T 1592/09 () of 21.10.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T159209.20111021
Datum der Entscheidung: 21 October 2011
Aktenzeichen: T 1592/09
Anmeldenummer: 04026547.2
IPC-Klasse: E04B 1/68
C04B 28/02
C04B 28/10
C09K 3/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Abdichteinrichtung zur Abdichtung von Arbeitsfugen
Name des Anmelders: BPA-GmbH
Name des Einsprechenden: Sika Technology AG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(b)
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerde (ja)
Verspäteter Einspruchsgrund (Einführung - ja)
Offenbarung der Erfindung (ja)
Zulässigkeit von Beweismitteln (teilweise nein)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

Auch wenn die angefochtene Entscheidung keine ausdrückliche Feststellung zur Zulassung eines verspätet vorgebrachten Einspruchsgrundes enthält, so kann dieser als in das Verfahren aufgenommen angesehen werden, wenn die Entscheidungsgründe hierzu substantiierte Ausführungen enthalten.

Angeführte Entscheidungen:
G 0010/91
G 0001/95
T 0220/83
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1286/14

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 20. März 2009, zur Post gegeben am 20. Mai 2009, das Europäische Patent Nr. 1 571 271 in geändertem Umfang gemäß Hilfsantrag 2, wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung am 20. März 2009, nach Artikel 101 (3) a) EPÜ aufrechtzuerhalten.

II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hatte am 30. Juli 2009 Beschwerde eingelegt und am gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung war am 29. September 2009 eingegangen.

III. Mit Bescheid vom 25. August 2011 teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung in einem Bescheid gemäß Artikel 15(1) VOBK mit. Die mündliche Verhandlung fand am 21. Oktober 2011 unter Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt.

IV. Der Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Verwerfung der Beschwerde als unzulässig, hilfsweise, die Zurückweisung der Beschwerde.

V. Der unabhängige Anspruch 1, wie geändert aufrechterhalten, hat folgenden Wortlaut:

"1. Abdichteinrichtung (6,9) zur Abdichtung von Arbeitsfugen (4,5), insbesondere von Betonierfugen, mit einem Träger (7) und einer zumindest abschnittsweise auf dem Träger (7) aufgebrachten, einen Haftvermittler umfassende Beschichtung (8), die ein Abdichtmaterial aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das Abdichtmaterial Zement und/oder Calciumhydroxid umfasst, der Träger (7) als verzinktes Trägerblech ausgebildet ist und der Haftvermittler eine Kunststoffdispersion, insbesondere eine Latexdispersion, ist."

VI. Für die vorliegende Entscheidung wurden insbesondere

folgende Beweismittel berücksichtigt:

E2 : AT-006 640 U2

E3 : US-A-4 558 875

eingereicht mit der Beschwerdebegründung:

E10 : CA-1 143 385 A

E11 : "Shipping and off-shore", webpage http://web.archive.org/web/20040219130704/www.swedac-acoustic.se/pages/shipping...; datiert 24.09.2009;

E12 : "System 49-CPBA"; Edison Coatings, Inc.; Rev. 12/03;

E13 : "Bornit ® - Haftemulsion", technisches Merkblatt, 18.Mai 1999;

VII. Die Parteien haben im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:

VII.1 Verspäteter Einspruchsgrund und Zulässigkeit der Beschwerde

a) Die Beschwerdeführerin argumentierte, der Einspruchsgrund der unzureichenden Offenbarung sei zwar in ihrer Beschwerdebegründung "erneut" eingeführt worden. Die Parteien hätten jedoch mangelnde Ausführbarkeit in der Verhandlung vor der Einspruchsabteilung bereits ausführlich diskutiert, und sich daher im Einspruchsverfahren mit dieser Frage auseinandergesetzt. Der verspätete Einspruchsgrund, welcher zudem in der Entscheidung abgehandelt worden sei, sei somit (von der Einspruchsabteilung) ins Verfahren eingeführt und geprüft worden.

