert 0,0 l/m**(2)s für die Luftdurchlässigkeit sei vom Anspruch 1 umfasst) tränken könne;
- sowohl im Anspruch 1 wie auch in der Beschreibung, wo im Absatz [0013] lediglich eine DIN Norm und ein sogenanntes Frank-Prüfgerät angegeben werden, fehlten Angaben über den Wert der Dicke des zu messenden Schaumstoffstücks und des die Messung des Luftdurchlasses stark beeinflussenden Differenzdrucks;
- die DIN 53887 (A3) sei nicht anzuwenden, da sie sich mit der Bestimmung der Luftdurchlässigkeit von textilen Flächengebilden und nicht von Schaumstoffen bzw. Dichtungselementen, welche durch eine andere Norm DIN EN ISO 7231 bestimmt sei, befasse;
- die Nachweiskraft des Schreibens der Firma Frank-PTI (C9) werde bestritten, da die zitierte DIN 53887 nicht für Schaumstoffe anzuwenden gewesen sei und kein Beweis vorliege, dass in der Zeit der Anmeldung im Jahr 2004 ausschließlich das Frank-Luftvolumenmessgerät Nr.21443 (C8) der Öffentlichkeit zur Verfügung stand;
- auch wenn der Fachmann beabsichtigt hätte, das Frank-Prüfgerät Nr.21443 für die Messungen der Luftdurchlässigkeit von POLYURETHANSCHAUMSTOFF bzw. daraus hergestellten Dichtungselementen gemäß der DIN 53887 zu verwenden, dann hätten immer noch konkrete Anweisungen für das Festlegen der für den Messvorgang wesentlichen Größen, wie der Prüfstückdicke, der Prüfstückfläche, des Differenzdrucks, gefehlt, um den Messvorgang ausreichend bestimmen zu können; hierzu werden in C8 lediglich Extremwerte für die verschiedenen Messgrößen angegeben, nämlich beispielsweise von 0 bis 3 mbar für den Differenzdruck oder maximal 25 mm für die Öffnungsweite, wobei übrigens der Wert der Öffnungsweite nicht zwangsläufig auch den Wert der Dicke des Prüfstücks bestimme, zumal die Norm 53887 vorsehe, das Prüfstück einzuspannen;
- es fehle ebenfalls eine Angabe im Anspruch 1 über das Imprägniermittel und seine Zusammensetzung;
- die kennzeichnenden Merkmale der abhängigen Ansprüche 2 und 3 des Hauptantrags definierten gewünschte Ergebnisse einer nicht offenbarten Lehre zum konkreten Handeln und verstießen damit auch gegen Artikel 100b) EPÜ.
Ferner sei der gemäß dem Hauptantrag beanspruchte Gegenstand gegenüber der A4 und A15 nicht patentfähig (Artikel 100a)/52(1) EPÜ).
A15 offenbare ein Dichtungselement aus weichem Polyurethanschaumstoff (Spalte 4, Zeile 26 und Spalte 8, Zeile 67 bis Spalte 9, Zeile 1). Die Porendichte des Schaumstoffs von 5 bis 500 Poren pro cm**(2) gemäß Spalte 3, Zeilen 19 bis 24 entspreche derjenigen des in der Beschreibung, Absatz [0013], angegebenen Beispiels von 25 ppi in direktem Zusammenhang mit einer Luftdurchlässigkeit von 40 l/m**(2)s; daraus folge per Analogie aufgrund der Korrelation der Porendichte mit der Luftdurchlässigkeit, dass der Schaumstoff gemäß A15 auch eine Luftdurchlässigkeit von höchstens 50 l/m**(2)s aufweise.
Das Dichtungselement werde homogen mit einem Imprägnat getränkt (Spalte 4, Zeilen 38 bis 43, und Spalte 8, Zeilen 41 bis 45). Aufgrund der homogenen Tränkung erfolge die Rückstellung des Dichtungselements im wesentlichen über die gesamte Länge und Breite des Dichtungselements homogen.
