T 2323/09 (Resistor/REFRATECHNIK) of 31.8.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T232309.20100831
Datum der Entscheidung: 31 August 2010
Aktenzeichen: T 2323/09
Anmeldenummer: 02007036.3
IPC-Klasse: C04B 35/05
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Resistor für feuerfeste Formkörper und Formkörper hieraus
Name des Anmelders: Refratechnik Holding GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
Schlagwörter: Ausführbarkeit (ja) - routinemäßige Versuche können Informationslücken schließen (2.3.4)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0409/91
T 0435/91
T 0612/92
T 0538/06
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde betrifft die am 23. Juli 2009 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 02 007 036.3 zurückzuweisen.

II. In ihrer Entscheidung nannte die Prüfungsabteilung folgende Dokumente:

D1: Alper, A.M.; Doman, R.C.; McNally, R.N., "Basic

Fusion-Cast Steel Refractories",

In: Alper, A.M. (ed.): High Temperature Oxides.

New York : Academic Press, 1970-71, p. 209, 218 -

221, 246 - 249.

D2: US 3 140 955 A;

D3: US 3 391 011 A;

D4: US 3 310 414 A.

Die Prüfungsabteilung führte aus, die beanspruchten Resistorkörner gemäß Anspruch 1 und das Verfahren zu deren Herstellung gemäß Anspruch 5 wiesen zwei wesentliche Merkmale auf, nämlich Spinellausscheidungen und ihre Menge, wobei letztere im Bereich von 2 bis 25 Massenprozent des MgO liegt.

Gemäß den Angaben in der Beschreibung träten beim Beispiel 1 Pleonastentmischungen auf, d.h. Ausscheidungen eines eisenhaltigen Magnesiumspinells. Es werde jedoch nicht angegeben, ob in den erhaltenen Proben derartige Spinellausscheidungen tatsächlich beobachtet worden seien. Beim Beispiel 2 gebe es zwar den Nachweis von Ausscheidungen, aber es sei nicht untersucht worden, ob es sich dabei um eine Spinellphase handle. Außerdem sei in den Beispielen 1 und 2 das Massenverhältnis Spinell zu MgO nicht angegeben.

Es bestehe die Möglichkeit anzunehmen, dass "aus einer beliebigen Schmelze aus MgO als Hauptkomponente, Al2O3 und eventuell FeO, bei jeder beliebigen, herkömmlichen Führung des Schmelzprozesses und des Abkühlungsprozesses automatisch nichts anderes als Spinellausscheidungen" entstünden, und zwar in einer stöchiometrisch kalkulierbaren Menge. Unter dieser Annahme gebe es keinen Grund, einen Einwand wegen mangelnder Offenbarung zu erheben.

Der Anmelder habe jedoch dargelegt, dass aus identischen Rohstoffgemengen in der Keramik durch die Führung des Schmelzprozesses und die Führung des Abkühlungsprozesses völlig unterschiedliche Produkte erzeugt werden können. Auch eine unterschiedliche Herkunft des MgO führe zu unterschiedlichen Ergebnissen.

In diesem Zusammenhang stellte die Prüfungsabteilung fest, dass in der Beschreibung keine Angaben über eine "besondere Führung des Schmelzprozesses und des Abkühlprozesses" sowie über die Herkunft des MgO zu finden seien.

Da der Anmelder nicht glaubhaft gemacht habe, dass der Fachmann das gewünschte Ergebnis, nämlich "die Entstehung der Spinellausscheidungen in einer Menge von 2 bis 25 Massenprozent des MgO", auf Grund seines allgemeinen Fachwissens erzielen könne, sei die beanspruchte Erfindung nicht ausreichend offenbart (Artikel 83 EPÜ).

III. Die Beschwerde wurde mit Schreiben vom 1. September 2009 eingelegt. Dabei handelte es sich um die zweite Beschwerde in der Sache der vorliegenden Anmeldung. Zuvor hatte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22. Dezember 2005 eine erste Beschwerde eingereicht, die von der zuständigen Beschwerdekammer am 14. November 2008 unter dem Aktenzeichen T 0538/06 entschieden wurde. Die Sache wurde auf Grund dieser Entscheidung zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückverwiesen. Die Begründung der vorliegenden zweiten Beschwerde erfolgte mit Schreiben vom 9. November 2009.

