T 1267/08 (Heizungssteuerung/WILO) of 26.3.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T126708.20100326
Datum der Entscheidung: 26 März 2010
Aktenzeichen: T 1267/08
Anmeldenummer: 99122748.9
IPC-Klasse: G05D 23/19
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Bedarfsgerechte Wärmeübertragerregelung
Name des Anmelders: WILO AG
Name des Einsprechenden: Grundfos Management A/S
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Neuheit - bejaht
Entscheidung über die Beschwerde - Zurückverweisung an die erste Instanz
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen das europäische Patent Nr. 1 003 089 wurde Einspruch eingelegt. Der Einspruch war darauf gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht neu sei bzw. nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100 a), 54 (2) und 56 EPÜ) sowie über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (Artikel 100 c) EPÜ).

II. Das Patent wurde von der Einspruchsabteilung mit der Begründung widerrufen, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber der Lehre von

E7': R.-W. Senczek: "Ist die Bus-Kommunikation zwischen Pumpen und GLT-Anlagen sinnvoll?", Heizungsjournal, März 1995, Seiten 104-111.

III. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und beantragte, die Entscheidung aufzuheben. Mit der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin, das Patent gemäß einem Hauptantrag oder zweier Hilfsanträge, zu denen jeweils ein geänderter Anspruch 1 eingereicht wurde, aufrecht zu erhalten.

IV. In der Erwiderung der Beschwerde beantragte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende), die Beschwerde zurückzuweisen.

V. Die Kammer hat in einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung zur Sache vorläufig Stellung genommen und auf Fragen hingewiesen, die für die zu treffende Entscheidung in der mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten.

VI. Beide Parteien haben in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung weitere Schriftsätze eingereicht.

VII. Die mündliche Verhandlung fand am 26. März 2010 statt.

Die Beschwerdeführerin reichte im Laufe der mündlichen Verhandlung einen geänderten Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ein und beantragte, die Angelegenheit zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurück zu verweisen. Die Beschwerdegegnerin hielt den Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde aufrecht.

Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

VIII. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet:

"Verfahren zur Steuerung der Temperatur des Mediums eines Heizungssystems, das zur Temperierung mindestens zweier thermisch gegeneinander abgegrenzter Verbraucher eingesetzt wird, wobei die Temperatur des Mediums von einem aktiven Wärmeübertrager erzeugt wird und wobei Zustandsgrößen im System gemessen und die Leistung des Wärmeübertragers aufgrund der gemessenen Zustandsgrößen von einer dem aktiven Wärmeübertrager zugeordneten Steuereinheit vorgegeben wird, dadurch gekennzeichnet, dass - die Verbraucher einzelne Räume sind, - jedem einzelnen Raum (1) eine separate Pumpe (6) zugeordnet ist, die den Verbraucher (1) mit flüssigem Medium versorgt, - die Durchflüsse der Pumpen (6) als Zustandsgrößen kontinuierlich erfasst werden und über eine Leitung (12) einer der Steuereinheit (9) zugehörigen Rechenanlage als Rechengröße zugeführt werden, - wobei die Rechenanlage diese Zustandsgrößen zusammen mit vorgebbaren Parametern anhand eines Steuerprogrammes verarbeitet, den aktuell benötigten Leistungsbedarf ermittelt und dem aktiven Wärmeübertrager (2) die Leistung dem Bedarf entsprechend vorgibt."

Entscheidungsgründe

1. Gegenstand des Patents ist die bedarfsgerechte Steuerung des Kessels einer Zentralheizungsanlage. Die dem beanspruchten Verfahren zugrunde liegende Anlage ist im Gegensatz zu herkömmlichen Anlagen, bei denen mittels einer zentralen Pumpe das Wasser im Warmwasserkreislauf umgewälzt und der Durchfluss bei jedem einzelnen Heizkörper mit einem Ventil oder einem Thermostaten geregelt wird, derart konfiguriert, dass jedem einzelnen Raum des zu beheizenden Gebäudes jeweils eine eigene Pumpe zur Erzeugung eines Volumenstroms durch den diesen Raum beheizenden Heizkörper zugeordnet wird. Eine solche Heizungsanlage ist in der Figur 1 des Patents skizziert.

Zur Steuerung der Temperatur des Mediums, d.h. des vom Heizkessel erhitzten Wassers im Warmwasserkreislauf, werden gemäß dem in Anspruch 1 beanspruchten Verfahren die Durchflüsse der Pumpen erfasst und der Steuereinheit des Wärmeübertragers, d.h. des Heizkessels, zugeführt. Das letzte Merkmal des Anspruchs 1 wird von der Kammer so verstanden, dass anhand der Durchflüsse der Pumpen der Wärmebedarf ermittelt und daraus dem Wärmeübertrager die Leistung vorgegeben wird.

