T 0655/10 () of 30.4.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T065510.20130430
Datum der Entscheidung: 30 April 2013
Aktenzeichen: T 0655/10
Anmeldenummer: 02706680.2
IPC-Klasse: G05B 19/418
G05B 19/43
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: System zur automatisierten Behandlung von Fluiden, mit aneinanderreihbaren, austauschbaren Prozessmodulen
Name des Anmelders: Siemens Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Festo AG & Co.
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(3)
Schlagwörter: Neuheit (ja nach Änderung)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 364 261.

Die erteilte Fassung des Patents entspricht ohne Änderung der veröffentlichten internationalen Anmeldung WO 02/065221 A2.

II. In der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung u. a. fest, dass Anspruch 1 des Streitpatents zwar auf die Möglichkeit hinweise, eine Verbindungseinheit zwischen die jeweils benachbarten Fluidbus-Schnittstellen zweier aufeinanderfolgender Prozessmodule zu schalten. Es gehe jedoch aus dem Anspruchswortlaut nicht hervor, dass eine solche Verbindungseinheit im beanspruchten System tatsächlich angebracht ist. Aus diesem Grund sei der Gegenstand von Anspruch 1 nicht neu gegenüber folgendem Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ:

D3: WO-A-01/36085.

Unter Punkt 5. der Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung außerdem die Ansicht, dass der Anspruchsgegenstand nicht nur neu gegenüber D3, sondern auch im Hinblick auf den verfügbaren Stand der Technik erfinderisch wäre, wenn der unabhängige Anspruch spezifizieren würde, dass zwischen jeweils zwei benachbarte Fluidbus-Schnittstellen eine Verbindungseinheit tatsächlich geschaltet ist.

III. Mit der Beschwerdebegründung vom 20. Mai 2010 reichte die Beschwerdeführerin Ersatzseiten 2 und 7 des Streitpatents mit einem geänderten Anspruch 1 und einer entsprechend geänderten Beschreibungseinleitung ein. Zur Begründung der Beschwerde wurde auf Punkt 5. der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

IV. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) erwiderte nicht auf die Beschwerde.

V. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2012 teilte die Kammer den Parteien mit, dass sie keinen Anlass sehe, die Schlussfolgerungen der Einspruchsabteilung bezüglich der Patentierbarkeit eines im Sinne von Punkt 5. der angefochtenen Entscheidung geänderten Anspruchs 1 in Frage zu stellen. In der Tat unterscheide sich das erfindungsgemäße System von D3 im Wesentlichen durch eine Verbindungseinheit, welche die Realisierung unterschiedlicher Verbindungsmuster zwischen den Kanalabschnitten benachbarter Prozessmodule ermöglicht.

VI. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2012 reichte die Beschwerdeführerin neue Beschreibungsseiten 2 und 3 sowie Anspruchsseiten 17 und 17a der veröffentlichten Anmeldung ein. Sie beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Basis der geänderten Unterlagen aufrechtzuerhalten.

Seitens der Beschwerdegegnerin wurde kein Antrag gestellt.

VII. Anspruch 1 gemäß dem Antrag der Beschwerdeführerin lautet wie folgt:

"System zur automatisierten Behandlung von Fluiden mit aneinanderreihbaren, austauschbaren Prozessmodulen (1-4; 39-43; 67-71), die jeweils eine Steuerungseinheit (5) und eine von dieser zur Durchführung einer modulspezifischen Prozessfunktion im Rahmen der Behandlung der Fluide steuerbare Fluideinheit (6) aufweisen, und mit mindestens einer Verbindungseinheit (21; 51; 76), mit der je nach Montagestellung mindestens zwei unterschiedliche Verbindungsmuster eingestellt werden können, wobei die Steuerungseinheiten (5) über einen den Prozessmodulen (1-4; 39-43; 67-71) gemeinsamen Datenbus (11; 48; 72) und die Fluideinheiten (6) über einen mehrere Kanäle aufweisenden Fluidbus (13; 49; 73) miteinander verbunden sind, wobei für zumindest einen Teil der Kanäle innerhalb jedes Prozessmoduls (1-4; 39-43; 67-71) ein Fluidbus-Abschnitt (18) ausgebildet ist, der an seinen Enden Fluidbus-Schnittstellen (19; 52; 74, 75) aufweist, und wobei zwischen die jeweils benachbarten Fluidbus-Schnittstellen (19; 52; 74, 75) zweier aufeinanderfolgender Prozessmodule (1-4; 39-43; 67-71) die mindestens eine Verbindungseinheit (21; 51; 76) in mindestens zwei unterschiedlichen Montagestellungen schaltbar ist, in denen sie die an den benachbarten Fluidbus-Schnittstellen (19; 52; 74, 75) der beiden Prozessmodule (1-4; 39-43; 67-71) jeweils endenden Kanalabschnitte in unterschiedlichen Verbindungsmustern miteinander verbindet."

Ansprüche 2 bis 11 sind von Anspruch 1 abhängig und entsprechen den abhängigen Ansprüchen der internationalen Anmeldung.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Artikel 123 (2) und (3) EPÜ

2.1 Anspruch 1 gemäß dem Antrag der Beschwerdeführerin unterscheidet sich von Anspruch 1 des Streitpatents im Wesentlichen dadurch, dass das beanspruchte System zusätzlich mindestens eine "Verbindungseinheit" aufweist, "mit der je nach Montagestellung mindestens zwei unterschiedliche Verbindungsmuster eingestellt werden können".

