European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2013:T135509.20130910 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 10 September 2013 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1355/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03750375.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B01J 31/18 B01J 23/46 C07F 9/50 C07F 15/00 C07F 19/00 C07F 9/6571 B01J 31/24 C07B 53/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | MISCHUNGEN VON CHIRALEN MONOPHOSPHOR-VERBINDUNGEN ALS LIGANDEN-SYSTEME FÜR DIE ASYMMETRICHE ÜBERGANGSMETALL-KATALYSE | ||||||||
Name des Anmelders: | Studiengesellschaft Kohle mbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Antrag zulässig (ja) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - einmaliges Versehen in einem zuverlässigen System zur Fristenüberwachung Änderungen - zulässig (ja) Patentansprüche - Klarheit Patentansprüche - Hauptantrag (ja) Neuheit - Hauptantrag (ja) Zurückverweisung an die erste Instanz - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Anmelderin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die am 18. Februar 2009 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 03 750 375.2 zurückgewiesen wurde.
II. Die Anmeldung wie eingereicht enthielt 15 Ansprüche, wobei die Ansprüche 1, 6, 10, 12 und 13 wie folgt lauteten:
"1. Ein chiraler Übergangsmetall-Katalysator, dadurch gekennzeichnet, dass am Metall mindestens zwei strukturell unterschiedliche Mono-Phosphor-Liganden gebunden sind, wobei mindestens ein Mono?Phosphor?Ligand chiral ist."
"6. Katalysator nach Ansprüchen 1-5, wobei die chiralen Liganden Mono-P-Verbindungen vom Typ B, C oder D sind,
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
wobei W für Kohlenstoff (C), Stickstoff (N), Sauerstoff (O), Schwefel (S) oder Halogen (F, Cl, Br, I) steht und an W entsprechend seiner Anzahl von freien Valenzen weitere Atome oder Gruppen von Atomen gebunden sind, und wobei die Reste R**(1), R**(2), R**(3), R**(4), R**(5), R**(6), R**(7), R**(8), R**(1'), R**(2'), R**(3'), R**(4'), R**(5'), R**(6'), R**(7') und R**(8'), unabhängig voneinander aus der Reihe Wasserstoff, Halogen, gesättigte und ungesättigte lineare und verzweigte C1?C50 Alkyl-, C1?C50 Aryl-, C1?C50 Heteroaryl-, Alkinyl-, Silyl- , Nitro-, Nitril-, Ester-, Carboxyl-, Carbonyl-, Amid-, Amin-, Hydroxy-, Alkoxy-, Sulfid- und Selenidgruppen sind, wobei R**(1), R**(2), R**(3), R**(4), R**(5), R**(6), R**(7), R**(8), R**(1'), R**(2'), R**(3'), R**(4'), R**(5'), R**(6'), R**(7') und R**(8') ihrerseits weitere Substituenten tragen oder funktionalisiert sein können,
und wobei einzelne oder mehrere Kohlenstoffatome der Binaphthylgerüste unabhängig voneinander durch die Heteroatome Si, O, N oder S ersetzt sein können."
"10. Katalysator nach Anspruch 9, wobei das Übergangsmetall Rh, Ir, Ru, Ni, Pd oder Pt ist."
"12. Verfahren zur katalytischen Herstellung von chiralen organischen Verbindungen, dadurch gekennzeichnet, dass in einer chemischen Reaktion aus prochiralen organischen Verbindungen in Gegenwart eines Übergangsmetall-Katalysators gemäß Ansprüchen
1-11 die chiralen organischen Verbindungen dargestellt werden."
"13. Verfahren nach Anspruch 12, wobei die chemische Reaktion eine Hydrierung ist."