Darüber hinaus sei die Beschwerde begründet, da im üblichen Rahmen auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung, etwa zur erfinderischen Tätigkeit, eingegangen werde und es auch üblich sei, hierzu neue Dokumente vorzulegen. Die Beschwerde sei daher zulässig.

b) Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass der verspätet vorgetragene Einspruchsgrund der unzureichenden Offenbarung nicht Gegenstand der Entscheidung der Einspruchsabteilung gewesen sei, und verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Niederschrift zur Verhandlung vor der Einspruchsabteilung. Der schriftlichen Entscheidung der Einspruchsabteilung sei jedenfalls keine explizite Abhandlung mangelnder Offenbarung entnehmbar, als Überschrift (zu Hilfsantrag 2) werde lediglich die Frage der erfinderischen Tätigkeit adressiert. Die Entscheidung sei diesbezüglich daher nicht überprüfbar, und der Vortrag der Beschwerdeführerin hierzu auch nicht geeignet, die Beschwerde in zulässiger Art und Weise zu begründen.

Weiters setze sich die Beschwerdeführerin an keiner Stelle mit den Gründen der Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit auseinander, was jedoch Voraussetzung für die Beschwerdebegründung sei. Die Einspruchsabteilung habe keine Gelegenheit gehabt, ihre Entscheidung auf eine Zusammenschau der Dokumente E3 (bzw. E2) mit den nunmehr verspätet vorgelegten Dokumenten zu stützen, wodurch die Entscheidung auch in dieser Hinsicht nicht überprüfbar sei. Die Beschwerde sei somit insgesamt nicht begründet und daher nicht zulässig.

VII.2 Offenbarung der Erfindung

a) Die Beschwerdeführerin argumentierte, die Aufgabe des Haftvermittlers aus Anspruch 1 sei nicht nur, die Zementbeschichtung am Trägerblech zu halten, sondern darüber hinaus als Verbund zwischen Blech und dem umgebenden Beton zu dienen, siehe Absatz [0008] des Patents. Daher sei bereits eine solche Mehrfachfunktion des Haftvermittlers durch routinemäßige Experimente nicht zu ermitteln. Weiters sei der Begriff, wonach der Haftvermittler eine "Kunststoffdispersion" sei, sehr breit gefasst. Die in Anspruch 1 genannte "Latexdispersion" sei nur fakultativ genannt, und selbst dann habe der Fachmann keinen Anhaltspunkt, eine geeignete Kunststoffdispersion zu wählen, da auch der Begriff "Latex" sehr vielfältig verwendet werde. Der Fachmann müsse zudem nicht nur das Verhältnis des Dispersionsmittels zur dispergierten Phase bestimmen, sondern, insbesondere bei einer wässrigen Dispersion, auch hierfür geeignete Anteile des beigegebenen Abdichtmaterials, z.B. des Zements. Durch die sich daher ergebende sehr hohe Anzahl an möglichen Zusammensetzungen für den Haftvermittler könne der Fachmann die Erfindung nicht ohne unzumutbaren experimentellen Aufwand ausführen ohne erfinderisch tätig zu werden. Schließlich sei auch zu bezweifeln, ob die Erfindung über den gesamten (breit) beanspruchten Bereich auszuführen sei, d.h. es gebe Haftvermittler, die der Fachmann nach Anspruch 1 in Betracht ziehen würde, die aber vielleicht nicht die "richtigen" seien, also nicht im Sinne der Erfindung wirkten. Aus den vorstehenden Gründen sei die Ausführbarkeit des Anspruchs 1 nicht gegeben.

b) Die Beschwerdegegnerin erwiderte, Absatz [0008] des Patents sei klar zu entnehmen, dass der Verbund zum umgebenden Beton durch die Beigabe von Calciumhydroxid bzw. Zement unter Einwirkung von Wasser, und nicht etwa durch den Haftvermittler, erreicht werde. Wie im Patent in Absatz [0013] beschrieben, bewirke der Haftvermittler, dass das Abdichtmaterial am Trägerblech haftet. Die beispielhaft in Anspruch 1 (und Absatz [0013]) genannte Latexdispersion sei am Markt frei erhältlich, und der Fachmann sei somit durchaus in der Lage, eine für seine Zwecke geeignete Dispersion aufzufinden. Die Erfindung nach Anspruch 1 sei daher ausführbar.

