T 0989/10 () of 23.1.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T098910.20120123
Datum der Entscheidung: 23 Januar 2012
Aktenzeichen: T 0989/10
Anmeldenummer: 05790133.2
IPC-Klasse: B29C 45/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zum Formen von Gegenständen mit kuppelbarem Druck- oder Temperatursensor
Name des Anmelders: Priamus System Technologies AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 114(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag, Hilfsanträge 1 bis 3, nein)
Zulässigkeit des Hilfsantrags 4 (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 05 790 133.2 zurückgewiesen worden ist, Beschwerde eingelegt.

II. Die Zurückweisung der Anmeldung wurde in der angefochtenen Entscheidung mit einem Mangel an erfinderischer Tätigkeit begründet.

III. Am 23. Januar 2012 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge 1 bis 3, alle eingereicht am 23. Dezember 2011, oder des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 4 zu erteilen.

V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"1. Vorrichtung zum Formen von Gegenständen in einer Kavität (12), die zumindest teilweise von einem Einsatz (6, 11) in einer Formplatte (1, 2) gebildet ist und wobei der Einsatz (6, 11) entfernbar in einer Ausnehmung (7, 13) in der Formplatte (1, 2) sitzt und wobei sich in dem Einsatz (11) zur von dem Einsatz ausgebildeten Kavitätsinnenwand (18) hin ein Sensor (16) befindet, der mit einem ersten Kupplungsteil (20) verbunden ist, dem ein zweites Kupplungsteil (21) in der Formplatte (2) zugeordnet ist und wobei sich beim Herausziehen des Einsatzes (11) aus der Ausnehmung (13) das erste Kupplungsteil (20) von dem zweiten Kupplungsteil (21) löst,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Sensor (16) mit dem ersten Kupplungsteil (20) über eine Leitung (19) verbunden ist."

Der jeweilige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 und 2 lautet wie folgt:

"1. Vorrichtung zum Formen von Gegenständen in einer Kavität (12), die zumindest teilweise von einem Einsatz (6, 11) in einer Formplatte (1, 2) gebildet ist, wobei der Einsatz (6, 11) entfernbar in einer Ausnehmung (7, 13) in der Formplatte (1, 2) sitzt und wobei sich in dem Einsatz (11) zur von dem Einsatz ausgebildeten Kavitätsinnenwand (18) hin ein Sensor (16) zur Ermittlung eines Kavitäteninnendrucks befindet, der mit einem ersten Kupplungsteil (20) verbunden ist, dem ein zweites Kupplungsteil (21) in der Formplatte (2) zugeordnet ist, an das eine Leitung (24) anschliesst, wobei die Kupplung aus erstem Kupplungsteil (20) und zweitem Kupplungsteil (21) als Schnellkupplung ohne Verriegelung ausgestaltet ist, und wobei sich beim Herausziehen des Einsatzes (11) aus der Ausnehmung (13) das erste Kupplungsteil (20) von dem zweiten Kupplungsteil (21) löst,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Sensor (16) mit dem ersten Kupplungsteil (20) über eine Leitung (19) verbunden ist und die Leitung (19) und/oder die Leitung (24) hochisolierend mit einem Isolationswiderstand der Leitungsisolation von mindestens 10**(12) Ohm ausgelegt ist/sind."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 lautet wie folgt:

"1. Vorrichtung zum Formen von Gegenständen in einer Kavität (12), die zumindest teilweise von einem Einsatz (6, 11) in einer Formplatte (1, 2) gebildet ist, wobei sich in dem Einsatz (11) zur von dem Einsatz ausgebildeten Kavitätsinnenwand (18) hin ein Sensor (16) zur Ermittlung eines Kavitäteninnendrucks befindet, der mit einem ersten Kupplungsteil (20) verbunden ist, dem ein zweites Kupplungsteil (21) in der Formplatte (2) zugeordnet ist, an das eine Leitung (24) anschliesst, wobei die Kupplung aus erstem Kupplungsteil (20) und zweitem Kupplungsteil (21) als Schnellkupplung ohne Verriegelung ausgestaltet ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Sensor (16) mit dem ersten Kupplungsteil (20) über eine Leitung (19) verbunden ist und die Leitung (19) hochisolierend mit einem Isolationswiderstand der Leitungsisolation von mindestens 10**(12) Ohm ausgelegt ist/sind."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 durch die am Ende des Anspruchs angefügten Merkmale:

", wobei der Kavitäteninnendrucksensor (16) mit Hilfe eines Widerstands codierbar und für die Codierung eine zusätzliche entkoppelbare Leitung vorgesehen ist."

