European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2012:T030909.20120309 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 09 März 2012 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0309/09 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04105986.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | G06F 1/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Benutzergerät zur Wiedergabe einer Datei | ||||||||
Name des Anmelders: | Swisscom AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.5.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Begründungsmangel - Hauptantrag und Hilfsanträge (ja) Wesentlicher Verfahrensmangel (ja) Rückzahlung der Beschwerdegebühr (ja) |
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Orientierungssatz: |
s. Gründe 7-7.5.3 |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, verkündet in der mündlichen Verhand lung vom 16. Oktober 2008 und zugestellt mit Schreiben vom 15. Dezember 2008, die europäische Patent anmeldung 04105986.6 zurückzuweisen.
II. Im Ladungsbescheid der Prüfungsabteilung wurde als Zeitpunkt gemäß Regel 116 EPÜ, bis zu dem Schriftsätze und/oder Unterlagen eingereicht werden können, der 16. September 2008 festgelegt. Innerhalb dieser First, am 15. September 2008, legte die Beschwerdeführerin sechs Hilfsanträge vor. In einem Telefongespräch informierte die Prüfungsabteilung die Be schwerdeführerin unter anderem über ihre Absicht, diese Hilfsanträge unter Regel 137 (3) EPÜ nicht zuzulassen. Später teilte die Beschwerdeführerin schriftlich mit, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen beabsichtige. Die mündliche Verhandlung vor der Prüfungsabteilung fand somit in Abwesenheit der Beschwerdeführerin statt.
III. Die Entscheidung stützt sich auf die folgenden Dokumente:
D1: US 2003/088781
D5: US 6 256 737 B1
D6: WO 98/47096 A1
D7: WO 2004/100152.
und kommt zu dem Ergebnis, dass Anspruch 1 gegenüber D1 im Lichte von D5 und D6 nicht erfinderisch ist, und dass die sechs Hilfsanträge unter Regel 137 (3) EPÜ nicht zuge lassen werden.
Hinsichtlich des Hauptan trags wird in den Entscheidungs gründen unter anderem angenommen, D1 offenbare ein "Ver fahren zur Wiedergabe einer Datei durch ein Benutzer ge rät, wobei das Benutzer gerät über einen integrierten Pro jektor ... verfügt", und Analyse und Bewertung der Unterschiede zwischen D1 und dem Gegenstand von An spruch 1 entspricht wortgleich dem des Ladungsbescheids.
Die Nichtzu lassung der Hilfsanträge wird wie folgt begrün det:
"a) Es liegen ungerechtfertig viele Hilfsanträge vor und diese Anträge konvergieren nicht auf einen gewährbaren In halt hin. Jeder Hilfsantrag unter schei det sich durch ein anderes Merkmal vom Haupt antrag. Die Merkmale betref fen völlig unterschied liche Aspekte (Bedienung des Endgerätes, Art der Datenübertragung, Eigenschaften des Servers, Wie der gabebedingungen, Biometrische Messung)
b) Frühere Einwände wurden prima facie nicht behoben
Die zusätzlichen Merkmale können keinen erfinde rischen Schritt begründen. Es handelt sich um dem Fachmann bekannte Implementierungsdetails, die über ihren wohlbekannten Zweck im Zusammenhang mit den anderen Merkmalen des Anspruchs keinen zusätzlichen Effekt erzielen."
IV. Mit Schreiben vom 8. Januar 2009 wurde Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt und begründet, und die Be schwer degebühr wurde am sel ben Tag entrichtet. Es wurde eine "Über prü fung der Zurückweisung" beantragt und fest gestellt, dass Hauptantrag und Hilfsanträge aufrecht er hal ten würden. Nach Interpretation der Kammer beantragt die Beschwerde führerin somit, die ange fochtene Ent schei dung aufzuheben und das Patent auf Basis der folgenden Unterlagen zu er teilen:
Ansprüche, Nr.
1-25 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schreiben vom 7. Mai 2007
1-17 gemäß erstem Hilfsantrag
1-21 gemäß zweitem Hilfsantrag
1-18 gemäß drittem Hilfsantrag
1-17 gemäß viertem Hilfsantrag
1-16 gemäß fünftem Hilfsantrag
1-18 gemäß sechstem Hilfsantrag, alle Hilfsanträge eingereicht mit Schreiben vom 15. September 2008
Beschreibung, Seiten
1-11 eingereicht mit Schreiben vom 7. Mai 2007
Zeichnung Nr. 1/1 wie ursprünglich eingereicht.
