European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2011:T120008.20110621 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 21 Juni 2011 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1200/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98929390.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | A01N 33/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Aldehydfreie Desinfektionsmittel für Flächen und Instrumente | ||||||||
Name des Anmelders: | Bode Chemie GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Ecolab GmbH & Co. oHG | ||||||||
Kammer: | 3.3.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Hauptantrag und Hilfsanträge 1 und 2: Neuheit (nein) Hilfsantrag 3: Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja): nicht naheliegende Alternative Zurückverweisung an die erste Instanz zur Prüfung auf erfinderische Tätigkeit (nein): Stellungnahme der Parteien möglich, zu erwarten und sinnvoll, um eine endgültige Entscheidung vor Ablauf des Patents zu gewährleisten |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Patentinhaberin legte Beschwerde ein gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent Nr. 0 986 300 zu widerrufen.
II. Der Anspruch 1 des Patent in der erteilten Fassung lautet wie folgt:
"Aldehydfreie Desinfektionsmittel für Flächen und Instrumente, gekennzeichnet durch einen Gehalt an mindestens einem aliphatischen sekundären oder tertiären Amin der allgemeinen Formel 1 oder 11
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
und/oder dessen/deren Salzen, mindestens einem aliphatischen Dialkohol und Pyrrolidoncarbonsäure.
III. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem die folgenden Dokumente genannt:
(D1) DE-A-43 21 566
(D2) EP-A-0 156 275
(D3) Hygiene + Medizin, Band 17 (1992), mhp-Verlag GmbH, Wiesbaden/DE, 529-534
(D5) DE-A-42 34 070
(D8) WO-A-97/28 829
(D12) "TESTBEISPIELE", eingereicht von der Patentinhaberin mit dem Schreiben mit Datum vom 8. April 2004, drei Seiten
(D13) Eingabe der Einsprechenden mit Datum vom 27. September 2005, drei Seiten
(D14) Versuchsbericht "Herstellung von Glucoprotamin / 135ºC (langsame Temperaturführung) vom 31. Oktober 2006, zwei Seiten,
sowie die
Interne Mitteilung von Beiersdorf vom 22. Februar 2007 "Analysenbericht", eine Seite,
jeweils eingereicht von der Patentinhaberin mit dem Schreiben mit Datum vom 21. Mai 2007
(D20) Rote Liste 1994, Edition Cantor, Aulendorf/DE,
Eintrag 32 096 "Incidin®Plus"
und
"ROTE LISTE® KORREKTUR" zum Eintrag
"Incidin®Plus", Rote-Liste-Sekretariat, Frankfurt/Main/DE, eine Seite mit handschriftlichen Änderungen, "Korrekturdatum: 15.02.95".
IV. Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang. Er stützte sich auf Einspruchsgründe gemäß Artikel 100(a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit). Im Schreiben des Einsprechenden vom 21. November 2003 wurde als weiterer Einspruchsgrund der gemäß Artikel 100(b) EPÜ angezogen; dieser wurde jedoch als verspätet angesehen und nicht in das Verfahren zugelassen (siehe Seite 4 der angefochtenen Entscheidung unter der Überschrift "AUSFÜHRBARKEIT").
V. Die Einspruchsabteilung sah es als unbestritten an, dass das gemäß dem Dokument (D8) eingesetzte Glucoprotamin bzw. das Umsetzungsprodukt U in den Formulierungen gemäß Dokument (D5) nach dem Verfahren gemäß Dokument (D2) hergestellt worden sind. Laut Dokument (D3), Abbildung 1, enthalte Glucoprotamin Pyrrolidoncarbonsäure. Folglich sei der Gegenstand der Ansprüche nicht neu.
VI. Im Beschwerdeverfahren wurden unter anderem die folgenden zusätzlichen Dokumente eingereicht:
(D22) Ernst Schaumann "Evaluierung von EP 0 156 275" vom 6. August 2008, 28 Seiten und 21 Seiten Anlagen SG1, SG2, SG3 und SG4, eingereicht von der Beschwerdeführerin als Anlage zur Beschwerdebegründung vom 18. August 2008
(D23) H.-J. Altenbach "Gutachterliche Stellungnahme zum Patent EP 0 156 275" vom 3. November 2008, sechs Seiten und 155 Seiten Anlagen, eingereicht von der Beschwerdegegnerin als Anlage zum Schreiben mit Datum vom 16. Dezember 2008
(D24) Ernst Schaumann "Stellungnahme zum Gutachten von Prof. Altenbach betreffend EP 0 156 275" vom 31. März 2009, 5 Seiten und 11 Seiten Anlagen, eingereicht von der Beschwerdeführerin als Anlage zum Schreiben mit Datum vom 28. Juli 2009
VII. Dem Beschwerdeverfahren lagen die folgenden Patentansprüche zugrunde:
- Ansprüche 1 bis 10 in der erteilten Fassung (Hauptantrag);
- Ansprüche 1 bis 10 des Hilfsantrags 1, eingereicht mit dem Schreiben vom 21. Mai 2007;
- Ansprüche 1 bis 9 des Hilfsantrags 2,
Ansprüche 1 bis 7 des Hilfsantrags 3,
Ansprüche 1 bis 8 des Hilfsantrags 4,
Ansprüche 1 bis 6 des Hilfsantrags 5, jeweils eingereicht mit dem Schreiben vom 18. Mai 2011; sowie
- Ansprüche 1 bis 7 des Hilfsantrags 7,
eingereicht mit dem Schreiben vom 31. Mai 2011.