VII.3 Zulässigkeit von Beweismitteln

a) Die Beschwerdeführerin führte aus, dass die nachgereichten Dokumente relevant seien, da sie eine Kombination von Kunststoffdispersionen mit Zement, Beton und Metall gemäß dem erst in der Einspruchsverhandlung neu vorgelegten Hilfsantrag 2 beträfen, und somit ausgehend von E3 zur Mörtelmodifikation von Abdichtungen heranzuziehen seien. So beschrieben insbesondere E10 und E11 Haftvermittler als Zusatz von Zementmischungen, die auch zu nach außen angrenzenden Materialien gute Haftung ermöglichten. E12 und E13 beschrieben kommerziell erhältliche Produkte zur Herstellung von Haftbrücken durch Spezifizierung des Haftvermittlers. Somit seien E10 bis E13 ins Verfahren zuzulassen.

b) Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass die Problematik von Haftvermittlung und zementhaltiger Beschichtung keinen neuen Sachverhalt darstelle, sondern bereits Bestandteil der erteilten Fassung des Anspruchs 1 gewesen sei. Keines der verspätet vorgelegten Dokumente E10 bis E13 behandelten oder erwähnten Abdichteinrichtungen von Fugen. Da eine prima facie Relevanz dieser Dokumente daher nicht erkennbar sei, sei deren Zulassung nicht gerechtfertigt.

VII.4 Erfinderische Tätigkeit

a) Die Beschwerdeführerin stimme mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung überein, wonach sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Quelldichtung aus E3 dadurch unterscheide, dass erstens das Abdichtmaterial Zement und/oder Calciumhydroxid umfasse, zweitens der Träger als verzinktes Trägerblech ausgebildet sei, und drittens der Haftvermittler eine Kunststoffdispersion sei. Weiters schließe sich die Beschwerdeführerin der Auffassung der Einspruchsabteilung an, dass zwischen der Verzinkung des Trägerblechs und der Beimengung von Zement und/oder Calciumhydroxid keine Synergie bestehe, die Merkmale also der Lösung von Teilaufgaben dienten, nämlich einerseits der erhöhten Korrosionsfestigkeit und andererseits der verbesserten Abdichtwirkung des Abdichtmaterials. Verzinktes Trägerblech zum Korrosionsschutz sei z.B. aus E2 vorbekannt, wohingegen sich die Verwendung von Zement als Abdichtmaterial aus E3 selbst ergebe, da dort bereits Calciumsilicat als Bestandteil von Zement beschrieben sei. Darüber hinaus sei die Aufgabe der Kunststoffdispersion als Haftvermittler in einer weiteren Verbesserung der Zusammensetzung des Abdichtmaterials zu sehen, die erstens eine bessere Haftung am Blech ermögliche, und zweitens eine bessere Einbindung des Blechs in die Betonmatrix, also des Verbunds mit dem umgebenden Beton, siehe Absatz [0008] des Patents. Da der Fachmann auf dem Gebiet der Haftvermittler auf ein sehr umfangreiches Wissen zugreife, würde er für ein verbessertes Abdichtmaterial zur Lösung die Haftemulsion (d.h. wässrige Dispersion) aus E13 heranziehen, wo verschiedene Anwendungen für Haftbrücken beschrieben seien, insbesondere für die Herstellung von wasserdichten Schichten, und die Haftemulsion vorteilhaft zugleich als Korrosionsschutz für metallische Oberflächen diene. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1, ausgehend von E3, durch die Lehren aus E2 und E13 nahegelegt.

Darüber hinaus unterscheide sich Anspruch 1, ausgehend vom Fugenblech zur Abdichtung aus E2, lediglich durch die Art der Beschichtung des dort beschriebenen verzinkten Blechbands. Die diesem Merkmal zugrunde liegende Aufgabe könne in der Verbesserung der Abdichtung durch das Fugenblech, oder einfach in einer erhöhten Einbindung des Blechs in den umgebenden Beton gesehen werden. Der Fachmann würde zur Lösung daher zwangsläufig E13 in Betracht ziehen, und den Butylkautschuk der E2 durch die in E13 vorteilhaft beschriebene Beschichtung für Haftbrücken und wasserdichte Schichten in Form einer, durch eine Kunststoffdispersion modifizierten, Zementmörtelmasse ersetzen. Somit beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auch im Lichte der E2 und E13 auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

