T 2342/08 () of 23.9.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T234208.20100923
Datum der Entscheidung: 23 September 2010
Aktenzeichen: T 2342/08
Anmeldenummer: 01971704.0
IPC-Klasse: B21B 1/46
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Giesswalzanlage
Name des Anmelders: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: SMS Demag AG
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 108
European Patent Convention R 99
Schlagwörter: Anforderungen an eine Beschwerdebegründung - nicht erfüllt
Zulässigkeit der Beschwerde - nein
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2117/14
T 0008/15

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 7. September 2001 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 12. September 2000 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 01971704.0 wurde das europäische Patent Nr. 1 317 325 mit 7 Ansprüchen erteilt.

II. Gegen das erteilte Patent wurde, gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) EPÜ 1973, Einspruch eingelegt und der Widerruf des Patents beantragt.

Mit ihrer am 6. November 2008 zur Post gegebenen Entscheidung wies die Einspruchsabteilung den Einspruch zurück. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die beanspruchte Gießwalzanlage im Hinblick auf die zwei genannten Entgegenhaltungen D1 und D2 neu sei und auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 22. Dezember 2008 Beschwerde ein und bezahlte am gleichen Tag die Beschwerdegebühr.

Mit ihrer am 16. März 2009 beim Europäischen Patentamt eingegangenen Beschwerdebegründung verfolgte sie ihren Antrag auf Widerruf des Patents weiter und reichte zur Stützung ihres Antrags zwölf neue Entgegenhaltungen (D3 bis D14) ein.

IV. Die Beschwerdekammer wies in ihrem Bescheid als Anlage zur Ladung für die mündliche Verhandlung darauf hin, dass das Beschwerdeverfahren nicht die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens sei und neue Entgegenhaltungen nur in Ausnahmefällen und bei prima facie höherer Relevanz als der im Verfahren befindliche Stand der Technik zugelassen werde. Die Beschwerdeführerin habe weder begründet, warum die neuen Dokumente nicht früher vorgelegt wurden noch weshalb sie relevanter seien als die im Einspruch zitierten Entgegenhaltungen. Sie habe sich nicht mit der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt und argumentiere ausschließlich mit den neuen Dokumenten. Die Ausführungen beschränkten sich darauf, dass die wesentlichen Merkmale aus dem Stand der Technik bekannt seien, wobei nicht einmal klargestellt sei, ob mangelnde Neuheit oder erfinderische Tätigkeit geltend gemacht werde. So fehle auch zur Problemstellung der Erfindung jeglicher Bezug. Es stelle sich folglich die Frage, ob die Beschwerde zulässig sei.

V. Am 23. September 2010 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in der sich die Beschwerdeführerin nur noch auf zwei der neuen Entgegenhaltungen stützte:

D3: EP-A-0 908 242

D5: EP-A-0 916 415.

Der angefochtenen Entscheidung lagen folgende Dokumente zugrunde:

D1: EP-A-0 665 296

D2: JP-A-61 056 705 (Abstract).

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 317 325.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde oder die Aufrechterhaltung des europäischen Patents auf der Grundlage der Hilfsanträge 1 bis 3 vom 19. August 2010.

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Gießwalzanlage, die folgende Merkmale umfasst:

- eine erste Produktionslinie (i) mit wenigstens einer Gießmaschine (1, 11), deren Dünnbrammen (2, 12) wenigstens einem Tunnelofen (3, 13) zuführbar sind, wobei der Tunnelofen (3, 13) in wenigstens eine Fertigstraße (4) mit mindestens einem Walzgerüst (5) mündet, und wobei die gewalzten Warmbänder nach Verlassen der Fertigstraße (4) wenigstens einer Kühlstrecke (7) zuführbar sind und auf mindestens eine Haspel (8) aufrollbar sind,

- eine zumindest teilweise fertigungstechnisch parallel angeordnete zweite Produktionslinie(II) mit wenigstens einer Brammen-Zuführungseinrichtung (20), durch die die Brammen (22) wenigstens einem Wiedererwärmungsofen (23) sowie mindestens einem nachgeordneten Vorgerüst (24) zuführbar sind, und wobei die gewalzten Vorbänder als Coils (25) von mindestens einer Coil.Box (26) aufnehmbar sind,

- eine Coil-Transporteinrichtung (27), durch die die Coils (25) vor der Fertigstraße (4) von der zweiten Produktionslinie (II) in die erste Produktionslinie (i) überführbar sind, wobei zur Zuführung der Vorbänder die Coils (25) aus der Coil-Box (26) entnehmbar sind und an den Eingang der Fertigstraße (4) transportierbar sind."