VI. Die vorliegende Entscheidung bezieht sich auf die Dokumente

D1: DE-A-39 39 728 und

D2: US-B-6 212 963.

VII. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Der Unterschied des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gegenüber Dokument D1 liege darin, dass der Sensor mit dem Kupplungsteil nicht direkt sondern über eine Leitung verbunden sei. Bei Formwerkzeugen mit austauschbarem Einsatz müsse die Kupplung zwischen Einsatz und Formplatte immer an derselben Stelle angeordnet sein, der Ort des Sensors zum Messen des Kavitäteninnendrucks oder der Temperatur sei jedoch abhängig von der Geometrie des Einsatzes. Wenn Kupplung und Sensor, wie bei Dokument D1, direkt miteinander verbunden seien, sei die Position des Sensors ebenfalls unveränderlich, während bei Verbindung von Sensor und Kupplung über eine Leitung, der Ort des Sensors variiert werden könne. In Dokument D2 sei zwar in Figur 7 die Verbindung eines Sensors mit einer Buchse über eine Leitung gezeigt, jedoch handele es sich hierbei nicht um einen austauschbaren Einsatz. Der in Figur 5 dieses Dokuments gezeigte Mehrkavitäteneinsatz werde von hinten in den festen Werkzeugblock eingeschoben und nach hinten wieder entfernt, so dass dabei keine Kupplung vorgesehen sein könne. Ein Fachmann würde demnach Dokument D2 nicht heranziehen, um ein Problem, das bei einem gemäß Dokument D1 gestalteten Formwerkzeug im Hinblick auf die Positionierbarkeit des Sensors auftrete, zu lösen. Somit sei eine Kombination der Dokumente D1 und D2 nicht naheliegend, und der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruhe deshalb auf einer erfinderischen Tätigkeit.

An eine Leitung, die in einem Formwerkzeug einer Spritzgießmaschine Signale eines Piezo-Drucksensors übertrage, seien hohe Anforderungen zu stellen. So sei zur störungsfreien Übertragung der empfindlichen Signale ein hoher Isolationswiderstand erforderlich, der bei den hohen, im Werkzeug auftretenden Temperaturen äußerst schwierig zu erreichen sei. Die in Dokument D2 für die Ummantelung der Leitung aufgeführten Materialien Teflon und Kapton könnten bei solchen Umgebungsbedingungen den in Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 angegebenen Isolationswiderstand der Leitungsisolation von mehr als 10**(12) Ohm nicht gewährleisten. Deswegen stelle ein solcher Isolationswiderstand eine erfinderische Tätigkeit dar.

Aus Seite 4, dritter Absatz, der Anmeldung ergebe sich zwar, dass das Kodieren von Sensoren über Widerstände ein bekanntes Vorgehen darstelle, die in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 definierte zusätzliche entkoppelbare Leitung stelle jedoch demgegenüber eine nicht naheliegende Maßnahme dar.

Entscheidungsgründe

1. Als nächstliegender Stand der Technik für die vorliegende Anmeldung ist Dokument D1 zu sehen, das die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag offenbart. Dieser Punkt war im Verfahren unstrittig. Der Unterschied des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag zu diesem Dokument liegt somit in dem Merkmal, dass der Sensor mit dem ersten Kupplungsteil über eine Leitung verbunden ist.

Wie auf Seite 4, erster Absatz, der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (PCT-Veröffentlichung) angedeutet, wird eine solche Leitung entsprechend der Gegebenheiten eingesetzt oder nicht. Wenn die Dicke des Einsatzes zu groß ist, um den Sensor mit dem ersten Kupplungsteil direkt verbinden zu können, ist demnach eine Verbindungsleitung erforderlich. Dies entspricht üblicher fachmännischer Vorgehensweise, da es generell die einfachste Lösung ist, zwei elektrische Komponenten über eine Leitung zu verbinden, wenn die Distanz zwischen ihnen zu groß ist, um sie direkt miteinander verbinden zu können.

Dokument D2 zeigt dem Fachmann zudem, dass es auch kein Problem darstellt, einen Piezodrucksensor eines Spritzgießwerkzeugs mit dem zugehörigen Kupplungsteil über eine Leitung zu verbinden. Figur 7 dieses Dokuments zeigt eine Ausführung, bei der aufgrund der Distanz zwischen Drucksensor 14 und zugehörigem Kupplungsteil 19 die elektrische Verbindung dieser beiden Komponenten über eine Leitung 9 erfolgt.

