T 0584/09 (Imidacloprid gegen Flöhe, Läuse, Fliegen/BAYER) of 1.3.2013

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2013:T058409.20130301
Datum der Entscheidung: 01 März 2013
Aktenzeichen: T 0584/09
Anmeldenummer: 95106925.1
IPC-Klasse: A01N 61/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Fassungen: Unpublished | Unpublished v2 | Unpublished v3
Bezeichnung der Anmeldung: Nicht-systemische Bekämpfung von Parasiten
Name des Anmelders: Bayer Animal Health GmbH
Name des Einsprechenden: NORBROOK LABORATORIES LIMITED
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 24(2)
European Patent Convention Art 24(4)
European Patent Convention Art 112a(3)
European Patent Convention Art 112a(5)
European Patent Convention R 108(3)
Schlagwörter: Wiedereröffnung des Beschwerdeverfahrens nach Artikel 112a(5) EPÜ
Selbstablehnung gemäß Artikel 24(2) EPÜ durch zwei Mitglieder der Beschwerdekammer
Verletzung des Grundsatzes der "res judicata" (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
J 0015/04
R 0021/11
Anführungen in anderen Entscheidungen:
R 0015/11
T 1627/09
T 0207/17
T 0689/19
T 0956/19

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Entscheidung betrifft ein Verfahren nach Artikel 24(4) i.V.m. Artikel 24(2) EPÜ aufgrund von Erklärungen der Selbstablehnung eines technischen und eines rechtskundigen Mitglieds der Beschwerdekammer 3.3.01 des EPA.

II. Mit Entscheidung vom 3. Februar 2011 hat die Beschwerdekammer 3.3.01 das Europäische Patent EP 0682869 in der Besetzung P. Ranguis (Vorsitzender), G. Seufert (technisches Mitglied) und D. Rogers (rechtskundiges Mitglied) widerrufen. Der von der Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin nach Artikel 112a EPÜ gestellte Antrag auf Überprüfung war darauf gestützt, dass die Beschwerdekammer über die Beschwerde entschieden habe, ohne über einen hierfür relevanten Antrag, nämlich die Zulassung des per Fax am 1. Februar 2011 eingereichten zweiten Gutachtens von Prof. Mehlhorn, zu entscheiden. Durch die Nichtberücksichtigung des zweiten Mehlhorn-Gutachtens sei außerdem das Recht der Patentinhaberin auf rechtliches Gehör verletzt worden. Weiterhin wurde beantragt, die an der Entscheidung vom 3. Februar 2011 beteiligten Mitglieder der Beschwerdekammer wegen Befangenheit zu ersetzen, da diese andernfalls über dieselben Fragen nochmals entscheiden würden.

III. Mit Entscheidung vom 15. Juni 2012 hat die Große Beschwerdekammer in der Sache R 21/11 die Entscheidung in der Beschwerde T 584/09-3.3.01 vom 3. Februar 2011 aufgehoben und die Wiederaufnahme des Verfahrens vor der Beschwerdekammer 3.3.01 angeordnet. Der Antrag, die Mitglieder der Beschwerdekammer, die an der aufgehobenen Entscheidung mitgewirkt haben, zu ersetzen, wurde zurückgewiesen.

IV. An dem wieder aufzunehmenden Verfahren wird der Vorsitzende P. Ranguis wegen Versetzung in den Ruhestand mit Wirkung zum 1. März 2013 nicht teilnehmen können. Als Vorsitzender für das weitere Verfahren ist C. M. Radke (technisches Mitglied und stellvertretender Vorsitzender der Kammer) bestimmt worden.

V. Vor diesem Hintergrund haben das an der Entscheidung vom 3. Februar 2011 beteiligte technische (G. Seufert) und das rechtskundige (D. Rogers) Mitglied jeweils Erklärungen gemäß Artikel 24(2) EPÜ gegenüber der Beschwerdekammer abgegeben. Als Begründung wurde angegeben, dass durch die notwendige Ersetzung des Vorsitzenden das gesamte Beschwerdeverfahren erneut durchzuführen sei, und zwar unabhängig davon, ob das bisherige technische und das rechtskundige Mitglied unverändert blieben. Letztere müssten somit ein zweites Mal über gleiche Fragen entscheiden. Die Selbstablehnung solle den Anschein der Befangenheit vermeiden.

