T 1515/09 () of 28.7.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T151509.20110728
Datum der Entscheidung: 28 Juli 2011
Aktenzeichen: T 1515/09
Anmeldenummer: 02000345.5
IPC-Klasse: E04B 1/00
E04B 1/78
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Bauelement zur Wärmedämmung
Name des Anmelders: SCHÖCK BAUTEILE GmbH
Name des Einsprechenden: Halfen GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerde (bejaht)
Neuheit - implizite Offenbarung (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0007/95
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent EP-B1-1 225 282 betrifft ein Bauelement zur Wärmedämmung zwischen zwei zu betonierenden Bauteilen, beispielsweise zwischen einem Balkon und der Geschossdecke. Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende Einspruch eingelegt und diesen darauf gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht neu bzw. nicht erfinderisch sei (Artikel 100 a) EPÜ).

II. Die Einspruchsabteilung ist zum Ergebnis gekommen, dass keiner der Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht, und daher hat sie entschieden, den Einspruch zurückzuweisen. Die Entscheidung ist am 28. Mai 2009 zur Post gegeben worden.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende (die Beschwerdeführerin) am 20. Juli 2009 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt und am 15. September 2009 diese Beschwerde begründet.

IV. Eine mündliche Verhandlung fand am 28. Juli 2011 statt.

V. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

VI. Ansprüche

Anspruch 1 des erteilten Patents hat folgenden Wortlaut:

"1. Bauelement zur Wärmedämmung zwischen zwei Bauteilen, insbesondere zwischen einem Gebäude (A) und einem vorkragende Außenteil (B), bestehen aus einem dazwischen zu verlegenden Isolierkörper (32) mit zumindest integrierten Druckelementen (33a, 33b), die im eingebauten Zustand des Bauelementes im wesentlichen horizontal und quer zur im wesentlichen horizontalen Längserstreckung des Isolierkörpers durch diesen hindurchverlaufen und jeweils an beide Bauteile anschließbar sind,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Druckelemente (33a, 33b) jeweils aus Beton durch Gießen unter Verwendung einer verlorenen Gießform (40) hergestellt sind, und dass die verlorene Gießform (40) zusammen mit dem Beton Druckelement (33a, 33b)in das Bauelement eingesetzt und Bestandteil des Bauelements ist."

Die abhängige Ansprüche 2 bis 15 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Bauelements.

VII. Stand der Technik

Die Beschwerdeführerin nimmt in ihrer Beschwerdebegründung auf das in der angefochtenen Entscheidung erwähnte Dokument EP-A-0 034 332 (D1) Bezug.

Mit Schreiben vom 5. Januar 2010 verwies sie zusätzlich noch auf folgende Druckschriften:

D10: EP-A-0 875 635

D11: US-A-5 329 741

D12: DE-A-196 02 533

D13: Zulassungsbescheid Z-17.1-294 "Vorgehängte, gemauerte Ziegelfassadenelemente System Schätz-Preton", Institut für Bautechnik, Berlin, 30. September 1988.

VIII. Vorbringen der Beteiligten

Das Vorbringen der Beteiligten, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, kann wie folgt zusammengefasst werden.

a) Zulässigkeit der Beschwerde

Während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung nahm die Beschwerdeführerin (die Einsprechende) ihren Einwand wegen mangelnder Neuheit zurück. Die Beschwerdegegnerin ist der Meinung, dass die Argumentation der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung die Neuheit betreffe, welche damit im Beschwerdeverfahren ein neuer Einspruchsgrund sei und nicht ohne das Einverständnis des Patentinhabers in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden dürfe. Der Vortrag der Beschwerdeführerin zu diesem Thema sei deshalb nicht zulässig. Da der Beschwerdebegründung die erforderliche Substantiierung hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit fehle, sei nach der Meinung der Beschwerdegegnerin die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerdebegründung argumentiert, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung nicht berücksichtigt habe, dass in der D1 eine weitere Alternative genannt sei. Hinsichtlich dieses Ausführungsbeispiel erfülle der beanspruchte Gegenstand nicht die Erfordernisse der Artikel 52 bis 27 (sic) EPÜ.

b) Neuheit und Erfinderische Tätigkeit

Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 aus D1 bekannt sei. D1 offenbare ein Bauelement zur Wärmedämmung, beispielsweise zwischen einem Gebäude und einem vorkragenden Außenteil. Das Bauelement weise einen Isolierkörper auf, in dem Beton-Druckelemente eingegossen seien. Der Isolierkörper sei mehrteilig und beim Eingießen der Druckelemente könne der untere Teil des Isolierkörpers als eine verlorene Gießform angesehen werden, die in das Bauelement eingesetzt sei. D1 offenbare auch, dass die Druckelemente in situ aus mit Ortbeton gefüllten metallen Rohrstücken hergestellt seien. Bei diesem Ausführungsbeispiel könne das metallene Rohrstück als eine verlorene Gießform angesehen werden. Der in Anspruch 1 definierte Begriff "verlorene Gießform" sei ganz allgemein und schließe den unteren Teil des Isolierkörpers bzw. das Rohrstück ein. Der beanspruchte Gegenstand sei daher weder neu noch erfinderisch.

