T 2373/09 (Silikatbeschichtetes Percabonat/HENKEL) of 26.1.2012

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2012:T237309.20120126
Datum der Entscheidung: 26 Januar 2012
Aktenzeichen: T 2373/09
Anmeldenummer: 03767718.4
IPC-Klasse: C11D 3/39
C11D 17/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Bleichmittelhaltige Wasch- oder Reinigungsmittel
Name des Anmelders: Henkel AG & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: SOLVAY (SOCIETE ANONYME)
The Procter & Gamble Company
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Ausführbarkeit (ja)
Neuheit (Hauptantrag): nein - keine Auswahl aus zwei Listen
Neuheit (Hilfsantrag 2): nein - Percabonatpartikel als Wasch- oder Reinigungsmittel geeignet
Unzulässige Änderung der Patentansprüche (Hilfsantrag 1): nein
Klarheit (Hilfsantrag 1): ja
Neuheit (Hilfsantrag 1): ja
Zurückverweisung: ja - keine missbräuchliche Verzögerung des Verfahrens
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0012/81
T 0637/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 572 851, betreffend ein bleichmittelhaltiges Wasch- oder Reinigungsmittel, zu widerrufen.

II. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem die folgenden Dokumente genannt:

(5): US-A-5902682;

(10): EP-A-992575.

In ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung, dass

- die Erfindung ausreichend offenbart sei;

- die Gegenstände des jeweiligen Anspruchs 1 wie erteilt und gemäß dem damaligen Hilfsantrag gegenüber der Offenbarung des Dokuments (10) nicht mehr neu seien.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin (im Folgenden Beschwerdeführerin genannt) am 4. Dezember 2009 unter gleichzeitiger Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde eingelegt.

Sie reichte mit der Beschwerdebegründung vom 25. März 2010 die Hilfsanträge 1 und 2 ein.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 des erteilten Streitpatents (Hauptantrag) lautet wie folgt:

"1. Teilchenförmiges bleichmittel- und builderhaltiges Wasch- oder Reinigungsmittel, enthaltend (A) einen phosphatfreien wasserlöslichen Builderblock und (B) Alkalipercarbonatpartikel, welche eine Umhüllungsschicht aufweisen, die Alkalisilikat enthält, wobei die Mittel keine weiteren Buildersubstanzen als solche enthalten, die wasserlöslich und phosphatfrei sind, ausgenommen die Mengen, die als Verunreinigungen beziehungsweise stabilisierende Zusätze in geringen Mengen in den übrigen Inhaltsstoffen handelsüblicherweise enthalten sein können."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 17 beziehen sich auf besondere Ausgestaltungen des Mittels nach Anspruch 1.

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nur insofern, als er den Wortlaut "Seife in Mengen von 0,1 bis 10 Gew.-%," zwischen "...Reinigungsmittel, enthaltend" und "(A)..." enthält.

Der Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Hauptantrag insofern, als der Anspruch 1 die Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 2 ist und die erteilten abhängigen Ansprüche 3 bis 17 als Ansprüche 2 bis 16 umnummeriert und entsprechend abgeändert sind.

Nach dem geänderten Anspruch 1 weisen die Alkalipercarbonatpartikel (B) mindestens zwei Hüllschichten auf, wobei eine innerste Schicht mindestens ein hydratbildendes anorganisches Salz und eine äußere Schicht Alkalisilikat enthält.

V. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen vorgetragen, dass die Erfindung ausreichend offenbart sei, der beanspruchte Gegenstand neu gegenüber dem zitierten Stand der Technik sei und die geänderten Ansprüche den Erfordernissen der Artikel 84 EPÜ 1973 und 123(2) EPÜ entsprechen.