VI. Neben C. M. Radke als Vorsitzenden sind für die zunächst nach Artikel 24(4) EPÜ zu treffende Entscheidung das technische Mitglied J.-B. Ousset (Berichterstatter) und C.-P. Brandt als rechtskundiges Mitglied der Kammer 3.3.01 bestimmt worden.

VII. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2012 informierte die Beschwerdekammer durch das rechtskundige Mitglied die Beteiligten über die Selbstablehnungen des ursprünglichen technischen und des rechtskundigen Mitglieds und über die Ersetzungen, die für die Zwecke der Entscheidung gemäß Artikel 24(4) EPÜ vorgenommen worden waren. Die Beteiligten wurden aufgefordert, sich dazu innerhalb von zwei Monaten zu äußern.

VIII. Mit Schreiben vom 22. Februar 2013 hat die Einsprechende Bedenken gegen die Ersetzung der Kammermitglieder, die ihre Selbstablehnung erklärt haben, geäußert. Im Hinblick auf die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer R 21/11 bestehe Vertrauensschutz, dass die Mitglieder unverändert blieben. Der Gegenstand des wieder aufzunehmenden Verfahrens vor der Beschwerdekammer in einer neuen Besetzung sei beschränkt auf die Frage der Zulassung des zweiten Mehlhorn-Gutachtens und darauf, ob dieses zusätzliche Beweismittel gegebenenfalls eine unterschiedliche Bewertung und Entscheidung über die Beschwerde erfordert. Der Grundsatz der res judicata würde eine Entscheidung der Beschwerdekammer in dem wieder aufzunehmenden Verfahren über dieselben Fakten, über die in dem früheren Verfahren bereits entscheiden worden sei, verbieten. Anderenfalls sei auch der Grundsatz der Rechtsicherheit verletzt, da die neubesetzte Beschwerdekammer aufgrund derselben Fakten zu anderen Ergebnissen als die Beschwerdekammer im vorangegangenen Verfahren gelangen könnte.

Die Patentinhaberin hat mit einem beim EPA am 28. Februar 2013 eingegangenen Schreiben zum Schreiben der Einsprechenden vom 22. Februar 2013 Stellung genommen.

Entscheidungsgründe

1. Nach Artikel 24(1) EPÜ dürfen die Mitglieder der Beschwerdekammern nicht an der Erledigung einer Sache mitwirken, an der sie ein persönliches Interesse haben, in der sie vorher als Vertreter eines Beteiligten tätig gewesen sind oder an deren abschließender Entscheidung in der Vorinstanz sie mitgewirkt haben. Glaubt ein Mitglied einer Beschwerdekammer aus einem der in Absatz 1 genannten Gründe oder aus einem sonstigen Grund an einem Verfahren nicht mitwirken zu können, so teilt es dies der Kammer mit (Art. 24(2) EPÜ).

2. Den hier zu beurteilenden Selbstablehnungen liegt offensichtlich kein Ausschlussgrund nach Artikel 24(1) EPÜ zugrunde, insbesondere ist die Entscheidung der Beschwerdekammer vom 3. Februar 2011 nicht eine Entscheidung der Vorinstanz im Sinne dieser Bestimmung. Bei dem angegebenen Grund der Vermeidung des Anscheins der Befangenheit wegen der Notwendigkeit, ein weiteres Mal über dieselben Fragen entscheiden zu müssen, kann es sich aber um einen "sonstigen Grund" i.S.v. Artikel 24(2) EPÜ handeln.

3. Nach Artikel 24(4) Satz 1 EPÜ entscheidet die Beschwerdekammer in diesen Fällen. Eine Selbstablehnung bewirkt, worauf auch die Einsprechende in ihrem Schreiben vom 22. Februar 2013 zutreffend hingewiesen hat, somit nicht automatisch die Ausschließung des betreffenden Kammermitglieds aus dem Verfahren. Für eine solche Ausschließung ist vielmehr eine Entscheidung der Kammer in ihrer Besetzung gemäß Artikel 24(4) Satz 2 EPÜ darüber erforderlich, ob die Ersetzung des Kammermitglieds gerechtfertigt ist. In der vorliegenden Besetzung (s.o. VI.) ist die Beschwerdekammer befugt, darüber zu entscheiden, ob das ursprünglich für das Beschwerdeverfahren zuständige technische (G. Seufert) und rechtskundige (D. Rogers) Mitglied von der Teilnahme an dem wieder aufzunehmenden Verfahren ausgeschlossen sind.

