European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2010:T054408.20100519 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 19 Mai 2010 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0544/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 03011785.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | C10L 11/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Anzündhilfe für feste Brennstoffe | ||||||||
Name des Anmelders: | Härlin, Hubert | ||||||||
Name des Einsprechenden: | TOP - L.O.M. Logistik Organisation Marketing GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.3.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit: nein | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung zur Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1 375 632 in geänderter Form auf der Grundlage der mit Schreiben vom 24. Mai 2003 als einzigen Antrag eingereichten Patentansprüche 1 bis 11.
II. Dieser Antrag enthält den unabhängigen Anspruch 1 folgenden Wortlauts:
"1. Anzündhilfe zum Anzünden von festen Brennstoffen, wie Holz oder Holzkohle, insbesondere für Feuerstätten für feste Brennstoffe, jede Bauart von Kachelöfen und Holzkohle-Grillgeräte, die als ein mit Paraffin getränkter naturbelassener Holzwolle-Seilabschnitt ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass am Umfang des Holzwolle-Seilabschnitts eine Vielzahl von mit Paraffin überzogene Holzwollespäne (1, 2) abstehen, und dass die Paraffindichte im Innern (3) der Anzündhilfe höher ist als im äußeren Bereich."
III. Die Einsprechende hatte unter anderem wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100a) und 54 und 56 EPÜ) Einspruch erhoben. Sie stützte sich dabei auf folgende Entgegenhaltungen:
D1 DE-A-0 881 337; und
D2 CH-A-0 157 291.
IV. In ihrer Entscheidung war die Einspruchsabteilung zur Auffassung gelangt, dass der beanspruchte Gegenstand den Anforderungen des EPÜ, insbesondere auch den Kriterien des Artikels 56 EPÜ genüge.
V. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.
VI. Die Beschwerdeführerin hat schriftlich und am 19. Mai 2010 mündlich in der Verhandlung vor der Beschwerde-kammer unter anderem die Auffassung vertreten, der beanspruchte Gegenstand sei weder neu noch erfinderisch gegenüber dem Offenbarungsgehalt der Dokumente D1 und D2.
VII. Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) hat alle Einwände der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.
Nach seiner Meinung sei der beanspruchte Gegenstand neu und erfinderisch gegenüber dem aus den Dokumenten D1 und D2 Bekannten, weil dort weder eine Vielzahl abstehender Holzwollspäne noch ein erhöhter Paraffin-gehalt im Innern der Anzündhilfe offenbart sei. Mit diesen Unterscheidungsmerkmalen werde erstmalig eine neue Aufgabe gelöst, nämlich eine Anzündhilfe zu schaffen, die leicht entflammbar ist und gleichzeitig eine lange Brenndauer hat.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Der Beschwerdegegner beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Das Streitpatent betrifft unter anderem eine Anzündhilfe zum Anzünden von festen Brennstoffen. Solche Anzündhilfen sind an sich bekannt. Gemäß Streitpatent haben aber die bekannten Anzündhilfen den Nachteil, dass es eine Zeit dauert, bis sie gut brennen, und dass sie sich im Freien bei Windbeeinflussung oft nur schwer entflammen lassen (Seite 2, Absätze 1 und 2).
Die dem Streitpatent zugrundeliegende technische Aufgabe ist daher definiert als Bereitstellung einer neuen Anzündhilfe, welche sich problemlos anzünden lässt und möglichst schnell eine hinreichend große und standfeste Flamme erzeugt. Darüber hinaus soll die Anzündhilfe eine lange Brenndauer von mehreren Minuten aufweisen (Seite 2, Absätze 4 bis 6).
2. Eine Anzündhilfe, welche leicht brennbar ist und eine lange Brenndauer hat, ist aus Dokument D1 bekannt (Seite 1, Zeilen 1 bis 5).
Mithin betrifft die Entgegenhaltung D1 nicht nur das gleiche technische Gebiet wie das Streitpatent, sondern praktisch auch die gleiche technische Aufgabe und ist daher prinzipiell geeignet als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.
3. Der aus der Entgegenhaltung D1 bekannte Feueranzünder besteht aus Holzwolle jeder Art, durch Hobeln erzeugte Holzteile oder Abfallholzteile, welche z.B. als Holzwolleseile zusammengedreht oder in kleinen Büscheln in erhitztes flüssiges Paraffin getaucht bzw. damit getränkt wurden (Seite 1, Zeilen 24 bis 30).