IV. Die Ansprüche des geltenden Hauptantrags entsprechen den Ansprüchen 1 bis 7, die der Anmelder anlässlich des ersten Beschwerdeverfahrens T 0538/06 an der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2008 vorgelegt hat.

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 5 lauten wie folgt:

"1. Aus einer erstarrten Schmelze zerkleinerte und fraktionierte Resistorkörner aus Schmelzmagnesia als feuerfeste MgO-Hauptkomponente zur Herstellung feuerfester Produkte, insbesondere für die Herstellung feuerfester Formkörper, wobei die Resistorkörner Kristalle der feuerfesten mineralischen metalloxidischen Hauptkomponente aufweisen und wobei Spinellausscheidungen eines Elastifizierers der allgemeinen Formel A**(2+)B**(3+)2O4 in den Kristallen und an den Korngrenzen der Kristalle aus den Elementen A**(2+)= Fe, Mg und B**(3+)= Al gebildet sind, und wobei die Resistorkörner 2 bis 25 Massenprozent des Elastifizierers enthalten."

"5. Verfahren zur Herstellung von Resistorkörnern nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4,

g e k e n n z e i c h n e t durch die folgenden Verfahrensschritte:

(a) gemeinsames Schmelzen einer Mischung aus einer feuerfesten metalloxidischen MgO-Hauptkomponente oder einem üblichen Ausgangsstoff der Hauptkomponente und einen Spinell der Formel A**(2+)B**(3+)2O4 aus den Elementen A**(2+)= Fe, Mg und B**(3+)= Al bildenden Oxiden oder einem üblichen Ausgangsstoff der Oxide, wobei die Mischung den Spinellbildner in einer Menge dosiert zugesetzt enthält, dass seine Löslichkeit in der Schmelze überschritten wird und beim Abkühlen der Schmelze Entmischungsfelder von elastifizierenden Spinellen der genannten Formel A**(2+)B**(3+)2O4 punktförmig und relativ gleichmäßig verteilt in den Resistorkörnern ausgebildet werden.

(b) Zerkleinern und Fraktionieren des Schmelzprodukts."

V. In der Entscheidung T 0538/06 war die Kammer unter anderem zum Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber den im europäischen Recherchenbericht zitierten Dokumenten neu sei. Dasselbe gelte für den unabhängigen Anspruch 5 und die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 und 6 bis 7.

VI. Die Argumente des Beschwerdeführers lauten zusammengefasst folgendermaßen:

Beim beanspruchten Verfahren zur Herstellung von Resistorkörpern müsse der Spinellbildner in einer Menge dosiert zugesetzt werden, dass seine Löslichkeit in der Schmelze überschritten werde und beim Abkühlen der Schmelze Entmischungsfelder von elastifizierenden Spinellen der genannten Formel A**(2+)B**(3+)2O4 punktförmig relativ gleichmäßig verteilt in den Resistorkörnern ausgebildet würden.

Um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, müsse der Fachmann, nämlich ein Keramiker, die verfügbaren Rohstoffe, die Schmelzbedingungen und die Abkühlbedingungen in Kenntnis der Lehre der Erfindung testen. Dabei sei zum Beispiel zu berücksichtigen, dass erhebliche Mengen von Spinellbildnern in fester Lösung in MgO-Kristallen gebunden seien, und dass dies von der Schmelz- und Abkühlungsführung und von den Bestandteilen der eingesetzten Rohstoffe abhängig sei. Die natürlichen Rohstoffe enthielten Nebenbestandteile. Es sei deshalb nicht im Voraus berechenbar, welche Menge des Spinellbildners als Ausscheidungsmenge auftrete, und welche Menge in feste Lösung gehe. Der Fachmann müsse deshalb zu empirischen Tests greifen.

Genaue Angaben bezüglich der Schmelz- und Abkühlbedingungen könne man nicht machen. Mit Hilfe einiger weniger üblichen Testversuche könne der Fachmann die erforderlichen Bedingungen jedoch ermitteln. Der Fachmann wisse, dass die Reaktionen rohstoffabhängig und auch abhängig von der Schmelzführung und der Abkühlungsführung bezüglich Temperatur und Zeit seien. Mit diesen Parametern arbeite der Keramiker bei seinen Entwicklungsarbeiten immer. Er brauche dazu keine weiter gehenden Anweisungen.