Der Hilfsantrag 6 wurde zurückgezogen.
a) Der einzige unabhängige Anspruch des Hauptantrags ist oben unter Punkt II wiedergegeben.
b) Der einzige unabhängige Anspruch des Hilfsantrags 1 lautet wie folgt:
"1. Aldehydfreie Desinfektionsmittel für Flächen und Instrumente, gekennzeichnet durch einen Gehalt an mindestens einem aliphatischen sekundären oder tertiären Amin der allgemeinen Formel I oder II
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
und/oder dessen/deren Salzen, mindestens einem aliphatischen Dialkohol und 1 bis 15 Gew.-% 2-Pyrrolidoncarbonsäure."
c) Der einzige unabhängige Anspruch des Hilfsantrags 2 lautet wie folgt:
"1. Aldehydfreie Desinfektionsmittel für Flächen und Instrumente, mit einem Gehalt an mindestens einem aliphatischen sekundären oder tertiären Amin der allgemeinen Formel I oder II
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
und/oder dessen/deren Salzen und mindestens einem aliphatischen Dialkohol und 2-Pyrrolidoncarbonsäure, dadurch gekennzeichnet, dass das Amin zu 1 bis 40 Gew.-%, und die Pyrrolidoncarbonsäure zu 1 bis 15 Gew.-%, vorzugsweise 5 bis 10 Gew.-% enthalten ist und dass sie zwischen 5 und 50 Gew.-% Dialkohole enthalten.
d) Der einzige unabhängige Anspruch des Hilfsantrags 3 lautet wie folgt:
"1. Aldehydfreie Desinfektionsmittel für Flächen und Instrumente, mit einem Gehalt an mindestens einem aliphatischen sekundären oder tertiären Amin der allgemeinen Formel I oder II
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
und/oder dessen/deren Salzen und mindestens einem aliphatischen Dialkohol und 2-Pyrrolidoncarbonsäure, dadurch gekennzeichnet, dass das Amin zu 1 bis 40 Gew.-%, und die Pyrrolidoncarbonsäure zu 1 bis 15 Gew.-%, vorzugsweise 5 bis 10 Gew.-% enthalten ist und dass sie zwischen 5 und 50 Gew.-% Dialkohole enthalten wobei sie als Amine Dodecylbispropylen-triamin und Laurylpropylendiamin enthalten und sie die Amine in einem Verhältnis zwischen 95:5 und 5:95 enthalten."
VIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Die spektroskopischen Daten im Gutachten (D23) würden nicht eindeutig die Anwesenheit von Pyrrolidoncarbonsäure belegen.
Dokument (D22) belege, dass die Wahl der Reaktionsbedingungen entscheidend für die Zusammensetzung des erhaltenen Produkts sei. Gemäß den in (D22) vorgestellten Versuchen sei Pyrrolidoncarbonsäure im Produkt nicht eindeutig nachweisbar. Auch sei Dokument (D2) kein Hinweis zu entnehmen, dass dieser Stoff entstanden sei. Zudem würde der Fachmann bei der Analyse des Produktgemisches Pyrrolidoncarbonsäure nicht finden, es sei denn, er suche danach. Die von ihr im Dokument (D14) beschriebene Wiederholung von Beispiel 3 aus dem Dokument (D2) weiche von diesem Beispiel ab, indem die Säure erst nachträglich zugegeben und das Reaktionsgemisch relativ lange bei niedrigen Temperaturen gehalten wurde. Selbst wenn man die in der Analyse (D14) ermittelten Werte zugrunde legen würde, läge der Gehalt an Pyrrolidoncarbonsäure gemäß Dokument (D5) unter 1 Gewichtsprozent.
b) Dokument (D5) verweise zwar auf das Dokument (D2), jedoch nicht direkt auf dessen Beispiel 3. Wie Dokument (D22) zeige, sei die Analyse des Produkts gemäß diesem Beispiel 3 nicht ohne weiteren technischen Aufwand möglich, führten nur gewisse Reaktionsbedingungen zum gewünschten Produkt, und seien die in den Beispielen 1 bis 4 des Dokuments (D2) erhaltenen Produkte unterschiedlich, wie deren Schmelzpunkte belegen. Es sei nicht ersichtlich, ob das gemäß Dokument (D3) Pyrrolidoncarbonsäure enthaltende Markenprodukt Glucoprotamin® mit dem in Dokument (D8) genannten identisch sei.
c) Keines der Dokumente offenbare die Kombination der Amine gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 mit Pyrrolidoncarbonsäure.
d) Dokument (D1) sei der nächstliegende Stand der Technik. Die dort beschriebenen Desinfektionsmittel seien jedoch nicht so gut wirksam gegen Mykobakterien. Der Fachmann hätte keinen Anlass gehabt, den im Dokument (D1) offenbarten Mitteln die toxische Pyrrolidoncarbonsäure zuzusetzen. Diese wirke in Kombination mit aliphatischen Dialkoholen und den genannten Aminen synergetisch.