VI. Die Beschwerdeführerin brachte in der mündlichen Verhandlung vor, eine frühere Vorlage der neuen Entgegenhaltungen sei nicht möglich gewesen, da man im Einspruchsverfahren darauf vertraut habe, mit den Dokumenten D1 und D2 erfolgreich zu sein. Erst nach Zurückweisung des Einspruchs habe man im Rahmen einer Nachrecherche weitere hochrelevante Dokumente gefunden. Von den in ihrer Merkmalsgliederung aufgeführten 11 Merkmalen seien die Merkmale 1 bis 9 und 11 aus D3 bekannt. Das Merkmal 10 sei in D5 offenbart, so dass der Fachmann zur Erhöhung der Effizienz der Anlage diesen Stand der Technik ohne weiteres kombinieren würde.

VII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte, die Beschwerde sei unsubstantiiert, da eine Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung, wie in Regel 99 EPÜ gefordert, fehle. Die spät eingereichten Dokumente D3 bis D14 seien nicht in das Verfahren zuzulassen, da sie nicht die erforderliche hohe Relevanz aufwiesen. Von den elf Merkmalen sei die Mehrzahl der Druckschrift D3 nicht im beanspruchten Zusammenhang entnehmbar, zu einer Kombination mit D5 fehle mangels vergleichbarer Problemstellungen jegliche Anregung.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

1.1 Eine Beschwerde gegen eine Entscheidung der Einspruchsabteilung ist unter anderem zulässig, wenn sie den Erfordernissen des Artikels 108 EPÜ genügt. Satz 3 der Vorschrift bestimmt, dass die Beschwerde innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung nach Maßgabe der Ausführungsordnung zu begründen ist. Die entsprechenden Anforderungen an die Beschwerdebegründung sind in Regel 99 (2) EPÜ enthalten. Demnach hat der Beschwerdeführer unter anderem darzulegen, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist. Im vorliegenden Fall hat die beschwerdeführende Einsprechende die Begründung der angefochtenen Entscheidung offenbar akzeptiert und neue Beweismittel eingeführt. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern muss die Beschwerdebegründung die rechtlichen und tatsächlichen Gründe angeben, aus denen sich die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ergibt. Der Beschwerdeführer muss seine Argumente so deutlich und genau vorbringen, dass die Kammer und die Gegenpartei ohne eigene Ermittlungen unmittelbar verstehen können, warum die Entscheidung falsch sein soll. Genau zitierte Literaturstellen werden zwar Teil der Begründung, reichen aber allein nicht aus, um eine ausreichende Begründung darzustellen. Eine Beschwerdebegründung muss sich in Bezug auf die Angaben zur Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung mit dieser auseinandersetzen (vergleiche Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 6. Auflage, VII.E.7.6.1). Dies kann grundsätzlich auch in der Form geschehen, dass das Ergebnis der von der Einspruchsabteilung getroffenen Entscheidung mit neuen Beweismitteln in Frage gestellt wird. Bringt die einsprechende Partei dabei neue Tatsachen und Beweismittel vor, ist zusätzlich zu beachten, dass die für diesen Fall noch anwendbare Regel 55 c) EPÜ 1973 bestimmt, dass bereits die Einspruchsschrift die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel enthalten muss. Im Verfahren vor den Beschwerdekammern werden nach ständiger Rechtsprechung neue Tatsachen und Beweismittel und diesbezügliche Argumente nur dann zugelassen, wenn die neuen Unterlegen prima facie insofern hochrelevant sind, als sie mit gutem Grund eine Änderung des Verfahrensausgangs erwarten lassen, also höchstwahrscheinlich der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegenstehen (vergleiche Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 6. Auflage, VII.C.1.2.2).

1.2 Die Beschwerdeführerin hat mit der Beschwerdebegründung zwölf neue Dokumente D3 bis D14 genannt, von denen zu D3 bis D7 nähere Ausführungen gemacht wurden. D8 bis D14 wurden summarisch als dem Patent entgegenstehend bezeichnet. Nachdem die Kammer in ihrem der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Bescheid an der erforderlichen hohen Relevanz all dieser Dokumente Zweifel angemeldet hatte, hat sich die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung auf die Entgegenhaltungen D3 und D5 beschränkt.