Insbesondere sei das in der Beschichtung der aus dem Dokument (5) bekannten Percarbonatpartikel enthaltene Carbonat nicht als Builderblock anzusehen. Zudem stellten solche Percarbonatpartikel für sich allein kein Wasch- oder Reinigungsmittel dar. Zum Beispiel werde von einem Wasch- oder Reinigungsmittel erwartet, dass es nicht nur bleiche sondern auch weitere Anschmutzungen entferne und der abgelöste Schmutz sich nicht wieder ablagere; daher seien die aus dem Dokument (5) bekannten Percarbonatpartikel ohne den Zusatz weiterer Inhaltsstoffe als Wasch- oder Reinigungsmittel nicht geeignet und nicht neuheitsschädlich für den beanspruchten Gegenstand (siehe T 637/92).

Um zum beanspruchten Gegenstand aus der Offenbarung des Dokuments (10) zu gelangen bedürfe es zuerst der Auswahl der besonderen Ausgestaltung der Erfindung gemäß Anspruch 3 und dann der Auswahl einer der im Paragraph 30 dieses Dokuments aufgelisteten zwei Formulierungen; eine solche Auswahl aus mindestens zwei verschiedenen Listen sei daher im Einklang mit der Entscheidung T 12/81 (ABl. EPA 1982, 296) als neu zu bewerten.

Die Beschwerdeführerin führte auch aus, dass die Sache im Umfang des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen sei, da die Einspruchsabteilung nur über die Neuheit der Ansprüche entschieden habe.

VI. Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende 01 und 02) haben im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

- es sei nicht klar, ob die Anwesenheit von wasserunlöslichen Buildern vom Wortlaut des Anspruchs 1 ausgeschlossen sei;

- die beanspruchte Erfindung sei nicht ausführbar da die Begriffe "wasserlöslicher Builderblock" und "die Mengen, die als Verunreinigungen beziehungsweise stabilisierende Zusätze in geringen Mengen in den übrigen Inhaltsstoffen handelsüblicherweise enthalten sein können" zu undeutlich seien; insbesondere sei es für den Fachmann unklar ob ein Mittel, das eine kleine Menge an wasserunlöslichen oder phosphathaltigen Buildern als absichtliche zusätzliche Komponente und nicht als Verunreinigung oder stabilisierender Zusatz eines handelsüblichen Inhaltsstoffs enthalte, vom Umfang des Anspruchs 1 ausgeschlossen sei; daher könne der Fachmann nicht wissen ob er im Schutzbereich der Ansprüche arbeitet oder nicht;

- die jeweiligen Gegenstände des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 2 seien angesichts der Offenbarungen der Dokumente (5) (insbesondere Spalte 10, Zeilen 55 bis 67) und/oder (10) (insbesondere die Kombination von Anspruch 3 mit dem Abschnitt 32) nicht mehr neu;

- der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 entspreche nicht den Erfordernissen der Artikel 84 EPÜ 1973 und 123(2) EPÜ;

- da die Patentinhaberin einen Hilfsantrag, der den Erfordernissen der Neuheit entspreche, bereits vor der ersten Instanz hätte einreichen können, verlängere eine Zurückverweisung an die erste Instanz das Verfahren unzulässig; daher sei die Sache nicht an die erste Instanz zurückzuverweisen.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung der Einsprüche oder, hilfsweise, das Patent auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 oder 2, beide eingereicht mit Schreiben vom 25. März 2010, aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerinnen beantragen die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag

1.1 Artikel 83 EPÜ 1973

1.1.1 Die beanspruchte Erfindung betrifft ein teilchenförmiges Wasch- oder Reinigungsmittel, das zusätzlich zu den silikatbeschichteten Alkalipercarbonatpartikeln einen wasserlöslichen und phosphatfreien Builderblock enthält; zudem folgt aus dem Wortlaut des Anspruchs 1, dass das beanspruchte Mittel keine wasserunlöslichen oder phosphathaltigen Buildersubstanzen enthält, ausgenommen die geringen Mengen die als Verunreinigung oder als stabilisierende Zusätze in den übrigen Inhaltsstoffen handelsüblicherweise enthalten sein können.

