T 0462/08 () of 11.2.2010

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2010:T046208.20100211
Datum der Entscheidung: 11 Februar 2010
Aktenzeichen: T 0462/08
Anmeldenummer: 99948867.9
IPC-Klasse: F03D 7/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Steuerlogik für eine Windenergieanlage
Name des Anmelders: DeWind, Inc.
Name des Einsprechenden: ENERCON GmbH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein) (alle Anträge)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat mit einem Schreiben, das am 19. Februar 2008 eingegangen ist, gegen die am 29. Januar 2008 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent Nr. 1125060 zu widerrufen, Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 28. Mai 2008 eingegangen.

II. Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikeln 52(1), 54 und 56 EPÜ wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit angegriffen worden.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die in Artikel 100(a) EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstünden. Dabei hatte sie insbesondere die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:

E1: EP-A-0 847 496 (entspricht WO-A-97/09531)

E2: DE-A-195 32 409 Prioritätsdokument der E1 und mit identischem Inhalt

E6: E.Hau: "Windkraftanlagen Grundlagen, Technik, Einsatz, Wirtschaftlichkeit", 2. Auflage, Springer Verlag, Berlin 1996, Seiten 396 bis 399.

Im Beschwerdeverfahren ist die Seite 422 der E6 als gesonderte Anlage B2 nachgereicht worden.

III. Am 11. Februar 2010 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und, als Hauptantrag, den Einspruch zurückzuweisen, oder hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 12 des 1. Hilfsantrags, der als 1. Hilfsantrag im Einspruchsverfahren eingereicht worden ist, oder auf der Grundlage der Ansprüche des 2. oder 3. Hilfsantrags, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 27. Mai 2008.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

V. Die unabhängigen Ansprüche der Haupt- und Hilfsanträge lauten wie folgt:

Hauptantrag

1. "Windenergieanlage mit einem vorn Wind antreibbaren Rotor (3) mit winkelversteilbaren Rotorblättern (4), einem mit dem Rotor (3) direkt oder indirekt verbundenen Generator (8) zur Erzeugung elektrischer Energie, wobei die Leistungsabgabe des Generators (8) bei variabler Rotordrehzahl möglich ist, und einem Betriebsführungssystem, das innerhalb eines vorgegebenen Windgeschwindigkeitsbereichs die Rotordrehzahl unter Verstellen der Rotorblattwinkel (5) regelnd und den Betrieb der Anlage oberhalb einer üblichen Abschaltgeschwindigkeit (16) von etwa 23m/sek abschaltend ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Betriebsführungssystem die Rotordrehzahl und die Leistungsabgabe unter Verstellen der Rotorblattwinkel (5) in einem Bereich zwischen einer vorgegebenen Grenzgeschwindigkeit (15) und der Abschaltgeschwindigkeit (16) herunterregelnd ausgebildet ist."

8. "Verfahren zur Regelung der Leistungsabgabe einer Windenergieanlage nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Rotordrehzahl und die Leistungsabgabe unter Verstellen der Rotorblattwinkel (5) in einem Bereich zwischen einer vorgegebenen Grenzgeschwindigkeit (15) und einer üblichen Abschaltgeschwindigkeit (16) von etwa 23m/sek heruntergeregelt wird."

Hilfsantrag 1

Die unabhängigen Ansprüche lauten wie im Hauptantrag, jedoch ist am Ende folgender Wortlaut hinzugefügt worden:

", wobei die Grenzgeschwindigkeit (15) etwa 16 m/sek beträgt".

Hilfsantrag 2

Der Anspruch 1 lautet wie im Hauptantrag, jedoch ist am Ende folgender Wortlaut hinzugefügt worden:

", wobei das Betriebsführungssystem den Betrieb der Anlage bei einer üblichen Abschaltgeschwindigkeit (16) von etwa 23 m/sek abschaltend ausgebildet ist."