III. Der Entscheidung lag der mit Brief vom 8. Januar 2008 eingereichte Anspruchssatz zu Grunde. Die Ansprüche 1 und 2 dieses Satzes lauteten wie folgt:
"1. Verfahren zur Hydrierung von prochiralen organischen Verbindungen in Gegenwart eines Übergangsmetallkatalysators, dadurch gekennzeichnet, dass am Metall des Übergangsmetallkatalsators des [sic] mindestens zwei strukturell unterschiedliche Mono?Phosphor?Liganden gebunden sind, wobei ein Mono?Phosphor?Ligand chiral ist und der chirale Mono?Phosphor?Ligand ausgewählt ist aus Mono?P?Verbindungen von Typ B, C oder D,
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
wobei W für Kohlenstoff (C), Stickstoff (N), Sauerstoff (O), Schwefel (S) oder Halogen (F, Cl, Br, I) steht und an W entsprechend seiner Anzahl von freien Valenzen weitere Atome oder Gruppen von Atomen gebunden sind, und wobei die Reste R**(1), R**(2), R**(3), R**(4), R**(5), R**(6), R**(7), R**(8), R**(1'), R**(2'), R**(3'), R**(4'), R**(5'), R**(6'), R**(7') und R**(8'), unabhängig voneinander aus der Reihe Wasserstoff, Halogen, gesättigte und ungesättigte lineare und verzweigte C1?C50 Alkyl-, C1?C50 Aryl-, C1?C50 Heteroaryl-, Alkinyl-, Silyl- , Nitro-, Nitril-, Ester-, Carboxyl-, Carbonyl-, Amid-, Amin-, Hydroxy-, Alkoxy-, Sulfid- und Selenidgruppen sind, wobei R**(1), R**(2), R**(3), R**(4), R**(5), R**(6), R**(7), R**(8), R**(1'), R**(2'), R**(3'), R**(4'), R**(5'), R**(6'), R**(7') und R**(8') ihrerseits weitere Substituenten tragen oder funktionalisiert sein können, und wobei einzelne oder mehrere Kohlenstoffatome der Binaphthylgerüste unabhängig voneinander durch die Heteroatome Si, O, N oder S ersetzt sein können,
oder von Typ E, F oder G sind,
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
wobei W für Kohlenstoff (C), Stickstoff (N), Sauerstoff (O), Schwefel (S) oder Halogen (F, Cl, Br, I) steht und an W entsprechend seiner Anzahl von freien Valenzen weitere Atome oder Gruppen von Atomen gebunden sind, und wobei die Reste R**(1), R**(2), R**(3), R**(4), R**(5), R**(6), R**(1'), R**(2'), R**(3'), R**(4'), R**(5') und R**(6'), unabhängig voneinander aus der Reihe Wasserstoff, Halogen, gesättigte und ungesättigte lineare und verzweigte C1?C50 Alkyl-, C1?C50 Aryl-, C1?C50 Heteroaryl-, Alkinyl-, Silyl-, Nitro-, Nitril-, Ester-, Carboxyl-, Carbonyl-, Amid-, Amin-, Hydroxy-, Alkoxy-, Sulfid- und Selenidgruppen sind,
wobei R**(1), R**(2), R**(3), R**(4), R**(5), R**(6), R**(1'), R**(2'), R**(3'), R**(4'), R**(5') und R**(6') ihrerseits weitere Substituenten tragen oder funktionalisiert sein können,
und wobei einzelne oder mehrere Kohlenstoffatome der Biphenylgerüste unabhängig voneinander durch die Heteroatome Si, O, N oder S ersetzt sein können."
"2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei genau Mono-Phosphor-Ligand chiral ist."
IV. Im Verlauf des Prüfungsverfahrens wurde unter anderem folgendes Dokument zitiert:
D1: W. Chen et al., " Asymmetric activation of conformationally flexible monodentate phosphites for enantionselective hydrogenation", Tetrahedron Letters 42 (2001), pages 8737-8740
V. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung war auf fehlende Neuheit gestützt. Insbesondere war die Prüfungsabteilung der Auffassung, dass das Verfahren gemäß den Ansprüchen 1, 3, 4, 6 und 7 nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1 sei; die Liganden der Formel 3a und 3b gemäß D1 seien Liganden vom Typ E gemäß Anspruch 1. In weiteren Bemerkungen, die nicht Grundlage der Entscheidung waren, wurde ausgeführt, dass Anspruch 1 wegen der Streichung der Spezifizierung, dass der Katalysator und die hergestellten Verbindungen chiral seien, nicht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ genüge und dass Anspruch 1 und Anspruch 2 nicht klar seien. Weiterhin wurde mit Verweis auf frühere Bescheide die erfinderische Tätigkeit in Frage gestellt.
VI. Mit Schreiben vom 24. März 2009, eingegangen am 25. März 2009, wurde gegen die Entscheidung Beschwerde eingereicht. Am 23. Juni 2009 ging die Beschwerdebegründung ein, mit der zwei Anspruchssätze als Hauptantrag und Hilfsantrag eingereicht wurden.