Dem hielt die Beschwerdegegnerin entgegen, dass der Isolierkörper nicht als eine verlorene Gießform angesehen werden könne. Der Isolierkörper der D1 entspreche nach der Terminologie oder dem Gegenstand des Streitpatents nicht dem, was der Fachmann unter den Ausdruck "verlorene Gießform" verstehe. Bezüglich des Rohrstückes sei dies ein Zylinder, der beidseitig offen sei und deshalb nicht allein als eine Gießform arbeiten könne, weil der flüssige Beton heraus fließen würde. Es brauche ein zusätzliches Element, z.B. eine Bodenplatte, um das Rohrstuck dicht zu machen, aber ein solches Element sei nicht ein Teil des Bauelements selbst. Daher könne auch das Rohrstück nicht als eine verlorene Gießform angesehen werden.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

1.1 Nach Punkt 13 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (die Einsprechende) ihren Einwand hinsichtlich mangelnder Neuheit des Gegenstandes des erteilten Anspruchs 1 zurückgenommen.

1.2 In der Beschwerdebegründung macht die Beschwerdeführerin geltend, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 aus D1 bekannt sei. Dokument D1 steht im Mittelpunkt der Entscheidung der Einspruchsabteilung, die zur Schlussfolgerung gekommen ist, dass die Merkmale der zwei Ausführungsbeispiele der D1 nicht in einer naheliegenden Weise kombinierbar seien, um den beanspruchten Gegenstand der D1 abzuleiten.

In ihrer Beschwerdebegründung argumentiert die Beschwerdeführerin, dass die Einspruchsabteilung nicht berücksichtigt habe, dass in der D1 eine weitere Alternative genannt sei, und wenn man dieses Beispiel in Betracht ziehe, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 der D1 zu entnehmen. Die Beschwerdeführerin hat somit begründet, warum nach ihrer Meinung die angefochtene Entscheidung nicht korrekt sei.

1.3 Nach der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 7/95 (siehe Entscheidungsformel) kann die Behauptung, dass der nächstliegende Stand der Technik neuheitsschädlich ist, bei der Entscheidung über den Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit geprüft werden.

1.4 Mit dem Verweis auf die Artikel 52 bis 27 (gemeint ist aber offensichtlich Artikel 57 EPÜ) hat die Beschwerdeführerin zudem zum Ausdruck gebracht, dass neben der Neuheit nach Artikel i.V.m. 54 auch die erfinderische Tätigkeit nach Artikel 52 i.V.m. 56 in Betracht zu ziehen sei.

1.5 Für die Kammer gibt es daher keinen Grund, die Beschwerde wegen ungenügender Begründung als unzulässig anzusehen, und deshalb ist die Beschwerde zulässig.

2. Stand der Technik

Keines der Dokumente D10 bis D13 offenbart eine mit Beton gefüllte Form aus Kunststoff, die in einem Isolierkörper eingesetzt ist. Die Beschwerdeführerin hat spät im Verfahren auf diese Dokumente verwiesen, und weil sie prima facie nicht mehr relevant als die anderen in der angefochtenen Entscheidung zitierten Druckschriften sind, werden sie gemäß Artikel 12(4) und 13(1) VOBK nicht berücksichtigt.

3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

3.1 D1 offenbart ein Bauelement zur Wärmedämmung zwischen einem Gebäude und einem vorkragenden Außenteil, beispielsweise einem Balkon. Das Bauelement weist einen Isolierkörper auf, in dem Bewehrungsstäbe und Druckelemente integriert sind (Seite 3, Zeilen 1 bis 6 und die Figuren). Die Druckelemente können aus metallenen Rohrstücken oder Winkelprofilen (Seite 5, Zeilen 12 bis 14), oder aus Beton sein. Wenn die Druckelemente aus Beton sind, offenbart D1 drei Herstellungsmethoden (siehe Seite 5, Zeilen 27 bis 37 und Seite 9, Zeilen 24 bis 31):

(i) Im Isolierkörper sind Hohlräume oder metallene Rohrstücke vorgesehen, die bei Gießen der vorkragenden Platten mit Beton gefüllt werden, um die Druckelemente in situ zu bilden.

ii) Die Druckelemente bestehen aus vorgefertigten Betonpfropfen, die in den Isolierkörper eingesteckt

oder

iii) in den Isolierkörper eingegossen sind.

3.2 Die Verwendung einer verlorenen Gießform ist jedoch in D1 nicht explizit erwähnt.

3.3 Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass Anspruch 1 so allgemein gefasst sei, dass jede Art von Gießform eingeschlossen sei. Deshalb könne beim Eingießen der Betonpfropfen (iii oben) der Isolierkörper als eine verlorene Gießform angesehen werden.