Nicht erwähnt ist in der Entgegenhaltung D1, dass
a) am Umfang des Holzwolleseiles eine Vielzahl von mit Paraffin überzogenen Holzwollespäne abstehen,
b) die Paraffindichte im Innern der Anzündhilfe höher ist als im äußeren Bereich sowie,
c) die Anzündhilfe als Holzwolle-Seilabschnitt vorliegt.
4. Ein Unterschied zwischen dem aus Dokument D1 Bekannten und dem Streitgegenstand ergibt sich allerdings nicht schon allein dadurch, dass ein Merkmal im Stand der Technik nicht explizit erwähnt ist. Vielmehr ist auch die implizite Lehre eines Dokumentes zu beachten. Eine solche implizite Lehre entnimmt die Kammer Dokument D1 in Bezug auf Merkmal a).
Es mag zwar sein, wie die Beschwerdegegnerin meint, dass durch bestimmte Spinn- und/oder Nachbearbeitungs-verfahren Holzwolleseile mit glatter Oberfläche, also ohne abstehende Späne, erzeugbar sind. Derartiges ist Dokument D1 jedoch nicht zu entnehmen. Vielmehr ist dort nur von einem einfachen Zusammendrehen der Holzwolle die Rede und alternativ sogar von kleinen Büscheln aus Holzwolle oder Hobelspänen. Nach Auffassung der Kammer bedeutet dies, dass in Dokument D1 keineswegs beabsichtigt war, ein Abstehen von Spänen zu vermeiden so dass die dort beschriebene Vorgehensweise, welche ohne weitere Maßnahmen auskommt, notwendigerweise zu Gebilden führen muss, bei denen eine Vielzahl von Spänen absteht. Dies gilt auch für den Zustand der Holzwolle-seile nach dem Tränken in flüssigem Paraffin, weil Dokument 1 keinerlei Hinweis darauf zu entnehmen ist, dass das paraffingetränkte Endprodukt eine glatte Oberfläche aufweisen soll. Der Ausdruck "abstehen" ist nämlich im Streitpatent, geschweige denn in Anspruch 1, nicht näher qualifiziert, so dass der Streitgegenstand diesbezüglich vom Stand der Technik nicht abgrenzbar ist.
5. Daher mag sich die beanspruchte Anzündhilfe von der aus Dokument D1 bekannten allenfalls dadurch unterscheiden, dass die Paraffindichte im Innern der Anzündhilfe höher ist als im äußeren Bereich und dass die Anzündhilfe als Seilabschnitt vorliegt.
6. Aus der Beschreibung des Streitpatents ist zu entnehmen, dass die höhere Paraffindichte im Inneren der Anzünd-hilfe zur Verlängerung die Brenndauer führt (Seite 2, Absatz 6). Wie der Beschwerdegegner überzeugend dar-gelegt hat, kann eine höhere Paraffindichte insbesondere dadurch erreicht werden, dass die Spandichte im Inneren des Holzwolleseiles höher ist als im äußeren Bereich und die Tränkung mit Paraffin durch Wahl der Eintauch-temperatur und -dauer derart vorgenommen wird, dass im Inneren des Holzwolleseiles zumindest alle Holzteile mit Paraffin überzogen sind. Aus dem Vorstehenden folgt auch, dass der Ausdruck "Paraffindichte" für die partielle Dichte des Paraffins steht, also für die Masse des Paraffins (Paraffingehalt) pro Volumeneinheit der Anzündhilfe.
Hinsichtlich der Ausbildung der Anzündhilfe als Holzwolle-Seilabschnitt ist der Beschreibung des Streitpatents lediglich zu entnehmen, dass die Länge dieser Abschnitte von der Größe des Tauchkorbes abhängt bzw. von der nachfolgenden Schneideinrichtung, durch welche sich die Anzündhilfe in Teilstücke unterteilen lässt (vgl. Streitpatent, Spalte 2, Zeile 32 bis Spalte 3, Zeile 4 und Spalte 3, Absatz 21). Dieses Merkmal ist daher abhängig von einer vorgegebenen Einrichtung zur Herstellung der Anzündhilfe.