Der Fachmann könne die vorliegende Erfindung nacharbeiten, indem er die zur Verfügung stehenden Rohstoffe schmelze und abkühle und so lange die Parameter variiere, bis mit den Rohstoffen das erfindungsgemäße Ergebnis erzielt werde. Dabei müsse der Fachmann nicht erfinderisch tätig werden.

Zur Stützung seines Vortrags reichte der Beschwerdeführer ein Gutachten von Prof. Dr. C. G. Aneziris vom 6. Oktober 2009 ein. Der Gutachter ist Lehrstuhlinhabers für Keramik-, Glas- und Baustofftechnik an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg.

VII. Der Beschwerdeführer beantragte, die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage der Anmeldung zu erteilen.

Im weiteren hielt der Beschwerdeführer den am 8. Juni 2009 gestellten Hilfsantrag aufrecht.

Außerdem beantragte er hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Anträge

1. Der Beschwerdeführer hat in seinen Eingaben vom 1. September 2009 und vom 9. November 2009 nicht ausdrücklich angegeben, auf welche Ansprüche sich sein Hauptantrag bezieht. Er hat jedoch ausgeführt, dass das bisher im Prüfungsverfahren Vorgetragene auch für das vorliegende Beschwerdeverfahren gelten soll (vgl. Eingabe vom 9. November 2009, Seite 7, Ziffer 3).

Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass dem Hauptantrag die Ansprüche 1 bis 7 zugrunde liegen, die der Anmelder anlässlich des ersten Beschwerdeverfahrens T 0538/06 an der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2008 vorgelegt und danach aufrechterhalten hat.

Dem Hilfsantrag liegen die am 8. Juni 2009 eingereichten geänderten Ansprüche 1 bis 9 zugrunde.

Ausführbarkeit des Verfahrens gemäß Anspruch 5 zur Herstellung von Resistorkörner gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags

2. Die Kammer muss prüfen, ob die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart wurde, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 83 EPÜ).

In diesem Zusammenhang untersucht die Kammer zunächst, welche Angaben über die Herstellung der beanspruchten Resistorkörner in den Anmeldungsunterlagen gemacht wurden.

2.1 Die erforderlichen Verfahrensschritte zur Herstellung der beanspruchten Resistorkörner lassen sich aus dem Anspruch 5 in Verbindung mit dem Anspruch 1, auf den der Anspruch 5 in seiner Einleitung verweist, sowie aus der Beschreibung ableiten:

2.1.1 Demnach wird zunächst eine Mischung aus der Hauptkomponente Magnesia (MgO) und einem Oxid hergestellt, welches beim Schmelzen der Mischung einen Spinell der Formel FeAl2O4 bzw. MgAl2O4 bildet. Die Komponenten des Gemischs werden gemeinsam geschmolzen und anschließend abgekühlt, so dass sich in der erstarrten Schmelzmagnesia punktförmige und relativ gleichmäßig verteilte Entmischungsfelder von elastifizierenden Spinellen der genannten Formel ausbilden. Die erstarrte Schmelze wird schließlich zerkleinert und fraktioniert, um das Produkt, d.h. die Resistorkörner gemäß Anspruch 1, zu erhalten.

2.1.2 Wie dem Anspruch 5 weiter zu entnehmen ist, muss die Menge des zugesetzten spinellbildenden Oxids so gewählt werden, dass seine Löslichkeit in der Schmelze überschritten wird (Bedingung 1). Diese erste Bedingung ist jedoch nicht hinreichend, da zusätzlich dafür gesorgt werden muss, dass der Anteil der Spinellausscheidungen in der erstarrten Schmelze bzw. den daraus gewonnenen Resitorkörnern 2 bis 25 Massenprozent beträgt (Bedingung 2, vgl. Anspruch 1).

2.1.3 Es stellt sich die Frage, ob die oben genannten Bedingungen 1 und 2 den beanspruchten Mengenbereich genügend genau definieren, oder ob in dieser Hinsicht ein Offenbarungsmangel vorliegt.

