T 0453/10 () of 17.11.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T045310.20111117
Datum der Entscheidung: 17 November 2011
Aktenzeichen: T 0453/10
Anmeldenummer: 02024718.5
IPC-Klasse: A24D 3/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zur Herstellung von stabförmigen Gegenständen
Name des Anmelders: Hauni Maschinenbau AG
Name des Einsprechenden: G.D. Società per Azioni
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention R 115(2)
Schlagwörter: Hauptantrag - Neuheit (ja) - erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat am 1. März 2010 gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 22. Dezember 2009 den Einspruch zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt, am 26. Februar 2010 die Beschwerdegebühr entrichtet, und am 26. April 2010 die Beschwerdebegründung eingereicht.

II. Der Einspruch wurde auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ 1973 (Neuheit und erfinderische Tätigkeit) gestützt.

III. Folgende Druckschriften haben in diesem Verfahren eine Rolle gespielt:

D2: EP-A-1 127 498

D4: BE-A-720 541

D6: US-A-3 400 032.

IV. Am 17. November 2011 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Obwohl die Einsprechende zu der mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen wurde, ist sie nicht erschienen. Sie hatte jedoch mit Schriftsatz vom 16.August 2011 der Kammer mitgeteilt, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde.

Entsprechend Regel 115(2) EPÜ ist das Verfahren ohne sie fortgesetzt worden.

V. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Sie hatte schriftlich im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

D4 und D6 seien mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden. Diese Druckschriften seien somit nicht als verspätet zurückzuweisen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt sei einerseits im Vergleich zu D4 nicht neu und andererseits nicht erfinderisch im Vergleich zu D6 in Kombination mit D2, sowie D2 in Kombination mit dem fachmännischen Können.

Zum Anspruch 1 des Hauptantrags hat sie nicht Stellung genommen.

VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat dem widersprochen und im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Da sich die Beschwerdebegründung hauptsächlich auf Druckschriften stütze, die nicht vorlagen, als die angefochtene Entscheidung getroffen wurde, könnten diese zu keiner Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung geführt haben. Folglich sei die Beschwerde anhand dieser Druckschriften nicht begründbar.

D4 und D6 seien nicht prima facie relevant und sollten daher nicht zum Verfahren zugelassen werden.

Keine der vorgebrachten Entgegenhaltungen offenbare sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 und könne alleine oder in Kombination den nun beanspruchten Gegenstand nahelegen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, die Druckschriften D4 und D6 zum Verfahren nicht zuzulassen, hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent im Umfang des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags aufrechtzuerhalten. Der schriftlich gestellte Hilfsantrag, die Angelegenheit an die erste Instanz zurückzuverweisen, ist während der mündlichen Verhandlung zurückgezogen worden.

VII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"1. Vorrichtung zur Herstellung von stabförmigen Gegenständen aus einem Materialstrang, insbesondere der Tabak verarbeitenden Industrie, mit

einer Umhüllungseinrichtung (23) mit einem umlaufenden Förder- oder Formatband (22) zur Umhüllung des Materialstranges mit Hüllmaterial (21),

einer Erwärmungseinrichtung (28) zur Erwärmung des Materialstranges oder der daraus hergestellten stabförmigen Gegenstände und

einer ersten Transporteinrichtung (22) zum Transport des Materialstranges oder der daraus hergestellten stabförmigen Gegenstände durch die vorgenannten Einrichtungen, vorzugsweise in längsaxialer Richtung,

dadurch gekennzeichnet, dass die Erwärmungseinrichtung (28) Mikrowellen zur Erwärmung des Materialstranges oder der daraus hergestellten stabförmigen Gegenstände erzeugt und, in Transportrichtung des Materialstranges oder der daraus hergestellten stabförmigen Gegenstände betrachtet, hinter dem Förder- oder Formatband (22) der Umhüllungseinrichtung (23) angeordnet ist,

wobei die Erwärmungseinrichtung (28) eine Führungseinrichtung (60) aufweist, entlang derer der Materialstrang oder die daraus hergestellten stabförmigen Gegenstände durch die Erwärmungseinrichtung (28) bewegbar sind,