b) Die Beschwerdegegnerin erwiderte, dass die Quelldichtung der E3, im Gegensatz zu Anspruch 1 des Patents, keine Verbundabdichtung realisiere. Das in E3 beschriebene Calciumsilikat diene dort lediglich als am Abdichtungsprozess inaktiver Füller, ein Einsatz von Zement sei nicht vorgesehen. So führte die Beschwerdegegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung hierzu aus, dass Calciumsilikat auch ein Bestandteil im Portlandzement sei, lasse den Umkehrschluss nicht zu, dass Calziumsilikat die gleiche Wirkungsweise und Funktion wie Zement habe. Somit ergebe sich nach Ansicht der Beschwerdegegnerin aus E3 auch kein zementöses Abdichtmaterial, und der Fachmann müsse sich daher, ausgehend von E3, zunächst von dem dort beschriebenen Prinzip der elastischen Quelldichtung lösen. Darüber hinaus sei im Patent der zur Haftung am Blech dienenden Kunststoffdispersion Zement bzw. Calciumhydroxid als Abdichtmaterial beigegeben, wodurch unter Feuchtigkeit zunächst eine erste Reaktion erfolge, und die noch verbleibenden Partikel später beim Einbau mit dem umgebenden Beton reagierten, um schließlich die Verbundabdichtung zu ermöglichten. In E13 sei hingegen keine Rede von einer Eignung der dort beschriebenen Haftemulsion für einen Abdichtungsverbund im Ortbetonbau. Im Gegenteil, das in E13 erhöhte Wasserrückhaltevermögen wäre im Patent nachteilig, da am Trägerblech die Trocknung extrem verzögert werden würde, und zudem der in E13 beschriebene Korrosionsschutz gegen die Verzinkung des Blechs in Anspruch 1 sprechen würde. Obwohl im Patent die Zinkbeschichtung lediglich zur Verhinderung der Korrosion beschrieben sei, sei diese Auffassung im nachhinein unvollständig. So sei die vorerst flüssige Beschichtung aus Haftvermittler und Zement (bzw. Calciumhyroxid) alkalisch, und reagiere mit der Zinkschicht des Trägerblechs, wodurch kurzzeitig Korrosion erfolge. Durch die Korrosion verkralle sich die Beschichtung beim Abbinden am Trägerblech, wodurch unerwartet eine extrem gute Haftung, vor allem gegen Abplatzen der Beschichtung, im Patent ermöglicht werde. Somit verbinde, entgegen der Ansicht der Einspruchsabteilung, die Verzinkung des Trägerblechs und das Abdichtmaterial der Beschichtung ein kombinatorischer Effekt zur Lösung einer gemeinsamen Aufgabe. Zusammenfassend sei der Gegenstand des Anspruchs 1 daher, ausgehend von E3, durch die Lehren der E2 und E13 in keinem Fall nahe gelegt.

Zu E2 sei festzustellen, dass dort ein Fugenblech mit Butylkautschukbeschichtung zur Verklebung gegen Beton (Schutzpapier) beschrieben sei. Diese Beschichtung sei plastisch verformbar, d.h. Bewegungen, wie die Schwindverformungen des Betons sollten ausgeglichen werden. Bei einer Modifikation durch Entfernung des Butylkautschuks müssten also sowohl dessen Klebrigkeit als auch die Art der plastischen Dichtwirkung aufgegeben werden. Die Bedeutung der Verzinkung sei E2 im übrigen nicht entnehmbar. Weiters beschreibe E13 eine Haftverbesserung zwischen Mineralstoffen, und nicht etwa ein Abdichtmaterial zwischen Trägerblech und Fuge im Ortbeton. Es gebe für den Fachmann daher keinerlei Anhaltspunkt, die plastische Abdichtung der E2 für eine Einbindung im Verbund mit Beton etwa durch eine Beschichtung aus E13 zu ersetzen. Anspruch 1 sei somit in jedem Fall erfinderisch im Lichte der E2 und E13.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

1.1 Die Beschwerdebegründung muss die rechtlichen und tatsächlichen Gründe angeben, aus denen sich die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ergibt. Der Beschwerdeführer muss seine Argumente so deutlich und genau vorbringen, dass die Kammer und die Gegenpartei ohne eigene Ermittlungen unmittelbar verstehen können, warum die Entscheidung falsch sein soll und auf welche Tatsachen der Beschwerdeführer seine Argumente stützt (siehe T 220/83, Abl. EPA 1986, 249).