Weder im Anspruch 5, noch in der Beschreibung wird numerisch angegeben, welche Mengen von spinellbildenden Oxiden, d.h. Oxiden von Magnesium, Aluminium und gegebenenfalls Eisen, zugegeben werden müssen. Hingegen wird die Möglichkeit erwähnt, "alle spinellbildenden Minerale entsprechend einer stöchiometrisch erforderlichen Menge als Spinellbildner zuzugeben" (vgl. Seite 5, Zeilen 12 - 14, Abschnitt [0030]). Erhebliche Mengen von Spinellbildnern können in fester Lösung in den Magnesiakristallen gebunden sein (vgl. Beschwerdebegründung vom 9. November 2009, Seite 5, zweiter Abschnitt, Zeilen 1 - 8). Deshalb müssen zwei Aspekte berücksichtigt werden: Die erforderlichen Mengen von Spinellbildnern sind erstens abhängig von den Bestandteilen der eingesetzten Rohstoffe und zweitens von der Schmelz- und Abkühlungsführung.

2.1.4 Demnach wird die Menge der in den Resistorkörnern tatsächlich vorhandenen elastifizierenden Spinellausscheidungen im Normalfall kleiner sein, als es den stöchiometrischen Verhältnissen entspricht. Im Einzelfall ist nicht vorhersehbar oder im Voraus berechenbar, welcher genaue Anteil des Spinellbildners als Ausscheidungsmenge auftritt und welcher Anteil in feste Lösung geht. Der Fachmann ist aus diesem Grund auf empirische Versuche angewiesen (vgl. Beschwerdebegründung vom 9. November 2009, Seite 5, dritter Abschnitt, Zeilen 1 - 11).

2.1.5 Nach Auffassung der Kammer besteht ohnehin die Notwendigkeit, dass der Fachmann die jeweils vorhandenen Rohstoffe testet, bei denen es sich im Allgemeinen um natürlich vorkommende Materialien unterschiedlicher Zusammensetzung handelt. Die Anzahl der dazu erforderlichen Versuche ist überschaubar und nicht mit unzumutbarem Aufwand verbunden (vgl. dazu z.B. die Entscheidungen der Technischen Beschwerdekammern T 0409/91; T 0435/91; T 0612/92).

2.1.6 Dasselbe gilt für die Ermittlung der genauen Schmelz- und Abkühlbedingungen, insbesondere das verwendete Schmelzverfahren sowie die Temperatur- und Zeitführung. Auch diese Bedingungen werden empirisch ermittelt. Der Fachmann weiß, dass metalloxidische Mischungen aus natürlich vorkommenden Rohstoffen naturgemäß unterschiedliche Nebenbestandteile aufweisen, die einen Einfluss auf das Schmelz- und Abkühlungsverhalten ausüben. Dem Fachmann ist bewusst, dass sich keine genauen und allgemein gültigen Angaben bezüglich der Kinetik und des Ausscheidungsverhaltens machen lassen. Entsprechend sind Versuche erforderlich, um die genauen Schmelz- und Abkühlbedingungen für die jeweils verfügbaren Rohstoffe festzulegen. Solche Versuche werden vom Fachmann routinemäßig durchgeführt.

2.1.7 Weitere Anhaltspunkte, wie die beanspruchten Resistorkörner hergestellt werden können, liefern die Beispiele 1 und 2 der Beschreibung:

Gemäß Beispiel 1 erhält man ein Produkt mit den im Anspruch 1 angegebenen Merkmalen, wenn man 90 [Gewichts-] % Magnesia (MgO), 4.4 % Eisenoxid und 5,6 % Aluminiumoxid mischt, in einen Schmelztiegel einfüllt, anschließend in einem Elektrolichtbogenofen bei einer Temperatur von ca. 3000 ºC schmilzt und danach die Schmelze abkühlt, zerkleinert und in Fraktionen von 0 bis 1 mm, 1 bis 2 mm, 2 bis 4 mm und Mehl fraktioniert (vgl. Seite 5, Zeilen 24 - 27, Abschnitt [0034] in Verbindung mit Figur 4).

In gleicher Weise wird gemäß Beispiel 2 eine Mischung von 85 [Gew.-] % Magnesia und 15 % Aluminiumoxid verarbeitet.

2.2 Ob sich unter den jeweils gewählten Verfahrensbedingungen die gewünschten elastifizierenden Spinellausscheidungen tatsächlich ausbilden, kann der Fachmann mit herkömmlichen Methoden erkennen.