Gegenüber dem Verfahrensanspruch des Hauptantrags ist am Ende der folgende Wortlaut hinzufügt worden:

", wobei der Betrieb der Anlage bei einer üblichen Abschaltgeschwindigkeit (16) von etwa 23 m/s abgeschaltet wird".

Hilfsantrag 3

Den beiden unabhängigen Ansprüchen des Hilfsantrags 2 ist jeweils am Ende der folgende Wortlaut hinzugefügt worden:

", wobei die Grenzgeschwindigkeit (15) etwa 16 m/sek beträgt".

VI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat Folgendes vorgetragen:

Die Ansprüche seien im Sinne des gesamten Patents, insbesondere der Beschreibung, auszulegen. Der Anspruch gebe einen konkreten Wert für die Geschwindigkeit, unterhalb der die Anlage heruntergeregelt wird. Bei diesem Wert werde üblicherweise in herkömmlichen Anlagen abgeschaltet, siehe Figur 13-5 der E6. E1/E2 zufolge werde eben oberhalb der Abschaltgeschwindigkeit heruntergeregelt; der Fachmann finde somit in E1/E2 keine Anregung unterhalb der Abschaltgeschwindigkeit die Rotordrehzahl und Leistungsabgabe herunterzuregeln.

Die Unterschiede bewirken eine geringere Belastung der Anlage ohne nennenswerte Energieeinbußen. Die Anlage könne somit schwächer dimensioniert und kostengünstiger gefertigt werden, bei gleichem Ertrag. Insbesondere sei der vernachlässigbar kleine Verlust an gewonnener elektrischen Energie aufgrund der reduzierten Leistungsabgabe im Bereich der Herunterregelung überraschend. Ohne diese überraschende Erkenntnis, die mit einer schwächeren Dimensionierung und einem vorzeitigen Herunterregeln einhergehe, habe der Fachmann keine Veranlassung gehabt, von der Lehre der E1/E2 abzuweichen. Anlagen werden zunehmend für große Windgeschwindigkeiten ausgelegt und es bestehe offenbar ein Vorurteil, Anlagen schwächer zu dimensionieren.

Mit Verweis auf die Windstärkestatistiken stelle der Wert von 16 m/s für die Grenzgeschwindigkeit ein Optimum dar bezüglich der Minimierung der Herstellungskosten auf der einen Seite und der Maximierung der Energieabgabe auf der anderen Seite. Angesichts der vorherrschenden Tendenz, Anlagen für größere Windgeschwindigkeiten auszulegen, wie von E1/E2 und E6 belegt, sei es überraschend zu erkennen, das dies unter Berücksichtigung der Windverteilung nicht nötig sei.

VII. Die Beschwerdegegnerin hat dagegen Folgendes vorgebracht:

Das Streitpatent betreffe das gleiche Prinzip wie die Lehre der E1/E2. Demzufolge wird die Anlage bis zu einer bestimmten Windgeschwindigkeit mit Nennleistung gefahren damit eine kritische Belastungsgrenze nicht überschritten wird. Anstatt die Anlage dann abzuschalten, so dass die Leistung von der Nennleistung auf Null abfällt, werde sie mit weiter steigender Windgeschwindigkeit heruntergeregelt und so werde die Leistung langsam reduziert.

Wo genau abgeschaltet oder heruntergeregelt werde, sei im Wortlaut des Anspruchs 1 nicht klargestellt, so dass dieser, wenn in der vollen Breite ausgelegt, keinen neuen Gegenstand gegenüber E1/E2 definiere. Die Abschaltgeschwindigkeit hänge übrigens von der Auslegung der Anlage ab. Der Wert von 23 m/s beziehe sich nur auf eine Vergleichsanlage. Einen üblichen oder festen Wert dafür gebe es aber nicht, wie auch aus der E6 hervorgeht.