Das obige Merkmal ist durch Seite 3, Zeilen 23 bis 25, der veröffentlichten internationalen Anmeldung gestützt und erweitert offensichtlich nicht den Schutzbereich des Streitpatents.

Durch die Ersatzseiten 2 und 3 ist die Beschreibung lediglich dem neuen Anspruch 1 angepasst worden.

2.2 Somit verstoßen die dem Antrag der Beschwerdeführerin zugrunde liegenden Unterlagen nicht gegen Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.

Neuheit

3.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 besteht aus folgenden Merkmalen (vgl. Merkmalsanalyse der Einspruchsabteilung, Punkt 3.1 der Entscheidung):

a) System zur automatisierten Behandlung von Fluiden mit aneinanderreihbaren, austauschbaren Prozessmodulen,

b) die jeweils eine Steuerungseinheit und eine von dieser zur Durchführung einer modulspezifischen Prozessfunktion im Rahmen der Behandlung der Fluide steuerbare Fluideinheit aufweisen,

b') und mit mindestens einer Verbindungseinheit, mit der je nach Montagestellung mindestens zwei unterschiedliche Verbindungsmuster eingestellt werden können,

c) wobei die Steuerungseinheiten über einen den Prozessmodulen gemeinsamen Datenbus und die Fluideinheiten über einen mehrere Kanäle aufweisenden Fluidbus miteinander verbunden sind,

d) wobei für zumindest einen Teil der Kanäle innerhalb jedes Prozessmoduls ein Fluidbus-Abschnitt ausgebildet ist, der an seinen Enden Fluidbus-Schnittstellen aufweist, und

e) wobei zwischen die jeweils benachbarten Fluidbus-Schnittstellen zweier aufeinanderfolgender Prozessmodule die mindestens eine Verbindungseinheit in mindestens zwei unterschiedlichen Montagestellungen schaltbar ist, in denen sie die an den benachbarten Fluidbus-Schnittstellen der beiden Prozessmodule jeweils endenden Kanalabschnitte in unterschiedlichen Verbindungsmustern miteinander verbindet.

3.2 Wie in der angefochtenen Entscheidung (siehe Punkt 4.2) ausgeführt, betrifft D3 ein System zur automatischen Behandlung von Fluiden, das explizit die o. g. Merkmale a), b), c) und d) offenbart. Da auch beim System gemäß D3 die Möglichkeit besteht, zwischen die jeweils benachbarten Fluidbus-Schnittstellen zweier aufeinanderfolgender Prozessmodule eine Verbindungseinheit in mindestens zwei unterschiedlichen Montagestellungen zu schalten, kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass D3 auch das Merkmal e) vorwegnehme.

3.3. Durch die Hinzufügung des Merkmals b') wird nunmehr klargestellt, dass zum beanspruchten System mindestens eine Verbindungseinheit gehört, mit der nach Montagestellung mindestens zwei unterschiedliche Verbindungsmuster eingestellt werden können. Da das aus D3 bekannte System eine solche Verbindungseinheit nicht aufweist, ist der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber D3 (Artikel 54(1) EPÜ).

Erfinderische Tätigkeit

4.1 D3 stellt einen Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ dar und kann daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen werden.

4.2 Über den Einwand der mangelnden Neuheit gegenüber D3 hinaus berücksichtigte die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung auch die übrigen im Verfahren befindlichen Dokumente. Sie kam dann zu dem Schluss, dass angesichts des vorliegenden Standes der Technik nach Artikel 54(2) EPÜ der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllen würde.

4.3 In Ermangelung jeglichen gegenteiligen Hinweises seitens der Beschwerdegegnerin sieht die Kammer keinen Anlass, die Schlussfolgerungen der Einspruchabteilung bezüglich der erfinderischen Tätigkeit eines in deren Sinne spezifizierten und daher gegenüber D3 neuen Anspruchsgegenstandes in Frage zu stellen.

5.1 Aus den vorstehenden Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ genügt.

5.2 Die abhängigen Ansprüche 2 bis 11 betreffen Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Systems. Deren Gegenstand beruht somit auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

6. Dem Antrag der Beschwerdeführerin, das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten, war somit stattzugeben.

Entscheidungsgründe

AUS DIESEN GRÜNDEN WIRD ENTSCHIEDEN:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Form in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Ansprüche: 1, 2 und 3 (erste zwei Zeilen) gemäß den mit Schreiben vom 6. Dezember 2012 eingereichten Ersatzseiten 17 und 17a,

- Ansprüche: 3 (übrige Zeilen) und 4 bis 11 gemäß Seiten 18 und 19 der veröffentlichten internationalen Anmeldung WO 02/065221 A2,

- Beschreibung: Seiten 1 und 4 bis 16 der veröffentlichten internationalen Anmeldung, WO 02/065221 A2,

Seiten 2 und 3 eingereicht mit Schreiben vom 6. Dezember 2012,

- Zeichnungen: Blätter 1/6 bis 6/6 der veröffentlichten internationalen Anmeldung WO 02/065221 A2.

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