VII. Am 23. Juni 2009 erkundigte sich die Formalsachbearbeiterin des EPA telefonisch bei der Beschwerdeführerin nach der Beschwerdegebühr und es wurde festgestellt, dass diese nicht entrichtet worden war. Mit Schreiben vom 18. August 2009, das am selben Tag beim EPA eingegangen ist, beantragte die Beschwerdeführerin Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist. Die Wiedereinsetzungsgebühr und die Beschwerdegebühr wurden am 20. August 2009 gezahlt.
VIII. In einer Mitteilung vom 19. Dezember 2012 wurde die Beschwerdeführerin informiert, dass nach der vorläufigen Meinung der Kammer dem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben werde.
IX. In einer weiteren zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung dienenden Mitteilung der Kammer, wurden einige der in der Entscheidung unter Artikel 84 und 123(2) EPÜ erhobenen Einwände aufrechterhalten. Die Neuheit gegenüber D1 wurde anerkannt.
X. Mit Schreiben vom 4. September 2013 wurden zwei weitere Anspruchssätze als Hauptantrag und Hilfsantrag eingereicht.
XI. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 10. September 2013 reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Anspruchssatz als Hauptantrag ein. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 6 dieses Anspruchssatzes lauteten wie folgt:
"1. Chiraler Übergangsmetall-Katalysator, dadurch gekennzeichnet, dass am Metall ausgewählt aus Rh, Ir, Ru, Ni, Pd oder Pt, mindestens zwei strukturell unterschiedliche Mono-Phosphor-Liganden gebunden sind, wobei mindestens ein Mono?Phosphor?Ligand chiral ist, der ausgewählt ist aus Mono-P-Verbindungen vom Typ B, C oder D,
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
wobei W für Kohlenstoff (C), Stickstoff (N), Sauerstoff (O), Schwefel (S) oder Halogen (F, Cl, Br, I) steht und an W entsprechend seiner Anzahl von freien Valenzen weitere Atome oder Gruppen von Atomen gebunden sind, und wobei die Reste R**(1), R**(2), R**(3), R**(4), R**(5), R**(6), R**(7), R**(8), R**(1'), R**(2'), R**(3'), R**(4'), R**(5'), R**(6'), R**(7') und R**(8'), unabhängig voneinander aus der Reihe Wasserstoff, Halogen, gesättigte und ungesättigte lineare und verzweigte C1?C50 Alkyl-, C6?C50 Aryl-, C1?C50 Heteroaryl-, Alkinyl-, Silyl- , Nitro-, Nitril-, Ester-, Carboxyl-, Carbonyl-, Amid-, Amin-, Hydroxy-, Alkoxy-, Sulfid- und Selenidgruppen sind,
wobei R**(1), R**(2), R**(3), R**(4), R**(5), R**(6), R**(7), R**(8), R**(1'), R**(2'), R**(3'), R**(4'), R**(5'), R**(6'), R**(7') und R**(8') ihrerseits weitere Substituenten tragen oder funktionalisiert sein können."
"6. Verfahren zur katalytischen Herstellung von chiralen organischen Verbindungen, bei dem prochiralen organischen Verbindungen in Gegenwart eines chiralen Übergangsmetall-Katalysators gemäß Ansprüchen
1-5 hydriert werden."
Anspruch 2 gemäß dem Anspruchssatz, der der Entscheidung zu Grunde lag, war in diesem Anspruchssatz nicht enthalten.
XII. Die Argumente der Beschwerdeführerin, insofern sie für die Entscheidung relevant sind, können wie folgt zusammengefasst werden:
Wiedereinsetzung
a) Die Beschwerdeführerin, die Studiengesellschaft Kohle (SGK), sei eine treuhänderisch für das Max-Planck-Institut für Kohlenforschung (MPI) tätige Gesellschaft. Schutzrechtsfähige Ergebnisse aus der Forschung des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung würden über die SGK zum Patent angemeldet, und die jeweiligen Anmeldungs- und Prüfungsverfahren würden durch die SGK betreut. Die SGK habe neben den beiden Geschäftsführern zum damaligen Zeitpunkt eine Prokuristin und eine Formalsachbearbeiterin beschäftigt und ansonsten keine weiteren Angestellten gehabt. Die sachliche Bearbeitung der Anmeldungen erfolgte durch die Prokuristin, die zugelassene Vertreterin vor dem EPA sei. Die Formalsachbearbeitung, wie die Fristennotierung und Erledigung sei durch die Formalsachbearbeiterin erfolgt. Reguläre Fristen und zugehörige Vorfristen, sowie Fristen zur Zahlung von Gebühren, seien nach Eingang der Post in einem speziellen dafür erstellten hauseigenen Programm notiert worden, und die Erledigung der Fristen sei durch die Formalsachbearbeiterin überwacht und im Fristenprogramm vermerkt worden. Im Fall von Fristen, mit denen auch die Zahlung einer Gebühr verbunden sei, werden bei der Anmelderin alle für die Wahrung der Fristen erforderlichen Vorbereitungen getroffen, anschließend werde der Auftrag zur Zahlung der fälligen Gebühr an die Verwaltung des Max-Planck-Instituts gegeben, die für die Zahlung verantwortlich sei. Deren Räume befänden sich in unmittelbarer Nachbarschaft. Die zuständige Sachbearbeiterin in der Verwaltung habe die Anweisung Gebühren, die im Namen der Anmelderin einzuzahlen seien, zeitnah zu überweisen. Üblicherweise erfolge die Überweisung online.