Das in A15 beschriebene Dichtungselement bleibe auch nach Imprägnieren und Trocknen in seinem für den Einbau geeigneten Zustand stets flexibel und reversibel komprimierbar (Spalte 2, Zeilen 23 bis 54), so dass es nach Kompression auch eine verzögerte Rückstellung vollziehe, vgl. Spalte 2, Zeilen 16 bis 20, Spalte 3, Zeile 26 und Spalte 4, Zeilen 45 bis 49.
Würde ein Unterschied des beanspruchten Gegenstands gegenüber der A15 in der Luftdurchlässigkeit liegen, so wäre der Fachmann in der Lage, das Dichtungselement, falls gewünscht, auf der Basis eines luftdichteren Schaumstoffes wie z.B. aus A4 bekannt, herzustellen.
Das beanspruchte Dichtungselement sei ferner aus A4 bekannt oder in naheliegender Weise herleitbar.
In der Beschreibung der A4, vgl. Spalte 2, Zeilen 34 bis 55 und Spalte 3, Zeile 45 bis Spalte 3, Zeile 2, bekäme der Fachmann die Anregung, beide in A4 dargestellten Ausführungsformen zu kombinieren, um zu einem Dichtungselement zu gelangen, welches aus einem relativ luftdichten (Luftdurchlässigkeit von 30 bis 60 l/m**(2)s) und mit einem geeigneten Imprägnat homogen getränkten Polyurethanschaumstoff bestünde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden OI und OII sind zulässig.
Die gemäß Artikel 105 EPÜ beitretende Firma Odenwald-Chemie GmbH ist als Einsprechende OIII am Beschwerdeverfahren beteiligt.
2. Stand der Technik - Artikel 114(1) EPÜ
Die mit Schreiben vom 5. April 2011 der Patentinhaberin eingereichten Anlagen C8 und C9 sind verspätet vorgebracht.
Allerdings scheinen sie prima facie sehr relevant zu sein, insbesondere weil sie das Messverfahren, wie in der Patentbeschreibung, Spalte 2, Zeilen 25 und 26 beschrieben, für das im Anspruch 1 des Hauptantrags enthaltene Merkmal der Luftdurchlässigkeit betreffen und weil sie daher zur Frage der ausreichenden Offenbarung des Erfindungsgegenstands von konkreter Bedeutung sind.
Die Kammer gelang somit zur Entscheidung, diese zwei Anlagen C8 und C9 nach Artikel 114 EPÜ in das Verfahren zuzulassen bzw. aufzunehmen.
3. Hauptantrag: Änderungen - Artikel 100c) EPÜ
Die während dem Prüfungsverfahren am erteilten Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen verstoßen nicht gegen Artikel 100c) EPÜ.
Es geht aus den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen (siehe insbesondere Spalte 2, Zeile 43 bis Spalte 3, Zeile 7 der EP-A) für den Fachmann unmissverständlich hervor, dass:
- einerseits die verzögerte Rückstellung des Dichtungselements aufgrund der Imprägnierung erfolgt, was übrigens auch in der in Spalte 1, Zeile 21 der EP-A als Stand der Technik zitierten A4 in umfangreicher Weise dargestellt wird; und
- andererseits die Rückstellung homogen stattfindet aufgrund einer homogenen Tränkung.
Daraus entnimmt der Fachmann die kausale Beziehung zwischen der homogenen Tränkung mittels eines Imprägnats und der homogen verzögerten Rückstellung des Dichtungselements, wie im Anspruch 1 definiert.
Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beinhaltet demnach kein gegenüber der ursprünglichen Anmeldung neu hinzugefügtes Merkmal und somit auch keine unzulässige Erweiterung nach Artikel 100c) EPÜ.
4. Hauptantrag: Offenbarung - Artikel 100b) EPÜ
Der Erfindungsgegenstand gemäß dem Hauptantrag ist durch die Unterlagen der ursprünglich eingereichten Anmeldung wie auch des Patents ausreichend beschrieben und offenbart und verstößt daher nicht gegen Artikel 100b) EPÜ.
