T 1225/08 () of 28.10.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T122508.20101028
Datum der Entscheidung: 28 October 2010
Aktenzeichen: T 1225/08
Anmeldenummer: 01114022.5
IPC-Klasse: G01M 1/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum optischen Abtasten eines Fahrzeugrades
Name des Anmelders: Snap-on Equipment GmbH
Name des Einsprechenden: Beissbarth GmbH
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 113(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Wesentlicher Verfahrensmangel (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0185/88
T 0536/88
T 0131/01
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) richtet ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchs abteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1174698 (Anmeldenummer 01114022.5) widerrufen worden ist.

Das Patent wurde mit den Patentansprüchen 1 bis 8 und 9 bis 13 erteilt, die jeweils auf ein Verfahren bzw. auf eine Vorrichtung gerichtet sind. Der Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

"Verfahren zum optischen Abtasten eines Fahrzeugrades, insbesondere eines Kraftfahrzeugrades, bei dem in einem Messschritt mittels eines von einer Lichtquelle emittierten Lichtstrahls eine Radstelle angetastet und zu einem positionsempfindlichen Empfänger reflektiert wird und aus den Richtungen des emittierten Strahls und reflektierten Strahls der Abstand der angetasteten Stelle zu einem Bezugsort gemessen wird, wobei für aufeinanderfolgende Messschritte der emittierte Strahl und der positionsempfindliche Empfänger um eine gemeinsame Achse in einer die Felgenoberfläche des Kraftfahrzeugrades in einem stumpfen oder etwa rechten Winkel schneidenden Messebene, welche unterhalb der waagerecht angeordneten Radachse liegt, synchron geschwenkt werden,

dadurch gekennzeichnet, dass aus den gemessenen Abständen von aneinandergefügten Radstellen die Konturen der zur Radachse hin gerichteten Innenseite der Radfelge und des radialen Radscheibenteils ermittelt werden."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 richten sich auf bevorzugte Ausführungsformen des im Patentanspruch 1 definierten Verfahrens.

II. Mit dem Einspruch der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) war das Patent im Umfang der Verfahrensansprüche 1 bis 8 im Hinblick auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ 1973 angegriffen worden, insbesondere wegen mangelnder Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit. Der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit wurde von der Beschwerdegegnerin im Laufe des erstinstanzlichen Einspruchsverfahrens zurückgenommen.

III. Folgende Druckschriften wurden im Einspruchsverfahren herangezogen und von den Beteiligten im Beschwerde verfahren wieder aufgegriffen:

E1 : WO-A-9810261

E4 : EP-B-0783678

E4a: WO-A-9607880

E5 : DE-A-4122844

E6 : DE-A-4229865.

In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchs abteilung u.a. die Auffassung, dass sich der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 aus einer naheliegenden Kombination des nächstliegenden Stands der Technik nach der Druckschrift E4a mit der Lehre der Druckschrift E1 ergibt.

IV. Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin folgende Dokumente eingereicht:

B1 : Auszug aus www.wikipedia.de zum Stichwort "Entfernungsmessung - Messung der Laufzeit"

B2 : "Lueger - Lexikon der Technik", H. Franke, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart; Seite 473

und vorgebracht, dass die angefochtene Entscheidung auf wesentlichen Verfahrensmängeln beruht.

V. In einer der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung hat die Kammer auf Fragen hingewiesen, die für die zu treffende Entscheidung in der mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten, und auch ihre vorläufige Auffassung zu einigen der Fragen dargelegt.

Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit wurde u.a. Folgendes ausgeführt:

"Laut Patentschrift soll mit der Erfindung in erster Linie die Aufgabe gelöst werden, das optische Abtasten eines auszuwuchtenden Fahrzeugrades und die Erfassung von Konturverläufen am Fahrzeugrad auf einfache Weise zu ermöglichen (Spalte 1, Zeilen 1 bis 45, insbesondere Zeilen 1 bis 6 und 40 bis 45), und die beanspruchte Erfindung ist auch primär auf diese spezifische Aufgabe gerichtet. Während die Druckschrift E4a auch auf diese Aufgabe gerichtet ist (siehe Zusammenfassung und Seite 4, letzte zwei Absätze), ist die Druckschrift E1 auf einen anderen Zweck gerichtet, nämlich auf die Ermittlung der Position bzw. der Entfernung eines bestimmten Punktes der Innenseite der Radfelge (Seite 29, Zeilen 6 bis 9 und 15 bis 20), und die patentgemäße Aufgabe wird in der Druckschrift E1 weder erwähnt noch angedeutet. Außerdem ist aus dem gesamten Inhalt der Druckschrift E1 nicht erkennbar, zu welchem technischen Zweck eine zur Radkonturerfassung dienende Abtastung des Fahrzeugrades bzw. eine Erfassung von Konturverläufen erfolgen sollte.

Die Kammer ist daher der vorläufigen Meinung, dass die Druckschrift E4a - wie von der Einspruchsabteilung festgestellt - als nächstliegender Stand der Technik anzusehen ist, und dass die Druckschrift E1 dagegen keinen geeigneten alternativen Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten Erfindung darstellt (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern" 5. Auflage (2006), EPA; Kapitel I, Nr. D.3.1 bis D.3.5)."

VI. Zur Frage der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Verfahrensmängel wurde in der Mitteilung der Kammer folgendes ausgeführt:

"Die Abfolge der relevanten Ereignisse lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) In der Einspruchsschrift vom 01.08.2006 (Seite 2, zweiter Absatz und Seite 3, zweiter Absatz bis Seite 4, dritter Absatz) wurde der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit gemäß Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54(2) EPÜ 1973 geltend gemacht und auf der Basis der europäischen Patentschrift E4 substantiiert. Außerdem wurde der Einspruchsgrund der fehlenden erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ 1973 geltend gemacht und auf der Basis der Druckschriften E1, E5 und E6 substantiiert (Seiten 4 bis 6 der Einspruchsschrift).

b) Mit Schreiben vom 03.01.2007 hat die Beschwerde führerin festgestellt, dass der Veröffentlichungstag (05.12.2001) der Patentschrift E4 nach dem Prioritätstag (19.07.2000) des Streitpatents liegt (Seite 2, erster Absatz). Ferner hat die Beschwerdeführerin ihre Auffassung ausführlich dargelegt, dass die Patentschrift E4 nicht neuheitsschädlich ist (Seite 2, erster Absatz bis Seite 4, erster Absatz), und darauf hingewiesen, dass "dies [...] auch für die der E4 zugrundeliegenden [Druckschrift E4a]" gilt, "falls im Einspruchsverfahren auf diese zugegriffen werden sollte" (Schreiben vom 03.01.2007, Seite 2, letzter Absatz).

c) In dem der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Bescheid vom 19.11.2007 hat die Einspruchs abteilung festgestellt, dass die Patentschrift E4 nicht zum Stand der Technik nach Artikel 54(2) EPÜ 1973 gehört, und dass die Internationale Anmeldung E4a, die der Patentschrift E4 zugrunde liegt, vor dem Prioritätstag des Streitpatents veröffentlicht wurde (Bescheid, Punkt 2.a). Außerdem hat die Einspruchsabteilung in dem Bescheid die Meinung vertreten, dass die europäische Patentschrift E4 zum Stand der Technik nach Artikel 54(3) EPÜ 1973 gehört, und dass "Anspruch 1 neu [...] gegenüber der E4 und der E4a" ist, insbesondere seien bestimmte Merkmale des Patentanspruchs 1 "nicht aus der E4 oder der E4a entnehmbar" (Punkt 2.b).

d) Mit Schreiben vom 20.02.2008 hat die Beschwerde gegnerin beantragt, die Druckschrift E4a als prima facie relevanten Stand der Technik "neu in das Einspruchs- verfahren einzuführen" (Seite 1), und geltend gemacht, dass die Druckschrift E4a inhaltsgleich mit der Patentschrift E4 ist und Stand der Technik nach Artikel 54(2) EPÜ 1973 darstellt (Seiten 1 und 2), und dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber der Druck schrift E4a nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Seiten 2 bis 9).

e) Mit Schreiben vom 06.03.2008 (Seiten 1 und 2) hat die Beschwerdeführerin Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit gegenüber den Druckschriften E1 und E4a übermittelt und geltend gemacht, dass die Druckschrift E4a als zu spät eingereicht betrachtet werden muss und deren Inhalt nicht prima facie relevant für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist, sodass die Druckschrift E4a in das Verfahren zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht zugelassen werden dürfe.