b) Im vorliegenden Fall sei die schriftliche Beschwerde gegen die Entscheidung vom 18 Februar 2009 mit Schreiben vom 24 März 2009, somit deutlich innerhalb der Beschwerdefrist eingelegt worden. Dem Beschwerdeschriftsatz sei das Gebührenblatt über die Zahlung von Gebühren und Auslagen beigefügt gewesen. Laut Akte der SGK sei am 24. März 2009 eine Kopie des Gebührenblatts per Hauspost an die zuständige Sachbearbeiterin in der Verwaltung des MPI gegangen. Die Zahlungsanweisung sei damit rechtzeitig erfolgt. Es sei aber nicht mehr nachvollziehbar, ob diese Zahlungsanweisung in die Verwaltung des MPI gelangt sei, in der Verwaltung versehentlich nicht wahrgenommen worden sei oder die Zahlungsanweisung versehentlich zwischen andere Unterlagen gelangt sei. Die Mitarbeiterinnen der SGK und der Verwaltung des MPI seien seit langem mit der Schutzrechtsverwaltung und der fristgerechten Zahlung von Gebühren betraut und es sei ihnen die Bedeutung von Fristen und fristgebundenen Zahlungen bekannt. Zur Glaubhaftmachung wurden eidesstattliche Versicherungen der Formalsachbearbeiterin der SGK und des MPI eingereicht. Hierin erklärte die Formalsachbearbeiterin der Anmelderin u.a., dass sie seit 1969 bei der SGK tätig sei und ihres Wissens bisher keine Frist versäumt worden sei.
Änderungen und Klarheit
c) Anspruch 1 sei eine Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1, 6 und 10 mit der zusätzlichen Korrektur eines Fehlers bezüglich der Zahl der Kohlenstoffatome im Arylrest; Anspruch 6 ergebe sich aus der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 12 und 13. Durch die Korrektur in Anspruch 1 und die Streichung des Anspruchs 2 entstehe kein Klarheitsproblem mehr.
Neuheit
d) Durch die Streichung der Mono-P-Verbindungen vom Typ E, F oder G in Anspruch 1 sei die Neuheit gegenüber D1 gegeben.
XIII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrags oder des mit Schreiben vom 4. September 2013 eingereichten Hilfsantrags zu erteilen. Hilfsweise beantragte sie die Zurückverweisung an die Prüfungsabteilung.
Entscheidungsgründe
Wiedereinsetzung
1. Gemäß Artikel 108 EPÜ ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung einzulegen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde und Zahlung der Beschwerdegebühr endete gemäß Regel 126 (2) und Regel 131 (2), (4) EPÜ am 28. April 2009. Innerhalb dieser Frist wurde zwar Beschwerde eingereicht, aber die Beschwerdegebühr nicht gezahlt. Die Beschwerde kann dementsprechend nur dann als eingelegt angesehen werden, wenn dem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben werden kann.
1.1 Der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig. Das Hindernis ist am 23. Juni 2009 entfallen, als sich die Formalsachbearbeiterin telefonisch bei der Beschwerdeführerin nach der Beschwerdegebühr erkundigte und dabei festgestellt wurde, dass diese nicht entrichtet worden war. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde am 18. August 2009 gestellt und die Wiedereinsetzungsgebühr und die Beschwerdegebühr wurden am 20. August 2009 gezahlt. Damit sind die Voraussetzungen der Regel 136 (1) und (2) EPÜ erfüllt.