4.1 Das Dichtungselement gemäß dem Anspruch 1 des Hauptantrags ist zwar relativ breit und zum Teil nur unter Heranziehen der Beschreibung klar genug definiert, dennoch ist die im Patent angegebene Lehre so weit ausreichend, dass sie das Ausführen der Erfindung durch einen Fachmann ohne unzumutbaren Aufwand ermöglicht. Zudem stellt ein möglicher Mangel an Klarheit bezüglich erteilter Unterlagen keinen Einspruchsgrund dar und ist daher im Einspruchsverfahren bzw. in dem darauf folgenden Beschwerdeverfahren außer Betracht zu lassen.
Aufgrund des Wortlauts des Anspruchs 1 kann die Obergrenze für den Wert der Luftdurchlässigkeit sowohl einerseits das imprägnierte Dichtungselement als auch andererseits den als Ausgangsmaterial definierten Polyurethanschaumstoff betreffen. Beide Auslegungen des Merkmals "Dichtungselement aus weichem Polyurethanschaumstoff mit einer Luftdurchlässigkeit von höchstens 50 l/m**(2)s" sind im Rahmen der Gesamtoffenbarung möglich, was bereits während der mündlichen Verhandlung durch die Patentinhaberin selbst bestätigt wurde.
Selbstverständlich schließt der Fachmann dabei extrem kleine Werte der Luftdurchlässigkeit aus, da annährend 100% luftdichte Schaumstoffe nicht imprägnierbar sind und da Dichtungen, bestehend aus einem imprägnierbaren Schaumstoffe, durch Tränkung in einem Imprägnat nicht vollkommen luftdicht werden. Das Fehlen eines Minimalwertes für die Luftdurchlässigkeit führt somit zu keinem Mangel der Offenbarung.
Die Frage der Offenbarung betrifft im wesentlichen die Angaben über die Luftdurchlässigkeit bzw. das zur Ermittlung dieses Wertes anzuwendende Messverfahren.
Die Luftdurchlässigkeit ist gemäß der Beschreibung, Absatz [0013], "nach DIN 53887 mit einem sogenannten Frank-Gerät" zu messen.
Die Norm DIN 53887 (A3) ist am Anmeldetag des Streitpatents öffentlich zugänglich gewesen. Es ist unstrittig, dass die DIN 53887 die Bestimmung der Luftdurchlässigkeit von textilen Flächengebilden und nicht von Dichtungselementen aus Schaumstoffen betrifft, und dass für letztere im Jahre 2004 eine spezifische Norm (DIN EN ISO 7231(A14)) existierte. Dennoch bekommt der Fachmann die Anweisung, dass der Maximalwert von 50 l/m**(2)s nach DIN 53887, auch wenn es durchaus eine andere Norm gäbe, zu messen ist. Die Kammer sieht darin keinen Widerspruch oder sonstige Schwierigkeiten für das Ausführen der Erfindung.
Ein weiterer Teilaspekt zur Offenbarung betrifft die Frage, ob ein einziges "sogenannte Frank-Gerät" bzw. mit welchen Parametern im Anmeldejahr 2004 dem Fachmann zur Verfügung stand.
Die Patentinhaberin hat hierzu die Erklärung der Firma FRANK-PTI GmbH vom 28. März 2011 (C9) als Nachweis erbracht, dass es im Zeitraum des Anmeldetags des Streitpatents nur ein einziges Luftdurchlassprüfgerät der Firma Frank GmbH, nämlich das Gerät Nr. 21443 gegeben hat, und dass das Vorgängermodell (Nr. 883) identische messrelevante Spezifikationen aufwies.
Aus der Tabelle auf Seite 2 der Anlage (C8) sind folgende Einstellungen bzw. Spezifikationen des Prüfgeräts Nr. 21443 ersichtlich:
Prüffläche cm**(2): 10, 20, 50 oder 100;
Überdruck mbar: 0 bis 3;
Öffnungsweite mm: max. 25.
Aus der Angabe der Öffnungsweite des Prüfgeräts ergibt sich die maximale Dicke des in das Prüfgerät einzuspannenden Prüfstücks, nämlich 25 mm.