f) Während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom 09.04.2008 hat die Beschwerde gegnerin den Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit zurückgenommen (Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Punkt 1.4). Die Beschwerdeführerin hat ihre Ansicht hinsichtlich der Unzulässigkeit der Druckschrift E4a und der darauf basierenden neuen Argumentationslinie wiederholt und auch geltend gemacht, dass sie nicht ausreichend Gelegenheit gehabt hat, sich mit der Druckschrift E4a zu befassen (Niederschrift, Punkt 2.1). Die Einspruchsabteilung hat die Druckschrift E4a als verspätet vorgebracht angesehen und sie in das Verfahren als prima facie relevant zugelassen (Niederschrift, Punkt 2.3 und Entscheidungsgründe, Punkt 2). Die Beschwerdeführerin hat dann die Vertagung der mündlichen Verhandlung wegen Verfahrensmissbrauchs beantragt, um mehr Zeit zu haben, sich mit der Druckschrift E4a und der neuen Argumentationslinie zu befassen und weitere Argumente im schriftlichen Verfahren vorzubringen; zugleich hat sie eine Kostenverteilung zu Lasten der Beschwerde gegnerin beantragt (Niederschrift, Punkt 3.1 und 3.2). Die Einspruchsabteilung beschloss, den Antrag auf Vertagung der mündlichen Verhandlung zurückzuweisen und die Kosten gemäß Artikel 104(1) EPÜ "wie üblich zu verteilen", sodass jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt (Niederschrift, Punkt 3.4 und Entscheidungsgründe, Punkt 3).

Die Kammer weist auf Folgendes hin:

i) Die Patentschrift E4 wurde am 05.12.2001 veröffentlicht, d.h. nach dem Anmeldetag (08.06.2001) der dem Streitpatent zugrundeliegenden Anmeldung, sodass - wie von der Einspruchsabteilung bereits in ihrem ersten Bescheid festgestellt, siehe Punkt c) oben - sie nicht zum Stand der Technik nach Artikel 54(2) EPÜ 1973 gehört. Die Patentschrift E4 gehört - entgegen der Meinung der Einspruchsabteilung, siehe Punkt c) oben, und auch entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin - stricto sensu auch nicht zum Stand der Technik nach Artikel 54(3) EPÜ 1973 bzw. Artikel 54(3) EPÜ 2000, da sich dieser Artikel ausschließlich auf den Inhalt von "europäischen Patentanmeldungen in der ursprünglich eingereichten Fassung" bezieht.

ii) Die Einspruchsabteilung hatte bereits in ihrem Bescheid von 19.11.2007 auf die internationale Anmeldung E4a, die der europäischen Patentschrift E4 zugrunde liegt, ausdrücklich hingewiesen und auch ausdrücklich ausgeführt, dass ihrer Meinung nach der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neu gegenüber u. a. der Druckschrift E4a ist (Punkt c) oben). Hiermit ist die Einspruchs abteilung nur den Ausführungen der Beschwerdeführerin gefolgt, die selber bereits in ihrem ersten Schreiben vom 03.01.2007 geltend gemacht hatte, dass die Druckschrift E4 nicht zum Stand der Technik gehört und dass die Ausführungen hinsichtlich der Neuheit gegenüber der Druckschrift E4 auch für die Druckschrift E4a gelten würden, "falls im Einspruchsverfahren auf diese zugegriffen werden sollte" (Punkt b) oben). Damit stellt sich die Frage, ob die Druckschrift E4a von der Einspruchsabteilung nicht bereits mit ihrem Bescheid ex officio in das Einspruchsverfahren de facto eingeführt wurde, zumindest soweit es die Beurteilung der Neuheit angeht. Die Tatsache, dass die Einspruchsabteilung in ihrem Bescheid versäumt hat, die am 14.03.1996 veröffentlichte Druckschrift E4a ausdrücklich als zum Stand der Technik nach Artikel 54(2) EPÜ 1973 gehörend anzuerkennen, ändert nichts daran, dass sie zur Frage der Neuheit hinsichtlich des Inhalts der Druckschrift E4a Stellung genommen hat.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass - wie bereits im Einspruchsverfahren geltend gemacht - die Druckschrift E4a auf dem Deckblatt der Patentschrift E4 ausdrücklich als die zugrundeliegende Anmeldung mit Veröffentlichungsdatum vom 14.03.1996 identifiziert ist und in der Beschreibung des Streitpatents (Absatz [0004]) bereits als Stand der Technik gewürdigt wurde und inhaltlich identisch mit der nachveröffentlichten Patentschrift E4 ist. Hier stellt sich somit die weitere Frage, ob die Druckschrift E4a unter allen diesen besonderen Umständen nicht automatisch die Druckschrift E4 ersetzen würde bzw. nicht unmittelbar im Einspruchs verfahren zu berück sichtigen wäre (siehe T 185/88 (ABl. EPA 1990, 451), Nr. 2.1 bis 2.4 der Entscheidungsgründe und T 536/88 (ABl. EPA 1992, 638), Nr. 2.1).

Aufgrund dieser Überlegungen könnte die Vorgehensweise der Einspruchsabteilung, nachträglich während der mündlichen Verhandlung die Druckschrift E4a als verspätet vorgebracht zu betrachten und sie in das Verfahren gemäß Artikel 114(2) EPÜ 1973 zuzulassen (Punkt f) oben und Entscheidung, Nr. 2, erster Absatz), als unnötig bzw. gegenstandlos erachtet werden.

iii) Was die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit anbelangt, wurde in der Einspruchsschrift in erster Linie auf die Druckschriften E1, E5 und E6 abgestellt (Punkt a) oben), und eine auf der Druckschrift E4a basierende Argumentationslinie bezüglich fehlender erfinderischer Tätigkeit wurde von der Beschwerde gegnerin mit dem Schreiben vom 20.02.2008 (Punkt d) oben), d.h. etwa sieben Wochen vor der mündlichen Verhandlung, vorgebracht. Daher ist der Beschwerde führerin zwar zuzustimmen, dass sie erst etwa fünf Wochen vor der mündlichen Verhandlung mit einer neuen Argumentationslinie bezüglich fehlender erfinderischer Tätigkeit konfrontiert wurde, nicht jedoch - wie von der Beschwerdeführerin suggeriert - mit neuen Tatsachen und Beweismitteln im Sinne von Artikel 114(2) 1973 bzw. mit weiterem Vorbringen, das der 9-Monats-Frist nach Artikel 99(1) EPÜ 1973 unterliegen würde, da sich die Druckschrift E4a - wie in Absatz ii) oben erwähnt - bereits in dem Einspruchsverfahren befand und ihr Inhalt mit dem der Druckschrift E4 identisch ist.

Schließlich ist noch anzumerken, dass erst die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung, wonach die Druckschrift E4a nicht neuheitsschädlich sei (Punkt c) oben), die Beschwerdegegnerin dazu veranlasst hat, die neue Argumentationslinie bezüglich fehlender erfinderischer Tätigkeit auf der Basis der Druckschrift E4a vor Ablauf der nach Regel 71a EPÜ 1973 gesetzten Frist von einem Monat noch vorzubringen (Punkt d) oben) - und später sogar den Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit zurückzuziehen -, und dass dieses Vorgehen legitim (siehe z.B. T 131/01 (ABl. EPA 2003, 115), Nr. 3.2) und bei den gegebenen Umständen nicht zu beanstanden ist bzw. an sich - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - keinen Verfahrensmissbrauch darstellt.