1.2 Gemäß Artikel 122 (1) EPÜ wird ein Anmelder, der trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert worden ist, gegenüber dem Europäischen Patentamt eine Frist einzuhalten, auf Antrag wieder in den vorigen Stand eingesetzt, wenn die Versäumung der Frist einen unmittelbaren Rechtsverlust zur Folge hat. Das Maß der gebotenen Sorgfalt ist stets unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Nach der gängigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist ein einmaliges Versehen in einem ansonsten gut funktionierendem System entschuldbar (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage 2013, III.E.4.4).
1.3 Im vorliegenden Fall geschah der Fehler nicht im Rahmen der Fristüberwachung, sondern im Rahmen der Zahlungsanweisung. Es stellt sich deshalb die Frage, ob das System zur Zahlung von Gebühren als hinreichend gut funktionierend angesehen werden kann.
1.4 Bei der Anmelderin handelt es sich um einen sehr kleinen Betrieb, in dem die Schutzrechtsverwaltung im Wesentlichen von zwei Personen, nämlich der Prokuristin und der Formalsachbearbeiterin betrieben wurde. Offensichtlich funktionierte das System zur Fristenüberwachung, denn es wurde rechtzeitig Beschwerde eingelegt und die Gebührenzahlung veranlasst. Die Zahlungsanweisung wurde jedoch aus unerklärlichen Gründen nicht ausgeführt. In der eidesstattlichen Versicherung der Formalsachbearbeiterin der SGK ist enthalten, dass in 40 Jahren kein Fristversäumnis vorgekommen ist. Dies spricht für ein gut funktionierendes System, sowohl hinsichtlich der Fristüberwachung als auch der Gebührenzahlung. Die Tatsache, dass nicht aufgeklärt werden konnte, warum die Zahlungsanweisung nicht ausgeführt wurde, steht dem nicht entgegen, sondern es ist aufgrund des langjährigen Funktionierens des Systems davon auszugehen, dass es sich um ein einmaliges Versehen handelt, selbst wenn die Umstände im Dunkeln bleiben (so auch T 529/09 vom 10. Juni 2010, T 580/06 vom 1. Juli 2008).
1.5 Es stellt sich darüber hinaus die Frage, ob ein Kontrollmechanismus hinsichtlich der Zahlungsausführung erforderlich gewesen wäre. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann in einer großen Kanzlei, in der eine beträchtliche Anzahl von Terminen zu überwachen ist, in der Regel erwartet werden, dass ein wirksamer Kontrollmechanismus eingebaut ist (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage 2013, III.E.4.4.3). Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch, um ein sehr kleines Unternehmen, so dass bereits aus diesem Grund ein Kontrollmechanismus nicht erforderlich ist.
1.6 Zudem bezieht sich diese Rechtsprechung darauf, dass im Rahmen der Fristüberwachung durch einen zusätzlichen Kontrollmechanismus sichergestellt sein muss, dass die Frist nicht übersehen wird. Im vorliegenden Fall wurde die Frist aber nicht übersehen, sondern es passierte ein Fehler im Rahmen der Zahlungsanweisung, d.h. bei der Ausführung der fristwahrenden Handlung.
1.7 In einem solchen Fall ist kein Kontrollmechanismus erforderlich, da das Risiko, dass in diesem Zusammenhang ein Fehler passiert vergleichsweise gering ist (siehe hierzu auch T 836/09 vom 17. Februar 2010, Punkt 5.2, in der ausgeführt ist, dass keine Kontrollpflicht besteht beim Postausgang). Würde man hier eine Kontrollpflicht verlangen, würde dies de facto zu einer Fristverkürzung führen, denn eine wirksame Kontrolle kann erst nach der Zahlung erfolgen, müsste andererseits aber noch innerhalb der Frist vorgenommen werden, um effektiv zu sein.
1.8 Aus diesen Gründen kann dem Wiedereinsetzungsantrag statt gegeben werden und die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Änderungen und Klarheit
2.1 Anspruch 1 des Hauptantrags ergibt sich aus der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1, 6 und 10 mit der Streichung der Variante "wobei einzelne oder mehrere Kohlenstoffatome der Binaphthylgerüste unabhängig voneinander durch die Heteroatome Si, O, N oder S ersetzt sein können" und die Korrektur der Angabe "C1?C50 Aryl-" zu "C6?C50 Aryl-".