V. In der Beschwerdebegründung befasst sich die Beschwerde füh rerin insbesondere mit der Entscheidung der Prüfungs abteilung, die sechs Hilfsanträge nicht zuzu lassen und argumentiert wie folgt: Die Anzahl der Hilfsanträge sei nicht ungerechtfertigt hoch, es gebe keine Regel im EPÜ, die besagen würde, dass Hilfsanträge nicht unterschied li che Aspekte abdecken dürften, und die Behauptung, durch die Hilfsanträge seien "frühere Einwände prima facie nicht behoben worden" sei unzureichend, da sie offen ließe, welches diese Einwände und somit welches die eigentlichen Zurückweisungsgründe gewesen seien. Wegen dieses Begründungsmangels wurde die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.
VI. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Verfahren zur Wiedergabe einer Datei durch ein Benutzergerät (1), wobei das Benutzergerät (1) über einen integrierten Projektor (1.7), ein Identifizierungsmodul (1.3) zur Identifizierung des Benutzergeräts (1) in einem Mobilfunknetz (5) und biometrische Erfassungsmittel verfügt oder mit solchen biometrischen Erfassungsmitteln über eine drahtlose Schnittstelle (1.4) verbunden ist, und wobei das Verfahren die folgenden Verfahrensschritte umfasst:
- das Benutzergerät (1) erfasst biometrische Daten des Benutzers,
- das Benutzergerät (1) meldet sich in dem Mobilfunknetz (5) an,
- die erfassten biometrischen oder daraus abgeleiteten Schlüsseldaten des Benutzers werden über das Mobilfunknetz (5) an einen Authentifizierungsserver übertragen,
- der Benutzer authentisiert sich mit den übertragenen biometrischen oder der daraus abgeleiteten Schlüsseldaten im Authentisierungsserver,
- eine zu projizierende Datei oder ein Schlüssel zum Öffnen einer zu projizierenden Datei wird von einem mit dem Authentisierungsserver verbundenen Fernserver (7) in das Benutzergerät (1) heruntergeladen und im Fall, dass ein Schlüssel zum Öffnen einer zu projizierenden Datei heruntergeladen wurde, wird eine Datei mit diesem Schlüssel entschlüsselt und
- die Datei wird mit dem in das Benutzergerät (1) integrierten Projektor (1.7) wiedergegeben."
Anspruch 19 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Benutzergerät (1) zur Wiedergabe einer Dateien [sic], welches umfasst
- Mittel zur Aufnahme von biometrischen Daten oder Mittel, um sich mit solchen Mitteln zu verbinden,
- Mittel zur Anmeldung des Benutzergerätes in einem Mobilfunknetz (5) und Mittel zum Senden und Empfangen von Dateien über das Mobilfunknetz (5);
- Mittel zur Projektion der empfangenen Dateien."
Der erste Hilfsantrag umfasst nur noch einen unabhän gi gen Anspruch, Anspruch 1, der gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags das zusätzliche Merkmal enthält:
"- wobei das Benutzergerät (1) über das Mobilfunknetz (5) mit einem Fernserver (7), welcher Teil eines LANs oder eines anderen privaten Netzwerks ist, verbunden wird und die Datei oder der Schlüssel zum Öffnen der Datei aus diesem Fernserver (7) heruntergeladen wird"
Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags enthält gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags die zusätzlichen Merkmale:
"- wobei das Benutzergerät (1) über eine Schnittstelle (1.4) im Nahbereich mit einem externen Gerät (3) verbunden ist, um die biometrischen Daten des Benutzers in dem externen Gerät (3) aufzunehmen und
- das Benutzergerät (1) und der integrierte Projektor (1.7) über ein Schreibgerät ferngesteuert werden, in den der Sensor (1.5, 3.2) oder das biometrische Erfassungsmittel integriert ist"
Anspruch 16 des zweiten Hilfsantrags enthält gegenüber Anspruch 19 des Hauptantrags entsprechende Merkmale.