IX. Die Beschwerdegegnerin argumentierte wie folgt:
a) Die im Anspruch 1 der Hilfsanträge 2 und 3 genannten bevorzugten Bereiche würden die Ansprüche unklar machen. Diesen Einwand verfolgte sie in der mündlichen Verhandlung nicht weiter für den Hilfsantrag 3.
b) Das Dokument (D5) verweise bezüglich der Herstellung der Komposition U auf das Dokument (D2), von dessen in Frage kommenden Beispielen sie das Beispiel 3 exemplarisch herausgegriffen habe, da dort die Reaktionsbedingungen so gewählt seien, dass Pyrrolidoncarbonsäure im Reaktionsgemisch am wenigsten zu erwarten sei. Für den Fachmann sei es offensichtlich, dass die intramolekulare Amidbildung schneller ablaufe als die intermolekulare, wie das Gutachten (D23) belege. Dies bestätige die Analyse des Produkts des Beispiels 3 aus Dokument (D2) gemäß den Dokumenten (D13) und (D14). Da das Dokument (D5) die Kombination der 5 bis 40 Gewichtsprozent der Komposition U mit 5 bzw. 10 Gewichtsprozent an aliphatischen Dialkoholen offenbare, sei der Gegenstand der vorliegenden Ansprüche der Haupt- und der Hilfsanträge nicht neu.
c) Auch Dokument (D8) beziehe sich auf das Dokument (D2), weshalb Dokument (D8) ebenfalls neuheitsschädlich sei. Außerdem gehe aus dem Dokument (D20) hervor, dass das in (D8) genannte Glucoprotamin® ein Salz der Pyrrolidoncarbonsäure enthalte.
d) Dokument (D1) sei der nächstliegende Stand der Technik. Aufgabe sei es gewesen, aldehydfreie Desinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen, die eine optimale Wirksamkeit gegen Bakterien bieten, insbesondere gegen Mykobakterien. Bei der Lösung dieser Aufgabe hätte der Fachmann das Dokument (D3) herangezogen, das Glucoprotamin als neuen antimikrobiellen Wirkstoff vorstelle, der sich besonders gegen Mykobakterien eigne und eindeutig besser als quaternäre Ammoniumverbindungen wirke. Der Fachmann hätte daher die im Dokument (D1) verwendeten quaternären Ammoniumverbindungen durch Glucoprotamin ersetzt, und somit durch ein Mittel, das ein Salz der Pyrrolidoncarbonsäure enthält.
e) In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hielt sie ihre Einwände gemäß Artikel 123(2) EPÜ gegen die Hilfsanträge 2 und 3 nicht aufrecht und zog ihre Einwände aufgrund Artikel 100(b) EPÜ zurück.
X. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent aufrechtzuerhalten auf der Basis
- der erteilten Ansprüche (Hauptantrag),
- des Hilfsantrags 1, eingereicht mit dem Schreiben vom 21. Mai 2007,
- der mit dem Schreiben vom 18. Mai 2011
eingereichten Ansprüche der Hilfsanträge 2 bis 5
oder
- des mit dem Schreiben vom 31. Mai 2011 eingereichten Ansprüche des Hilfsantrags 7.
Ferner beantragte sie, dass die Kammer nach Abschluss der Diskussion der Neuheit auch über die erfinderische Tätigkeit entscheide.
Den Hilfsantrag 6 zog sie während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zurück.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Nach dem Abschluss der Diskussion über die Neuheit bezüglich des Hilfsantrags 3 beantragte sie ferner, die Angelegenheit an die Vorinstanz zur Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zurückzuverweisen.
XI. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig
2. Neuheit
2.1 Stand der Technik
2.1.1 Dokument (D5) beansprucht ein Desinfektionsmittel auf der Basis von Umsetzungsprodukten aus
(a) R1-NH-CH2-CH2-CH2-NH2 (I),
wobei R1 ein linearer C12-C14-Alkylrest ist, und
(b) Verbindungen der Formel
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
wobei R2 H oder ein C1-C4-Alkylrest ist,
"wobei das molare Verhältnis von a : b etwa 1 : 1 bis etwa 1 : 2 beträgt, (Komposition U) und/oder deren Salzen mit anorganischen oder organischen Säuren ... gemäß EP 156 275" (siehe Seite 2, Zeilen 3-19 und Anspruch 1).
"Die Komposition U wird in Mengen von etwa 5 bis 40 Gew.-% ... eingesetzt" (siehe Seite 2, Zeilen 39-40; siehe auch Anspruch 2).