1.2 Im vorliegenden Fall geht aus der Beschwerdebegründung unmittelbar hervor, dass die gegenüber E3 unterscheidenden Merkmale des Anspruchs 1 keine technische Wirkung in Kombination erzielten, sondern vielmehr eine Reihe von Teilaufgaben lösten. Ungeachtet dessen, ob die verspätet eingereichten Dokumente E10 bis E13 nun zulässig sind oder nicht, ist aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin deutlich zu verstehen, dass, ausgehend von E3 Anspruch 1 somit durch E2 (bzw. E7 oder E8) zur Lösung einer "ersten Teilaufgabe", und durch E10 (bzw. E11, E12 oder E13) zur Lösung einer "zweiten Teilaufgabe", nahegelegt sei. Darüber hinaus wird eine zweite Angriffslinie verfolgt, nämlich, dass ausgehend von E2 Anspruch 1 durch E13 nahegelegt sei. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin sind daher jene Tatsachen und Beweismittel, die der vorliegenden Einspruchsentscheidung zur erfinderischen Tätigkeit entgegenstehen, in der Beschwerdebegründung substantiiert dargelegt, und somit sowohl für die Beschwerdegegnerin als auch die Kammer objektiv verständlich, vgl. Regel 99(2) EPÜ.

Die Beschwerde ist daher bereits aus diesem Grund zulässig.

1.3 Da zum Einspruchsgrund der unzureichenden Offenbarung in der Beschwerdebegründung ebenfalls ein substantiierter Vortrag erfolgte, ist die Zulässigkeit der Beschwerde auch deshalb gegeben. Ob dieser Einspruchsgrund geltend gemacht werden darf, kann hierbei dahingestellt bleiben.

2. Verspäteter Einspruchsgrund

2.1 Im vorliegenden Fall wurde der Einwand der Beschwerdeführerin bezüglich unzureichender Offenbarung erstmals in der Verhandlung vor der Einspruchsabteilung von beiden Parteien mehrfach erörtert (siehe hierzu den Vortrag der Parteien während der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2009 unter Punkt 3.10, 3.11, 5.4, 5.6 und 5.7 der Niederschrift).

2.2 Die Große Beschwerdekammer hat in ihrer Entscheidung G 10/91 (Abl. EPA, 1993, 420) unter Punkt 16 der Gründe die Befugnis der Einspruchsabteilung anerkannt, dass diese in Anwendung des Artikels 114 (1) EPÜ einen verspäteten, durch die Einspruchsschrift nicht abgedeckten, Einspruchsgrund prüfen kann. Seine Prüfung setzt allerdings voraus, dass er zuvor in einem ersten Schritt durch die Einspruchsabteilung, unter den in Punkt 16 der G 10/91 vorgegeben Kriterien zur Relevanz, entweder von sich aus, auf Antrag eines Einsprechenden, oder Dritten, in das Einspruchsverfahren zugelassen, also eingeführt wurde. Ist dies geschehen, so wird die Einspruchsabteilung in einem zweiten Schritt die Prüfung durchführen, also "... natürlich auch darüber befinden, ob er der Aufrechterhaltung des angefochtenen Patents entgegensteht.", vgl. G 1/95, Abl. EPA 1996, 615, Punkt 5.2 der Gründe.

2.3 Die Niederschrift zur Verhandlung und die angefochtene Entscheidung enthalten keine ausdrückliche Feststellung dahingehend, ob der verspätet vorgetragene Einspruchsgrund der mangelnden Ausführbarkeit noch zugelassen, also ins Verfahren eingeführt wurde oder nicht. In einem solchen Fall kann sich die Einführung dieses Einspruchsgrundes daraus ergeben, dass die Entscheidungsgründe hierzu substantiierte Ausführungen enthalten.

2.4 So nimmt die Einspruchsabteilung unter Punkt 3.3 ihrer Entscheidung unmissverständlich und hinreichend auf den rechtlichen und faktischen Rahmen des Einspruchsgrunds Bezug, wonach der Fachmann ohne erfinderisch tätig zu sein eine Abdichteinrichtung nach Anspruch 1 mit den beanspruchten Merkmalen (Ansprüche 1 und 4 wie erteilt) "ausführen kann" (d.h. die implizite Nennung des Artikels 100 b) EPÜ), und hierzu "das Mengenverhältnis ... durch Versuch und Irrtum ... vom Fachmann ... angepasst werden kann" (d.h. die Vorbringung von Tatsachen und Beweismittel zur Begründung der Ausführbarkeit).

