T 2211/09 () of 3.9.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T221109.20100903
Datum der Entscheidung: 03 September 2010
Aktenzeichen: T 2211/09
Anmeldenummer: 05812259.9
IPC-Klasse: B60H 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 23 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Ermitteln der Soll-Ausblastemperatur einer automatischen Klimaanlage in einem Cabrio
Name des Anmelders: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - geänderter Anspruch 1 (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 05 812 259.9 wurde mit der am 1. Oktober 2009 zur Post gegebenen Entscheidung der Prüfungsabteilung zurückgewiesen. Dagegen wurde von den Anmelderin am 15. Oktober 2009 Beschwerde eingelegt, diese begründet und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet.

II. Folgende Dokumente wurden für die Entscheidung in Betracht gezogen:

DE 102 35 580 A1 (D1)

DE 102 26 008 A1 (D2)

US 2001/045278 A1 (D3)

III. Die Prüfungsabteilung ist in ihrer Entscheidung zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem seinerzeit vorliegenden Hauptantrag im Hinblick auf die Kombination der Dokumente D1 und D3 nicht erfinderisch im Sinne des Art. 56 EPÜ 1973 sei.

IV. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche 1 bis 7 ein und beantragte die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Erteilung des Patents auf der Basis dieser Ansprüche. Mit Schreiben vom 5. Juli 2010 reichte die Anmelderin eine an die geänderten Ansprüche angepasste Beschreibung nach.

Im Rahmen einer telefonischen Rücksprache am 11. August 2010 ist die Beschwerdeführerin vom Berichterstatter der Kammer darauf hingewiesen worden, dass Anspruch 1 einen sprachlichen Fehler enthält. Die Beschwerde führerin bat darum, das letzte Merkmal des Anspruchs wie folgt richtigzustellen: "und wobei der geschwindigkeits- und außentemperaturabhängigen Offsetwert (TAo) das Produkt aus einem geschwindigkeitsabhängigen Offsetwert (OS) und einem Außentemperaturfaktor (AF) ist."

V. Anspruch 1, eingereicht mit der Beschwerdebegründung und richtiggestellt in der telefonischen Rücksprache am 11. August 2010 lautet wie folgt:

Verfahren zum Ermitteln der Soll-Ausblastemperatur einer automatischen Heiz-Klimaanlage eines Fahrzeugs, vorzugsweise eines Cabrios, wobei ein geöffneter oder geschlossener Zustand des Verdecks des Fahrzeugs erfasst wird und die Heiz-Klimaanlage abhängig vom Zustand des Verdecks unterschiedlich gesteuert und/oder geregelt wird, und wobei beim geöffneten Zustand des Verdecks die Soll-Ausblastemperatur (TA) in Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit (v) ermittelt wird, dadurch gekennzeichnet, dass beim geöffneten Zustand des Verdecks die Soll-Ausblastemperatur (TA) derart ermittelt wird, dass eine verdeck-geschlossene Soll-Ausblastemperatur (TAg) um einen geschwindigkeits- und außentemperaturabhängigen Offsetwert (TAo) erhöht wird, und wobei der geschwindigkeits- und außentemperaturabhängige Offsetwert (TAo) das Produkt aus einem geschwindigkeitsabhängigen Offsetwert (OS) und einem Außentemperaturfaktor (AF) ist.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 richten sich auf bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 1.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu und erfinderisch im Hinblick auf den im Verfahren befindlichen Stand der Technik.

2.1 Das Dokument D1 offenbart alle Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1:

Verfahren zum Ermitteln der Soll-Ausblastemperatur einer automatischen Heiz-Klimaanlage eines Cabrios (Zusammenfassung),

wobei ein geöffneter oder geschlossener Zustand des Verdecks des Fahrzeugs erfasst wird und die Heiz-Klimaanlage abhängig vom Zustand des Verdecks unterschiedlich gesteuert und/oder geregelt wird (dito, auch [0007]),

und wobei beim geöffneten Zustand des Verdecks die Soll-Ausblastemperatur in Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit ermittelt wird ([0010] und [0011]).

2.2 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von dem in Dokument D1 offenbarten darin, dass

a) beim geöffneten Zustand des Verdecks die Soll-Ausblastemperatur (TA) derart ermittelt wird, dass die verdeck-geschlossene Soll-Ausblastemperatur (TAg) um einen geschwindigkeits- und außentemperatur abhängigen Offsetwert (TAo) erhöht wird,

b) und wobei der geschwindigkeits- und außen temperaturabhängige Offsetwert (TAo) das Produkt aus einem geschwindigkeitsabhängigen Offsetwert (OS) und einem Außentemperaturfaktor (AF) ist.

2.3 Die zu lösende Aufgabe besteht darin, eine veränderte Temperaturregelung bei geöffnetem Verdeck vorzunehmen, die sowohl die Außentemperatur als auch die Fahr geschwindigkeit in einer Offsetfunktion berücksichtigt.

3. Im bekannten Stand der Technik gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Fahrgeschwindigkeit in die Berechnung eines Offsetwertes eingeht, mit der die Ausblas temperatur bei geöffnetem Verdeck verändert wird.