Die Kammer schließt sich jedoch der Auffassung der Beschwerdegegnerin an, dass der Isolierkörper nicht eine verlorene Gießform im Sinne des Anspruchs 1 darstellt. Das Bauelement gemäß dem Anspruch 1 weist Druckelemente, eine verlorene Gießform und einen Isolierkörper auf. Es ist damit eindeutig, dass die Gießform ein vom Isolierkörper getrenntes Teil ist.

Dass der Isolierkörper selbst als verlorene Gießform für die Druckelemente funktioniert, ist für den Fachmann eine ungewöhnliche Interpretation des Wortlauts des Anspruchs 1, der zwei getrennte Teile definiert. Zu diesem Punkt ist zu bemerken, dass die Beschreibung und die Figuren heranzuziehen sind, um die nächstliegende Auslegung des Anspruchswortlauts zu bestätigen (siehe die Rechtsprechung der Beschwerdekammern II.B.5 Punkt 5.3.1). Absätze [0008] und [0009] sowie die Figuren 6 bis 15 des Streitpatents offenbaren eine Gießform, beispielsweise aus Kunststoff, sowie einen Isolierkörper, in dem die mit Beton gefüllten Gießform eingesetzt ist. Dies unterstützt die offensichtliche Interpretation des Anspruchs 1, dass der Isolierkörper und die verlorene Gießform separate Teile sind.

3.4 Die Beschwerdeführerin hat auch argumentiert, dass bei der Einfüllung von Beton in situ in Rohrstücke (siehe (i) oben) die metallenen Rohrstücke auch als verlorene Gießformen angesehen werden könnten.

Das Bauelement nach Anspruch 1 weist Druckelemente sowie eine verlorene Gießform auf, während die Rohrstücke nach D1 die Druckelemente selbst bilden, die zusätzlich mit Beton verstärkt werden können (siehe Seite 5, Zeilen 12/13 und Seite 9, Zeilen 14 bis 16 und 24 bis 26).

Da nach Anspruch 1 im Einklang mit der Beschreibung die Druckelemente und die verlorenen Gießformen zwei unterschiedliche Gegenstände darstellen, kann dieser Anspruch auch nicht so verstanden werden, dass ein Druckelement mit einer verlorenen Gießform identisch ist und als solche fungiert.

Außerdem können die Rohrstücke diese Funktion nicht erfüllen. Die Rohrstücke (31) der D1 sind büchsenförmig und an beiden Enden offen (siehe Seite 9, Zeilen 14 bis 17, 24 bis 26 und Figur 6). Eine Gießform muss an einem Ende geschlossen sein, um sicherzustellen, dass das flüssige Material nicht aus der Form fließt. Wie die Beschwerdegegnerin argumentiert hat, können die Rohrstücke allein diese Funktion nicht ausüben. Ein zusätzliches Teil ist nötig, um ein Ende zu schließen, so dass der Beton nicht ausläuft. Nach D1 wird beispielsweise die Seite einer Zwischendecke des Gebäudes diese Funktion erfüllen.

Zusammenfassend sind die Rohrstücke der D1 nicht als verlorene Gießformen offenbart und mit diesen nicht gleichzusetzen, da sie nicht die Funktion von Gießformen ausüben können.

3.5 Ein Bauelement, in das Druckelemente zusammen mit einer verlorenen Gießform eingesetzt sind, ist der D1 nicht zu entnehmen, und daher ist der Gegenstand des Anspruch 1 neu.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

4.1 Da D1 ein gattungsgemäße Bauelement offenbart, ist sie als geeigneter Ausgangspunkt zur Beurteilung erfinderischer Tätigkeit angesehen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterschiedet sich vom dem Bauelement der D1 dadurch, dass eine verlorenen Gießform zusammen mit dem Beton-Druckelement in das Bauelement eingesetzt ist.

4.2 Ausgehend von D1 wird die objektive Aufgabe darin gesehen, ein Bauelement zur Verfügung zu stellen, das einfacher und günstiger herzustellen ist und verbesserte Gebrauchseigenschaften aufweist (siehe Absatz [0004] des Streitpatents).

4.3 Nach der angefochtenen Erfindung ist die Lösung, die Druckelemente aus Beton durch Gießen unter Verwendung einer verlorenen Gießform herzustellen. Dies erlaubt eine Flexibilität von Druckelementformen, so dass die Druckelemente an verschiedene Anforderungen angepasst werden können. Da die verlorene Gießform in das Bauelement eingesetzt ist, funktioniert sie auch als eine Gleitschicht für die Relativbewegungen zwischen den Druckelemente und den angrenzenden Betonbauteilen.

4.4 Diese Lösung lässt sich aus dem Stand der Technik nicht in einer naheliegenden Weise ableiten. Insbesondere ist in D1 keine verlorene Gießform offenbart und der Fachmann bekommt keinen Hinweis, eine solche Gießform anzuwenden, um die oben genannten Aufgabe zu lösen.

4.5 Im Ergebnis ist daher der Gegenstand des Anspruchs 1 durch den Stand der Technik nicht nahegelegt und beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die abhängigen Ansprüche beziehen sich auf konstruktive Merkmale, welche in Kombination mit Anspruch 1 ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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