iv) Nachdem die neue, auf der Druckschrift E4a basierende Argumentationslinie bezüglich fehlender erfinderischer Tätigkeit von der Beschwerdegegnerin etwa sieben Wochen vor der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurde und diese der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht wurde, hat die Beschwerdeführerin ausreichende Zeit und Gelegenheit gehabt, zu dieser neuen Argumentationslinie sowohl schriftlich als auch mündlich Stellung zu nehmen (Artikel 113(1) EPÜ 1973). Hierzu ist festzustellen, dass die Druckschrift E4a relativ kurz ist (5 Seiten Beschreibung, 3 Seiten Ansprüche und 5 Abbildungen) und dass die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 03.01.2007 (Punkt b) oben) bereits ausführlich Stellung zu dem Inhalt der Druckschrift E4a genommen hatte und sich damit mit deren Inhalt ausführlich auseinandergesetzt hat, sodass kein ungebührlicher Aufwand für die Beschwerdeführerin darin bestand, sich mit der neuen, auf der Druckschrift E4a basierenden Argumentationslinie betreffend die Frage der erfinderischen Tätigkeit auseinanderzusetzen. Insbesondere stand der Beschwerdegegnerin noch genügend Zeit zur Verfügung, vor dem in der Ladung gemäß Regel 71a EPÜ 1973 festgelegten Zeitpunkt eine schriftliche Stellungnahme einzureichen - eine Möglichkeit, die sie mit ihrem Schreiben vom 06.03.2008 auch tatsächlich wahrnahm (siehe Punkt e) oben). Das hätte sie auch nach diesem Zeitpunkt noch tun können, da die Berück sichtigung einer solchen schriftlichen Stellungnahme zwar im pflichtgemäßen Ermessen der Einspruchsabteilung gelegen hätte, jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen gewesen wäre, weil Regel 71(a) EPÜ 1973 solchem Vorbringen nicht entgegengestanden hätte, insbesondere dann nicht, wenn es lediglich eine Gegenargumentation zu der neu vorgebrachten Argumentationslinie der Beschwerde gegnerin dargestellt hätte.

Der Beschwerdegegnerin stand auf jeden Fall ausreichende Zeit zur Verfügung, Gegenargumente vorzubereiten, um diese später mündlich in der mündlichen Verhandlung vorzutragen - eine Möglichkeit, die sie in der Tat auch wahrnahm (Niederschrift über die mündliche Verhandlung, Punkt 4.5 und 4.7). Die Kammer weist auch in diesem Zusammenhang darauf hin, dass - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - kein genereller Anspruch darauf besteht, das Recht auf rechtliches Gehör unter Artikel 113(1) EPÜ 1973 ausschließlich schriftsätzlich wahrnehmen zu können, insbesondere dann nicht, wenn - wie in dem vorliegenden Fall - eine mündliche Verhandlung nach Artikel 116 EPÜ 1973 bevorsteht, in der es den Parteien frei steht, nicht nur bereits schriftlich vorgebrachte Argumente zu wiederholen und weiter zu vertiefen, sondern auch neue Gegenargumente mündlich vorzubringen, die im Gegensatz zu verspätet vorgebrachten Tatsachen und Beweismitteln nicht unter Berufung auf Artikel 114(2) EPÜ 1973 zurückgewiesen werden können (siehe z.B. T 131/01 (supra), Nr. 4.2).

v) Die Zurückweisung des Antrags der Beschwerde führerin auf Vertagung der mündlichen Verhandlung wurde von der Einspruchsabteilung unter Berücksichtigung der Verfahrensökonomie (Entscheidungsgründe, Seite 4, zweiter Absatz) damit begründet, dass die Beschwerde führerin ausreichende Zeit und Gelegenheit gehabt hatte, sich mit der Druckschrift E4a und der Argumentations linie der Beschwerdegegnerin zu befassen (Entscheidungs gründe, Nr. 3). Auch hier kann die Kammer keine fehlerhafte Ermessensentscheidung seitens der Einspruchsabteilung feststellen.

vi) Schließlich wird darauf hingewiesen, dass während der mündlichen Verhandlung der Beschwerdeführerin ausreichend Gelegenheit gegeben wurde, nicht nur zu allen strittigen Fragen Stellung zu nehmen, sondern auch neue geänderte Ansprüche einzureichen, und dass insbesondere die Möglichkeit, die Ansprüche zu ändern, von der Beschwerdeführerin erst während der mündlichen Verhandlung wahrgenommen wurde (Niederschrift, Nr. 5.1 und Entscheidung, Punkt VIII, fünfter Absatz).

Die Kammer kann daher keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die Einspruchsabteilung von dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Verfahrensbeteiligten abgewichen wäre bzw. ihr Ermessen fehlerhaft oder unsachgemäß ausgeübt hätte, als sie beschloss, die Druckschrift E4a und die auf dieser Druckschrift basierende Argumentations linie der Beschwerdegegnerin hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen bzw. in das Verfahren zuzulassen, die mündliche Verhandlung nicht zu vertagen, am Ende der mündlichen Verhandlung eine Entscheidung über das Einspruchsbegehren zu treffen, und die Kosten "wie üblich zu verteilen".

Die von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen (T 669/90, T 201/92, T 633/97 und T 718/98) sind nach Auffassung der Kammer nicht einschlägig, weil sie Sachverhalte betreffen, die vom vorliegenden Fall deutlich abweichen.

Aus den obigen Ausführungen folgt, dass entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin der Einspruchsabteilung kein Verfahrensfehler angelastet werden kann, insbesondere kein wesentlicher Verfahrensfehler, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 67 EPÜ 1973 oder Regel 103(1) (a) EPÜ bzw. die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz gemäß Artikel 11 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (ABl. EPA 2007, 536) rechtfertigen würde. Dies wurde übrigens von der Beschwerdeführerin auch nicht beantragt."

VII. Auf die Mitteilung der Kammer hin reichte die Beschwerdegegnerin folgendes Dokument ein:

B1' : Auszug aus de.wikipedia.org zum Stichwort "Abstandsmessung (optisch)"

und beantragte, das Dokument B2 als verspätet in das Verfahren nicht zuzulassen. Die Beschwerdeführerin ihrerseits reichte folgende Dokumente ein:

B3 : Auszug aus www.allsens.de/laser_techdata2.html, Allsens Messtechnik, Laser-Wegsensoren mit Distanz-Messbereich bis 3000m

B4 : "Lueger - Lexikon der Fahrzeugtechnik", Band 12, 1967; Seiten 205 und 206.

VIII. Am 28. Oktober 2010 wurde mündlich verhandelt.

Das folgende Dokument wurde von der Beschwerdegegnerin überreicht:

B5 : Auszug aus de.wikipedia.org zum Stichwort "Autofelge".

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in vollem Umfang. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

IX. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Mit der kurzfristigen Zulassung der Entgegenhaltung E4a in das Verfahren und der Ablehnung einer Vertagung der mündlichen Verhandlung hat die Einspruchsabteilung den Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien verletzt, da der Patentinhaberin keine Gelegenheit gegeben wurde, sich auf das neu zugelassene Dokument und der damit erstmals vorgebrachten Argumentation zur Frage der erfinderischen Tätigkeit ausführlich schriftsätzlich zu äußern (Artikel 113(1) EPÜ 1973 und Entscheidungen T 669/90, T 201/92, T 633/97 und T 718/98). Insbesondere wurde von der Einspruchsabteilung selbst erkannt, dass das Dokument E4a und der auf dieses Dokument gestützte Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit verspätet vorgebracht wurden. Zwar hatte die Patent inhaberin zu dem Dokument E4a eine kurze Stellungnahme abgegeben, diese konnte aber, wegen der verbleibenden Frist von lediglich vier Tagen zur schriftsätzlichen Äußerungen, nicht in dem Umfang ausgearbeitet werden, wie es angesichts der scheinbaren Relevanz dieses Dokuments erforderlich gewesen wäre. Es kann nicht im Sinne der Verfahrensökonomie liegen, eine Verschiebung einer mündlichen Verhandlung abzulehnen, wenn dadurch die Gefahr in Kauf genommen wird, Verfahrensfehler in Form eines Verstoßes gegen einen prinzipiellen Verfahrensgrundsatz zu begehen, die das Ergebnis der Verhandlung hinfällig werden lassen und eine neue Verhandlung erfordern. Darüber hinaus ist bezüglich der Entgegenhaltung E4a anzumerken, dass es sich um eine Patentanmeldung der Einsprechenden selbst handelt; es ist daher unverständlich, dass dieses Dokument und eine hierauf gestützte Diskussion der Erfindungshöhe erst so spät in das Verfahren eingebracht worden sind.