3.1 Das Dokument D2 beschreibt eine Luftversorgungseinrichtung für einen Fahrzeugsitz (Airscarf), die in einem Fahrzeugsitz eingebaut ist. Bei dieser wird Heizleistung und Drehzahl des Gebläses in Abhängigkeit von der Außentemperatur und der Fahrgeschwindigkeit eingestellt (Paragraph [0005]). Diese beiden Größen werden aber nicht zu einem gemeinsamen Offsetwert verrechnet, sondern es wird ein Grundwert (G1, G2, G3) in Abhängigkeit von der Außentemperatur ausgewählt (Paragraph [0015]), der sich mit der Fahr geschwindigkeit ändert (vgl. Fig. 4 und Paragraph [0016]).

Aus Dokument D2 geht weiterhin nicht hervor, wie sich Temperatur und Luftstrom bei einem bestimmten Grundwert zueinander verhalten. Über eine Steuerkennlinie (S1, S2, S3) wird eine weitere Einstellung des Luftstroms L vorgenommen, wobei der Luftstrom L eine von der Heizleistung h und von der Lüfterdrehzahl n abhängige Größe ist, vgl. Fig. 4.

3.2 Das Dokument D3 offenbart in Fig. 4 in den Schritten 53, 54, 55 die Berechnung eines Offsetwertes durch Multiplikation zweier Korrekturwerte (V1 x V2), wobei V1 ein fahrgeschwindigkeitsabhängiger und V2 ein außentemperaturabhängiger Korrekturwert ist. Dieser Offsetwert wird verwendet, um die Gebläsespannung zu regulieren (blower voltage correction, Paragraph [0050]).

3.2.1 Die Ausblastemperatur (TAO) - die der Soll-Ausblastemperatur bei geöffnetem Verdeck in der Anmeldung entspricht (siehe Merkmal a), Punkt 2.2 - wird in der Vorrichtung gemäß Dokument D3 mit einer Formel berechnet (vgl. Fig. 3, S4, Paragraph [0033] bis [0039]). Darin wird die Fahrgeschwindigkeit nicht berücksichtigt.

Der Fachmann erhält zwar aus D1 die Anregung, auch die Fahrgeschwindigkeit in die Ausblastemperatur mit einzubeziehen. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass er dem Dokument D3 keine Lehre für eine Weiterentwicklung der Vorrichtung aus D1 entnehmen kann. Die zu lösende Aufgabe wird dort nicht behandelt, da die Fahrgeschwindigkeit als beeinflussende Größe nicht in die Ausblastemperatur eingeht.

Die Tatsache, dass auch Dokument D3 zwei Korrekturwerte - einen fahrgeschwindigkeitsabhängigen und einen außentemperaturabhängigen - mittels einer Multiplikation zu einem Offsetwert verrechnet, kann alleine noch kein Nahelegen des Gegenstands von Anspruch 1 begründen. Dieser Korrekturwert wird für die Steuerung der Lüfterdrehzahl verwendet und es gibt keinen Hinweis im Stand der Technik, dass ein derartiger Korrekturwert auch für die Soll-Ausblastemperatur verwendet werden könnte. Somit hat nach Ansicht der Kammer der Fachmann keinerlei Anregung dazu, dies zu tun.

3.2.2 Indes sieht die Kammer, dass dem Fachmann mit der gestellten Aufgabe und der Kenntnis von Dokument D3 ein von der Erfindung verschiedener Weg möglicherweise näher gelegen hätte.

Das Verfahren zur Bestimmung der Ausblastemperatur gemäß Dokument D3 (vgl. Paragraph [0033] bis [0038]) wird durch eine Gleichung ([Equation 1]) ermittelt, die aus fünf Termen besteht: Kset x Tset, Kr x Tr, Kam x Tam, Ks x Ts und C. Die Terme sind wie folgt summarisch zusammengesetzt: vom erstgenannten Term werden alle weiteren abgezogen, bis auf C, eine Systemkonstante, die addiert wird. Hier wird also die Ausblastemperatur ermittelt, indem von der eingestellten Wunschtemperatur (Tset) Korrekturwerte für Sonneneinstrahlung (Ks x Ts), Innentemperatur (Kr x Tr) und Außentemperatur (Kam x Tam) abgezogen werden.

Es stellt sich für den vorliegenden Fall also die Frage, ob ein Fachmann, der die Veränderung der Ausblas temperatur in Abhängigkeit der Fahrgeschwindigkeit im Sinn hat, nicht angeregt wird, die genannte Gleichung um einen weiteren Term, der die Fahr geschwindig keit berücksichtigt, zu ergänzen. Aber auch die so ergänzte Lehre von Dokument D3 würde den Fachmann nicht dazu anregen, die Vorrichtung nach Dokument D1 zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung weiterzuentwickeln, sondern eher davon wegführen.

3.3 Schlussendlich kommt die Kammer zu der Auffassung, dass keines der genannten Dokumente in der Lage ist, die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 in Frage zu stellen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die 1. Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein europäisches Patent mit den folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Anspruch 1, eingereicht mit Schreiben vom 13. Oktober 2009; richtiggestellt in der telefonischen Rücksprache am 11. August 2010 (siehe Ziffer IV, 2. Absatz in dieser Entscheidung);

- Ansprüche 2 bis 7, eingereicht mit Schreiben vom 13. Oktober 2009;

- Beschreibung Seiten 1 bis 4, eingereicht mit Schreiben vom 5. Juli 2010;

Beschreibung Seiten 5 bis 9 wie ursprünglich eingereicht;

- Zeichnungsblätter 1/3 bis 3/3 wie ursprünglich eingereicht.

Quick Navigation