2.2.1 Beispielsweise lassen sich die Menge, die Größe und die Verteilung der Entmischungsfelder im erstarrten und zerkleinerten Granulat mit Hilfe von mikroskopischen Methoden zumindest näherungsweise feststellen. Die Figuren 1 und 2 der Anmeldung zeigen dies beispielhaft in Form von Aufnahmen eines Schmelzkorns. Die punktförmigen, relativ gleichmäßig im Korn sowie an den Korngrenzen verteilten Ausscheidungen, bei denen es sich nach Angaben des Anmelders um Spinelle handelt, sind deutlich zu erkennen (vgl. Beschreibung, Seite 4, Zeilen 21 - 25).

2.2.2 Auch mittels der gebräuchlichen Röntgenbeugungsanalyse kann untersucht werden, in welchem Ausmaß die Rohstoffe beim Schmelzen reagiert haben und wie viel Spinell entstanden ist.

2.2.3 Schließlich liefert z.B. die bekannte EDX-Mikrosondentechnik ("energy dispersive X-ray spectroscopy") genauen Aufschluss über die Menge des gebildeten Spinells (vgl. Eingabe des Anmelders vom 8. Juni 2009, Seite 3, zweiter Abschnitt).

2.3 Die Kammer sieht keine Veranlassung, die Angaben des Anmelders in Zweifel zu ziehen, wonach in den Beispielen 1 und 2 Resistorkörner erhalten wurden, die bezüglich ihrer Merkmale dem Anspruch 1 der Anmeldung entsprechen. Die Prüfungsabteilung hat dies auch nicht bestritten, sondern lediglich bemängelt, dass der Anmelder es unterlassen habe, ausdrücklich anzugeben, ob die Spinellausscheidungen z.B. durch Mikroskopie und Röntgendiffraktometrie beobachtet worden seien (vgl. Entscheidung vom 23. Juli 2009, Seite 4, Zeilen 13 - 17). Nach Auffassung der Kammer wären solche Angaben zwar wünschbar, jedoch nicht unbedingt erforderlich, da es sich, wie oben dargelegt, um Untersuchungstechniken handelt, die im Fachgebiet der Keramiktechnik allgemein üblich sind. Im Übrigen gibt es keinerlei Hinweise, dass das in den Beispielen 1 und 2 beschriebene Verfahren zu Produkten geführt hat, die dem Anspruch 1 nicht entsprechen.

2.3.1 In den Beispielen 1 und 2 wird die Art der Schmelzeinrichtung genannt ("Elektrolichtbogenofen"), ebenso die Temperatur des Schmelzprozesses ("ca. 3.000 ºC"). Weiter gehende Angaben zur Führung des Schmelz- und Erstarrungsprozesses fehlen jedoch. In dieser Beziehung vermittelt die Beschreibung lediglich ein summarisches, d.h. lückenhaftes Bild der Verfahrensbedingungen.

2.3.2 Nach Überzeugung der Kammer ist der Fachmann jedoch in der Lage, diese Lücken unter Zuhilfenahme seines allgemeinen Fachwissens zu füllen.

Die Technik des Schmelzens von Mischungen aus Metalloxiden im Elektrolichtbogenofen gehört zu den in der Fachwelt bestens bekannten Verfahren. Sie stellt die am häufigsten verwendete Methode zum Schmelzen von feuerfester Schmelzmagnesia dar (vgl. D1, Seite 209, zweiter Abschnitt, Zeilen 1 - 9). Deshalb darf zumindest bis zum Beweis des Gegenteils unterstellt werden, dass der Fachmann keine in alle Einzelheiten gehende Beschreibung benötigt, um geeignete Schmelz- und Abkühlbedingungen zu finden.

2.3.3 In diese Richtung weisen auch die Entgegenhaltungen D3 und D4, die im Zusammenhang mit der Herstellung von Schmelzmagnesia auf die als konventionell bezeichnete Technik des Schmelzens im Elektrolichtbogenofen ("conventional practices" bzw. "conventional electric arc furnaces") verweisen (vgl. D3, Spalte 1, Zeile 67 bis Spalte 2, Zeile 4; D4, Spalte 2, Zeilen 55 - 68; Spalte 3, Zeilen 5 - 17). Offensichtlich hielten es auch die Autoren der Dokumente D3 und D4 nicht für erforderlich, das Verfahren umfassend zu erläutern.

