European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T113509.20111012 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 12 October 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1135/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04025519.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | B27N 3/04 B27N 3/00 B27N 1/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | OSB-Platte | ||||||||
Name des Anmelders: | Fritz Egger GmbH & Co. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Flooring Technologies Ltd. GLUNZ AG |
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Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit: (nein) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechenden I und II) haben gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent Nr. 1 527 859 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, Beschwerde eingelegt.
II. Mit den Einsprüchen war das Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit sowie mangelnde erfinderische Tätigkeit), Artikel 100 b) EPÜ (unvollständige Offenbarung) und Artikel 100 c) EPÜ (unzulässige Änderungen) angegriffen worden.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass das Patent in geändertem Umfang gemäß dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrag den Erfordernissen des EPÜ genüge.
III. Am 12. Oktober 2011 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
Die Beschwerdeführerinnen beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 527 859.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchsatzes.
IV. Anspruch 1 in der von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung eingereichten Fassung lautet wie folgt:
"OSB-Platte (1), insbesondere für die Verwendung im
Automotivbereich, im Möbelbereich oder in Innenräumen, aus mehreren Lagen (2, 3, 4) von mit Bindemittel versehenen und verpressten Strands, wobei die OSBPlatte (1) emissionsarm ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Strands jeder Lage (2, 3, 4) aus einer oder mehreren der Holzarten bestehen, die aus der Gruppe gewählt sind, die Birke, Erle, Linde, Weide und Pappel umfasst, und dass die Strands benachbarter Lagen aus jeweils unterschiedlichen Holzarten bestehen, wobei die Strands jeder Lage (2, 3, 4) mit einem formaldehydfreien Bindemittel versehen sind".
V. Die Beschwerdeführerinnen haben im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Die OSB-Platte gemäß Anspruch 1 unterscheide sich von der aus der D1 bekannten OSB-Platte nur dadurch, dass die Strands benachbarter Lagen aus jeweils unterschiedlichen Holzarten bestehen. D1 sage einfach nichts dazu aus, wie die Lagen zusammengestellt sind: aus der gleichen Holzart oder aus unterschiedlichen Holzarten.
Es gebe daher bei der Ausführung der Lehre der D1 nur zwei Möglichkeiten, die Strands dieser mehrlagigen OSB-Platte zu streuen. Entweder werden die Strands benachbarter Lagen aus derselben Holzart oder aus unterschiedlichen Holzarten gestreut. Für den Fachmann sei es eine rein handwerkliche Tätigkeit, eine von überhaupt nur zwei möglichen Alternativen auszuwählen, so dass es nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, für die benachbarten Lagen Strands unterschiedlicher Holzarten herzunehmen. Eine Kombination mit einer Lage bestehend aus einer Holzart mit schlecht(er)en Emissionswerte, wie z.B. aus den Holzarten Fichte oder Kiefer, komme dabei ohnehin nicht in Frage.
Da das Unterscheidungsmerkmal des Anspruchs 1 nur pauschal definiere, dass unterschiedliche Holzarten in benachbarten Schichten verwendet werden, könne die objektive Aufgabe nur auf die Bereitstellung einer der o.g. möglichen Ausführungsformen gerichtet sein. Für eine Verbesserung des Emissionsverhaltens unter Beibehalt der mechanisch-technologischen Eigenschaften, komme es ganz entscheidend darauf an, nicht nur welche Holzart in der jeweiligen Lage verwendet werde, sondern auch, welche Holzarten in benachbarten Lagen vorhanden seien. Da diese im Anspruch 1 jedoch nicht definiert seien, könnten die oben genannten Aspekten bei der Aufgabenstellung keine Rolle spielen.
VI. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Das Merkmal des Anspruchs 1, wonach die Strands benachbarter Lagen aus jeweils unterschiedlichen Holzarten bestehen, sei aus der D1 nicht bekannt.
Dieses Merkmal bewirke, dass das Emissionsverhalten verbessert werde, ohne dabei Einbußen bei den mechanisch-technologischen Eigenschaften der OSB-Platte in Kauf nehmen zu müssen.
Unterschiedliche Holzarten haben unterschiedliche Festigkeitseigenschaften und führen auch im verpressten Zustand im Schichtaufbau einer OSB-Platte folglich zu unterschiedlichen Festigkeitseigenschaften der OSB-Platte. Durch die erfindungsgemäße Lösung werde dem Fachmann eine Möglichkeit geboten, durch die Auswahl anderer Holzarten für die Decklagen gegebenenfalls schlechtere Festigkeitseigenschaften in der Mittellage auszugleichen.
Es gebe in D1 noch eine dritte Option, nämlich eine emissionsarme Holzart in einer Lage mit einer weniger emissionsarmen Holzart wie Kiefer in der benachbarten Lage zu kombinieren.