In den konkreten Beispielen wurden jeweils 25 Gew.-% der Komposition U und 5 bis 10 Gew.-% Lösungsmittel eingesetzt, wobei als Lösungsmittel 5 bzw. 10 Gew.-% Butandiol, Propylenglykol bzw. Butylenglykol in einzelnen Beispielen eingesetzt wurde (siehe die Tabelle auf Seite 4).
"Herstellung und Verwendung der Komposition U sind in EP 156 275 beschrieben." (siehe Seite 2, Zeile 21).
2.1.2 Dokument (D5) enthält keine weiteren Hinweise zur Herstellung der Komposition U. Daher gehört die im Dokument "EP 156 275", d.h. im Dokument (D2), beschriebene Herstellung der Komposition U unmittelbar zur Offenbarung des Dokuments (D5). Dieses wurde auch von den Parteien nicht bestritten.
2.1.3 Dokument (D2) beansprucht
(1) die Umsetzung der Komponenten der Formel (I) und (II) wie in (D5) offenbart bei einem Molverhältnis 1:1 bis 1:2 und "unter Austritt von Alkohol und/oder Wasser im Verlauf von 0,5 bis 10 Stunden bei 60 bis 175ºC", wobei sich gegebenenfalls eine weitere Umsetzung
(2) mit Ethylenoxid oder Propylenoxid und/oder
(3) die Salzbildung der nach (1) oder (2) erhaltenen Produkte mit anorganischen oder organischen Säuren anschließt.
(siehe Anspruch 1).
Da Dokument (D5) zur Herstellung der Komposition U nur Schritt (1) vorsieht, schließt die Herstellung der Komposition die Schritte (2) und (3) aus und somit die Beispiele 5 bis 9 und 12 bis 16 des Dokuments (D2).
2.2 Alle vorliegenden Anspruchssätze enthalten jeweils nur einen unabhängigen Anspruch, nämlich Anspruch 1. Es genügt daher, bei der Prüfung der Neuheit nur den jeweiligen Anspruch 1 heranzuziehen.
2.3 Hauptantrag und Hilfsanträge 1 und 2
2.3.1 Im Hilfsantrag 1 wurde der Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Festlegung eines Konzentrationsbereichs für die 2-Pyrrolidoncarbonsäure, im Hilfsantrag 2 zusätzlich durch Konzentrationsbereiche für die Amine und die Dialkohole eingeschränkt (siehe oben unter den Punkten II und VII a) bis c)).
Wenn der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 nicht neu ist, trifft dies also auch auf den Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 und des Hauptantrags zu.
2.3.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 sieht vor, dass die Desinfektionsmittel
(i) 1 bis 40 Gew.-% der genannten Amine,
(ii) 1 bis 15 Gew.-% 2-Pyrrolidoncarbonsäure und
(iii) zwischen 5 und 50 Gew.-% Dialkohole enthalten.
Es ist daher zu entscheiden, ob die Desinfektionsmittel des Standes der Technik diese drei Bedingungen erfüllen.
2.3.3 Dokument (D5) offenbart in den Beispielen Desinfektionsmittel, die die oben genannte Bedingung (iii) erfüllen (siehe oben unter Punkt 2.1.1).
Strittig war, ob der Stand der Technik auch offenbart, dass die gemäß Dokument (D5) einzusetzende Menge der Komposition U 2-Pyrrolidoncarbonsäure und Amine der Formel I oder II gemäß dem Anspruch 1 in solchen Mengen enthält, dass auch die Bedingungen (i) und (ii) erfüllt sind.
2.3.4 Wie bereits oben unter Punkt 2.1.2 erwähnt, verweist das Dokument (D5) bezüglich der Herstellung der Komposition U auf das Dokument (D2).
Die einzigen quantitativen Daten, die der Kammer zur Zusammensetzung der Komposition U vorliegen, sind die Analysen der durch Nacharbeiten des Beispiels 3 des Dokuments (D2) gewonnenen Produkte. Dies sind die Analyse der Beschwerdegegnerin gemäß Dokument (D13) und die der Beschwerdeführerin gemäß Dokument (D14), die beide die Gegenwart von Pyrrolidoncarbonsäure im Produktgemisch feststellten.
Das Argument der Beschwerdeführerin, dass es gemäß den Dokumenten (D22) und (D23) unklar sei, ob überhaupt Pyrrolidoncarbonsäure im Produktgemisch vorhanden sei, erscheint im Hinblick auf diese Analysen als nicht stichhaltig (siehe oben unter Punkt VIII a)).
Dokument (D13) gibt eine Konzentration an Pyrrolidoncarbonsäure von 18,7 Gewichtsprozent und der Amine von 33,4 Gewichtsprozent an, während Dokument (D14) 3,8 Gewichtsprozent an Pyrrolidoncarbonsäure und 6,5 Gewichtsprozent an C12-C14-Alkylpropylendiamin angibt.
Es ist daher zu ermitteln, inwieweit diese Analysenergebnisse Rückschlüsse erlauben auf den Gehalt an Pyrrolidoncarbonsäure und der im Anspruch 1 genannten Amine in der gemäß Dokument (D5) eingesetzten Komposition U.