Das Gerät lässt zwar einen Bereich von 0 bis 3 mbar für den Differenzdruck bei der Messung zu; dieser relativ weite Bereich wird aber durch die DIN 53887 (A3) eingegrenzt, in der im Punkt 6.2 ausgeführt ist, dass bei Fehlen besonderer Festlegungen der Differenzdruck zwischen 1 und 2 mbar liegen soll. Da im vorliegenden Fall kein Differenzdruck festgelegt ist, wird der Fachmann aufgrund dieser Angaben auch bei der Messung von Schaumstoff die oberen und unteren Randbereiche des Differenzdrucks bei der Messung vermeiden und im mittleren Bereich von 1 bis 2 mbar messen.
Anhand dieser Kenntnisse kann der Fachmann die Messungen der Luftdurchlässigkeit ohne besondere Schwierigkeiten vornehmen.
Unter die breite Definition des Erfindungsgegenstands nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag fallen nun alle fertig hergestellten Dichtungen mit einer Luftdurchlässigkeit von höchstens 50 l/m**(2)s oder alle Dichtungen aus einem Polyurethanschaumstoff, welcher eine Luftdurchlässigkeit von höchstens 50 l/m**(2)s vor dem Tränken in einem Imprägnat aufweist, wobei die Luftdurchlässigkeit nach der DIN 53887 mit einem Frank-Prüfgeräts Nr. 21443 unter Bestimmung der hierzu geltenden Spezifikationen zu messen ist. Dabei sind im wesentlichen zwei Parameter für den Messvorgang im Rahmen der Angaben in der Tabelle auf Seite 2 der (C8) des Frank-Geräts zu bestimmen, nämlich die Dicke des Dichtungselements bzw. des Prüfstücks des Polyurethanschaumstoffes einerseits und der Über- bzw. der Differenzdruck andererseits.
So ergibt sich als Gegenstand gemäß dem Anspruch 1 des Hauptantrags beispielsweise sowohl ein Dichtungselement mit weniger als 25 mm Dicke weniger als 50 l/m**(2)s Luftdurchlässigkeit gemessen bei z.B. 1 mbar mit dem Frank-Gerät Nr. 21443 als auch ein Dichtungselement aus einem Polyurethanschaumstoff, wobei ein Prüfstück dieses Polyurethanschaumstoffs vor Imprägnierung bei einer Dicke kleiner 25 mm und bei z.B. 2 mbar Differenzdruck eine Luftdurchlässigkeit von weniger als 50 l/m**(2)s gemessen mit dem Frank-Gerät Nr. 21443 aufweist.
Ein zusätzliches Indiz, dass der Fachmann die im Streitpatent angegebene Lehre zum Messvorgang der Luftdurchlässigkeit ausführen kann, ergibt sich daraus, dass der Stand der Technik gemäß A4 zur Frage des Messverfahrens der Luftdurchlässigkeit selbst auf die DIN 53887 und das Frank-Gerät verweist, vgl. Spalte 2, Zeilen 45 bis 54.
Die Kammer gelang daher zum Ergebnis, dass die Erfindung, wenn im Anspruch 1 auch breit definiert, im Sinne von Artikel 83/100b) EPÜ ausreichend offenbart ist.
4.2 Die Einsprechenden bemängeln ferner, dass die abhängigen Ansprüche 2 und 3 gemäß Hauptantrag Artikel 100b) EPÜ ebenfalls verletzten, da ihre kennzeichnenden Merkmale ausschließlich gewünschte Ergebnisse definierten, ohne jedoch eine entsprechende Offenbarung im Patent der dafür einzusetzenden Mittel bzw. einer ausreichenden Lehre zum Handeln für den Fachmann anzugeben.
Laut gängiger Rechtssprechung der Beschwerdekammern fallen Merkmale, die ausschließlich zu erzielende Effekte bzw. Ergebnisse betreffen, wenn überhaupt, unter den Einwand der mangelnden Klarheit, was im an dem Einspruchsverfahren anschließenden Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen ist, da die Merkmale bereits in den erteilten Ansprüchen 3 und 4 definiert waren.
Zudem liegt es im Rahmen der üblichen Aktivität des Fachmannes, Produkte hinsichtlich ihres Rückstellvermögens bei unterschiedlichen Betriebsbedingungen oder Einsatzgegebenheiten zu testen.