4. Grundsätzlich verbietet der Grundsatz eines fairen und unparteiischen Verfahrens nicht, dass Mitglieder der Beschwerdekammern über das Vorbringen von Beteiligten erneut entscheiden, wie es z.B. bei einer Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz und der Zuständigkeit derselben Kammer mit denselben Mitgliedern, die schon für die erste Beschwerdeentscheidung zuständige waren, für die Beschwerde gegen die dann folgende Entscheidung der ersten Instanz der Fall sein kann (s. auch J 15/04 vom 30. Mai 2006, Nr. 8 der Entscheidungsgründe).

5. Jedoch besteht der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass niemand über eine Angelegenheit entscheiden darf, in der er von einem Beteiligten aus guten Gründen der Befangenheit verdächtigt werden kann. Artikel 24(2) EPÜ dient diesem Grundsatz, indem ein Kammermitglied, das glaubt, aus einem solchen Grund an einem Verfahren nicht mitwirken zu können, dies der Kammer mitzuteilen hat. Dadurch wird vermieden, dass die einer Selbstablehnung zugrunde liegenden Umstände im späteren Verlauf des Verfahrens bekannt werden und den Entscheidungsfindungsprozess oder gar die Entscheidung selbst in einem zweifelhaften Licht erscheinen lassen. Daher ist es sehr wichtig, dass nach der Entscheidung einer Beschwerdekammer gemäß Artikel 24(4) EPÜ über die Selbstablehnung eines Kammermitglieds keine ernsthafte Möglichkeit oder auch nur der Anschein für die Öffentlichkeit oder einen Beteiligten mehr besteht, Befangenheit zu besorgen (s. auch J 15/04 vom 30. Mai 2006, Nr. 13 der Entscheidungsgründe).

6. Zwar sind konkrete Anhaltspunkte, die die Besorgnis der Befangenheit der ursprünglichen Mitglieder der Kammer zwingend nahelegen oder tatsächlich begründen könnten, weder von der Antragstellerin im Überprüfungsverfahren nach Artikel 112a EPÜ oder auf den Bescheid der Kammer vom 14. Dezember 2012 vorgetragen worden, noch für die Beschwerdekammer sonst ersichtlich. Nach Abwägung der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls und aufgrund der nachfolgenden Erwägungen (s unten 7.) sieht die Kammer mit Rücksicht auf den oben dargelegten allgemeinen Grundsatz (s.o. 5.) die in Rede stehenden Selbstablehnungen hier dennoch als gerechtfertigt an.

7. Wenn nämlich - wie hier - Mitglieder der Beschwerdekammer in einer Selbstablehnung einen Grund angeben, der seiner Natur nach ein möglicher Grund für eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit sein könnte, so sollte dieser Grund in der Regel durch die Entscheidung über die Ersetzung dieser Kammermitglieder respektiert werden, weil davon auszugehen ist, dass diese Mitglieder am besten wissen, ob eine mögliche Besorgnis der Befangenheit entstehen könnte (vgl. hierzu J 15/04 vom 30. Mai 2006, Nr. 13 der Entscheidungsgründe). Diese Schlussfolgerung ist im vorliegenden Fall noch dadurch besonders nahegelegt, dass die Antragstellerin im Verfahren nach Artikel 112a EPÜ gerade beantragt hat, die an der Entscheidung vom 3. Februar 2011 beteiligten Mitglieder der Beschwerdekammer wegen Befangenheit zu ersetzen, da diese andernfalls über dieselben Fragen nochmals entscheiden würden.

8. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass unter Berücksichtigung des Artikel 24 EPÜ zugrundeliegenden Gebots der Unparteilichkeit in den Verfahren vor den Beschwerdekammern, und im Hinblick darauf, dass deren Mitglieder in ihrer richterlichen Tätigkeit und Funktion schon den Anschein der möglichen Befangenheit vermeiden müssen, eine Ersetzung des ursprünglichen technischen und rechtskundigen Mitglieds der Kammer 3.3.01 für das wieder aufzunehmende Verfahren in der vorliegenden Beschwerdesache aufgrund der jeweils erklärten Selbstablehnung gerechtfertigt ist.

9. Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer R 21/11 vom 15. Juni 2012, mit der der Antrag, die Mitglieder der Beschwerdekammer, die an der aufgehobenen Entscheidung mitgewirkt haben, zu ersetzen, zurückgewiesen wurde, da sich die Sachlage in der Zeit nach der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer insoweit entscheidend geändert hat. Die Große Beschwerdekammer ist davon ausgegangen und konnte zum Entscheidungszeitpunkt auch nur davon ausgehen, dass die Mitglieder der Kammer, die an der aufgehobenen Entscheidung vom 3. Februar 2011 mitgewirkt haben, grundsätzlich auch für das wieder aufzunehmende Verfahren zur Verfügung stehen. Die Große Beschwerdekammer hat daher weiterhin festgestellt, dass im Rahmen des Antrags auf Aufrechterhaltung des Streitpatents einzig und allein darüber zu entscheiden sein wird, ob bei einer Zulassung des zweiten Mehlhorn-Gutachtens zum Beschwerdeverfahren dieses zusätzliche Beweismittel einen Unterschied macht (R 21/11, vom 15. Juni 2012, Nr. 30 der Entscheidungsgründe). Da dieser Antrag vorher nicht behandelt wurde, wäre also gerade nicht zweimal über dieselben Fragen zu entscheiden gewesen.

10. Auf einen durch die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer geschaffenen Vertrauensschutz hinsichtlich der Besetzung der Beschwerdekammer könnte sich die Einsprechende also allenfalls dann berufen, wenn die Tatsachen, die der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer zugrunde gelegen haben, unverändert geblieben wären, was hier jedoch schon durch den nachträglich erforderlich gewordenen Wechsel des Vorsitzenden nicht der Fall ist.

11. Die Große Beschwerdekammer hat in ihrer Entscheidung nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Ersetzung der früheren Mitglieder bedeuten würde, dass eine Beschwerdekammer in neuer Besetzung das gesamte Beschwerdeverfahren erneut durchführen müsste, um zu einer abschließenden Entscheidung zu gelangen (R 21/11, vom 15. Juni 2012, Nr. 30 der Entscheidungsgründe). Genau diese Situation ist aber schon durch die Versetzung in den Ruhestand des Vorsitzenden P. Ranguis zum 1. März 2013 eingetreten. Der Wechsel in der Person des Vorsitzenden allein macht die erneute Durchführung des Beschwerdeverfahrens erforderlich, und zwar auch dann, wenn das ursprünglich bestimmte technische und das rechtskundige Mitglied im Verfahren verblieben. Diese Mitglieder müssten dann letztlich doch ein weiteres Mal über dieselben Fragen im vorliegenden Beschwerdeverfahren entscheiden, was durch die Selbstablehnung vermieden werden soll.

12. Insoweit spielt es im Gegensatz zur Ansicht der Einsprechenden in ihrem Schreiben vom 22. Februar 2013 im übrigen keine Rolle, aus welchen Gründen (Versetzung in den Ruhestand oder Besorgnis der Befangenheit) die Ersetzung des Mitglieds der Beschwerdekammer erforderlich wird. Maßgeblich ist hierbei vielmehr, dass das Mitglied sich vor einer abschließenden Entscheidung über die Beschwerde aufgrund eigener unmittelbarer Wahrnehmung, Kenntniserlangung des Sachverhalts und Bewertung aller relevanten Fragen eine Meinung bilden können muss. Das setzt voraus, dass alle entscheidungsrelevanten Fragen des Beschwerdeverfahrens, auch, wenn sie in anderer Besetzung im vorangegangenen Beschwerdeverfahren schon einmal behandelt und entschieden worden sind, gegebenenfalls erneut erörtert und beurteilt werden müssen. Dies schließt insbesondere auch die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung ein, an deren Ende eine abschließende Entscheidung der neubesetzten Beschwerdekammer über die Beschwerde insgesamt getroffen und verkündet wird.

13. Soweit die Einsprechende der Auffassung ist, die Beschwerdekammer sei im wieder aufzunehmenden Verfahren in teilweiser oder vollständig neuer Besetzung aufgrund des Grundsatzes der res judicata, also der Rechtskraft und rechtlichen Bindung, daran gehindert, über die im vorangegangenen Beschwerdeverfahren bereits behandelten und entschiedenen Fragen erneut zu entscheiden, vermag die Kammer dem aus rechtlichen Gründen nicht zu folgen.

14. Zwar hat der Antrag auf Überprüfung nach Artikel 112a EPÜ nach Artikel 112a(3) EPÜ als außerordentlicher Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung, d.h., die Einreichung des Antrags berührt zunächst nicht die Rechtskraft der angegriffenen Entscheidung. Jedoch folgt aus Artikel 112a(5) EPÜ i.V.m. Regel 108(3) EPÜ, dass die Große Beschwerdekammer die Entscheidung der Beschwerdekammer aufhebt und die Wiedereröffnung des Verfahrens vor der Beschwerdekammer, gegebenenfalls mit einer geänderten Zusammensetzung der Mitglieder, anordnet, wenn der Antrag auf Überprüfung Erfolg hat.