2.3.5 Was die Herstellung der Komposition U angeht, verweist Dokument (D5) ganz allgemein auf das Dokument (D2), also nicht auf ein bestimmtes Beispiel. Es stellt sich daher die Frage, ob aus der Nacharbeitung des Beispiels 3 des Dokuments (D2) gemäß den Versuchen (D13) bzw. (D14) auf die Zusammensetzung U im Rahmen der gesamten technischen Lehre des Dokuments (D2) geschlossen werden kann.
Diese technische Lehre ist im Anspruch 1 des Dokuments (D2) zusammengefasst. Dieser sieht vor, dass die Reaktion der Amine gemäß der Formel II des Streitpatents mit Glutaminsäure bzw. deren C1-C4-Alkylestern in einem Molverhältnis von 1 : 1 bis 1 : 2 "unter Austritt von Alkohol und/oder Wasser im Verlauf von 0,5 bis 10 Stunden bei 60 bis 175ºC durchgeführt wird".
Im Beispiel 3 werden solche Amine mit Glutaminsäure im Molverhältnis 1:1 "im Verlauf von 5 Stunden auf 175 ºC (Sumpf) erhitzt", wobei Wasser austritt. Somit ist dieses Beispiel repräsentativ für die Lehre des Dokuments (D2).
Auf welche Weise die Beschwerdegegnerin dieses Beispiel gemäß Dokument (D13) wiederholt hat, ist weder dem Dokument zu entnehmen, noch wurde es der Kammer auf Befragen während der mündlichen Verhandlung mitgeteilt. Daher ist der Beweiswert von Dokument (D13) von vornherein erheblich verringert. Dahingegen enthält Dokument (D14) ein detailliertes Versuchsprotokoll. Letzteres hält fest, dass die Glutaminsäure bei 135 ºC zugegeben, die Reaktionsmischung je eine Stunde bei 135 ºC bzw. bei 145 ºC belassen und anschließend drei Stunden lang bei 175 ºC gehalten wurde.
2.3.6 Die zwischen der Glutaminsäure und den Aminen der Formel II ablaufenden Reaktionen lassen sich im Einklang mit den Analysen (D13) und (D14) und den Gutachten der Parteien wie folgt verstehen:
In einem ersten Schritt reagiert die Glutaminsäure bzw. deren Alkylester unter Abspaltung von Wasser bzw. Alkanol zum entsprechenden Lactam, nämlich der 2-Pyrrolidon-5-carbonsäure (siehe (D13) und (D14)). Diese kann in einer Folgereaktion mit Amin zu einem Amid weiterreagieren (siehe (D24), Formelschema oben auf Seite 3; siehe (D23), Formelschema unten auf Seite 2).
Hohe Reaktionstemperaturen beschleunigen die Folgereaktion und vermindern, insbesondere bei langer Reaktionsdauer, den Anteil an 2-Pyrrolidon-5-carbonsäure und Amin im Reaktionsgemisch.
2.3.7 Die bei der Nacharbeitung des Beispiels 3 des Dokuments (D2) gemäß Dokument (D14) erreichte Reaktionstemperatur von 175 ºC ist gleich der Temperatur, die laut (D2) nicht überstiegen werden soll (siehe oben unter Punkt 2.1.3).
Diese Endtemperatur von 175 ºC ist identisch mit der der Beispiele 3 und 11 des Dokuments (D2) und liegt höher als die maximalen Reaktionstemperaturen der übrigen Beispiele dieses Dokuments, die die Herstellung der Komposition U betreffen (Beispiele 1 und 2: 133 ºC; Beispiel 4: 146 ºC; Beispiel 10: 170 ºC). Die Reaktionsdauer in den Beispielen 3 und 11 (5 Stunden) wird nur in den Beispielen 1 und 2 übertroffen (6 Stunden), wo jedoch bei wesentlich niedrigerer Temperatur gefahren wird.
Aufgrund der hohen Temperatur und der langen Reaktionsdauer ist also bei den Beispielen 3 und 11 mit einem weitgehenden Ablauf der Folgereaktion zu rechnen.
Die Folgereaktion wird auch beschleunigt durch eine Erhöhung des Molverhältnisses Amin zu Glutaminsäure(ester). Sie ist daher schneller im Beispiel 3 (Verhältnis 1 : 1) als im Beispiel 11 (Verhältnis 0,5 : 1).
Daher ist im Beispiel 3 die weitgehendste Beschleunigung der Folgereaktion zu erwarten und somit der geringste Anteil an 2-Pyrrolidon-5-carbonsäure und den Aminen im Produktgemisch (siehe das oben unter Punkt IX b) erwähnte Argument der Beschwerdegegenerin).
Folglich sind die von der Beschwerdeführerin im Dokument (D14) ermittelten Gehalte an Pyrrolidoncarbonsäure und Amin innerhalb der Offenbarung des Dokuments (D2) für die Komposition U als Mindestwerte anzusehen.
Die im Dokument (D5) eingesetzte Komposition U enthält daher mindestens 3,8 Gewichtsprozent der Pyrrolidoncarbonsäure und mindestens 6,5 Gewichtsprozent C12-C14-Alkylpropylendiamin.