2.3.4 Die Kammer bemerkt, dass das Fehlen von vollständigen Angaben über das verwendete Verfahren nicht zwangsläufig bedeutet, dass eine mangelhafte Offenbarung vorliegt. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der Fachmann keine umfassende Beschreibung des betreffenden Verfahrens benötigt, weil er die erforderlichen Verfahrensmaßnahmen ohne weiteres mit Hilfe einiger routinemäßiger Versuche bestimmen und so die Informationslücke schließen kann.

2.4 Zur Frage, in welchem Umfang der Fachmann im vorliegenden Zusammenhang auf seine allgemeinen Fachkenntnisse zurückgreifen kann, hat der Beschwerdeführer zusammen mit der Beschwerdebegründung vom 9. November 2009 ein Gutachten von Prof. Dr. C. G. Aneziris, datiert 6. Oktober 2009, vorgelegt. Der Gutachter ist Inhaber der Professur für Keramik an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg.

2.4.1 Prof. Aneziris führt unter anderem aus, sowohl das "Studium und die Generierung von Phasendiagrammen", als auch "eine breite Palette von Untersuchungsmethoden, wie z.B. Röntgenbeugung, Energie dispersive XR-Analyse im Rasterelektronenmikroskop, Anschliffe im Lichtmikroskop etc., um Neuphasenbildungen, Entmischungen, Ausscheidungen etc. eindeutig zu identifizieren", gehörten zu den etablierten Werkzeugen der Absolventen des Diplomstudiengangs. Die Beschreibung der vorliegenden Anmeldung gebe "dem Werkstoffingenieur, Keramiker, Feuerfestingenieur etc." Hinweise zur Umsetzung der technischen Lehre. Dem durchschnittlichen Fachmann werde offenbart, "welche Oxide und mit welchem Verfahren Spinellausscheidungen beim Abkühlen der Schmelze in den MgO-Schmelzmagnesiumkörnungen generiert werden" könnten. Dem Fachmann sei bewusst, dass Verunreinigungen der Ausgangsrohstoffe bei der Auswahl der Zugabe der weiteren Oxide mitberücksichtigt werden müssten. Er berücksichtige auch, dass die Oxide in Abhängigkeit vom MgO-Rohstoff zum Teil in feste Lösung gingen und nicht unter Spinellbildung ausgeschieden würden. Weiter gehende Hinweise, wie z.B. Rohstoffzusammensetzungen, Schmelztemperaturen und Abkühlraten seien nicht erforderlich, da die Absolventen des Diplomstudiengangs eindeutig kennen gelernt hätten, "den Habitus (Verteilung, Größe, Chemismus etc.) der neu generierten Spinellausscheidungen über die Technologie (max. Temperatur, Haltezeit, Abkühlrate, Zwischenintervalle beim Abkühlen etc.) zu steuern" (vgl. Gutachten vom 6. Oktober 2009, Seite 1, zweiter Abschnitt bis Seite 2, zweiter Abschnitt).

Zur Stützung seiner Ausführungen verweist Prof. Aneziris auf ein einschlägiges Handbuch, das "im Sinne der Praktiker und Anwender" die Industriebranche abdecke:

Gerald Routschka (Hrsg.): Taschenbuch Feuerfeste Werkstoffe.

3. Auflage, Essen: Vulkan-Verlag, 2001, 505 S.

2.4.2 Aufgrund ihres späten Datums, das mehr als 7 Jahre nach dem Anmeldetag der vorliegenden Anmeldung liegt, können die Ausführungen von Prof. Aneziris nicht als Beleg für den maßgebenden Stand der Technik angesehen werden, wie er am Anmeldetag bestanden hat. Sie bestätigen jedoch die Auffassung, welche die Kammer auf der Basis des Inhalts der Dokumente D1, D3 und D4 gewonnen hat.

2.5 Aus den oben genannten Gründen stellt der Umstand, dass in den Beispielen 1 und 2 der Anmeldung keine umfassenden Angaben über die Schmelz- und Abkühlbedingungen enthalten sind und auch die Methoden zur Untersuchung der Entmischungsfelder der elastifizierenden Spinellausscheidungen nicht näher beschrieben werden, keine Offenbarungslücke dar, die die Ausführbarkeit der beanspruchten technischen Lehre in Frage stellt.