2. Anspruch 1 des Hauptantrags - unzulässige Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ)

2.1 Die Beschwerdegegnerin brachte zur Stützung des in Artikel 100 c) EPÜ genannten Einspruchsgrunds vor, die Zuordnung einer separaten Pumpe zu jedem einzelnen Raum sei ursprüng lich nicht allgemein, sondern höchstens in Verbindung mit dezentral angeordneten Pumpen offenbart. Weiterhin sei die Zuführung der erfassten Durchflüsse an die Recheneinheit über eine Leitung nicht ursprünglich offenbart.

2.2 Die Zuordnung jeweils einer Pumpe zu einem Raum ist aus der Figur 1 und dem ursprünglichen Anspruch 7 offenbart. Die Kammer sieht im Fehlen des Attributs "dezentral" im Anspruch 1 keine unzulässige Verallgemeinerung, denn mit diesem Attribut ist im Rahmen der Gesamtoffenbarung keine genaue Ortsangabe, sondern lediglich eine Zuordnung, nämlich jeweilige Pumpe zur Beförderung des Heizmediums nur für den ihr zugeordneten Raum, verbunden. Diese Zuordnung wird bereits durch den Wortlaut des Anspruchs 1 ausgedrückt.

Hinsichtlich der Übertragung der Durchflüsse über eine Leitung offenbart Absatz [0016] der veröffentlichten Anmeldung, dass der aktuelle Durchfluss als Maß für den Bedarf gemeldet wird; weiterhin wird gemäß dem letzten Satz in Absatz [22] der Anmeldung der Bedarf an Heizmedium dem Kessel über eine Leitung gemeldet. Die Zuführung der erfassten Durchflüsse an die Recheneinheit über eine Leitung ist also durch die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen gestützt.

2.3 Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin hinsichtlich des in Artikel 100 c) EPÜ genannten Einspruchsgrunds steht der Aufrechterhaltung des Patents auf der Grund lage des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht entgegen.

3. Hauptantrag - Grundlage für die Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

3.1 Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag unterscheidet sich von dem Anspruch 1 in der erteilten Fassung dadurch, dass im Oberbegriff die mit "beispielsweise" und "insbesondere" eingeleiteten Erläuterungen gestrichen wurden, im kennzeichnenden Teil das Merkmal, dass "die Verbraucher einzelne Räume sind", hinzugefügt sowie das Wort "Verbraucher" im ersten Merkmal des kennzeichnenden Teils des erteilten Anspruchs 1 durch "Raum" ersetzt wurde.

Weiterhin wurde in der Beschreibung in Absatz [0008] des Patents die Alternativen "oder eine zu einer thermischen Einheit zusammenfassbare Zahl von Räumen sowie andere abgeschlossene Systeme" gestrichen und in den nachfolgenden Absätzen "Verbraucher" durch "Raum" bzw. "Räume" ersetzt. Schließlich wurde im Absatz [0012] des Patents der Hinweis auf den alternativen Gebrauch der Erfindung bei Kühlsystemen gestrichen.

3.2 Die Erläuterungen im erteilten Anspruch 1 haben auf das beanspruchte Verfahren keine einschränkende Wirkung, so dass durch deren Streichung der Gegenstand des Anspruchs nicht verändert worden ist. Die Beschränkung im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 auf Anlagen, deren Verbraucher einzelne Räume sind, findet eine Stütze in den ursprünglich eingereichten Unterlagen im zweiten Satz des Absatzes [0009] der veröffentlichten Anmeldung.

3.3 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand des Patents mit den im Hauptantrag vorgenommenen Änderungen nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht und somit das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt ist.