In der Entgegenhaltung E4a wird die Innenkontur der Radfelge abgetastet und ermittelt. Für die Bestimmung der Innenkontur sind verschiedene Ausführungsformen in den Figuren gezeigt, wobei die Figur 3 einen optischen Entfernungsmesser zur Ermittlung der Innenkontur der Felge darstellen soll. Diese Ausführungsform beinhaltet einen Entfernungsmesser 6, dessen Aufbau und Wirkungs weise in der Entgegenhaltung E4 nicht beschrieben sind. In der Figur 3 ist lediglich eine gestrichelte, mit einer Bezugsziffer 7 versehene Verbindungslinie zwischen dem Entfernungsmesser 6 und einer Stelle der Felge gezeigt, und in der Beschreibung ist diese Linie nicht erläutert. Da ein reflektierter Lichtstrahl nicht dargestellt ist, würde der Fachmann dieser Darstellung einen Entfernungsmesser mit Laufzeitmessung entnehmen, so dass emittierter und reflektierter Lichtstrahl deckungsgleich übereinander liegen und sich die Entfernung des angepeilten Punktes aus einer Pulslaufzeit- bzw. Phasenvergleichsmessung ermitteln lässt (Dokumente B1, B1' und B3). Außerdem wird ein Fachmann durch die Darstellung in der Figur 3 von einer Triangulation weg geführt. Aus der Entgegenhaltung E4a kann daher das beanspruchte Merkmal, wonach ein von einer Lichtquelle emittierter Lichtstrahl zu einem positionsempfindlichen Sensor reflektiert wird und aus deren jeweiliger Richtung der Abstand der angetasteten Stelle zu einem Bezugsort bestimmt wird, nicht entnommen werden. Dies gilt auch für das beanspruchte Merkmal, wonach der emittierte Strahl und der Empfänger um eine gemeinsame Achse in einer Messebene synchron geschwenkt werden.

In der Entgegenhaltung E4a ist nur der Teil der Felge von Interesse, an welchem nach der Lehre der Druckschrift Unwuchtausgleichsgewichte anzubringen sind, d.h. der Innenseite der Felge, nicht jedoch - wie beansprucht - der radiale Radscheibenteil. Die Messanordnung in der Figur 1 und 2 ist gar nicht in der Lage, irgendwelche Teile der Radscheibe auch abzutasten. Beim Beispiel der Figur 4 handelt es sich nicht um eine Entfernungsmessung, sondern um die Erfassung eines Bildes der Innenkontur der Felge mittels einer Kamera, und die Bildaufnahme ist so gewählt, dass nur marginale Teile des Scheibenrades und des Reifens auch erfasst werden; hierdurch wird gewährleitstet, dass die Innenkontur der Felge vollständig erfasst wird. Die Felge eines Rades umfasst keineswegs auch die Radscheibe oder Radschüssel (Dokumente B2 und B4), und mit "Felge" wird in der Druckschrift E4a nur der Teil des Rades bezeichnet, der mit dem Reifen in Kontakt bzw. diesem zugewandt ist. Die Problematik der Ästhetik wird in der Druckschrift angesprochen (Seite 2, letzter Satz), der Fachmann erhält jedoch keinen Hinweis darauf, welchem Zweck ein erweiterter Abtastbereich dienen könnte.

Die Druckschrift E1 befasst sich mit der Platzierung der Ausgleichsgewichte an der Radfelge unter Zuhilfenahme einer optischen Abstandsmessung. Hieraus kann der Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung nicht ableiten, dass dieses Verfahren auch zur Erfassung komplexer Konturenverläufe, wie schrägen Kanten, Verrundungen und dergleichen am Kraftfahrzeugrad ausgenützt werden kann. Die Druckschrift befasst sich mit der Problematik der Positionierung der Ausgleichsgewichte entlang der Axialrichtung relativ zur Drehachse des Rades (Seite 2, Zeile 10 et seq.), und der Fachmann erhält keinen Hinweis, dass die Abtasteinrichtung ausdrücklich für eine Erfassung der gesamten Innenkontur eines Fahrzeugrades geeignet ist. Die Druckschrift erwähnt auch die Problematik der Ästhetik (Seite 14, zweiter Absatz), von einer Abtastung des gesamten Schwenkbereich ist jedoch an keiner Stelle der Entgegenhaltung die Rede. Außerdem erfasst der Optosensor einen Bereich des Lichtstrahls, der durch die Punkte X und Y begrenzt wird (Figur 21), und gibt, wenn er den auf der Oberfläche der Felge erzeugten Lichtpunkt erfasst hat, ein Signal aus, das der Entfernung dieses Punktes vom Punkt X entspricht (Seite 29, Zeilen 4 bis 9); daraus entnimmt der Fachmann, dass hier eine veränderliche Teilstrecke bestimmt wird, nicht jedoch, dass mit dem Optosensor eine Triangulations-Abstandsmessung durchgeführt wird. Der Fachmann hat somit beim Betrachten der Lehre der Entgegenhaltung E4a keine Veranlassung, die Entgegenhaltung E1 heranzuziehen.

Die Dokumente E5 und E6 betreffen nur Abtastungs vorrichtungen, die mit einem mechanischen Abtastorgan bzw. Tasthebel ausgestattet sind.

X. Die Beschwerdegegnerin stützte ihren Antrag auf folgende Argumente:

Die Druckschrift E4a bildet einen prima facie relevanten Stand der Technik, und mit der Einführung der Druckschrift in das Einspruchsverfahren war kein neuer Einspruchsgrund eingeführt worden. Die Druckschrift ist im Streitpatent als wesentlicher Stand der Technik angegeben und inhaltsgleich mit der Druckschrift E4; ihr Inhalt war daher der Beschwerdeführerin bereits im Detail bekannt. Der Patentinhaberin stand genügend Zeit zur Verfügung, eine Gegenargumentation zu der neuen, auf der Druckschrift E4a basierenden Argumentationslinie hinsichtlich mangelnder erfinderischer Tätigkeit vorzubereiten und entsprechend vorzutragen.

Eine Prima-facie-Relevanz des Dokuments B2 ist nicht erkennbar, und das Dokument trägt kein Veröffentlichungs datum. Das Dokument ist daher als verspätet vorgebracht nicht zu berücksichtigen.

Die Druckschrift E4a bildet den nächstliegenden Stand der Technik. Wie dem Fachmann wohlbekannt ist - und somit implizit mitoffenbart ist -, beinhaltet der Entfernungsmesser 6 gemäß dem Ausführungsbeispiel der Figur 3 (Seite 4, beide letzte Absätze, und Ansprüche 5, 10 und 11) notwendigerweise sowohl einen Empfänger als auch eine Lichtquelle. Die in Figur 3 eingezeichnete gestrichelte Linie 7 steht ganz offensichtlich für die Richtung und die Länge der zu messenden Entfernung zwischen dem optischen Entfernungsmesser und dem angepeilten Punkt auf der Innenkontur der Radfelge; in der Figur sind keine zusätzlichen Mittel dargestellt, so dass sowohl die Lichtquelle als auch der Empfänger entlang der Linie 7 arbeiten. Die Entfernung zwischen der bekannten Bezugsposition des Entfernungsmessers und dem jeweils angepeilten Punkt auf der Innenkontur der Felge wird aus dem reflektierten Strahl ermittelt. Der Empfänger des Entfernungsmessers ist dabei positions empfindlich ausgebildet. Dabei wird eine Radstelle mittels eines von der Lichtquelle des Entfernungsmessers emittierten Lichtstrahls angetastet, der Lichtstrahl zu dem positionsempfindlichen Empfänger reflektiert und der Abstand der angetasteten Stelle zu einem Bezugsort aus dem emittierten und dem reflektierten Strahl gemessen. Dass der emittierte Strahl und der Empfänger für aufeinander folgende Messschritte mittels des Schwenkantriebs 9 um eine gemeinsame Achse synchron beschwenkt werden, ergibt sich aus der Angabe, dass angepeilte Punkte vermessen werden (Anspruch 5), aus der schwenkbaren Lagerung des Entfernungsmessers, und aus dem Pfeil in Figur 3, der die Schwenkbewegung des Entfernungsmessers visualisiert.

Aus den Größenverhältnissen der Figur 3 ergibt sich, dass für die erforderliche optische Abstandsmessung aufgrund der Messbereiche nur das Messprinzip der Triangulation in Frage kommen kann, und dass der Fachmann andere Messprinzipien - insbesondere die Laufzeitmessung aufgrund der nur geringen erreichbaren Auflösung (Dokument B1 und B1') - nicht in Betracht ziehen würde.