2.3.8 Berechnet man aus diesen Mindestwerten die Gehalte von Pyrrolidoncarbonsäure und den Aminen der Formel II in den Beispielen des Dokuments (D5) so ergibt sich für die Pyrrolidoncarbonsäure 25 % von 3,8 Gewichtsprozent = 0,95 Gewichtsprozent. Die Beschwerdeführerin hat daraus geschlossen, dass das Dokument (D5) keine Desinfektionsmittel offenbart, die mindestens 1 Gewichtsprozent an Pyrrolidoncarbonsäure enthalten (siehe oben unter Punkt VIII a)).
Jedoch gehört "Zum Inhalt der Lehre einer Entgegenhaltung ... nicht nur das, was in den Ausführungsbeispielen detailliert angegeben ist, sondern jede für den Fachmann ausführbare Information aus dem Anspruchs- und Beschreibungsteil." (T 0012/81, ABl. EPA 1982, 296, Punkt 7 der Entscheidungsgründe).
Eine solche ausführbare Information ist auf Seite 2, Zeilen 39-40 des Dokuments zu finden, wo es heißt:
"Die Komposition U wird in Mengen von etwa 5 bis 40 Gew.-% ... eingesetzt." (siehe auch die entsprechende Information im Anspruch 2).
Daher offenbart das Dokument (D5) auch Desinfektionsmittel, welche 40 Gewichtsprozent an Komposition U enthalten. Für ein solches Mittel ergeben sich die folgenden Mindestgehalte:
Für die Pyrrolidoncarbonsäure:
40% von 3,8 Gewichtsprozent = 1,52 Gewichtsprozent;
für C12-C14-Alkylpropylendiamin:
40% von 6,5 Gewichtsprozent = 2,6 Gewichtsprozent.
Diese Werte liegen jeweils oberhalb der im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 für diese Komponenten als Untergrenzen angegebenen 1 Gewichtsprozent.
Dass die Obergrenzen von 15 Gewichtsprozent für die Pyrrolidoncarbonsäure bzw. 40 Gewichtsprozent für C12-C14-Alkylpropylendiamin nicht überschritten werden, wurde von den Parteien nicht bezweifelt. Nur der Vollständigkeit sei bemerkt,
- dass ein Überschreiten der Grenze von 40 Gewichtsprozent für das Amin nicht möglich ist. Im Dokument (D5) ist C12-C14-Alkylpropylendiamin nämlich nur als einer der beiden Ausgangsstoffe zur Herstellung der Komposition U offenbart. Die im Dokument (D5) offenbarten Desinfektionsmittel enthalten wiederum maximal 40 Gewichtsprozent der Komposition U, d.h. nie mehr als als 40 Gewichtsprozent an C12-C14-Alkylpropylendiamin; und
- dass ein Überschreiten der Grenze von 15 Gewichtsprozent für die Pyrrolidoncarbonsäure theoretisch erst ab einem Gehalt 15/40 Gewichtsprozent = 37,5 Gewichtsprozent in der Komposition U möglich wäre. Gemäß Beispiel 3 entsteht aus 73,6 g (0,5 Mol) L-Glutaminsäure durch Abspaltung von 9 g (0,5 Mol) Wasser maximal 64,6 g Pyrrolidon-carbonsäure. Selbst wenn die Folgereaktion der Pyrrolidoncarbonsäure mit den 125,9 g Amin zum Amid vollständig unterdrückt würde, wäre der Anteil an Pyrrolidoncarbonsäure im Reaktionsgemisch maximal 64,6 g/(64,6 g + 125,9 g) = 33,9 Gewichtsprozent, also unterhalb der o.g. 37,5 Gewichtsprozent.
2.3.9 Folglich offenbart das Dokument (D5) Desinfektionsmittel gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2. Aus den oben unter Punkt 2.3.1 dargelegten Gründen ist somit der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 und 2 nicht neu.
Die Kammer kann nur über einen Antrag als Ganzes entscheiden. Deshalb wies sie den Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 und 2 zurück.
2.4 Hilfsantrag 3
Anspruch 1 legt fest, dass die Desinfektionsmittel "als Amine Dodecylbispropylen-triamin und Laurylpropylendiamin enthalten".
Sowohl Dokument (D5) als auch Dokument (D8) sehen nur Diamine als Reaktionspartner für die Glutaminsäure bzw. deren Ester vor (siehe (D5), Formel (I) im Anspruch 1; siehe (D8), Formel (II) im Anspruch 1).
Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu. Gleiches gilt für die abhängigen Ansprüche 2 bis 7.
3. Klarheit / Hilfsantrag 3
Die Beschwerdegegnerin hielt den Anspruch 1 für unklar, da er einen als bevorzugt gekennzeichneten Bereich enthält.
Der entsprechende Nebensatz des Anspruchs lautet wie folgt:
"... und die Pyrrolidoncarbonsäure zu 1 bis 15 Gew.-%, vorzugsweise 5 bis 10 Gew.-% enthalten ist ...".