Die erfindungsgemäße Lösung sei aus keiner der Entgegenhaltungen bekannt und könne daher auch dem Fachmann mangels Vorbilds nicht nahe gelegt sein.
Entscheidungsgründe
1. Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ
1.1 Es ist unstreitig, dass die D1 eine mehrschichtige OSB-Platte offenbart, die aus mindestens drei Lagen von mit Bindemittel versehenen und verpressten Strands besteht, siehe Seite 2, zweiter und dritter vollständiger Absatz; Ansprüche 1 und 2. Dabei bestehen die Strands jeder Lage aus einer oder mehreren der Holzarten: Robinie, Birnbaum, Buche, Douglasie, Fichte, Tanne, Rüster, Esche, Birke, Erle, Linde, Pappel (siehe Seite 2, zweiter vollständiger Absatz; Anspruch 1). Die letzten vier Arten sind auch vorhanden in der Gruppe, aus der in Anspruch 1 gewählt wird und die Birke, Erle, Linde, Weide und Pappel umfasst. Die beanspruchte Gruppe ist somit von dieser Offenbarung in D1 vorweggenommen. Die Strands jeder Lage sind mit dem formaldehydfreien Bindemittel Isocyanat (PMDI) gebunden, siehe Seite 2, zwei letzte Absätze. Dementsprechend ist eine solche OSB-Platte emissionsarm, siehe Seite 2, erster und vierter vollständiger Absatz.
1.2 Die OSB-Platte gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich daher von der aus der D1 bekannten OSB-Platte dadurch, dass D1 nicht offenbart, aus welchen (gleichen oder unterschiedlichen) Holzarten die Strands benachbarter Lagen bestehen.
1.3 Die Kammer folgt der Argumentation der Beschwerdeführerinnen, dass der Fachmann bei der Herstellung einer mehrlagigen OSB-Platte nach der Lehre der D1, wobei auf die verringerte Abgabe von Schadstoffen bzw. unangenehm riechenden Stoffe (1. vollständiger Absatz von Seite 2) geachtet wird, sich auf die emissionsarme Holzarten wie Birke, Erle, Linde und Pappel beschränkt. Eine Kombination einer dieser Holzarten mit Fichte oder Tanne in der benachbarten Lage würde er dagegen nicht erwägen, denn diese haben einen negativen Effekt auf diese Eigenschaften. Dadurch hat er allerdings, betreffend die Holzartwahl für die Strands zwei benachbarten Lagen, nur zwei alternativen Möglichkeiten zur Verfügung. Entweder werden die Strands dieser benachbarten Lagen aus derselben Holzart oder aus unterschiedlichen Holzarten sein. Beide Alternativen liegen für den Fachmann auf der Hand, und somit kann die Auswahl einer davon keine erfinderische Tätigkeit begründen. Es gibt nämlich auch keine weiteren Auswirkungen auf das Emissionsverhalten oder die mechanisch-technologischen Eigenschaften, die diese Auswahl erfinderisch machen könnten, und zwar aus den folgenden Gründen.
1.4 Die Beschwerdegegnerin begründete das Vorhandensein einer erfinderischen Tätigkeit nach ihrer Meinung mit dem Argument, dass die Auswahl unterschiedlicher Holzarten für die jeweiligen Strands benachbarter Lagen zur Verbesserung des Emissionsverhaltens beitrüge, ohne dabei Einbußen bei den mechanisch-technologischen Eigenschaften der OSB-Platte in Kauf nehmen zu müssen. Die objektive Aufgabe umfasse somit mehr als nur die Ausführung einer der beiden Alternativen der Lehre der D1.
1.4.1 Die Kammer stellt zunächst fest, dass die Beschwerdegegnerin für die behaupteten Wirkungen keinen Beweis erbracht hat.
1.4.2 Bezüglich der behaupteten Verbesserung des Emissionsverhaltens durch den beanspruchten Unterschied in den Strandholzarten benachbarter Lagen merkt die Kammer folgendes an:
In Absatz [0024] des Streitpatents ist folgendes angegeben:
"Eine Verbesserung des Emissionsverhaltens wird also dadurch erreicht, dass schon die OSB-Platte selbst Emissionsarm ist, und zwar allein durch die Wahl der verwendeten Holzarten und des verwendeten Bindemittels" (Hervorhebung durch die Kammer). Wie es dem Punkt 1.3 oben zu entnehmen ist, wird der auf emissionsarme OSB-Platten orientierte Fachmann bereits bei der Auswahl der zu verwendenden Holzarten bei der Ausführung der Lehre nach D1 die vier Arten berücksichtigen, die deckungsgleich im Anspruch 1 erwähnt sind. Da gemäß dem oben zitierten Absatz [0024] des Streitpatents die Emissionswerte abhängig von den verwendeten Holzarten und dem verwendeten Bindemittel sind, werden die entsprechenden nach der Lehre der D1 ausgeführten OSB-Platten ein deckungsgleiches Emissionsverhalten mit den im Anspruch 1 beanspruchten OSB-Platten aufweisen, weil alle fünf im Anspruch 1 erwähnten Holzarten ein gutes Emissionsverhalten besitzen. Dies ist unabhängig davon, ob benachbarte Lagen Strands der gleichen Holzart oder unterschiedlicher Holzarten enthalten.