15. Dem Wortlaut der zuletzt genannten Vorschriften ist nicht zu entnehmen, dass bei einer Aufhebung der Entscheidung der Beschwerdekammer diese in dem wieder eröffneten Verfahren an die tatsächlichen oder rechtlichen Feststellungen in der vorangegangenen und aufgehobenen Entscheidung gebunden wäre. Dies steht auch in vollem Einklang mit dem eindeutigen und ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers bei der Einführung der Vorschriften betreffend den Antrag auf Überprüfung nach Artikel 112a EPÜ. Danach hebt - bei Begründetheit des Antrags - die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer, durch die die Entscheidung der Beschwerdekammer aufgehoben und das Verfahren wieder eröffnet wird, die "res judicata Wirkung", also die formelle Rechtskraft der Entscheidung der Beschwerdekammer auf (Amtsblatt EPA, Sonderausgabe 4 / 2007 zu Artikel 112a EPÜ, Seiten 145-149, insbesondere Nr. 10, 17 und 19 und unter ausdrücklichem Hinweis auf Artikel 112a(5) EPÜ i.V.m. Regel 108(3) EPÜ). Darüber hinaus wird in diesem Zusammenhang noch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass folglich das Ergebnis des zweiten Beschwerdeverfahrens dasselbe wie im ersten Beschwerdeverfahren oder eben unterschiedlich sein kann (Amtsblatt EPA, Sonderausgabe 4 / 2007 a.a.O. Nr. 19). Die Rechtstatsache, dass bei Begründetheit des Antrags, Aufhebung der Entscheidung der Beschwerdekammer und Wiedereröffnung des Beschwerdeverfahrens nach Artikel 112a(5) EPÜ i.V.m. Regel 108(3) EPÜ die res judicata Wirkung der ersten Entscheidung der Beschwerdekammer durch kassatorische Entscheidung durchbrochen bzw. aufgehoben und somit auch eine gegenteilige Entscheidung im zweiten Beschwerdeverfahren ermöglicht wird, ist in der Rechtsliteratur ausdrücklich bestätigt worden (vgl. Günzel, GRUR 2009, 269, 270; Messerli, GRUR 2001, 979, 981; Joos/Schmitz in Singer/Stauder, EPÜ, 6. Auflage, Art. 112a, Rdn 5 und 20). Davon geht ganz offensichtlich und ohne weiteres auch die Große Beschwerdekammer in der Entscheidung R 21/11 aus, wenn sie ausführt, dass "eine Ersetzung der früheren Mitglieder … bedeuten (würde), dass eine Beschwerdekammer in neuer Besetzung das gesamte Beschwerdeverfahren … erneut durchführen müsste, um zu einer abschließenden Entscheidung zu gelangen" (R 21/11, Nr. 30 der Entscheidungsgründe). Diese Aussage ergäbe keinen Sinn, wenn von einer res judicata Wirkung für das zweite Beschwerdeverfahren ausgegangen werden müsste.

16. Aus den dargelegten Gründen kann die Kammer auch der Ansicht der Einsprechenden nicht folgen, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit eine Beschränkung der Entscheidungsbefugnis der Beschwerdekammer in dem wieder eröffneten Verfahren auf die noch nicht behandelte Frage der Zulassung und gegebenenfalls die Relevanz des zweiten Mehlhorn-Gutachtens für die Sachentscheidung gebiete und somit zugleich ausschließe, über die bereits behandelten Fragen erneut und gegebenenfalls unterschiedlich zu entscheiden.

17. Somit liegen gegen die Ersetzung des ursprünglich bestimmten technischen Mitglieds G. Seufert und des ursprünglich bestimmten rechtskundigen Mitglieds D. Rogers durch jeweils einen Vertreter letztlich keine durchgreifenden Einwände vor.

18. Die Beschwerdekammer kommt daher zu dem Schluss, dass Frau G. Seufert durch Herrn J.-B. Ousset und Herr D. Rogers durch Herrn C.-P. Brandt ersetzt werden sollen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Für das wieder aufzunehmende Verfahren vor der Beschwerdekammer 3.3.01 wird Frau G. Seufert durch Herrn J.-B. Ousset und Herr D. Rogers durch Herrn C.-P. Brandt ersetzt.

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