Hilfsanträge 3-6 umfassen nur noch je ei nen unabhängigen Anspruch.
Anspruch 1 gemäß drittem und viertem Hilfsantrag ver langt nun obligatorisch, dass der Schlüssel vom Fern ser ver he run tergeladen wird. Anspruch 1 des vierten Hilfs an trags ist darüber hinaus um das Merkmal ergänzt, dass
"-die Datei, die mit einem heruntergeladenen Schlüssel geöffnet wird, durch ein Broadcastnetz empfangen wird"
In Anspruch 1 des fünften Hilfsantrags wurde das letzte Merkmal gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags beschränkt und lautet nun wie folgt:
"- die Datei wird mit dem in das Benutzergerät (1) integrierten Projektor (1.7) ohne permanente Speicherung im Streaming-Modus wiedergegeben."
In Anspruch 1 des sechsten Hilfsantrags lauten der erste und vorletzte Verfahrensschritt nun wie folgt:
"- das Benutzergerät erfasst als biometrische Daten einen Fingerabdruck des Benutzers" bzw.
"- eine zu projizierende Datei wird von einem mit dem Authentisierungsserver verbundenen Fernserver (7) in das Benutzergerät (1) heruntergeladen, wobei jedem Finger eine bestimmte Datei zugeordnet ist und die entsprechende Datei automatisch gefunden wird"
Entscheidungsgründe
Zulässigkeit und Umfang der Beschwerde
1. In der Beschwerdebegründung muss laut Regel 99 (2) EPÜ dargelegt sein, aus welchen Gründen die angefochtene Ent scheidung aufzuheben ist.
1.1 Obgleich die Beschwerdebegründung sehr kurz ist, richtet sich diese klar erkennbar gegen alle Gründe, aus denen die Prüfungsabteilung die Hilfsanträge nicht zugelassen hat (s. Entscheidung, Seiten 5-6).
1.2 Hinsichtlich des Hauptantrags verweist die Be schwer de begründung nur auf die mit Schrei ben vom 15. September 2008 eingereichten Argumente. In der Regel wird der Ver weis auf ein vorheriges Vor bringen als unzureichend für eine Beschwerdebegründung angesehen (vgl. Recht sprechung der Beschwerdekammern, 6. Auflage 2010, VII.E.7.6.4). Im vorliegenden Fall ergibt sich für die Kammer hingegen nach Durchsicht der angefochtenen Entscheidung und dem genannten Schreiben un mit tel bar, dass sich die an ge foch te ne Entscheidung nicht hin rei chend mit den im genannten Schreiben vorgebrachten Ar gu mente befasst hat (s. Punk te 3-5 unten) und dass schon aus diesem Grund die Ent schei dung aufzuheben ist (vgl. J 22/86, Orientierungs satz 1; Abl. EPA 1987, 280).
1.3 Darüber hinaus bestehen keine Zweifel daran, dass die Beschwerde die Erfordernisse der Artikel 106-108 und der Regel 99 EPÜ erfüllt und somit zulässig ist (vgl. dazu Punkte I und IV oben).
Die Erfindung
2. Die Anmeldung bezieht sich auf ein mobilfunkfähiges Benutzergerät (typischerweise ein mobiles Telefon; vgl. Be schreibung, S. 5, Zn. 7-13; sowie Abb. 1), das es dem Be nutzer erlaubt eine zugriffsbeschränkte Datei mit einem integrierten Projektor wiederzugeben. Zu diesem Zweck ist das Gerät mit biometrischen Erfassungsmitteln (etwa einem Fingerabdrucksensor; vgl. Hauptantrag, Anspruch 2) ausgestattet, mit Hilfe derer sich der Benutzer über das Mobilfunknetz authentifizieren kann, um Zugriff auf die zu projizierende Datei zu erlangen.
Hauptantrag
3. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung erhob die Prü fungsabteilung Einwände wegen mangelnder Neuheit und er fin de rischer Tätigkeit der Ansprüche 1 und 19 gegenüber den Dokumenten D1 bzw. D7. In der Erwiderung auf die La dung vom 15. September 2008 wandte sich die Be schwer de führerin gegen diese Einwände: Ins be sondere wur de da rin betont (S. 1, letzte Zeile; S. 2, erster ganzer so wie drittletzter Absatz; S. 3, 2. Absatz), dass die Ge räte aus D1 und D7 keinen integrierten Projektor auf wie sen, und dass die Integration eines Projektors in das Ge rät aus D1 nicht nahe liege, da sich die in D1 disku tier ten Dateien sich nicht zur Projektion eigneten. Der Einwand gegenüber D7 wurde darüber hinaus als insgesamt zu knapp angesehen, um überzeugend zu sein (S. 3, 3. Absatz).