1.1.2 Die Bedeutung des Begriffs "wasserlöslicher Builderblock" ist in den Abschnitten 12 und 19 des Streitpatents erklärt. Angesichts der Beschreibung des Streitpatents ist es eindeutig, dass der wasserlösliche Builderblock keine wasserunlöslichen oder phosphathaltigen Buildersubstanzen enthalten soll und sich zu mindestens 3 g/l in Wasser von pH 7 bei Raumtemperatur rückstandsfrei lösen muss. Obwohl die Beschreibung keine dafür geeignete Testmethode beschreibt, waren solche Testmethoden zum Prioritätsdatum des Streitpatents dem Fachmann zweifellos bekannt; daher ist für den Fachmann angesichts der Beschreibung klar, dass die Substanzen des wasserlöslichen Builderblocks bei Einhaltung des angegebenen pH-Wertes und der Temperatur bei einer beliebigen üblichen Testmethode in Wasser sich vollständig lösen müssen. Daher ist die Definition des "wasserlöslichen Builderblocks" im Streitpatent für den Fachmann so deutlich, dass er die dafür geeigneten Buildersubstanzen auswählen kann und diesen Teil der Erfindung ausführen kann. Es ist auch zu bemerken, dass die Beschreibung verschiedene Beispiele solcher wasserlöslicher und phosphatfreier Buildersubstanzen auflistet (siehe Abschnitte 20 bis 25), sodass der Fachmann die Lehre des Streitpatents in dieser Hinsicht mühelos realisieren kann.

1.1.3 Die Kammer stimmt zu, dass weder Anspruch 1 noch die Beschreibung die Bedeutung des Begriffs "in geringen Mengen" in dem Merkmal "die Mengen, die als Verunreinigungen beziehungsweise stabilisierende Zusätze in geringen Mengen in den übrigen Inhaltsstoffen handelsüblicherweise enthalten sein können" erklären. Jedoch, war es dem Fachmann bekannt, dass handelsübliche Inhaltsstoffe Verunreinigungen oder stabilisierende Zusätze enthalten können. Es ist daher klar, dass bei der Herstellung des erfindungsgemäßen Mittels neben den Percarbonatpartikeln und dem wasserlöslichen Builderblock weitere handelsübliche Inhaltsstoffe eingesetzt werden können, welche kleine untergeordnete Mengen an wasserunlöslichen oder phosphathaltigen Buildersubstanzen enthalten. Die fehlende spezifische Obergrenze für solche kleine Mengen an weiteren Buildersubstanzen hindert daher den Fachmann nicht erfindungsgemäße Mittel bereitzustellen, da diese weiteren Inhaltsstoffe handelsüblich und ihm daher bekannt sind.

Da der Anspruch 1 keine Einschränkung in Bezug auf das Herstellungsverfahren des beanspruchten Mittels enthält, ist es bedeutungslos ob solche kleine Mengen an wasserunlöslichen oder phosphathaltigen Buildersubstanzen aus weiteren handelsüblichen Inhaltsstoffen, die sie als Verunreinigungen oder stabilisierende Zusätze enthalten, stammen oder sie als getrennte Komponente absichtlich zugesetzt werden. In beiden Fällen kann der Fachmann die beanspruchte Erfindung ausführen und gelangt dadurch zu einem identischen Produkt.

Daher kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die Beschreibung eine Lehre enthält, die es dem Fachmann ermöglicht die Erfindung in vollem Umfang auszuführen.

1.2 Neuheit

1.2.1 Dokument (10) offenbart ausdrücklich im Anspruch 3 Alkalimetalpercarbonatpartikel, die mit Alkalimetalsilikat beschichtet sind. Dieser Anspruch ist daher eine spezifische Ausgestaltung der Erfindung des Dokuments (10), welche nach der Beschreibung sogar bevorzugt ist (siehe Abschnitt 24 auf Spalte 5), und nicht eine Auswahl aus einer mehrere Alternativen enthaltenden Liste.

Wie im Abschnitt 27 des Dokuments (10) erklärt wird, bezieht sich die in diesem Dokument beschriebene Erfindung auch auf die Verwendung der Alkalimetalpercarbonatpartikel der Erfindung in Wasch- oder Geschirrreinigungsmitteln.