Wie sich aus der Figur 3 ergibt, schneidet die durch den geschwenkten Lichtstrahl aufgespannte Messebene die Felgenoberfläche in einem stumpfen oder, wenn sie auf den radialen Radscheibenteil auftrifft, rechten Winkel. Im Übrigen ist das beanspruchte Merkmal immer erfüllt und stellt daher keine technische Beschränkung dar.

In der Druckschrift E4a wird auch gelehrt, dass die Abmessungen bzw. Abstände der Radfelge punktförmig abgetastet und die Abtastwerte einem Rechner zugeführt werden, der aus diesen Abtastwerten eine Kontur des Rades ermittelt (Anspruch 1). Dass hierbei die Kontur der zur Radachse hin gerichteten Innenseite der Radfelge als auch zumindest teilweise die Kontur des radialen Radscheibenteils ermittelt werden, ergibt sich aus der Offenbarung der Druckschrift, wonach "dem Rechner durch die Abtastwerte die Kontur des Rades stetig in allen Einzelheiten bekannt ist" (Seite 2, dritter Absatz, Zeilen 1 bis 3) und "der Rechner die gesamte Felgen kontur des Rades" ermittelt (Seite 4, dritter Absatz, Zeilen 7 bis 9), siehe auch die drehbare Anordnung der Figur 3. Die Radfelge umfasst sowohl die zur Radachse hin gerichtete Innenseite der Radfelge als auch den radialen Radscheibenteil, und wenn die gesamte Kontur der Radfelge abgetastet wird, dann umfasst dies das Abtasten beider Teile; in der Druckschrift E4a werden Rad und Felge gleichgestellt - was dem üblichen Sprachgebrauch entspricht, siehe Dokument B5 - und die Radialteile nicht ausgeschlossen. Außer Figur 2 zeigen alle Figuren, dass Teile der Radialteile abzutasten sind, insbesondere zeigt Figur 3 einen Schwenkbereich, der es ermöglicht, dass der Lichtstrahl die Mitte des Radteils erreicht. Außerdem besagt der Patentanspruch 1 nicht, dass das ganze Radialteil abgetastet wird, und Spalte 5, Zeilen 30 bis 33 der Patentschrift deutet darauf hin, dass nur ein Teil abgetastet wird. Außerdem war bereits bekannt, Ausgleichsgewichte auch an Stegen bzw. an Speichen des Rades anzuordnen, ohne dass sie von außen gesehen werden könnten.

Als Unterscheidungsmerkmale verbleiben die Abstands messung aus den Richtungen des emittierten und des reflektierten Strahls und die Anordnung der Messebene unterhalb der waagerecht angeordneten Radachse, die jeweils eigene technischen Aufgaben lösen, nämlich ein bestimmtes optisches Abstandsmessverfahren auszusuchen und eine alternative Anordnung der Messebene zu finden.

Die Druckschrift E1 betrifft das gleiche technische Gebiet, nämlich das Auswuchten mit optischen Methoden, so dass der Fachmann diese Druckschrift ohne Weiteres mit der Druckschrift E4a betrachten wird. Eine Kombination des Ausführungsbeispiels der Figur 3 der Druckschrift E4a mit dem Ausführungsbeispiel der Auswuchtmaschine mit der berührungslosen Abtast einrichtung der Figuren 18 bis 22 der Druckschrift E1 führt den Fachmann auf naheliegende Weise und ohne Weiteres zum Gegenstand des Anspruchs 1. Ob die Vorrichtung gemäß der Druckschrift E1 tatsächlich die Radkontur des Rades ermittelt oder nur die Position bzw. Entfernung eines bestimmten Punktes der Innenseite der Radfelge, spielt keine Rolle, da der Fachmann danach suchen wird, ob in der Druckschrift E1 ein Entfernungs messer gezeigt ist, der ein optisches Abstandsmess verfahren anwendet, das für den Einsatzzweck der optischen Abtastung eines Fahrzeugsrades gemäß der Druckschrift E4a geeignet ist. In der Druckschrift E1 wird die Abstandsmessung aus den Richtungen des emittierten und reflektierten Strahls (Figur 21 und Seite 29, Zeilen 6 bis 20) mittels eines positions empfindlichen Empfängers (Optosensor 9, siehe Seite 26, erster Absatz, Seite 27, dritter Absatz bis Seite 28, zweiter Absatz, und Figuren 20 und 21) ermittelt, und die Druckschrift erwähnt explizit die Messmethode der Triangulation (Seite 8, letzter Absatz). Daraus erhält der Fachmann den Hinweis, dass die dort gezeigte Abtasteinrichtung ausdrücklich für eine Felgenkontur betrachtung geeignet ist. Dabei wird der Fachmann der Druckschrift E1 die optische Entfernungsmesseinrichtung mit der Laserlichtquelle 70 und den Optosensor 91 entnehmen, die ja, wie in Figur 22 ersichtlich, für die gleichen Messstreckenlängen geeignet sind und auch das Messverfahren der Triangulation verwirklichen. Dass in dem Ausführungsbeispiel der Druckschrift E1 der Benutzer die Tragplattform 92 durch das Betätigen eines Knopfes manuell so bewegt, dass der Laserlichtpunkt auf die jeweilige Auswuchtebene gerichtet ist, ändert nichts daran, dass die Tragplattform über einen Antrieb verfügt, der über eine Kupplung mit der Tragplattform verbunden werden kann, und dass der Antrieb die Tragwelle 73 tatsächlich so antrieb, dass die Laserlichtquelle so geschwenkt wird, dass ihr Lichtstrahl auf den unteren vorderen Quadranten der Radnabe ausgerichtet wird (Seite 24, Zeilen 7 bis 14, Seite 26, Zeilen 20 bis 27, und Anspruch 41). Außerdem ist der horizontale abgetastete Bogen B gemäß Figur 5 ausdrücklich so bemessen, dass die zur Radachse hin gerichtete Innenseite der Felge als auch der radiale Radscheibenteil darin liegen. Die Druckschrift E1 erwähnt im Übrigen die Speichen und die Anordnung der Ausgleichsgewichte außerhalb des Sichtfeldes (Seite 14, zweiter Absatz). Die Anordnung der Messebene unterhalb der waagerecht angeordneten Radachse ist auch ohne Weiteres der Druckschrift E1 zu entnehmen (Figuren 18 und 20).

Anspruch 1 beruht auch gegenüber einer Zusammenschau der Druckschrift E1 als nächstliegender Stand der Technik und der Druckschrift E4a nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulässigkeit der Dokumente B1, B1' und B2 bis B5

Die Dokumente B1, B1' und B2 bis B5 wurden von der Beschwerdeführerin (B1 bis B4) und von der Beschwerde gegnerin (B1' und B5) während des Beschwerdeverfahrens eingereicht (Abschnitt IV, VII und VIII oben), und die Beschwerdegegnerin beantragte, das Dokument B2 als verspätet nicht zuzulassen.

Die Dokumente wurden von den Beteiligten als Beweis für das allgemeine Fachwissen - auf das mindestens teilweise bereits im Einspruchsverfahren Bezug genommen wurde - vorgelegt, um ihre jeweiligen Behauptungen hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs "Felge eines Rades" (Dokumente B2, B4 und B5) und der Einsatzmöglichkeiten von auf Laufzeitmessung basierenden optischen Entfernungs messverfahren (Dokumente B1, B1' und B3) zu stützen, so dass sich dadurch der faktische Rahmen gegenüber dem Verfahren vor der Einspruchsabteilung im Wesentlichen nicht ändert.

Unter diesen Umständen sieht die Kammer keinen Anlass, alle diese Dokumente - die übrigens für die von der Kammer zu treffende Entscheidung keine wesentliche Rolle spielen, siehe Nr. 3 unten - und insbesondere - wie von der Beschwerdegegnerin beantragt - das Dokument B2 in das Verfahren nicht zuzulassen.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Der Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit wurde von der Beschwerdegegnerin im Laufe des Einspruchsverfahrens zurückgenommen (siehe oben Abschnitt II und Abschnitt VI, Absatz f)), und hinsichtlich des Einspruchsgrundes der mangelnden erfinderischen Tätigkeit haben die Beteiligten während des Beschwerdeverfahrens auf die Offenbarung der Druckschriften E1, E4a, E5 und E6 Bezug genommen.