Hierbei ist ohne Belang, dass, wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, die Abhandlung zur Ausführbarkeit unter der Überschrift mit der Formulierung "Erfinderische Tätigkeit" erfolgte, da eine beschwerdefähige Entscheidung von der Substanz ihres Inhalts, und nicht deren Form bestimmt wird.

2.5 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass sich der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ bereits im Verfahren befindet. Die Prüfung dieses Einspruchsgrundes durch die Kammer stellt somit auch keinen "neuen" Einspruchsgrund im Sinne der Stellungnahme der Grossen Beschwerdekammer G 10/91 (supra) dar, vgl. G 1/95 (supra), Punkt 5.3 der Gründe.

2.6 Aus der Prüfung des verspäteten Einspruchsgrunds unter Punkt 3.3 der Einspruchsentscheidung folgt im vorliegenden Fall zudem implizit, dass dieser offensichtlich dem ersten Anschein nach (also prima facie) für hinreichend relevant befunden und deshalb von der Einspruchsabteilung - zu Recht - zuvor ins Verfahren zugelassen, bzw. eingeführt worden war, in Übereinstimmung mit den Ermessenskriterien unter Punkt 16 der G 10/91 (supra).

Der Umstand, dass der Ermessensspielraum der Einspruchsabteilung für die Zulassung bzw. Einführung von verspäteten Einspruchsgründen im vorliegenden Fall offenbar korrekt angewandt worden war, wurde von der Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren auch nicht angesprochen, ganz zu schweigen angezweifelt, sondern nur, ob der Einspruchsgrund der unzureichenden Offenbarung tatsächlich Gegenstand der Entscheidung der Einspruchsabteilung gewesen sei, also Bestandteil des Verfahrens sei.

Auch der Niederschrift der Einspruchsverhandlung vom 20. März 2009 ist den Stellungnahmen der Parteien zur Ausführbarkeit der Erfindung kein Hinweis zu entnehmen, dass die Einführung dieses Einspruchsgrunds - anders als beispielsweise bei den neuen Druckschriften, siehe Punkt 3.8 der Niederschrift - seitens der Beschwerdegegnerin strittig gewesen sei, um dann - eben vielleicht zu Unrecht - mit der Einspruchsentscheidung dennoch zu erfolgen. Unter Punkt 5.7 der Niederschrift wurde lediglich eine bezüglich der Zulässigkeit des Einspruchsgrunds neutrale bzw. wertfreie Bemerkung der Beschwerdegegnerin festgehalten, wonach die " ... mangelnde Offenbarung als verspätet eingebrachter Einspruchsgrund anzusehen" sei. In der Verhandlung vor der Kammer hatte die Beschwerdegegnerin nochmals hinreichend Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.

3. Offenbarung der Erfindung

(Artikel 100 b) EPÜ)

3.1 Zunächst ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin, die bestreitet, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 ausführbar ist, die Beweislast der unzureichenden Offenbarung trägt. Für die Kammer sind hierzu jedoch kein begründeter Vortrag, sondern lediglich Vermutungen und Spekulationen erkennbar. So kam die Beschwerdeführerin ihrer Beweispflicht für Haftvermittler, die angeblich nicht, bzw. wider erwarten nicht "richtig" funktionieren, nicht nach, z.B. durch Ergebnisse aus Versuchen zu konkreten Haftvermittlern. Da die Beschwerdeführerin keine plausiblen (und nachprüfbaren) Beweismittel oder Argumente vorlegen konnte, ist die Ausführbarkeit des Anspruchs 1 bereits aus diesem, formalen, Grund gegeben.