4. Die Entscheidung stützt sich nicht mehr auf den Einwand gegenüber D7: Die Entscheidung enthält diesen zwar un ver ändert, aber als obiter dictum in einem mit "Weitere Be merkungen" markierten Abschnitt.
5. Der Vergleich des Anspruchs 1 mit D1 enthält unter an derem die Feststellung: "Dokument D1 offenbart [ein] Ver fahren zur Wiedergabe einer Datei durch ein Be nutzer ge rät, wobei das Benutzergerät über einen integrierten Pro jektor ... verfügt", gibt aber für diese Behauptung keine Fundstelle aus D1 an. Damit widerspricht die Entscheidungsbegründung ohne Beleg einem Hauptargument der Beschwerdeführerin.
5.1 Die Entscheidung (S. 5, Abs. 1-2) führt als Unterschied zwischen Anspruch 1 und D1 an, dass "die Datei ... von einem Projektor projiziert" wird und stellt fest, dass "die Projektion elektronischer Daten wohlbekannt ist". Dieser Unterschied sowie seine Bewertung beziehen sich jedoch augenscheinlich nur auf die Verwendung ir gend eines Projektors, nicht jedoch darauf, ob dieser in das bean spruchte Benutzergerät integriert ist oder nicht. Die gesamte Analyse dieses Unterschieds ist wortgleich aus dem Ladungsbescheid übernommen (ebd., Abs. S. 1-2).
5.2 Mit keinem Wort erwähnt die Entscheidung den Einwand der Beschwerdeführerin, dass D1 die Verwendung eines Projek tors nicht nahelegen würde.
5.3 Artikel 113 (1) EPÜ verbrieft das grundlegende Ver fah rens recht auf rechtliches Gehör, nach dem Ent scheidungen nur auf Gründe gestützt werden dürfen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Nach ständiger Recht spre chung der Beschwerdekammern impliziert dieses Recht auch den Anspruch, dass eine Entscheidung sich mit den Ar gu men ten einer Partei auseinandersetzen muss, die gegen die se Entscheidung sprechen könnten (vgl. z. B. T 763/04, Grün de 4.3).
5.4 Wie oben ausgeführt, geht aus der Begründung der ange foch tenen Entscheidung nicht hervor, dass sich die Prü fungsabteilung umfassend mit den Ein wänden der Beschwer de führerin auseinandergesetzt hätte. Dieser Umstand stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, aufgrund dessen nach Artikel 11 VOBK die Angelegenheit an die er ste Instanz zurückzuverweisen ist und die Rück zah lung der Beschwerdegebühr der Billigkeit entspricht, Regel 103 (1) (a) EPÜ.
Hilfsanträge 1-6
6. Gemäß Regel 137 (3) EPÜ können nach der Erwiderung auf den ersten Bescheid der Prüfungsabteilung Änderungen ei ner europäischen Patentanmeldung nur mit Zustimmung der Prüfungsabteilung vorgenommen werden. Die Zulassung sol cher Änderungen ist somit in das Ermessen der Prüfungs abteilung gestellt.
6.1 Beim Ausüben ihres Ermessens soll diese die Umstände des jewei ligen Einzelfalls und den Stand des Erteilungs ver fah rens berücksichtigen und dabei das legitime Inte resse des Anmelders auf ein Patent gegen dasjenige des EPA abwä gen, das Verfahren zum Abschluss zu bringen (G 7/93, Grün de 2.2 und 2.5; Abl. EPA 1994, 775).