7. Infolgedessen werden mit den beiden Unterscheidungs-merkmalen des Streitgegenstandes gegenüber der aus der Entgegenhaltung D1 bekannten Anzündhilfe zwei von einander unabhängige technische Aufgaben gelöst, nämlich einerseits die Brenndauer weiter zu verlängern und andererseits eine Anpassung im Hinblick auf die Taucheinrichtung und nachfolgende Stückelung in gebrauchsfertige Anzündhilfeeinheiten zu erreichen.
8. Somit bleibt zu untersuchen, ob die mit dem Streitpatent vorgeschlagenen Lösungen, nämlich durch einen höheren Paraffingehalt im Innern der Anzündhilfe eine erhöhte Brenndauer und durch Bildung von Holzwolle-Seilab-schnitten eine geeignete Teilung zu erreichen, durch den verfügbaren Stand der Technik nahe gelegt wird.
9. Wie bereits ausgeführt (Punkt 3), ist in der Entgegen-haltung D1 weder vom Paraffingehalt noch von Holzwolle-Seilabschnitten die Rede.
Es mag auch richtig sein, wie die Beschwerdegegnerin meint, dass es Anzündhilfen gibt, bei denen nur die äußere Oberfläche des Holzwolleseiles mit Brennstoff imprägniert ist.
10. Dokument D1 aber ist ausdrücklich auf eine Anzündhilfe mit langer Brenndauer gerichtet. Nach Auffassung der Kammer ist die Brenndauer der Anzündhilfe selbstver-ständlich abhängig von der Menge an enthaltenem Brennstoff. Infolgedessen ist einem Fachmann bewusst, dass bei der aus Dokument D1 bekannten Anzündhilfe eine lange Brenndauer dann zu erreichen ist, wenn sie möglichst viel Brennstoff, also viel Paraffin, enthält (vgl. auch Dokument D2, Seite 1, dritter und vierter Absatz). Selbstverständlich dürfte für den Fachmann auch sein, dass für einen hohen Brennstoff-gehalt, das Holzwolleseil möglichst komplett durchtränkt sein sollte. Das Streitpatent gibt hierzu an, dass das Ergebnis von Eintauchdauer und -temperatur sowie vom Abkühlprozess abhängig ist. Konkrete Maßnahmen sind der Streitpatent-schrift aber nicht zu entnehmen. Auch wurde nicht geltend gemacht, dass die geeignete Durchführung der Tränkung fachmännisches Handeln überschreiten würde.
Die Kammer schließt daraus, dass ein Fachmann, zum Zwecke der Verlängerung der Brenndauer, die Tränkung der aus Dokument D1 bekannten Anzündhilfe mit Paraffin so durchführen würde, dass möglichst viel Paraffin an den Holzwollespänen hängen bleibt. Wegen der auch bei der bekannten Anzündhilfe am Umfang des Holzwolleseiles abstehenden Späne (vgl. Punkt 4) ergibt sich nach Ansicht der Kammer dabei im Innern des Seiles notwendigerweise eine höhere Konzentration an Paraffin als im äußeren Bereich.
11. Zu dem Merkmal, wonach die Anzündhilfe als Holzwolle-Seilabschnitt ausgebildet ist, hat sich die Beschwerde-gegnerin nicht geäußert. Die Kammer hat daher auch keinen Grund nicht dem von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argument zu folgen, wonach eine solche Stückelung selbstverständlich und im Belieben eines Fachmannes stehe. Der Vollständigkeit halber wird diesbezüglich noch auf Dokument D2 verwiesen, das die Stückelung paraffingetränkter Holzwolleseile bereits vorschlägt.
12. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass sich einem Fachmann zur Lösung der genannten technischen Aufgaben, nämlich gegenüber der aus Dokument D1 bekannten Anzündhilfe gebrauchsfertige Anzündhilfe-Einheiten bereitzustellen sowie die Brenndauer zu verlängern, die Optionen, einerseits das Holzwolleseil in Abschnitte zu zerteilen und andererseits die Tränkung mit Paraffin so vorzunehmen, dass möglichst viel Paraffin an den Spänen hängen bleibt, aufgrund seiner Fachkenntnisse geradezu aufdrängen, ohne dass er dabei erfinderisch tätig werden musste.
13. Der Gegenstand nach Anspruch 1 genügt daher nicht den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ, so dass der geltende einzige Antrag keine Basis zur Aufrechterhaltung des Patents biete.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.