Mangelnde Klarheit bzw. mangelnde Deutlichkeit der Ansprüche ist kein Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 EPÜ. Im Einspruchsbeschwerdeverfahren werden deshalb nur insofern die Einwände mangelnder Klarheit der Ansprüche berücksichtigt, als dieser Mangel durch eine Änderung der Ansprüche im Einspruchs- bzw. Einspruchsbeschwerdeverfahren hervorgerufen wurde.
Im vorliegenden Fall entstammt das beanstandete Merkmal dem Anspruch 10 in der erteilten Fassung, der wie folgt lautet:
"10. Aldehydfreie Desinfektionsmittel gemäss Anspruch 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß sie zwischen 1 bis 15 Gew.-%, vorzugsweise 5 bis 10 Gew.-% 2-Pyrrolidoncarbonsäure enthalten."
Die Beschwerdegegnerin hat nicht geltend gemacht, dass allein durch die Aufnahme des Merkmals des erteilten Anspruchs 10 in den Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 eine Unklarheit hervorgerufen werde. Die Kammer ist auch der Meinung, dass dem nicht so ist.
Folglich wurde der angebliche Mangel an Klarheit nicht durch Änderungen im Einspruchs- bzw. Einspruchsbeschwerdeverfahren hervorgerufen. Er ist daher nicht von der Kammer zu prüfen.
4. Erfinderische Tätigkeit / Hilfsantrag 3
4.1 Nächstliegender Stand der Technik
In Übereinstimmung mit den Parteien sieht die Kammer das Dokument (D1) als den nächstliegenden Stand der Technik für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit an.
Dieses Dokument offenbart Desinfektionsmittelkonzentrate, enthaltend
(a) kationaktive Verbindungen
(b) Amine der Formeln I und/oder II
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
in denen R eine gerade oder verzweigte Alkyl- oder Alkylenkette bedeutet,
(c) mehrwertige aliphatische Alkohole, beispielsweise
Glycerin oder Diglykolether und
(d) Wasser (siehe Anspruch 1 und Seite 3, Zeilen 1-3).
Als Amin (b) ist N-(3-Aminopropyl)-N'-dodecyl-propandiamin-1,3 genannt, also ein Dodecylbispropylen-triamin (siehe Seite 3, Zeile 36, und Anspruch 6).
Das Dokument offenbart
weder Glutaminsäure oder deren Umsetzungsprodukte mit den genannten Aminen,
noch Laurylpropylendiamin als Amin der Formel II,
noch aliphatische Dialkohole als mehrwertige aliphatische Alkohole.
4.2 Aufgabe
Angesichts dieser Offenbarung kann es als eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung angesehen werden, weitere aldehydfreie Mittel zur Flächen- und Instrumentendesinfektion bereitzustellen (siehe Absatz [0001] des Streitpatents). Dass diese Aufgabe durch die Merkmale des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 gelöst wird, belegen die Beispiele des Streitpatents (siehe die Tabellen 1 und 2 auf der Seite 4) und das nachgereichte Beispiel (D12).
Ob zusätzlich auch eine ehrgeizigere Aufgabe gelöst wurde, ist für den Ausgang der vorliegenden Entscheidung ohne Belang und braucht daher nicht erörtert werden.
4.3 Lösung
Die Beschwerdegegnerin war der Ansicht, dass der Fachmann die im Dokument (D1) verwendeten quaternären Ammoniumverbindungen durch das im Dokument (D3) gepriesene Glucoprotamin® ersetzt hätte, und somit durch ein Mittel, das ein Salz der Pyrrolidoncarbonsäure enthält (siehe oben unter Punkt IX d)).
Hätte der Fachmann auf der Suche nach alternativen aldehydfreien Desinfektionsmitteln so gehandelt, wäre er jedoch nicht notwendigerweise zum Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 gelangt.
Dieser Anspruch erfordert einen aliphatischen Dialkohol als Komponente des Desinfektionsmittels. Dokument (D1) sieht zwar die Anwesenheit von "mehrwertigen wassermischbaren aliphatischen Alkoholen" vor (siehe dessen Anspruch 1). Es nennt als Beispiele dieser Alkohole nur Glycerin und Diglykolether. Glycerin ist ein Trialkohol, während Diglykolether üblicherweise Monoalkylether von Diglykol sind, und somit Monoalkohole. Dokument (D3) hingegen erwähnt keine organischen Lösungsmittel, geschweige denn Alkohole. Vielmehr betont dieses Dokument die ausgezeichnete Wasserlöslichkeit von Glucoprotamin (siehe Seite 530, linke Spalte, Tabelle 1 und der letzte Absatz unter der Überschrift "Chemisch-physikalische Eigenschaften").
Die Kombination der Offenbarung der Dokumente (D1) und (D3) legt folglich nicht die Verwendung von aliphatischen Dialkoholen als Lösungsmittel nahe.