1.4.3 Auch das einzig noch zutreffende Beispiel 4 des Streitpatents, wobei die Mittelschicht (MS) aus Erle/Weide/Linde besteht und beide Deckschichten (DS) aus Birke bestehen, weist in den für die Emissionsverhältnisse geltenden Parametern der organischen Bestandteile und in den Werten der Geruchsprüfung überhaupt keinen signifikanten Unterschied zu den anderen Beispielen ohne unterschiedliche Holzarten in benachbarten Lagen auf, siehe die Beispiele 1 und 2 in Tabelle 1.
1.4.4 Es verbleibt daher zu untersuchen, ob die zufällige Verteilung von Strands aus Birke, Erle, Linde, Weide oder Pappel in benachbarten Lagen in Abhängigkeit nur davon, ob diese Strands der gleichen Holzart oder unterschiedlichen Holzarten angehören, einen Einfluss auf die mechanisch-technologischen Werte der OSB-Platte hat, wie es von der Beschwerdegegnerin behauptet wurde.
1.4.5 Wie es für die Emissionswerte galt (siehe Punkt 1.4.3), ist auch für die mechanisch-technologischen Werte, wie Querzugfestigkeit, Biegefestigkeit und Biege-Elastizitätsmodul, kein signifikanter Unterschied festzustellen zwischen einer OSB-Platte nach dem einzig noch zutreffenden Ausführungsbeispiel 4 (mit unterschiedlichen Holzarten in benachbarten Lagen) und den OSB-Platten nach den Ausführungsbeispielen 1 und 2 (mit den gleichen Holzarten in benachbarten Lagen), siehe hierzu die Tabelle 1. Aus diesem Grund können auch die mechanisch-technologischen Werte keine Rolle bei der Aufgabenstellung spielen.
1.4.6 Die Kammer kann der Argumentation der Beschwerdegegnerin insoweit folgen, dass eine gezielte Verteilung der Strands in Abhängigkeit von der jeweiligen Holzart der benachbarten Lagen einen Einfluss auf die mechanisch-technologischen Eigenschaften der OSB-Platte haben könnte. Gemäß dieser Argumentation weist z.B. eine dreilagige OSB-Platte mit einer Mittellage aus Pappelholzstrands und zwei Decklagen aus Birkenholzstrands bessere mechanisch-technologische Eigenschaften auf als eine dreilagige OSB-Platte mit einer Mittellage aus Birkenholzstrands und zwei Decklagen aus Pappelholzstrands. Entsprechend weist auch eine dreilagige OSB-Platte, bei der alle drei Lagen aus Birkenholzstrands bestehen, bessere mechanisch-technologischen Eigenschaften auf als eine dreilagige OSB-Platte mit einer Mittellage aus Weidenholzstrands und zwei Decklagen aus Pappelholzstrands.
1.4.7 Gemäß dem Anspruch 1 wird jedoch gegenüber der aus der D1 bekannten OSB-Platte keine gezielte Verteilung der Strands in Abhängigkeit von der jeweiligen Holzart, sondern es wird nur in allgemeiner Form das Vorhandensein von unterschiedlichen Strandholzarten in benachbarten Platten beansprucht. Für eine solche zufällige Verteilung der Strandholzarten kann kein (gezielter) Einfluss auf die mechanisch-technologische Eigenschaften, geschweige denn eine unerwartete technische Wirkung, geltend gemacht werden. Diese Tatsache wird auch durch die unter Punkten 1.4.3 und 1.4.5 oben gemachten Vergleiche der mechanisch-technologischen Werte und der Parameter für die Emission belegt.
1.4.8 Somit kann die unter Punkt 1.4 oben angegebene technische Aufgabe nicht in der von der Beschwerdeführerin erwünschten Weise formuliert werden. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, die Lehre der D1 nach ihren beiden Alternativen auszuführen, wobei allerdings beide keine erfinderische Tätigkeit abverlangen.
Da auch kein Vorurteil in der Fachwelt gegen die mit Anspruch 1 gewählte Alternative seitens der Beschwerdegegnerin geltend gemacht wurde, beruht eine solche Lösung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
1.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt daher die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.