3.2 In Erwiderung auf die Beschwerdebegründung wurde von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht, dass sowohl die Druckschrift E4a als auch die Druckschrift E1 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen seien. Daraufhin hat die Kammer in ihrer die mündliche Verhandlung vorbereitenden Mitteilung die vorläufige Auffassung vertreten, dass der nächstkommende Stand der Technik - wie von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung festgestellt - durch die Druckschrift E4a dargestellt wird, nicht jedoch alternativ dazu durch die Druckschrift E1 (Abschnitt V oben).

In ihrer schriftlichen Erwiderung auf die Mitteilung der Kammer und während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin weder der vorläufigen Auffassung der Kammer in dieser Hinsicht widersprochen, noch ist sie auf die Begründung dafür eingegangen. Die Kammer kommt deshalb zu dem Schluss, dass die Druckschrift E4a als nächstliegender Stand der Technik anzusehen ist, und dass die Druckschrift E1 dagegen aus den in der Mitteilung bereits dargelegten Gründen (Abschnitt V oben) keinen geeigneten alternativen Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten Erfindung darstellt.

3.3 Die Druckschrift E4a offenbart ein Verfahren zum Auswuchten eines Rades mit Hilfe von Ausgleichsgewichten, wobei die Innenkontur der Radfelge abgetastet wird und die Abtastwerte einem Rechner zugeführt werden. Der Rechner ermittelt aus den Abtastwerten die Innenkontur der Felge und aus der ermittelten Innenkontur in Verbindung mit einer Messung der Radunwucht die optimalen Größen und Positionen für die Ausgleichs gewichte (Anspruch 1 und Zusammenfassung).

3.3.1 In der Druckschrift E4a werden mehrere Vorrichtungen zur Erfassung der Innenkontur der Felge offenbart (Figur 1 bis 4), wobei die in Verbindung mit der Figur 3 offenbarte Vorrichtung mit einem schwenkbar gelagerten Entfernungsmesser ausgestattet ist. In dieser Ausführungsform wird die Entfernung zwischen dem schwenkbaren Entfernungsmesser und dem jeweiligen auf der Felgenkontur angepeilten Punkt erfasst, und aus dieser Messung wird dann die Felgenkontur des Rades ermittelt (Seite 4, dritter Absatz). Die Figur 3 zeigt einen in einem Schwenkantrieb 9 gelagerten Entfernungs messer 6 und eine vom Entfernungsmesser zur Radfelge verlaufende gestrichelte Linie 7, und laut der Beschreibung der Druckschrift E4a kann der in der Figur 3 dargestellte Entfernungsmesser "ein mechanischer, optischer, mit Ultraschall arbeitender oder eletrischer [sic] (induktiv oder kapazitiv arbeitender) Entfernungsmesser sein" (Seite 4, letzter Absatz).

In ihrer Entscheidung schloss sich die Einspruchs abteilung der Auffassung der Beschwerdegegnerin an, wonach ein optischer Entfernungsmesser notwendigerweise eine Lichtquelle und einen Empfänger enthalten muss und wonach aus der Druckschrift E4a - insbesondere aus der Darstellung der Figur 3 - folgt, dass der Empfänger aus einem positionsempfindlichen Empfänger besteht und dass der von der Lichtquelle emittierte Lichtstrahl und der Empfänger um eine gemeinsame Achse synchron geschwenkt werden.

Figur 3 zeigt allerdings eine rein schematische Darstellung eines schwenkbaren Entfernungsmessers, der nicht nur einen optischen, sondern - wie oben ausgeführt - auch einen mechanischen, einen mit Ultraschall arbeitenden und einen induktiv bzw. kapazitiv arbeitenden elektrischen Entfernungsmesser darstellen soll. Bei einer solchen vereinfachten, undifferenzierten und rein schematischen Darstellung, die so verschiedene Ausführungsformen umfassen soll, kann die von dem Entfernungsmesser zur Radfelge verlaufende gestrichelte Linie 7 auch nur als eine rein schematische Darstellung der Entfernung bzw. der Verbindungslinie zwischen dem Entfernungsmesser und dem jeweiligen auf der Felgenkontur angepeilten Punkt betrachtet werden. Infolgedessen würde der Fachmann bei einer in der Druckschrift erwähnten optischen Implementierung des Entfernungsmessers die in der Figur 3 dargestellte gestrichelte Linie lediglich als die Erfassungsrichtung des optisch zu implementierenden Entfernungsmessers betrachten, nicht jedoch als einen Hinweis darauf, dass bei einer solchen Implementierung die gestrichelte Linie einen von dem Entfernungsmesser emittierten und von der Felge zurück zum Entfernungs messer reflektierten Lichtstrahl darstellen soll.

Daraus folgt, dass die Druckschrift E4a offen lässt, wie der drehbare optische Entfernungsmesser auszustatten und auch welches optische Abstandsmessprinzip einzusetzen ist, und dass der Fachmann den Teilen der Druckschrift E4a, die eine optische Implementierung des schwenkbar gelagerten Entfernungsmessers behandelt, nicht entnehmen kann, dass der Entfernungsmesser in einer derartigen Implementierung aus einem positionsempfindlichen Empfänger bestehen soll und dass neben einem optischen Empfänger auch eine zusammen mit ihm schwenkbare Lichtquelle oder dergleichen vorhanden sein soll. Insbesondere schließt die Offenbarung der Druckschrift E4a einen schwenkbaren optischen Empfänger, der mit einer stationären Lichtquelle oder ohne antastenden emittierten Lichtstrahl arbeitet (z.B. bei Verwendung eines schwenkbaren, auf Bildaufnahme basierenden Entfernungsmessers), nicht aus.

Daher ist die Kammer der Auffassung, dass - im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdegegnerin und der Einspruchsabteilung - der Druckschrift E4a nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist, dass die optische Implementierung des schwenkbaren Entfernungs messers einen mit einer antastenden Lichtquelle arbeitenden positionsempfindlichen Empfänger umfasst, geschweige denn, dass - wie beansprucht - der Empfänger zusammen mit einem von der Lichtquelle emittierten Lichtstrahl um eine gemeinsame Achse synchron geschwenkt wird. Alle diese Merkmale des Patentanspruchs 1 sind somit neu gegenüber der Druckschrift E4a.

Daraus folgt auch, dass die Merkmale des Patentanspruchs 1, wonach

- der Abstand der angetasteten Stelle zu einem Bezugsort aus den Richtungen des emittierten Strahls und des reflektierten Strahls gemessen wird und

- die Messebene, in der der emittierte Strahl und der Empfänger geschwenkt werden, unterhalb der waagerecht angeordneten Radachse liegt und die Felgenoberfläche des Rades in einem stumpfen oder etwa rechten Winkel schneidet,

ebenfalls als neu zu erachten sind (wenngleich das beanspruchte Merkmal hinsichtlich des stumpfen oder etwa rechten Winkels zwischen der Messebene und der Felgenoberfläche - wie von der Einspruchsabteilung bereits festgestellt - immer erfüllt ist und somit kein technisch einschränkendes Merkmal des beanspruchten Verfahrens darstellt).

3.3.2 Ebenso ist das beanspruchte Merkmal, wonach neben der Kontur der zur Radachse hin gerichteten Innenseite der Radfelge auch die Kontur des radialen Radscheibenteils ermittelt wird, entgegen der Auffassung der Einspruchs abteilung und der Beschwerdegegnerin der Entgegenhaltung E4a weder unmittelbar noch eindeutig zu entnehmen.