6.2 Die Beschwerdeführerin hat beschlossen, zur ordnungs ge mäß an beraumten mündlichen Verhandlung nicht zu erschei nen und somit darauf verzichtet, die sechs Hilfsanträge - in der Sache wie auch hinsichtlich ihrer Zulassung - in der mündlichen Verhandlung zu verteidigen. In einem solchen Fall darf gemäß Regel 115 EPÜ die mündli che Ver handlung auch ohne die Beschwerdeführerin durchgeführt werden. Da bei musste die Beschwerdeführerin damit rech nen, dass die Prüfungsabteilung in ihrer Abwesenheit auch über die Zulassung der Hilfs anträgen entscheiden wür de, zumal die Prüfungsabteilung die Beschwerde füh re rin über diesen Umstand sowohl im Ladungsbescheid als auch in einem Telefongespräch vom 25. September 2008 in formiert hatte.
6.3 Eine Ermessensentscheidung darf nicht willkürlich er fol gen, und muss - wie alle beschwerdefähigen Ent schei dun gen - begründet sein, Regel 111 (2) EPÜ. Bei der Über prü fung einer Ermessensentscheidung hat die Be schwerde kammer nicht zu beurteilen, ob sie selbst ihr Er messen in derselben Art und Weise ausgeübt hätte, son dern nur, ob die Prüfungsabteilung ihr Ermessen in an ge messe ner Wei se und anhand der richtigen Kriterien aus ge übt hat (G 7/93, Gründe 2.6).
7. Die Zurückweisung gliedert die Begründung für die Ermessens ent scheidung der Prüfungsabteilung, die Hilfs an träge 1-6 nicht zuzu lassen, so (vgl. Punkt III oben):
a) Es liegen ungerechtfertigt viele Hilfsanträge vor und diese Anträge konvergieren nicht auf einen gewähr ba ren Inhalt hin.
b) Frühere Einwände wurden prima facie nicht behoben.
7.1 Dem Wortlaut nach stellt Punkt a) die Anzahl der Hilfs an träge und ihre mangelnde Konvergenz als zwei von ein ander unabhängige Gründe dar. Dem entspricht auch der La dungsbescheid (vgl. Punkt 8), der beide unabhängig von ein ander als mögliche Kriterien für die Nicht zu lassung von Hilfsanträgen darstellt. Es scheint aber auch denkbar, dass die Prüfungsabteilung die Anzahl der Hilfsanträge bei gleichzeitig mangelnder Konvergenz als einen einzigen Grund ansieht. Beide Möglichkeiten werden im Folgenden behandelt.
7.2 Ungerechtfertigt viele Hilfsanträge
Die Kammer bezweifelt, dass die Anzahl der Hilfs anträge im allgemeinen ein richtiges Kriterium dar stellt, mit dem die Zulassung von Anträgen gemäß Regel 137 (3) EPÜ pauschal verweigert werden kann. Zwar möchte die Kammer nicht ausschließen, dass in Einzel fällen eine große An zahl an Hilfsanträgen als Begrün dung dafür hin reichend sein könnte, keinen von ihnen zuzulassen. Diese Frage kann jedoch offen bleiben, da je denfalls sechs Hilfs an träge nicht ohne Weiteres als exzessiv anzusehen sind. Es kann auch offen bleiben, ob im vorlie gen den Fall schon diese sechs Hilfs anträ ge als unan ge messen vie le angesehen werden können und ob dabei ihre mangeln de Kon vergenz von Bedeutung ist, da die angefoch tene Ent schei dung kei ner lei ausdrückliche Einzel fallbe trach tungen enthält, die diese Schluss fol ge rung stützen könn ten.
7.3 Mangelnde Konvergenz der Hilfsanträge
Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin darin zu, dass es "keine Regel im EPÜ [gibt], die besagt, dass Hilfsan trä ge nicht völlig unter schied liche Aspekte abdecken dür fen".
Unter besonderen Umständen hält es die Kammer dennoch für gerechtfertigt, bei der Ermessens ent schei dung über die Zu lassung eines Hilfsantrags unter Abwä gung der Interessen des Anmelders und des EPA (vgl. Punkt 6.1 oben) zu berücksichtigen, ob sein Gegenstand mit dem von früheren oder im Rang vo raus ge hen den Anträgen konver giert. Ob solche Umstände vorliegen, ist im Einzelfall zu beurteilen und zu begründen, Regel 111 (2) EPÜ.