3.2 Die Kammer folgt zudem der Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass das Patent, basierend auf Anspruch 1 und der Beschreibung aus Absatz [0013], (mindestens) einen Weg zur Ausführung der Erfindung im Rahmen normalen fachmännischen Könnens aufzeigt. So sind im Patent in Absatz [0013] Angaben zu als Haftvermittler in Frage kommenden Stoffen, an Hand derer der Baustoffchemiker einen Haftvermittler auswählen wird der geeignet ist, das Abdichtmaterial am Trägerblech zu halten. Wie von der Beschwerdegegnerin angemerkt, sind solche Haftvermittler kommerziell erhältliche Produkte, siehe z.B. die von der Beschwerdeführerin verspätet genannte E13.

Daher erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 die Erfordernisse des Artikels 100 b) EPÜ.

4. Zulässigkeit von Beweismitteln

4.1 Dokument E10 betrifft (siehe Zusammenfassung; und Seite 2, 2. Absatz) Zementmischungen mit Zusätzen in Form von Latex zur Verbesserung von Durchmischung und Flexibilität bzw. Haftung an benachbarten Materialien, wie Deckschichten von Brücken oder Überführungen, um z.B. die Widerstandsfähigkeit gegenüber korrosiven Flüssigkeiten zu erhöhen. Weiters beschreibt E11 (siehe Seiten 2/7 und 5/7), deren fragliche Vorveröffentlichung aus "web.archive.org" von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten wurde, mit Latex versetzten Mörtel zur Erhöhung der Zugfestigkeit, z.B. als Anstrich für Stahldecks von Schiffen zur Schalldämmung. E12 (siehe erste Seite) betrifft eine latex-modifizierte Haftgrundierung die bei Ausbesserungen von Stahl und Betonflächen als Korrosionsschutz aufgetragen werden soll.

Die in den Dokumenten E10 bis E12 genannten Kunststoffdispersionen werden daher offenbar in keinerlei Zusammenhang mit Fugenfülleigenschaften von Arbeitsfugen angesprochen, weshalb eine prima facie Relevanz, ausgehend von Abdichteinrichtungen für Arbeitsfugen aus E3 (oder E2) für die Kammer nicht ersichtlich ist und eine Zulassung von E10 bis E12 gemäß Artikel 12(4) VOBK nicht gerechtfertigt war.

4.2 Dokument E13 offenbart eine allgemein im Handel erhältliche Haftemulsion zur Modifizierung von Mörtelmassen, um Haftbrücken zwischen mineralischen Baustoffen herzustellen. Dieses Dokument wurde von der Kammer als Nachweis bekannter kommerzieller Haftemulsionen in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12(4) VOBK ins Verfahren aufgenommen.

5. Erfinderische Tätigkeit

(Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 56 EPÜ)

5.1 Da die Neuheit von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wurde und nach Überzeugung der Kammer auch gegeben ist, ist nur über erfinderische Tätigkeit zu entscheiden.

5.2 Die Kammer stimmt mit der Ansicht der Beschwerdeführerin überein, dass der angeblich unerwartete kombinatorische Effekt des Verzahnens durch Reaktion zwischen flüssiger Beschichtung des Trägers und Verzinkung des Trägerblechs zum Anmeldezeitpunkt nicht offenbart war, und für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit somit nur der im Patent unter [0014] beschriebene Korrosionsschutz als Aufgabe der Zinkschicht in Anspruch 1 berücksichtigt werden kann.

5.3 Von den Parteien (und auch von der Kammer) wird als nächstliegender Stand der Technik zunächst Dokument E3 angesehen, welches eine Abdichteinrichtung in Form einer Quelldichtung zur Abdichtung von Betonfugen gemäß den Merkmalen des Oberbegriffs nach Anspruch 1 beschreibt (vgl. E3, Zusammenfassung, Figur 21: Trägerblech "reinforcing member 16", Abdichtmaterial "aqueously-swelling water-stopping composition member 15", und Betonkörper "concrete bodies 16,27").

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von der Offenbarung aus E3 nach Ansicht der Parteien dadurch, dass:

i) das Abdichtmaterial Zement und/oder Calciumhydroxid umfasst,

ii) der Träger als verzinktes Trägerblech ausgebildet ist,

und

iii) der Haftvermittler eine Kunststoffdispersion ist.

Ausgehend von E3 kann dem beigegeben Zement (bzw. Calciumhydroxid) und der Kunststoffdispersion als Haftvermittler die Aufgabe zugrunde gelegt werden, eine verbesserte Abdichtung zu schaffen.