Geeignete Geschirrreinigungsmittel werden im Abschnitt 32 beschrieben. Insbesondere sind zwei niederalkalische Rezepturen aufgelistet, welche die Percarbonatpartikel der Erfindung und wasserlösliche, phosphatfreie oder phosphathaltige Buildersubstanzen enthalten (siehe Spalte 7, Zeilen 39 bis 51; insbesondere Zeilen 45 bis 47).

Daher ist für den Fachmann die spezifische Lehre des Dokuments (10) ersichtlich, die Ausgestaltung der Erfindung gemäß Anspruch 3 in einem Reinigungsmittel, das als Builderblock nur wasserlösliche, phosphatfreie Buildersubstanzen enthält, einzusetzen. Die Kombination des spezifischen Anspruchs 3 mit einer der zwei spezifischen niederalkalischen Rezepturen des Abschnitts 32 ist daher nicht als eine Auswahl aus zwei Listen im Sinne der Entscheidung T 12/81 (Punkte 11 und 13 der Entscheidungsgründe) anzusehen.

Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt gegenüber dem Dokument (10) nicht mehr neu ist.

2. Hilfsantrag 1

2.1 Artikel 84 EPÜ 1973 und 123(2) EPÜ

2.1.1 Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 wie erteilt nur insofern, als das beanspruchte Mittel zusätzlich Seife in Mengen von 0,1 bis 10 Gew.-% enthält.

Die ursprüngliche Beschreibung der Anmeldung listet nichtionische Tenside als Bestandteil von bevorzugten Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Mittels auf (siehe Seite 14, Zeile 1 bis 2 des WO 2004/058931, die dem Streitpatent zugrundeliegende veröffentlichte PCT-Anmeldung). Des Weiteren sind andere Tenside als fakultative Alternative oder Zusatz zu solchen nichtionischen Tensiden erwähnt (siehe Seite 16, Zeilen 1 bis 3). Seifen sind ausdrücklich als weitere fakultative tensidische Inhaltsstoffe auf Seite 17, Zeile 12, zitiert. Es ist daher deutlich, dass Seifen als fakultatives Tensid des beanspruchten Mittels eingesetzt werden können.

Zudem ist die im Anspruch 1 erwähnte Menge an Seifen die gemäß der ursprünglichen Beschreibung bevorzugte Menge (Seite 17, Zeile 20). Es ist daher angesichts der Beschreibung klar, dass eine solche Menge im Allgemeinen bei jeder Ausführungsform des beanspruchten Mittels eingesetzt werden kann.

2.1.2 Es ist auch angesichts des Wortlauts des Anspruch 1 und der Beschreibung deutlich, dass die beanspruchten Konzentrationen an Seifen auf das gesamte Mittel bezogen sind. In der Tat sind die Mengen der fakultativen Tenside in der Beschreibung immer auf das gesamte Mittel bezogen (siehe Abschnitte 27 und 29 des Streitpatents und Seite 14, Zeilen 1 bis 2 in Kombination mit Zeilen 8 bis 9; Seite 16, Zeile 1 in Kombination mit Zeilen 5 bis 6; Seite 16, Zeile 33 bis 34 in Kombination mit Seite 17, Zeilen 1 bis 2 der ursprünglichen Anmeldung). Daher müssen auch die im Abschnitt 30 des Streitpatents und auf Seite 17, Zeile 20, der ursprünglichen Anmeldung erwähnten Mengen an Seifen, die in einem Beschreibungsabschnitt enthalten sind, der die vorangehenden erwähnten Stellen folgt, zwingend auf das gesamte Mittel bezogen sein.

2.1.3 Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass die Änderungen des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 den Erfordernissen der Artikel 84 EPÜ 1973 und 123(2) EPÜ entsprechen.

2.2 Neuheit

Die Neuheit des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 wurde von den Beschwerdegegnerinnen nicht bestritten.

Die Kammer ist ebenfalls der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 angesichts der zitierten Dokumente neu ist.