2. Relevanz der Entgegenhaltungen D3 und D5

2.1 Die Figur 4 von D3, auf die sich die Beschwerdeführerin bezog, offenbart eine Gießwalzanlage mit einer ersten Produktionslinie 210 mit einer Gießmaschine 19 und einer teilweise fertigungstechnisch parallel angeordneten zweiten Produktionslinie 110.

2.2 Die in der ersten Produktionslinie produzierten Dünnbrammen (50-70 mm) werden einem Tunnelofen 120 zugeführt. Der Tunnelofen mündet in ein Vorgerüst 14e und nicht in eine Fertigstraße, wie es Anspruch 1 des Patents erfordert (Merkmal 4). Figur 4 zeigt keine Kühlstrecke nach der Fertigstraße und keine Haspel zum Aufrollen der Warmbänder, wobei dieses Merkmal jedoch als implizit offenbart gelten mag, da die anderen Figuren solche Einrichtungen zeigen und diese im fachmännischen Verständnis zu einer Gießwalzanlage gehören.

2.3 Die zweite Produktionslinie weist eine Rollbahn 20 auf, die als Brammenzuführeinrichtung bezeichnet werden kann. Die Brammen sind im Endabschnitt 120 der Linie 110, der als Tunnelofen ausgebildet sein kann, zur ersten Linie 120 überführbar, jedoch nicht einem Wiedererwärmungsofen sowie einem nachgeordneten Vorgerüst (Merkmal 8). Da am Ende der zweiten Produktionslinie 110 kein Vorgerüst vorhanden ist, werden keine Coils erzeugt, die von einer Coil-Box aufnehmbar sind (Merkmal 9). Folglich ist auch die nach der beanspruchten Lösung erforderliche Coil-Transporteinrichtung in D3 nicht vorhanden (Merkmal 10), wobei zur Zuführung der Vorbänder die Coils aus der Coil-Box entnehmbar und an den Eingang der Fertigstraße transportierbar sind (Merkmal 11).

2.4 Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die seitens der Beschwerdeführerin behauptete Merkmalsübereinstimmung (10 von 11 Merkmalen) nicht zutrifft, sondern dass zumindest die Merkmale 4, 8, 9, 10 und 11 in D4 nicht offenbart sind. Dies folgt offensichtlich aus der Tatsache, dass die aus D3 bekannte Anlage schon von der Problemstellung her einen prinzipiell unterschiedlichen Aufbau hat, denn es geht dort um die Effizienzerhöhung durch Erweiterung einer bestehenden Anlage.

2.5 Der vorstehende Vergleich zeigt, dass die Druckschrift D3 sowohl mangels übereinstimmender Problemstellung als auch mangels übereinstimmender Merkmalskombination nicht als hochrelevant einzustufen ist.

2.6 Die ausschließlich zum Nachweis des Merkmals 10 herangezogene Entgegenhaltung D5 offenbart eine Gießwalzanlage mit zwei Produktionslinien, die eine Coil-Transporteinrichtung aufweist, um die von den zwei Produktionslinien erzeugten Coils einer Fertigstraße zuzuführen. Ziel ist es dort, die Produktqualität durch Einsatz von Vorbändern anstelle von Brammen die Effizienz und die Produktqualität zu verbessern. Da in D5 das an sich bekannte, isolierte Merkmal in einem ganz unterschiedlichen strukturellen Aufbau vorkommt, liegt die Kombination mit einer aus D3 bekannten Anlage fern.

2.7 Somit kann das Dokument D5 auch nicht in Kombination mit D3 als hochrelevant eingestuft werden.

3. Anforderungen der Rechtsprechung an eine Beschwerdebegründung nicht erfüllt

Die vorliegende Beschwerdebegründung genügt den in Ziffer 1.1. dargelegten Anforderungen somit nicht. Sie hat sich weder mit der angefochtenen Entscheidung und dem ihr zugrunde liegenden Stand der Technik inhaltlich auseinandergesetzt, noch dargelegt, weshalb der neu eingeführte Stand der Technik die Rechtsbeständigkeit des angegriffenen europäischen Patents in Frage stellen kann. Die Erläuterungen der beschwerdeführenden Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung haben zu dieser Frage keine zusätzlichen Aspekte ergeben, so dass die Beschwerde mangels einer den Anforderungen der Regel 99 EPÜ entsprechenden Begründung unzulässig ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

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