5.4 E3 beruht auf dem Prinzip der Quelldichtung (z.B. unter Verwendung von Bentonit ("Bentonite")). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin (und der Einspruchsabteilung unter Punkt 4.2, Seite 6, erster Absatz, ihrer Entscheidung) folgt die Kammer der Beschwerdegegnerin, wonach Calciumsilikat in E3 ausschließlich als inaktiver Füller offenbart ist, kein Synonym für Zement darstellt, und auch keine Anregung oder Hinweis auf hydraulisch reagierenden und somit abbindbaren Zement eines Abdichtmaterials zur Schaffung einer Verbunddichtung geben kann (vgl. E3, Spalte 4, Zeile 61 bis Spalte 5, Zeile 39 und Beispiel 7 ("EXAMPLE 7")).

Weiters sind im Handel erhältliche Kunststoffemulsionen zwar allgemein bekannt, beispielsweise aus E13. Die dort angegebene Haftemulsion zur Modifizierung von (Zement-)

Mörtelmassen wird zur Herstellung von Haftbrücken zwischen mineralischen Baustoffen wie etwa Beton oder wasserdichte Sperrestriche vorgeschlagen. E13 (siehe erste Seite des techn. Merblatts) kann jedoch keinen Aufschluss zur Verwendung der Haftemulsion als Mörtelzusatz für ein Abdichtmaterial auf einem Trägerblech einer Abdichteinrichtung für eine Arbeitsfuge im Ortbeton geben. Wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, würde außerdem z.B. das in E13 erwähnte gute Wasserrückhaltevermögen die Trocknung der Beschichtung am Trägerblech (nicht saugfähig) verhindern, oder der als vorteilhaft beschriebene Korrosionsschutz für metallische Oberflächen wiederum von der in Anspruch 1 geforderten Verzinkung des Trägerblechs wegführen.

5.5 Ausgehend von E3 hat der Fachmann daher weder durch sein Fachwissen, noch durch E3 selbst oder E13 einen Anlass, von der Funktionsweise der Quelldichtung der E3 abzuweichen, geschweige denn sie so zu modifizieren, dass er zur Lösung der oben gestellten Aufgabe eine auf dem Träger aufgebrachte Beschichtung aus Kunststoffemulsion und beigegebenen Zement und/oder Calciumhydroxid in Betracht ziehen würde, um so letztlich zu einer Verbunddichtung nach Anspruch 1 zu gelangen. Die Frage, ob die Verzinkung des Trägerblechs gegen Korrosion für den Fachmann naheliegt, oder nicht, ist somit ohne Belang.

5.6 Wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, liegt Dokument E2 von der Abdichteinrichtung des Anspruch 1 noch weiter ab, da dort Fugenbleche zur Abdichtung von Arbeitsfugen mit einer Beschichtung aus Butylkautschuk offenbart sind. Die Beschichtung der E2 haftet kraftschlüssig in der Fuge an den umgebenden Betonteilen, und ist offensichtlich plastisch verformbar, um Bewegungen, z.B. verursacht durch Schwindverformungen des Betons, abzubauen (siehe E2, Seite 2).

Der Fachmann würde daher, ausgehend von E2, dieses Prinzip der flexiblen plastischen Dichtwirkung der Beschichtung nicht einfach durch eine hydraulische Beschichtung gemäß Anspruch 1 zur Verbesserung der Abdichtung ersetzen können, da diese vergleichsweise starr im Verbund abbindet. Auch E13 kann hierzu, wie oben ausführlich dargelegt, keine Anregung liefern.

5.7 Die ansonsten im schriftlichen Verfahren genannten Dokumente wurden von der Beschwerdeführerin in der Verhandlung nicht mehr angezogen, und werden auch von der Kammer für nicht relevant erachtet.

Durch die erfindungsgemäße Abdichteinrichtung wird insbesondere beim Abbinden des der Kunststoffemulsion beigegebenen Calziumhydroxids bzw. beigegebenen Zements der Beschichtung unter Einwirkung von Wasser auf chemische Weise mit dem umgebenden (feuchten) Beton eine Verbunddichtung nach dem Einsetzen des Trägerblechs in die Arbeitsfuge bewirkt, vgl. Patent, Absätze [0008] und [0009].

Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt daher die Erfordernisse der erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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