Die Kammer kann somit keine mangelnde Ausführbarkeit der Erfindung aufgrund der Merkmale der abhängigen Ansprüche 2 und 3 nachvollziehen.
4.3 Der Einwand nach Artikel 100b) gegenüber dem Hauptantrag ist damit nicht begründet.
5. Hauptantrag: Patentfähigkeit - Artikel 100a) EPÜ
5.1 Gegenüber A4
5.1.1 Die A4 befasst sich mit einem Dichtungselement aus Polyurethanschaumstoff, welches sich durch gezielt unterschiedlich eingesetzte Imprägnierung in seinen Randbereichen nach Kompression langsamer als im mittleren Bereich zurückstellt, wobei das Dichtungselement im Querschnitt ein sogenanntes glockenförmiges Profil einnimmt (vgl. Ansprüche 1 und 2; Spalte 1, Zeile 29 bis Spalte 3, Zeile 57; Spalte 4, Zeile 56 bis Spalte 5, Zeile 9; Spalte 6, Zeilen 21 und 22 und Figuren). Dabei werden zwei getrennte Ausführungsformen von verzögert rückstellbaren Polyurethanschaumstoffen definiert, die sich durch die Luftdurchlässigkeit des Schaumstoffes und durch das Imprägnieren bzw. durch die eingesetzten Imprägnate unterscheiden.
Die erste Ausführungsform beruht auf einem homogen, durchgehend imprägnierten offenzelligen Schaumstoff mit einer relativ hohen Luftdurchlässigkeit, nämlich im Wert von etwa 250 l/m**(2)s. Die Randbereiche des Dichtungselements werden entweder verstärkt imprägniert oder mit einem weiteren Imprägnat überimprägniert (s. Spalte 1, Zeilen 47 bis 51; Spalte 3, Zeilen 29 bis 34). Dadurch wird erfindungsgemäß nach A4 erreicht, dass die Rückstellung in den Randbereichen wesentlich mehr verzögert wird als in der Mitte und sich eine Haubenform einstellt.
Die sogenannte zweite Version der Erfindung nach A4 geht von einem deutlich luftdichteren Polyurethanschaumstoff aus (Spalte 2, Zeilen 50 bis 54: Luftdurchlässigkeit von 30 bis 60 l/m**(2)s). Dort werden mit einem besonderen Imprägnierungsmittel auf reiner Paraffinbasis (Spalte 3, Zeilen 19 bis 20) die Randbereiche imprägniert bzw. überimprägniert. Das Überimprägnieren betrifft eine Weiterbildung der zweiten Version, bei welcher der Mittelbereich auch imprägniert ist, aber dann ausschließlich über eine geringe Tiefe, also nicht homogen getränkt ist (vgl. Spalte 3, Zeile 48 bis Spalte 4, Zeilen 2).
5.1.2 Es geht somit eindeutig hervor, dass das beanspruchte Dichtungselement gegenüber jeder der beiden Erfindungsversionen der A4 durch die kombinierten Merkmale eines relativ "luftdichten" (nicht mehr als 50 l/m**(2)s) Polyurethanschaumstoffes zusammen mit einer homogenen Tränkung mit einem Imprägnat unterscheidet und somit im Sinne von Artikel 54 EPÜ neu ist.
5.1.3 Durch diese unterscheidenden Merkmale wird ein homogen verzögertes Rückstellen eines relativ luftdichten Dichtungselements ermöglicht.
Der Fachmann hat demnach bereits schon vom Ansatz her überhaupt keinen Anlass, von der in A4 als Erfindungskern dargestellten gezielt nicht-homogen verzögerten Rückstellung und von dem dabei entstehenden sogenannten Glockenprofil abzuweichen, um zu einem homogen verzögert rückstellbaren Gegenstand zu gelangen.
Ein Heranziehen der A15, für das Imprägnieren als homogenes und durchdringendes Tränken mit einem Imprägnat, kommt aus denselben Gründen und Überlegungen dann ganz offensichtlich für den Fachmann auch nicht in Betracht.