Zwar wird auf Seite 2, dritter Absatz der Druckschrift E4a generell erwähnt, dass dem Rechner durch die Abtastwerte "die Kontur des Rades stetig in allen Einzelheiten bekannt" ist, diese Angabe wird jedoch an keiner Stelle der Entgegenhaltung derart konkretisiert, dass auch die Kontur des radialen Radscheibenteils gemeint ist und dass sie auch ermittelt wird. Insbesondere ist in den anderen diesbezüglich relevanten Passagen der Beschreibung durchweg von der "Felgen kontur" und der "Kontur der Felge" bzw. "Innenkontur der Felge" die Rede, und in allen Ausführungsbeispielen wird die Kontur der zur Radachse hin gerichteten Innenseite der Radfelge vollständig erfasst und ermittelt, nicht jedoch der radiale Radscheibenteil. Dazu kommt, dass für den der Druckschrift E4a zugrunde liegenden Zweck (Punkt 3.3 oben) nur die Kontur des Felgenbereichs, an welchem Unwuchtausgleichsgewichte anzubringen sind, von Bedeutung ist und dass gemäß der Figur 5 die Ausgleichs gewichte an der zur Radachse hin gerichteten Innenseite der Radfelge anzubringen sind; im Übrigen ist in keiner Textstelle der Druckschrift auch nur andeutungs weise, geschweige denn deutlich und unmittelbar offenbart, dass die Ausgleichsgewichte auch an dem radialen Radscheibenteil angebracht werden könnten oder dass die Kontur des radialen Radscheibenteils bei dem Messverfahren bzw. bei dem Auswuchtverfahren auch einzubeziehen ist oder irgendeine Rolle spielen könnte.

Der Beschwerdegegnerin ist zuzustimmen, dass - anders als die in den Figuren 1 und 2 dargestellten Abtastanordnungen - die in der Figur 3 schematisch dargstellte Abtastanordnung aufgrund der geometrischen und mechanischen Verhältnisse dafür geeignet zu sein scheint, auch Teile der Radscheibe abzutasten, und dass nach der schematischen Darstellung der Figur 4 auch Teile der Radscheibe miterfasst werden. Allerdings kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob die Abtast anordnung der Figur 3 in der Lage wäre, eine mindestens teilweise Abtastung des radialen Radscheibenteils zu ermöglichen, sondern ob dem Inhalt der Druckschrift die Durchführung einer solchen Abtastung zusammen mit einer Ermittlung der Kontur des abgetasteten Teils des radialen Radscheibenteils unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist, was angesichts des tatsächlichen technischen Offenbarungsgehalts der Druckschrift E4a - wie oben ausgeführt - zu verneinen ist. Gleiches gilt für die in der Figur 4 dargestellte Anordnung, in der kein Abtast-Entfernungsmesser sondern eine stationäre Bildaufnahmeeinrichtung vorgesehen ist, mit der ein marginaler Teil des radialen Radscheibenteils (und auch des Reifens) miterfasst wird, und zwar nur derjenige, welcher der zur Radachse hin gerichteten Innenseite unmittelbar benachbart ist - möglicherweise, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, um die in der Druckschrift erläuterte vollständige Erfassung der zur Radachse hin gerichteten Innenseite der Felge zu gewährleisten (Seite 5, erster Absatz).

Daher kommt die Kammer zu dem Schluss, dass - unabhängig von der zwischen den Beteiligten strittigen Frage, ob der Fachbegriff "Felge eines Rades" den radialen Radscheibenteil des Rades mitumfasst oder nicht (siehe Dokumente B2, B4 und B5) - das beanspruchte Merkmal, wonach neben der Kontur der zur Radachse hin gerichteten Innenseite der Radfelge auch die Kontur des radialen Radscheibenteils ermittelt wird, als neu gegenüber der Entgegenhaltung E4a anzusehen ist.

3.4 Die im Punkt 3.3.1 oben identifizierten Unterscheidungs merkmale gegenüber der Druckschrift E4a stellen eine konkrete Implementierung des in der Druckschrift E4a vorgeschlagenen optischen Entfernungsmessers dar, und die im Punkt 3.3.2 oben identifizierten Unterscheidungs merkmale gegenüber der Druckschrift E4a ermöglichen die Einbeziehung von sich radial von einem mittleren Radscheibenteil erstreckenden Speichen oder Stegen in das Auswuchtverfahren, z.B. für die Hinterspeichen platzierung von Ausgleichsgewichten (Absatz [0009] der Patentschrift), ohne dabei - wie von der Beschwerde führerin geltend gemacht - die äußere, die Ästhetik ansprechende Gestaltung des Rades zu beeinträchtigen.

3.5 Aus dem vorliegenden Stand der Technik ergeben sich keine Anregungen, welche den Fachmann hätten veranlassen können, bei dem Verfahren zum Auswuchten eines Rades gemäß der Druckschrift E4a neben der Kontur der zur Radachse hin gerichteten Innenseite der Radfelge auch die Kontur des radialen Radscheibenteils zu ermitteln.

So werden die ästhetischen Anforderungen bei der Platzierung von Ausgleichgewichten bereits sowohl in der Druckschrift E4a (Seite 2, letzte Zeile) als auch in der Druckschrift E1 (Seite 14, Zeilen 6 bis 20) in Erwägung gezogen. Allerdings werden solche Anforderungen in der Druckschrift E4a nur bei der Platzierung der Ausgleichs gewichte in der zur Radachse hin gerichteten Innenseite der Radfelge im Betracht gezogen (von Seite 2 auf Seite 3 überlaufender Absatz, siehe auch Figur 5), ohne dabei - wie in Punkt 3.3.2 oben bereits ausgeführt - die Kontur des radialen Radscheibenteils zu berücksichtigen, und in der Druckschrift E1 werden die ästhetischen Anorderungen bei der Positionierung von Ausgleichs-gewichten zum Korrigieren der Unwucht eines Rades nur derart miteinbezogen, dass die Ausgleichgewichte an der zur Radachse hin gerichteten Innenseite der Radfelge hinter der Speichen 11 des Rades (Figur 17) angebracht werden, damit die Ausgleichgewichte im Wesentlichen außer Sicht sind, wenn das Rad am Fahrzeug montiert ist (Seite 14, Zeilen 6 bis 20). Daher enthält keine der Druckschriften E4a und E1 einen Hinweis darauf, die Kontur der Speichen des Rades bzw. des radialen Radscheibenteils zu erfassen und zu ermitteln.

Zudem wird die Auffassung der Beschwerdegegnerin, wonach es bei dem Auswuchten eines Rades bereits bekannt oder zumindest ohne Weiteres naheliegend war, die Kontur des radialen Radscheibenteils mitzuberücksichtigen, durch keine weitere Druckschrift belegt bzw. durch kein allgemeines Fachwissen nachgewiesen.

3.6 Auch die Implementierung des in der Druckschrift E4a vorgeschlagenen optischen Entfernungsmessers durch die in Punkt 3.3.1 oben identifizierten Unterscheidungs merkmale wird durch den vorhandenen Stand der Technik nicht nahegelegt.

So wird in der Druckschrift E1 eine Radauswuchtmaschine zum Auswuchten von Fahrzeugrädern offenbart, die u.a. eine Einrichtung mit einem optischen Sensor und einer Laserlichtquelle aufweist, wobei der Sensor und die Lichtquelle auf einer drehbaren Tragplattform aufgesetzt sind, so dass sie - wie bei dem beanspruchten Verfahren - um eine gemeinsame Achse synchron schwenkbar sind (Figur 20 bis 22 und Seite 25, Zeile 31 et seq.).

Allerdings wird diese Einrichtung lediglich zur Ermittlung der Position bzw. Entfernung eines bestimmten Punktes der Innenseite der Radfelge, insbesondere als Positionsangabeeinrichtung zur Erleichterung der Erfassung der Ausgleichsgewichts-Aufnahmestelle in den gewählten Ausgleichsebenen eingesetzt (Seite 8, Zeile 19 bis 26 und Seite 26, Zeile 2 bis 15). Insbesondere wird in dem Verfahren nach der Druckschrift E1 zuerst die Tragplattform durch die Bedienperson manuell mittels eines Griffs gedreht, um den von der Laserlichtquelle emittierten Laserstrahl auf die Ausgleichsgewichts-Aufnahmestellen in jeweilig vorgegebenen Ausgleichs ebenen zu richten (Seite 27, Zeile 9 bis 16); durch die manuelle Drehung der Tragplattform wird auch der Sensor geschwenkt, und zwar derart, dass die Strecke des auf der Felge gebildeten Laserlichtflecks zwischen einem Referenzpunkt X und der Position, in der der Lichtstrahl auf eine Ausgleichsgewichts-Aufnahmestelle gerichtet ist, durch den Sensor erfasst wird (Figur 21 und Seite 27, Zeile 17 bis 24). Das von dem Sensor abgegebene Signal entspricht dem Abstand des Lichtflecks von dem Referenzpunkt X, und aus diesem Signal und aus dem Winkel des Lichtstrahls berechnet ein Mikroprozessor dann die jeweiligen Radien der Ausgleichsgewichts-Aufnahmestellen in den vorgegebenen Ausgleichsebenen und die Lage der jeweiligen Ausgleichsebenen relativ zu einer Bezugsebene (Seite 27, Zeile 24 bis Seite 29, Zeile 35). Anschließend wird die Radauswuchtmaschine zur Berechnung der Größe der korrigierenden Ausgleichs gewichte und der Winkellage der Ausgleichsgewichts positionen in den jeweiligen Ausgleichsebenen betrieben (Seite 30, Zeile 1 bis 5), und die berechneten Ausgleichsgewichtspositionen werden dann von der Radauswuchtmaschine auf der jeweiligen Ausgleichsebene mit Hilfe der Laser lichtquelle angezeigt, damit die Bedienperson die entsprechenden Ausgleichsgewichte an den berechneten Ausgleichspositionen befestigen kann (Seite 26, Zeile 16 bis 29 und Seite 30, Zeile 6 bis 22).