Weitergehende Überlegungen, wie etwa eine von der koaxialen Anordnung von Sensor und Kupplungsteil abweichende, beliebige örtliche Anordnung des Sensors, ergeben sich weder aus dem Anspruchswortlaut noch aus der Anmeldung. Allerdings weist auch Dokument D1 schon darauf hin, dass die auswechselbaren Einsätze für unterschiedliche Formen benutzt werden können (vgl. Spalte 5, Zeilen 49 bis 53). Wenn aufgrund der dann unterschiedlichen Geometrie der Formen der Sensor jeweils an unterschiedlichen Orten angebracht werden muss, stellt auch hierbei eine Leitungsverbindung zwischen Sensor und dem Kupplungsteil, dessen Position vorgegeben ist, die einfachste Lösung dar.

Die Verbindung von Sensor und Kupplungsteil über eine Leitung stellt somit eine von den Gegebenheiten abhängige, naheliegende Maßnahme dar, so dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

2. Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 spezifiziert im Unterschied zu Dokument D1 weiter, dass die Leitung hochisolierend mit einem Isolationswiderstand der Leitungsisolation von mindestens 10**(12) Ohm ausgelegt ist. Für die Verbindung des Piezodrucksensors mit dem zugehörigen Kupplungsteil schlägt Dokument D2 eine Leitung vor, die eine Ummantelung aus Teflon oder Kapton aufweist (vgl. Spalte 2, Zeilen 61 bis 63). Diese Materialien weisen einen Isolationswiderstand auf, der mehrere Größenordnungen über 10**(12) Ohm·cm liegt, so dass sich bei ihrer Verwendung für die Ummantelung der Leitung bei den in Einsätzen von Formwerkzeugen einer Spritzgießmaschine zu erwartenden Leitungslängen ein Isolationswiderstand der Leitung von mindestens 10**(12) Ohm ergibt. Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 schränkt weder die Leitungslänge noch den Temperaturbereich, in dem der Isolationswiderstand ermittelt wird, ein. Der Anspruch liefert auch keine Angabe zum zu formenden Material, die eine Einschränkung auf eine extrem hohe Temperatur, bei der Teflon oder Kapton möglicherweise den genannten Isolationswiderstand nicht mehr gewährleisten können, zuließe. Ein Fachmann, der entsprechend den Hinweisen in Dokument D2 den Drucksensor mit dem Kupplungsteil über eine Leitung mit einer Ummantelung aus Teflon oder Kapton verbindet, gelangt somit zwangsläufig zu der in Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 spezifizierten Leitung.

Somit beruht auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3. Der Hilfsantrag 4 wurde in der mündlichen Verhandlung vorgelegt und ist damit als verspätet eingereicht im Sinne des Artikels 114(2) EPÜ und des Artikels 13(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) anzusehen. Durch die Aufnahme der auf die Kodierung des Drucksensors und die hierfür vorgesehene zusätzliche und entkoppelbare Leitung gerichteten Merkmale wird ein Sachverhalt geschaffen, der im bisherigen Beschwerdeverfahren keine Rolle im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit gespielt hat. Dieser Sachverhalt war weder in der Beschwerdebegründung noch in der Antwort auf die zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung geäußerte vorläufige Meinung der Kammer, in der das bisherige Vorbringen der Beschwerdeführerin als nicht zielführend bezeichnet wurde, von der Beschwerdeführerin angesprochen worden. Im Prüfungsverfahren wurden die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 sowohl im internationalen vorläufigen Bericht über die Patentierbarkeit vom 29. Januar 2007 (vgl. Punkt 3.5) als auch im Prüfungsbescheid vom 19. August 2008 (vgl. Punkt 2) als nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend bezeichnet, so dass eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungsabteilung wegen dieses neuen Sachverhalts nicht zweckmäßig ist. Die Kammer war andererseits im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage zu prüfen, ob die Aussage der Prüfungsabteilung oder die Aussage der Beschwerdeführerin zu diesen zusätzlichen Merkmalen zutreffend ist. Für einen solchen Fall schreibt Artikel 13(3) VOBK vor, dass die Änderungen nicht zugelassen werden. Einen Ermessensspielraum für die Zulassung der Änderungen gibt es hierbei nicht.

Aus diesem Grunde wird der Hilfsantrag 4 in Einklang mit Artikel 13(3) VOBK nicht zugelassen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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