Im Übrigen könnte auch diskutiert werden, ob der Fachmann, wenn er die kationaktive Verbindung gemäß Anspruch 1 des Dokuments (D1) (beispielsweise Benzalkoniumchlorid gemäß Anspruch 6) durch Glucoprotamin ersetzt hätte, nicht auf die Zugabe von Alkylaminen der Formel I und/oder II verzichtet hätte (beispielsweise auf N-(3-Aminopropyl)-N'-dodecyl-propandiamin-1,3 gemäß Anspruch 6). Wie aus dem Dokument (D3) hervorgeht, enthält nämlich Glucoprotamin N-C12/14-Alkylpropylendiamin in protonierter Form, das heißt ein Alkylamin gemäß Formel II des Anspruchs 1 des Dokuments (D1). Da Dokument (D1) die Menge der eingesetzten Alkylamine auf "1 bis 15 und vorzugsweise 2,5 bis 7,5 Gew.-%" begrenzt, steht zu vermuten, dass der Fachmann nicht ein weiteres Alkylamin verwendet hätte, wie das im Anspruch 6 und im Beispiel 1 des Dokuments (D1) erwähnte N-(3-Aminopropyl)-N'-dodecyl-propandiamin-1,3.
Daher ist auch zweifelhaft, ob der Fachmann das im Dokument (D1) beschriebene N-(3-Aminopropyl)-N'-dodecyl-propandiamin-1,3 (also ein Dodecylbispropylentriamin) in Kombination mit dem in dem Glucoprotamin enthaltenen Salz des N-C12-Alkylpropylendiamins (also mit Laurylpropylendiamin) eingesetzt hätte, und somit die im Anspruch 1 des Hilfsantrags festgelegte Kombination von Alkylaminen.
Aus den vorstehend genannten Gründen lag der Gegenstand des Anspruch 1 nicht nahe. Gleiches gilt für die abhängigen Ansprüche 2 bis 7. Daher beruht der Gegenstand der Ansprüche des Hilfsantrags 3 auf erfinderischer Tätigkeit.
5. Zurückverweisung gemäß Artikel 111(1) EPÜ
5.1 Gemäß Artikel 111(1) EPÜ wird die Beschwerdekammer "entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück."
Sobald die Gründe, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhte, nicht mehr zutreffen, liegt es daher im Ermessen der Kammer, ob sie in der Sache entscheidet oder die Angelegenheit an die erste Instanz zurückverweist.
5.2 Die Beschwerdegegnerin hatte nach dem Abschluss der Diskussion über die Neuheit bezüglich des Hilfsantrags 3 beantragt, die Angelegenheit an die Vorinstanz zur Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zurückzuverweisen. Diesen Antrag begründete sie damit, dass die vorige Instanz nicht zur erfinderischen Tätigkeit Stellung genommen hat und sie die Behandlung dieser Frage in zwei Instanzen wünsche.
5.3 Es gibt jedoch kein absolutes Recht der Parteien, jeden neuen Sachverhalt in zwei Instanzen entscheiden zu lassen. Vielmehr kann die Kammer in der Sache entscheiden, wenn die Parteien in der Lage waren und es von ihnen erwartet werden konnte, während der mündlichen Verhandlung zu den fraglichen Punkten Stellung zu nehmen. Auch kann es gegen eine Zurückverweisung sprechen, wenn in diesem Fall mit einer endgültigen Entscheidung erst nach Ablauf des Patents zu rechnen ist (siehe T 0249/93 vom 27. Mai 1998, Punkt 2.2 der Entscheidungsgründe).
5.4 Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdegegnerin schon im schriftlichen Verfahren zur erfinderischen Tätigkeit ausführlich Stellung genommen (siehe Kapitel IV auf den Seiten 12 bis 14 des Schreibens vom 16. Dezember 2008 und Punkt 5 auf Seite 24 des Schreibens vom 19. Mai 2011). Ferner war die Aufnahme der Merkmale des erteilten Anspruchs 2 (Dodecylbispropylentriamin und/oder Laurylpropylendiamin) in den Anspruch 1 nicht überraschend und warf auch keine Fragen auf, deren Behandlung nicht zumutbar war. Folglich konnte von der Beschwerdegegnerin erwartet werden, dass sie in der mündlichen Verhandlung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands der Ansprüche des Hilfsantrags 3 Stellung nimmt.
5.5 Das Streitpatent beruht auf einer Anmeldung vom 28. Mai 1998. Es läuft also spätestens im Mai 2118 ab. Würde die Kammer die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurückverweisen und auf die erneute Entscheidung der Einspruchsabteilung wieder Beschwerde eingelegt, wäre fraglich, ob die endgültige Entscheidung vor Ablauf des Patents getroffen werden kann.
5.6 Aus diesen Gründen hat die Kammer beschlossen, selbst über die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Hilfsantrags 3 zu entscheiden.
5.7 Die Beschreibung ist jedoch noch an die geänderten Ansprüche anzupassen. Daher verweist die Kammer die Angelegenheit zu diesem Zweck zurück an die erste Instanz.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Ansprüchen und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche:
Nr. 1 bis 7 des Hilfsantrags 3, eingereicht mit Schreiben vom 18. Mai 2011