2.6 Insgesamt ergibt sich, dass das Verfahren gemäß Anspruch 5 genügend deutlich und allgemein offenbart ist, dass ein Fachmann es ohne unzumutbaren Aufwand, und erst recht ohne selber erfinderisch tätig werden zu müssen, ausführen kann.

Ausführbarkeit des Erzeugnisses gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags

3. Wie oben dargelegt wurde, können mit Hilfe des Verfahrens gemäß Anspruch 5 Resistorkörner hergestellt werden, die sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 aufweisen. Somit steht außer Frage, dass das Erzeugnis gemäß Anspruch 1 dem Fachmann zugänglich ist. Die Ausführbarkeit des Erzeugnisses gemäß Anspruch 1, d.h. der beanspruchten Resistorkörner, ist demnach gegeben.

4. Bei dieser Sachlage kommt die Kammer zum Schluss, dass im vorliegenden Fall das Erfordernis von Artikel 83 EPÜ erfüllt ist.

Zurückverweisung an die erste Instanz

5. Die angefochtene Entscheidung stützt sich ausschließlich auf den Einwand der mangelnden Offenbarung (Artikel 83 EPÜ).

5.1 Im ersten Beschwerdeverfahren T 0538/06 hat die zuständige Beschwerdekammer entschieden, dass die auch jetzt noch vorliegenden Ansprüche den Bestimmungen des Artikels 123(2) EPÜ genügten (vgl. Entscheidung T 0538/06, Seiten 5 - 6, Ziffer 1 der Gründe) und dass die Resistorkörner gemäß Anspruch 1 sowie das Verfahren zu deren Herstellung gemäß Anspruch 5 gegenüber dem im europäischen Recherchenbericht zitierten Stand der Technik neu seien (vgl. Entscheidung T 0538/06, Seite 12, Ziffer 3.3 der Gründe).

5.2 Das vorliegende zweite Beschwerdeverfahren führt zum Ergebnis, dass auch das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung (Artikel 83 EPÜ) erfüllt ist. Auf Grund der vorstehenden Ausführungen ergibt sich auch, dass die Kammer die Erfordernisse gemäß Artikel 84 EPÜ für erfüllt hält. Auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen stehen der Erteilung eines Patents nur noch die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 56 EPÜ und die Anpassung der Beschreibung entgegen.

5.3 Die Frage der erfinderischen Tätigkeit ist bisher von der Prüfungsabteilung nicht abschließend geprüft worden. In der ersten Entscheidung über die Zurückweisung der Anmeldung vom 1. Dezember 2005 hat die Prüfungsabteilung bezüglich der erfinderischen Tätigkeit lediglich bemerkt, die Schmelze Nr. 4 in der Tabelle I der Entgegenhaltung D2 komme dem Beispiel 2 der vorliegenden Anmeldung "sehr nahe". Solange nicht mittels konkreter Messungen des Elastifizierergehalts nachgewiesen werde, dass der Gehalt an Spinell bei den beiden Erzeugnissen unterschiedlich sei, könne nur die Form als Granulat als (einziges) Unterscheidungsmerkmal angesehen werden. Die Ausgestaltung des Produkts als Granulat scheine jedoch im Hinblick auf D3 oder D4 naheliegend zu sein.

Die Entgegenhaltung D1, die für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit prima facie relevant erscheint, ist durch die Prüfungsabteilung noch nicht in Betracht gezogen worden (vgl. Entscheidung über die erste Beschwerde T 0538/06, Seite 13, Ziffer 4 der Gründe).

5.4 Unter den gegebenen Umständen hält es die Kammer für geboten, von ihrem Ermessen unter Artikel 111(1) EPÜ Gebrauch zu machen und die Sache zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen. Auf diese Weise wird der Verlust der ersten Instanz vermieden.

Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung

6. Auf den hilfsweise gestellten Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung ist nicht einzugehen, da dem Hauptantrag im Wesentlichen stattgegeben wird.

Hilfsantrag

7. Da die vorliegende Entscheidung den Hauptantrag nicht zurückweist, ist auf den Hilfsantrag nicht einzugehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückverwiesen.

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