Zudem würde der Fachmann keinen Hinweis in A4 finden können, welches Imprägniermittel für eine homogene Tränkung des Dichtungselements gemäß der zweiten Version der A4 überhaupt zu verwenden wäre.
5.1.4 Der Gegenstand des Hauptantrags lässt sich daher auch nicht in naheliegender Weise ausgehend von A4 herleiten.
5.2 Gegenüber A15
5.2.1 Die A15 betrifft Brandschutzelemente, die im feuchten, flexiblen Zustand einzubauen sind und unter anderem auch Anwendung als Dichtungselemente finden, s. Spalte 1, Zeilen 3 bis 9 und Spalte 10, Zeilen 24 bis 35. Sie können aus einem reversibel komprimierbaren Polyurethanschaumstoff bestehen (Spalte 8, Zeile 67 bis Spalte 9, Zeile 1), der homogen und komplett imprägniert werden kann (Spalte 8, Zeilen 40 bis 45). Es entsteht damit eine nach Kompression verzögerte Rückstellung des Schaumstoffes (Spalte 4, Zeilen 45 bis 49), wobei die Verzögerung aufgrund der homogenen Tränkung mit Imprägnat über die Gesamtfläche des Dichtungselements homogen erfolgen muss.
Im eingebauten Zustand und nach dem Trocknen verfestigt sich dann mechanisch das Dichtungselement und wird brandabweisend und weitgehend gasdicht (Spalte 1, Zeilen 7 bis 9).
5.2.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich von dem Stand der Technik nach A15 durch einen geringeren Luftdurchlässigkeitswert des Dichtungselements bzw. seines Basiswerkstoffes, nämlich des zu imprägnierenden Polyurethanschaumstoffes.
Die Angaben über den Wert der Luftdurchlässigkeit des Schaumstoffes gemäß Spalte 3, Zeilen 19 bis 24 der A15, entsprechen, unter der Annahme, dass es sich dort realistischerweise um den Durchfluss in Liter pro Minute handeln muss, bei dem zehnfachen Differenzdruck von 1 mbar (statt 10 Pascal) entsprechend der Norm A3 und den Bestimmungswerten des Frank-Prüfgerätes und der maximal halben Dicke von 25 mm (statt 5 cm), einem Wert von mindestens 300 l/m**(2)s.
Dieser Wert liegt deutlich über der beanspruchten Obergrenze von 50 l/m**(2)s.
Die daraus folgende objektive Aufgabe würde dann lauten, das Dichtungselement luftdichter zu machen.
5.2.3 Es stellt sich zuerst die Frage, ob die objektive Aufgabe in der A15 eine konkrete Resonanz finden kann, zumal das dort erreichte Dichtungselement nach dem Trocknen bereits schon als "weitgehend gasdicht" definiert ist.
Möchte der Fachmann die Gas- bzw. Luftdurchlässigkeit des bekannten Dichtungselement dennoch noch weiter reduzieren, so könnte er keine Lösung im zitierten Stand der Technik finden, um bei weiterbestehendem homogenen Tränken mit einem Imprägnat einen erheblich dichteren Schaumstoff auszuwählen. Es liegt kein Nachweis einer derartigen Kombination vor.
Die von den Beschwerdeführerinnen II und III herangezogene A4 kann auch keine entsprechende Anregung liefern, da bei der dort beschriebenen zweiten Version mit der entsprechend geringen Luftdurchlässigkeit nur die Randbereiche imprägniert sind. Eine homogen Imprägnierung findet hier gerade nicht statt.
5.2.4 Das beanspruchte Dichtungselement unterscheidet sich somit von dem Stand der Technik gemäß A15 durch nicht naheliegende Maßnahmen.
5.3 Der Gegenstand des Hauptantrags erfüllt also die Erfordernisse der Neuheit (Artikel 54(1) EPÜ) und der erfinderischen Tätigkeit (Artikel56 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit den Unterlagen gemäß Hauptantrag wie folgt aufrechtzuerhalten:
Ansprüche: 1 bis 5, nach Hauptantrag
vom 5. April 2011
Beschreibung: Spalten 1 bis 3 nach Hauptantrag
vom 5. April 2011
Figuren: keine.