Es kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall solche be son de ren Umstände tatsächlich vorliegen, beispielsweise angesichts der Tatsachen, dass die Hilfsanträge inner halb der nach Regel 116 EPÜ gesetzten Frist eingegangen sind und dass die unabhängigen Ansprüche wenigstens ei niger Hilfsanträge (1, 2 und 4) auf ursprünglich ein ge reichte abhängige Ansprüche stützen.
Denn jedenfalls muss ein Konvergenzkriterium für jeden ein zelnen Antrag separat bewertet werden. Im vor lie gen den Fall sind die unabhängigen Ansprüche aller Hilfs an träge gegenüber den unabhängigen An sprü chen des Haupt an trags beschränkt. Die unabhängigen An sprüche des Haupt antrags wurden im vo ran gehenden Prü fungsver fah ren nur ein mal geändert, in Reak tion auf einen Klar heitseinwand der Prü fungs ab tei lung (vgl. Bescheid vom 12. März 2007, Punkt 2, sowie Er wi derung vom 7. Mai 2007, S. 1). Somit ist we nigs tens der erste Hilfsantrag mit dem Hauptantrag kon vergent und das Konvergenz kri terium kann nicht recht fertigen, den ers ten Hilfs antrag nicht zuzu lassen.
7.4 Frühere Einwände nicht ausgeräumt
7.4.1 Im Prüfungsverfahren wurden Einwände mangelnder Neuheit bzw. mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegen die un ab hängigen Ansprüche erhoben. Gegen manche abhän gigen An sprüche wurden zudem Klarheits einwände er hoben (Bescheid vom 12. März 2007, Punkt 2): Diese hat die Prü fungsab tei lung jedoch anscheinend fallen lassen ange sichts der geänderten An sprüchen, die mit Schrei ben vom 7. Mai 2007 eingegangen sind. Jeden falls enthält der La dungsbescheid vom 23. April 2008 keinen Klarheits einwand mehr.
7.4.2 Hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit der ab hängigen Ansprüche beschränken sich die Schriftsätze der Prüfungsabteilung auf kursorische Einwände wie den unter Punkt III zitierten sowie pau schale Verweise auf Dokumente aus dem Stand der Tech nik (vgl. den erweiter ten europäischen Recherche bericht vom 14. Januar 2005, Punkt 5; den Bescheid vom 12. März 2007, Punkt 5; und den Ladungsbescheid, Punkt 6). Diese Aus füh rungen können nicht als im Sinne der Regel 111 (2) EPÜ begründete Ein wände gelten.
7.4.3 Die unabhängigen Ansprüche aller Hilfsanträge sind ge gen über den unabhängigen Ansprüchen des Hauptantrags beschränkt: In den Hilfsanträgen 1, 2 und 4 durch Er gän zung von Merkmalen aus vormals abhängigen An sprü chen, in Hilfsanträgen 5 und 6 durch Ergänzung von Merk malen aus der Beschreibung, und im Hilfsantrag 3 durch Strei chen ei ner zuvor beanspruchten Alternative. Auf grund dieser Beschränkungen war die Beschwerdeführerin berechtigt an zu nehmen, die Einwände mangelnder Neuheit und erfinde rischer Tätigkeit ausgeräumt zu haben, oder doch wenigs tens den schriftlich vorliegenden Gründen in angemesse ner Weise begegnet zu sein. Die Kammer stimmt daher der Beschwerdeführerin darin zu, dass der pau schale Verweis auf "frühere Einwände", die nicht ausge räumt wurden, nicht darauf schließen lässt, welche frü heren Einwände das im Einzelnen waren.
8. Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass die Prüfungsabteilung zwar in Abwesenheit der Anmelderin zu einer Ermessensentscheidung berechtigt war und ihr Er messen nach grundsätzlich im Sinne von G 7/93 richtigen Kriterien ausgeübt hat, dass sie diese Ermessens ent schei dung aber jedenfalls entgegen Regel 111 (2) EPÜ in der angefochtenen Entscheidung nicht hinreichend begrün det hat. Auch ein Begründungs mangel ist ein wesentlicher Ver fahrensfehler, aufgrund dessen nach Artikel 11 VOBK die Angelegenheit an die er ste In stanz zurückzuverweisen ist und die Rück zah lung der Be schwerdegebühr der Billig keit entspricht, Regel 103 (1) (a) EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.