2.2 Die Streichung einer von mehreren Alternativen für die chirale Mono-Phosphor-Liganden führt zu keiner Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht.
2.3 Die Korrektur der Angabe "C1?C50 Aryl-" zu "C6?C50 Aryl-" ist als eine Berichtigung gemäß Regel 139 EPÜ zu betrachten. Für einen Fachmann ist es offensichtlich, dass die Angabe "C1?C50 Aryl-" nicht stimmt und nicht gemeint sein kann, weil Arylreste mit weniger als 6 Kohlenstoffatomen nicht existieren. Eine solche unrichtige Angabe kann von dem Fachmann nur als ein Schreibfehler angesehen werden und nur so verstanden werden, dass Alkylreste gemeint sind, die eine Zahl von Kohlenstoffatomen enthalten, die sich von dem minimalen Wert (6) bis zu 50 erstreckt. In diesem Sinne ist die vorgeschlagene Korrektur die einzige technisch sinnvolle Möglichkeit die fehlerhafte Angabe zu verstehen. Damit ist sofort erkennbar, dass nichts anders beabsichtigt sein konnte als das, was als Berichtigung vorgeschlagen wird. Die Bedingungen der Regel 139 EPÜ sind damit erfüllt und damit auch die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ (G 3/89, ABl EPA 1993, 117).
2.4 Die Problematik ist für Heteroarylreste nicht relevant, weil die Kohlenstoffatome in den Arylresten bei Heteroarylen ersetzt werden können. Da in Extremfällen Heteroarylgruppen auch nur ein Kohlenstoffatom enthalten können, ist die Angabe "C1?C50 Heteroaryl-" für den Fachmann nicht fehlerhaft.
2.5 Anspruch 6 des Hauptantrags ergibt sich aus der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 12 und 13, wobei im Gegensatz zum Anspruch 1 des Anspruchssatzes, der der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lag, es explizit spezifiziert wird, dass sowohl der Katalysator als auch die hergestellten Verbindungen chiral sind, was den ursprünglich eingereichten Ansprüchen entspricht.
2.6 Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3, 5, 8 und 11.
2.7 Aus diesen Gründen genügen die Ansprüche des Hauptantrages den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ.
2.8 Durch die Korrektur der Angabe "C1?C50 Aryl-" zu "C6?C50 Aryl-" und die Streichung des Anspruchs 2 des Anspruchssatzes, der der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lag, sind auch die dort erhobenen Klarheitseinwände nicht mehr zutreffend.
3. Neuheit
3.1 Der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Neuheitseinwand wurde darauf gestützt, dass das Dokument D1 Übergangsmetall-Katalysatoren, die chirale Mono-Phosphor-Liganden vom Typ E enthielten, und deren Verwendung in Hydrierungsreaktionen offenbare.
3.2 Die chiralen Mono-Phosphor-Liganden vom Typ E, F und G wurden aus der Liste in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gestrichen, wobei spezifiziert wurde, dass der enthaltene chirale Mono?Phosphor?Ligand aus Mono?P?Verbindungen vom Typ B, C oder D ausgewählt ist. Da das Dokument D1 keine Binaphthylgerüste enthaltenden Mono-Phosphor-Liganden vom Typ B, C oder D offenbart, ist die Neuheit des Katalysators des Anspruchs 1 gegenüber der Offenbarung in D1 gegeben. Die Verwendung eines solchen Katalysators gemäß Anspruch 6 ist aus denselben Gründen gegenüber der Offenbarung in D1 neu.
4. Zurückverweisung
4.1 Da die Prüfungsabteilung über erfinderische Tätigkeit keine abschließende Entscheidung getroffen hat, hält es die Kammer für angemessen, die Angelegenheit nach Artikel 111 (1) EPÜ zurückzuverweisen. Hierbei sind die geänderten Ansprüche 1 bis 6 gemäß Hauptantrag, wie in der mündlichen Verhandlung überreicht, der weiteren Prüfung zu Grunde zu legen. In dieser Hinsicht wird bemerkt, dass die knappe Bemerkung über erfinderische Tätigkeit in der angefochtenen Entscheidung nicht den beschränkten Gegenstand der Ansprüche des jetzigen Hauptantrages betraf und dass die Relevanz der verfügbaren Beispiele gegenüber diesem Gegenstand nicht in Betracht gezogen wurde.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Prüfung an die 1. Instanz zurückverwiesen.