3. Hilfsantrag 2

3.1 Neuheit

3.1.1 Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 wie erteilt nur dadurch, dass das Alkalipercarbonatpartikel mindestens zwei Hüllschichten aufweist, wobei eine innerste Schicht mindestens ein hydratbildendes anorganisches Salz und eine äußere Schicht Alkalisilikat enthält.

Dokument (5) offenbart in Spalte 10 (Zeilen 55 bis 67, insbesondere Zeilen 64 bis 67) einen Natriumpercarbonatpartikel, der eine äußere Silikatschicht, eine innerste Magnesiumsulfatschicht und eine Natriumcarbonatzwischenschicht enthält. Wie auf Spalte 3 des Dokuments (5) erklärt wird, können sowohl das Natriumcarbonat wie auch das Magnesiumsulfat als Teilhydrat vorhanden sein, sodass ihre hydratbildende Fähigkeit nicht ausgeschöpft ist (Spalte 3, Zeilen 18 bis 26).

Daher sind die im Dokument (5) als Beschichtung eingesetzten Substanzen "Magnesiumsulfat" und "Natriumcarbonat" zweifellos hydratbildende anorganische Salze im Sinne des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2.

3.1.2 Es ist unbestritten, dass Natriumcarbonat in der Regel eine Buildersubstanz darstellt (siehe z.B. Abschnitt 20 des Streitpatents). Dieser Substanz ist in den offenbarten Percarbonatpartikeln des Dokuments (5) in Mengen von 5 Gew.-% vorhanden, d.h. in einer Menge, welche mit der im Streitpatent für diese Buildersubstanz benutzen Menge übereinstimmt (siehe z.B. Seite 5, Zeile 12). Zudem bemerkt die Kammer, dass eine funktionelle Definition einer chemischen Substanz oder einer Gruppe von Substanzen, im vorliegenden fall "Builderblock", nur die Fähigkeit dieser Substanzen als Builder zu wirken darstellt und keine implizite Einschränkung im Bezug auf die quantitative Wirkung und die eingesetzten Mengen dieser Verbindungen enthält.

Im vorliegenden Fall ist der Anspruch 1 eindeutig nur auf die qualitativen Eigenschaften des Builderblocks beschränkt.

Daher stellt das in den aus dem Dokument (5) bekannten Percarbonatpartikeln enthaltene Natriumcarbonat zweifellos ein Builderblock im Sinne des Anspruchs 1.

3.1.3 Es bleibt daher zu entscheiden, ob solche Percarbonatpartikel ein Wasch- oder Reinigungsmittel darstellen. Die Kammer stimmt zu, dass die Beschreibung des Streitpatents in der Diskussion des Standes der Technik Tenside als unverzichtbaren Bestandteil von Wasch- oder Reinigungsmitteln bezeichnet (siehe Seite 2, Zeilen 6 und 21). Jedoch sind Tenside im Wortlaut des Anspruchs 1 nicht ausdrücklich erwähnt und listet die Beschreibung des Streitpatents nichtionische Tenside nur als Bestandteile von bevorzugten Ausführungsformen des erfindungsgemäßen Mittels auf (siehe Seite 6, Zeile 12); des Weiteren sind andere Tenside nur als fakultative Alternative oder Zusatz zu solchen nichtionischen Tensiden erwähnt (siehe Seite 6, Zeile, 44 bis 45 und Seite 7, Zeile 10).

Daher kann der Wortlaut des Anspruchs 1, der aus sich heraus eindeutig ist, nicht so verstanden werden, dass Tenside implizit als wesentliche Komponente des beanspruchten Wasch- oder Reinigungsmittels enthalten seien.

Außerdem sind "Waschmittel" und "Reinigungsmittel" auch funktionelle Definitionen einer Gruppe von Substanzen; daher stellen sie, wie oben erklärt (Punkt 3.1.2), nur die Fähigkeit dieser Gruppe von Substanzen zu waschen und/oder reinigen dar und enthalten keine implizite Einschränkung im Bezug auf die quantitative Wirkung des dadurch erzielbaren Wasch- oder Reinigungsleistung.