4. Anspruch 1 des Hauptantrags - Neuheit

4.1 Offenbarung von E7'

Die Druckschrift E7' befasst sich mit der Optimierung von Heizungsanlagen ausgehend von der generellen Frage stel lung, wie die "Intelligenz" moderner Heizungs umwälz pumpen in der Regelung von Heizungssystemen sinnvoll eingesetzt werden kann, um den Gesamtenergieverbrauch der Heizungs anlage, also die Summe von thermischer Energie zum Heizen und elektrischer Energie für den Betrieb der Pumpen, zu minimieren. Auf der Seite 104 werden zwei bekannte Grundkonzepte der Pumpensteuerung vorgestellt, nämlich die Pumpe bedarfsabhängig ein- und auszuschalten oder die Pumpenleistung autark durch Verstellung der Drehzahl zu regeln. Auf Seite 105 wird diskutiert, den Energieverbrauch der Pumpe beispiels weise durch Reduktion der Pumpendrehzahl bei Schwach last betrieb oder durch Beeinflussung der Pumpendrehzahl durch die Temperatur des die Pumpe durchströmenden Wassers zu reduzieren. Daran anschließend wird vorgeschlagen, Pumpen- und Heizkreisregelungen untereinander und mit der Kesselsteuerung zu verknüpfen, um den Primärenergieeinsatz der gesamten Anlage zu minimieren (Seite 107, dritte Spalte). Die Seiten 108 bis 110 befassen sich genauer mit den Möglichkeiten, die Pumpen mit integrierter Regelung bieten, sowie der Möglichkeit einer Busansteuerung, die es schließlich erlaubt, eine "intelligente" Pumpe auch als vielseitigen Sensor einzusetzen. Die Seite 111 zählt in knappen Erklärungen verschiedene Regelungsaufgaben auf, zu deren Lösung eine als "intelligent" ausgeführte Pumpe verwendet und in die Anlagenregelung mit eingebunden werden soll.

4.2 Die Druckschrift E7' offenbart nicht, dass die Verbraucher einzelne Räume sind und jedem einzelnen Raum eine separate Pumpe zugeordnet ist. Die Art des in jedem der Bilder 4 und 5 symbolisch dargestellten Verbrauchers im Sekundärkreislauf ist in E7' nicht näher spezifiziert. In den Bildern 4 und 5 ist die Art des Verbrauchers ohne Belang, denn es soll lediglich die Struktur von Anlagen ohne bzw. mit Entkopplung von Primär- und Sekundär kreisen veranschaulicht werden. Daher ergibt es sich auch nicht implizit, dass ein Verbraucher ein einzelner Raum sein soll.

Weiterhin offenbart E7' nicht das gemäß der Merkmals analyse in der angegriffenen Entscheidung als e) bezeichnete Merkmal, dass die Durchflüsse der Pumpen kontinuierlich erfasst und der der Steuereinheit zugeordneten Rechenanlage zugeführt werden. In der angefochtenen Entscheidung bemerkt die Einspruchsab teilung unter Punkt 3.4 ii) zu diesem Merkmal, es sei für den Fachmann klar, "dass für die Optimierung der Kesselsteuerung gemäß Seite 111, Spalte 1, Absatz 4, Information über den Gesamtbedarf der Verbraucher und folglich die Summe der Durchflüsse von allen Pumpen benötigt wird, wie es auch bei der Regelung der Primärkreispumpe (siehe E7', Seite 111, Spalte 1, Absatz 5) der Fall ist". Der von der Einspruchsabteilung zitierte vierte Absatz in der ersten Spalte der Seite 111 enthält lediglich die allgemeine Lehre, den Durch fluss einer Pumpe zur Kesselsteuerung in Betracht zu ziehen, aber es ergibt sich aus dieser Offenbarung nicht unmittelbar und eindeutig - auch nicht implizit - die spezielle Lehre, dass die Durchflüsse von einzelnen Räumen zugeordneten Pumpen erfasst und zur Kessel steuerung verwendet werden. Dieser vierte Absatz kann auch nicht einfach mit dem darauffolgenden Absatz zusammengezogen werden, denn beide Absätze betreffen voneinander verschiedene zu regelnde Systemeinheiten. Die Kammer hält es sogar für fraglich, ob diese Absätze im Rahmen einer Beurteilung erfinderischer Tätigkeit zusammen betrachtet werden sollten. Folglich beruht das Argument der Einspruchsabteilung, das Merkmal e) sei aus E7' bekannt, auf einer rück schauenden Betrachtung von E7' in Kenntnis des Patents.

4.3 Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegenüber E7' neu.

5. Zurückverweisung (Artikel 111 (1) EPÜ)

5.1 Gemäß Artikel 111 (1) EPÜ wird die Beschwerdekammer entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder sie verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück.

5.2 Im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren ist lediglich die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber der Druckschrift E7' geprüft worden. Mit dem auf anderen Stand der Technik gestützten Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit hatte sich die Einspruchsabteilung bislang noch nicht befasst.

Um den Parteien eine Prüfung der geänderten Ansprüche durch zwei Instanzen zu ermöglichen, übt die Kammer daher ihr Ermessen gemäß Artikel 111 (1) EPÜ dahingehend aus, dass sie die Angelegenheit zur weiteren Prüfung des Einspruchs auf der Grundlage des in der mündlichen Ver hand lung eingereichten Anspruchs 1 und der mit Schreiben vom 26. Februar 2010 eingereichten Ansprüche 2 bis 11 des Hauptantrags an die Einspruchsabteilung zurückverweist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung auf der Grundlage des Hauptantrags der Patentinhaberin zurückverwiesen.

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