Daraus folgt, dass die Strecke des auf der Innenseite der Felge gebildeten Laserlichtflecks ab dem Referenz punkt X durch den Sensor zwar "abgetastet" wird (Seite 26, Zeilen 11 bis 15), jedoch nur im Sinne, dass der Strecke gefolgt wird, um die Position, in der der Lichtstrahl auf eine Ausgleichsgewichts-Aufnahmestelle gerichtet ist, zu ermitteln (Seite 29, Zeile 6 bis 20), ohne dabei die Punkte zwischen dem Punkt X und der genannten Position schrittweise zu erfassen und anschließend zu ermitteln. Die Positionsangabe einrichtung der Druckschrift E1 stellt daher keine Abtasteinrichtung mit einem optischen Entfernungsmesser im Sinne der Druckschrift E4a dar, bei der alle auf der Felgenkontur angepeilten Punkte von dem Entfernungs messer schrittweise erfasst und ermittelt werden und die Felgenkontur - und damit die Position aller Zwischenpunkte - von dem Rechner aus den von dem Entfernungsmesser abgegebenen Messwerten ermittelt wird (E4a, Seite 4, dritter Absatz).

In der Druckschrift E1 ist auch kein Hinweis enthalten, eine Reihe von Punkten mit der schwenkbaren Vorrichtung schrittweise abzutasten und zu ermitteln, geschweige denn die Positionsangabeeinrichtung als Abtast-Entfernungsmesser zur Ermittlung irgendwelcher Konturverläufe einzusetzen.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass - obwohl die Druckschrift E1 das gleiche technische Gebiet wie die Druckschrift E4a betrifft - der Fachmann eine Implementierung des in der Druckschrift E4a vorgeschlagenen optischen Abtast-Entfernungsmessers zur Ermittlung der Felgenkontur durch die schwenkbare Vorrichtung der in der Druckschrift E1 offenbarten Positionsangabeeinrichtung erst unter Herauslösung der schwenkbaren Vorrichtung aus ihrem technischen Kontext, d.h. ohne Berücksichtigung der funktionellen Merkmale der Vorrichtung und der Gesamtlehre der Entgegenhaltung E1, in Betracht ziehen könnte, so dass der Fachmann beim Betrachten der technischen Lehre gemäß den Druckschriften E4a und E1 - von der Ähnlichkeit der strukturellen Merkmale der schwenkbaren Vorrichtung der Druckschrift E1 mit der Abtastvorrichtung gemäß des Streitpatents abgesehen - keinen Anlass hatte, eine derartige Implementierung vorzunehmen. Ohne unzulässige rückschauende Betrachtung in Kenntnis des Streitpatentes ist es daher nach Auffassung der Kammer für den Fachmann nicht naheliegend, die Druckschrift E1 heranzuziehen und den in der Druckschrift E4a vorgeschlagenen optischen Abtast-Entfernungsmesser zur Ermittlung der Innenkontur der Radfelge mit den in Punkt 3.3.1 oben identifizierten Unterscheidungsmerkmalen auszustatten, geschweige denn, einen solchen Abtast-Entfernungsmesser zur Ermittlung der Kontur der zur Radachse hin gerichteten Innenseite der Radfelge zusammen mit der des radialen Radscheibenteils einzusetzen (siehe Punkt 3.5 oben).

3.7 Damit kann die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob der Fachmann der Entgegenhaltung E4a ein auf Triangulationsmessung oder eher ein auf Laufzeitmessung (Dokumente B1, B1' und B3) basierendes Messverfahren entnehmen würde, ebenso dahingestellt bleiben wie die strittige Frage, ob das in der Positionsangabe einrichtung der Druckschrift E1 angewandte Messverfahren auf Triangulationsmessung basiert. Daher braucht auch der Frage nicht nachgegangen zu werden, ob das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 als auf ein auf Triangulations messung basierendes Messverfahren beschränkt auszulegen ist.

3.8 Die Dokumente E5 (Figur 1 und Spalte 2, Zeile 53 bis 57) und E6 (Figur 1 und Spalte 1, Zeile 35 bis 52) beschreiben Auswuchtmaschinen für Kraftfahrzeugräder mit einem mechanisch ausziehbaren Abtastorgan bzw. einem Tasthebel zur Bestimmung von Positionen. Daher wird die optische Abtastung gemäß dem Patentanspruch 1 durch die Lehre der Druckschriften E5 und E6 auch nicht nahegelegt.

3.9 Nach Auffassung der Kammer ist daher nicht ohne Weiteres ersichtlich, wie der Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung und ohne erfinderische Tätigkeit zu den gesamten Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 gelangen könnte. Das Verfahren gemäß dem Patentanspruch 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ 1973.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 betreffen besondere Ausführungsarten des Verfahrens nach Anspruch 1; deren Gegenstand beruht daher ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973).

Die übrigen Patentansprüche (Ansprüche 9 bis 13) fallen nicht unter den Umfang, in welchem gegen das Patent Einspruch eingelegt worden ist (Abschnitt II oben).

4. Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass keiner der geltend gemachten Einspruchs gründe der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung entgegensteht (Artikel 101(2) EPÜ).

5. Geltend gemachte Verfahrensmängel

Mit der Beschwerdebegründung hatte die Beschwerde führerin geltend gemacht, dass die Einführung der Druckschrift E4a in das Einspruchs verfahren, die Berücksichtigung der Druckschrift in der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit und die Ablehnung einer Vertagung der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung zu einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Parteien geführt hat, da ihr entgegen Artikel 113(1) EPÜ 1973 keine Gelegenheit gegeben wurde, zu dem Inhalt der Druckschrift E4a schriftsätzlich ausführlich Stellung zu nehmen (Abschnitt IV und IX oben).

Mit der begründeten Mitteilung, die der Ladung zur mündlichen Verhandlung beilag, vertrat die Kammer die vorläufige Auffassung, dass entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin der Einspruchsabteilung kein Verfahrensfehler angelastet werden könne, insbesondere kein wesentlicher Verfahrensfehler, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr bzw. die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz rechtfertigen würde (Abschnitt VI oben).

In ihrer schriftlichen Erwiderung auf diese Mitteilung und in der mündlichen Verhandlung erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie der Auffassung der Kammer hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Verfahrens beteiligten nicht zustimmen könne, ohne dass sie dabei jedoch Gegenargumente oder neue Argumente vorgebracht hätte.

Unter diesen Umständen sieht die Kammer keinen Anlass, von ihrer vorläufigen Meinung in dieser Hinsicht abzuweichen. Die Kammer kommt deshalb zum Schluss, dass aufgrund der in der Mitteilung bereits ausführlich dargelegten Überlegungen (Abschnitt VI oben) der Einspruchsabteilung kein Verfahrensfehler angelastet werden kann, insbesondere kein wesentlicher Verfahrens fehler, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 67 EPÜ 1973 oder Regel 103(1) (a) EPÜ bzw. die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz gemäß Artikel 11 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (ABl. EPA 2007, 536) rechtfertigen würde. Weder die Rückzahlung noch die Zurückverweisung wurden übrigens während des Beschwerdeverfahrens von der Beschwerdeführerin beantragt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.

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