wobei die Führungseinrichtung (60) ein bahnförmiges Führungsmittel (61, 62, 63) zur beweglichen Aufnahme des Materialstranges oder der daraus hergestellten stabförmigen Gegenstände aufweist,

wobei das Führungsmittel (61, 62, 62) eine untere Sektion (61, 62) zur beweglichen Auflage des Materialstranges oder der daraus hergestellten stabförmigen Gegenstände und eine obere Sektion (63) aufweist und der Abstand zwischen der unteren Sektion (61, 62) und der oberen Sektion (63) entsprechend der Dicke des Materialstranges oder der daraus hergestellten stabförmigen Gegenstände bemessen ist,

wobei die untere Sektion mindestens zwei voneinander beabstandete Auflageelemente (61, 62) aufweist,

wobei das bahnförmige Führungsmittel (61, 62, 63) eine längliche Form aufweist und die Auflageelemente sich in Bewegungsrichtung des Materialstranges oder der daraus hergestellten stabförmigen Gegenstände, vorzugsweise parallel zueinander, erstreckende Stäbe (61, 62) aufweisen."

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde:

Die Beschwerde beruht nicht ausschließlich auf neuen Dokumenten, sondern auch auf der im Einspruchsverfahren zitierten D2. In der Beschwerdebegründung wurde die mangelnde erfinderische Tätigkeit u. a. auf der Grundlage von D2 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen substantiiert.

Die Beschwerdebegründung gibt somit die rechtlichen und faktischen Gründe an, aus denen sich die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung, nämlich der Zurückweisung des auf Artikel 100 a) EPÜ gestützten Einspruchs ergibt.

Die Beschwerde ist deshalb zulässig .

2. Zulässigkeit der Druckschriften D4 und D6:

Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, die Druckschriften D4 und D6 als verspätet vorgebracht zurückzuweisen.

Es kann jedoch als das normale Verhalten einer in der ersten Instanz unterlegenen Partei angesehen werden, zusammen mit der Beschwerdebegründung neue Dokumente einzureichen, um einen von ihr geltend gemachten Einspruchsgrund zu bekräftigen.

Die Druckschriften D4 und D6 sind so früh wie möglich im Beschwerdeverfahren, d. h. mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden. Die Beschwerdegegnerin hatte die Gelegenheit - und hat diese auch wahrgenommen -, ausführlich (schriftlich und mündlich) dazu Stellung zu nehmen. Diese Druckschriften sind auch prima facie relevant, da sie eine Erwärmungseinrichtung, die in Transportrichtung betrachtet hinter dem Förder- oder Formatband angeordnet ist, offenbaren. Des Weiteren offenbart D4 eine Mikrowelleneinrichtung zum Erwärmen des Materialstranges. Aus diesen Gründen hat die Kammer beschlossen, diese neuen Dokumente zum Verfahren zuzulassen.

3. Hauptantrag:

3.1 Änderungen

Anspruch 1 des jetzigen Hauptantrags entspricht dem früheren Hilfsantrag 4, eingereicht mit Schreiben vom 13. Oktober 2011, in welchem Schreibfehler korrigiert worden sind. Er setzt sich aus einer Kombination der erteilten Ansprüche 1, 5, 7, 8, 10, 13 und 14 zusammen. Da der geänderte Anspruch 1 aus den ursprünglichen Ansprüchen hervorgeht, bestehen hinsichtlich der Artikel 84 und 123 EPÜ keine Bedenken.

3.2 Neuheit

Anspruch 1 verlangt unter anderem, dass die Erwärmungseinrichtung ein bahnförmiges Führungsmittel für den Materialstrang aufweist, mit einer oberen und einer unteren Sektion, dass der Abstand zwischen den Sektionen entsprechend der Dicke des Materialstranges bemessen ist und, dass die untere Sektion mindestens zwei voneinander beabstandete Stäbe aufweist.

3.3 Diese spezifischen Merkmale sind aus keiner der in diesem Verfahren genannten Druckschriften bekannt.

Die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 ist somit gegeben.