Die im Dokument (5) offenbarten Percarbonatpartikel sind Bleichmittelkomponenten, die, soeben wie Wasch- oder Reinigungsmittel, in der Regel als wässrige Lösung in Kontakt mit einer zu behandelden Oberfläche gebracht werden um ihre Wirkung entfalten zu können. Es ist unbestritten, dass Percarbonate einen Bleicheffekt haben und geeignet sind bestimmte Flecken zu entfernen; außerdem wird das in der Beschichtung vorhandene Natriumcarbonat zumindest eine geringfügige Wirkung als Buildersubstanz im Wasser ausüben und wird das bei der Verwendung vorhandene Wasser bei der für die Bleichwirkung geeigneten Temperatur die behandelte Oberfläche benetzen und spülen und somit abgelöste Anschmutzungen endgültig entfernen.

Es ist daher für den Fachmann offensichtlich, dass eine mit solchen Percarbonatpartikeln behandelte Oberfläche jedenfalls sauberer sein wird als vor dieser Behandlung.

Daher stellt ein Percarbonatpartikel für sich allein nicht nur ein Bleichmittel sondern auch ein Wasch- oder Reinigungsmittel dar und ist als Wasch- oder Reinigungsmittel geeignet.

Diese Feststellung steht daher nicht in Widerspruch zu der von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidung T 637/92 wonach die Zweckangabe einer beanspruchten Vorrichtung (oder eines Erzeugnisses) so auszulegen ist, dass diese Vorrichtung für den angegebenen Zweck geeignet ist und dass eine bekannte Vorrichtung, die einem anderen Zweck dient, die aber sonst alle im Patentanspruch aufgeführten Merkmale besitzt, den Gegenstand des Patentanspruchs nicht neuheitsschädlich vorwegnimmt, wenn die bekannte Vorrichtung für den im Anspruch genannten Zweck ungeeignet ist (Punkt 4.5 der Entscheidungsgründe).

Die aus der Spalte 10, Zeilen 64 bis 67 des Dokuments (5) bekannten Percarbonatpartikel sind daher Wasch- oder Reinigungsmittel, die alle Merkmale des Anspruchs 1 enthalten.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist daher nicht mehr neu.

4. Zurückverweisung an die erste Instanz

Nach Artikel 111(1) EPÜ 1973 steht es im Ermessen der Kammer eine Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Im vorliegenden Fall hat die erste Instanz nur über die Ausführbarkeit der Erfindung und die Neuheit des damals beanspruchten Gegenstandes entschieden.

Die Beschwerdegegnerinnen haben sich gegen eine Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz ausgesprochen, da die Patentinhaberin einen den Erfordernissen der Neuheit entsprechenden Hilfsantrag bereits in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hätte stellen können aber stattdessen ausdrücklich darauf verzichtet hat. Daher stelle eine Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz zur Überprüfung der erfinderischen Tätigkeit der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1 eine unangemessene Verzögerung des Verfahrens dar.

Die Einspruchsabteilung hatte jedoch, in ihrem Bescheid als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 20. März 2009, die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes unverbindlich anerkannt, ihre Meinung jedoch in der mündlichen Verhandlung geändert. Erst aus den schriftlichen Entscheidungsgründen konnte die Patentinhaberin also im Einzelnen entnehmen welcher der von den Einsprechenden erhobenen verschiedenen Neuheitseinwände die Einspruchsabteilung zu ihrer Meinungänderung bewogen hat.

Daher kann die Kammer in der Entscheidung der Patentinhaberin keine weiteren Hilfsanträge in der mündlichen Verhandlung vor der ersten Instanz und weitere Hilfsanträge nur mit ihrer Beschwerde nach Erhalt der schriftlichen Entscheidung der Einspruchsabteilung einzureichen, keine Absicht erkennen, das Verfahren zu verzögern.

Zur Erhaltung zweier Instanzen ist daher in einem solchen Fall billig die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen, damit die erfinderische Tätigkeit der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1 dort überprüft werden kann.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen.

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