3.4 Erfinderische Tätigkeit

In Absatz [0005] der Streitpatentschrift ist eine gattungsgemäße Vorrichtung beschrieben, bei welcher durch eine Umhüllungsvorrichtung ein endlos umlaufendes Förder- oder Formatband geführt ist. In Transportrichtung betrachtet, ist hinter der Umhüllungseinrichtung eine Erwärmungseinrichtung angeordnet, durch die auch das Förder- oder Formatband läuft. Erst nach Austritt aus der Erwärmungseinrichtung wird das Formatband von dem dann mit dem Hüllmaterial umhüllten Materialstrang wieder abgehoben. Dies führt zu einer Erwärmung des Förder- oder Formatbands. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass durch die Erwärmung das Förder- oder Formatband einem erhöhten Verschleiß ausgesetzt wird.

Laut Absatz [0007] sei es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, die zuvor beschriebenen Wirkungen auf das Förder- oder Formatband zu vermeiden, eine effektive Erwärmung des Materialstranges zu gewährleisten und den Aufbau der Vorrichtung zu vereinfachen.

Diese Aufgabe wird im Wesentlichen durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs gelöst.

Diese Lösung beruht auf dem Gedanken einerseits, die Wärmebehandlung erst nach Abheben des Förder- oder Formatbands der Umhüllungseinrichtung vom dann bereits umhüllten Materialstrang zu realisieren, so dass das Förder- oder Formatband nicht erwärmt wird und somit auch nicht gekühlt zu werden braucht und andererseits, die Erwärmungseinrichtung mit einer Führungseinrichtung zu versehen, so dass der Materialstrang oder die daraus hergestellten stabförmigen Gegenstände von dem Förder- oder Formatband der Umhüllungseinrichtung mit soviel kinetischer Energie beaufschlagt werden, dass sie sich entlang der Führungseinrichtung allein fortbewegen können (siehe Absatz [0014]). Dadurch ergibt sich der Vorteil, dass die Erwärmungseinrichtung kein Förderband aufweist und das Förder- oder Formatband keinem erhöhten Verschleiß aufgrund der Erwärmung oder gar von Erwärmung - Abkühlungszyklen ausgesetzt wird, sondern eine längere Lebensdauer erfährt (siehe Absatz [0009]). Durch die erfindungsgemäße Anwendung von Mikrowellen wird gleichzeitig eine effektive Erwärmung des Materialstrangs bewirkt.

Die genannten Dokumente geben dem Fachmann keinen Hinweis, einen erhöhten Verschleiß des Förderbands aufgrund der Erwärmung durch Heranziehung einer in Anspruch 1 definierten Erwärmungseinrichtung, die kein Förderband braucht, zu vermeiden, wobei die Erwärmungseinrichtung in Transportrichtung betrachtet, hinter dem Förder- oder Formatband der Umhüllungseinrichtung angeordnet ist.

In D2 werden die stabförmigen Gegenstände mehrlagig und in Querrichtung durch das Förderband der Erwärmungseinrichtung transportiert. In D4 werden die stabförmigen Gegenstände auf einem Förderband durch die Erwärmungseinrichtung transportiert. In D6 kann nur ein kontinuierlicher Materialstrang durch die Erwärmungseinrichtung geführt werden, in dem er durch zylindrische Wärmelemente, die voneinander beabstandet sind und eine Führungsfunktion erfüllen, geschoben wird. Stabförmige Gegenstände diskreter Länge können durch diese Erwärmungseinrichtung nicht behandelt werden. Die Struktur dieser Erwärmungseinrichtung ist nicht mit der beanspruchten Struktur der erfindungsgemäßen Erwärmungseinrichtung vergleichbar.

Somit kann auch keine der genannten Druckschriften, ob alleine gesehen oder in Kombination miteinander, auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens, den beanspruchten Gegenstand nahelegen.

Daher beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf den vorgebrachten Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Beschreibung: Spalten 1 bis 6 überreicht in der mündlichen Verhandlung,

Spalten 7 bis 10 der Patentschrift.

Ansprüche: 1 des Hauptantrags (vormals Hilfsantrag 4) überreicht in der mündlichen Verhandlung,

2 bis 20 eingereicht mit Schreiben vom 13. Oktober 2011 als Hilfsantrag 4.

Zeichnungen: Figuren 1 bis 3 der Patentschrift.

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