Das Herunterregeln gemäß Anspruch 1 unterscheide sich höchstens vom Herunterregeln nach E1/E2 durch den Windgeschwindigkeitswert, bei dem das Herunterregeln beginnt. Da zur Begrenzung der mechanischen Belastung früher heruntergeregelt werde, könne die Anlage schwächer dimensioniert werden. Es sei fachmännisches Können, die Betriebsführung auf die Dimensionierung abzustimmen oder umgekehrt.

Aus E1/E2 gingen keine konkreten Werte hervor. Bei 23 m/s abzuschalten (Hilfsantrag 2) sei aber eine einfache Auswahl ohne überraschende Effekte, die von der Dimensionierung und Ausgestaltung der Anlage abhinge.

Oberhalb von 16 m/s herunterzuregeln (Hilfsantrag 1, 3) sei wiederum eine Frage der Auslegung der Anlage. Eine Voruntersuchung der Windstatistiken sei üblich, um Windenergieanlagen entsprechend zu dimensionieren.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Erfindung & Auslegung

2.1 Das Patent betrifft eine Windenergieanlage mit winkelverstellbaren Rotorblättern und einem Betriebsführungssystem, das die Rotordrehzahl und Leistungsabgabe in Abhängigkeit der Windgeschwindigkeit durch Verstellen der Rotorblattwinkel regelt. Insbesondere in einem Bereich zwischen einer Grenzgeschwindigkeit und einer Abschaltgeschwindigkeit, von etwa 23 m/s regelt das System die Rotordrehzahl und Leistungsabgabe herunter. Dadurch, dass die Anlage unterhalb der Abschaltgeschwindigkeit heruntergefahren wird, anstatt sie, wie üblich, bei dieser Geschwindigkeit schlagartig abzuschalten, wird die mechanische Belastung der Anlage verringert. Die Anlage kann entsprechend schwächer dimensioniert und so auf die geringere Grenzgeschwindigkeit abgestimmt werden, siehe Absätze [0003], [0005] und [0006] der Patentschrift. Anspruch 1 beansprucht die Anlage, Anspruch 8 das Verfahren zur Regelung deren Leistungsabgabe.

2.2 Dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 zufolge liegt der Bereich, wo heruntergeregelt wird, "zwischen einer vorgegebenen Grenzgeschwindigkeit (15) und der Abschaltgeschwindigkeit (16)".

2.2.1 Dieser Wortlaut ergibt im Kontext einer windgeschwindigkeitsabhängigen Regelung im Bereich zur Abschaltgeschwindigkeit hin, nur dann einen technischen Sinn, wenn die Grenzgeschwindigkeit unterhalb der Abschaltgeschwindigkeit liegt (und dieser somit nicht gleichgesetzt ist). Demzufolge wird oberhalb dieser (im Anspruch 1 des Hauptantrags nicht näher definierten) Grenzgeschwindigkeit bis zur Abschaltgeschwindigkeit heruntergeregelt. Diese Auslegung ist auch in Übereinstimmung mit der Beschreibung: In der Figur 4, siehe auch Absatz [0019], Zeilen 10 bis 15, ist die Grenzgeschwindigkeit mit Bezugszeichen (15) unterhalb der Abschaltgeschwindigkeit mit Bezugszeichen (16) eingezeichnet. Siehe weiterhin Absatz [0008], Zeilen 49 bis 51, sowie Absatz [0009], Zeilen 10 bis 12. Dieses Merkmal trägt zudem entscheidend zur Lösung der gestellten Aufgabe einer schwächeren Dimensionierung und kostengünstigeren Herstellung bei, siehe Absatz [0005], da die Dimensionierung der Anlage "nicht auf die relativ hohe Abschaltgeschwindigkeit sondern nur auf die relativ geringe Grenzgeschwindigkeit abgestimmt werden muss", Absatz [0006], Zeilen 15 bis 22. Vor diesem Hintergrund würde der Fachmann, der bestrebt ist die im Anspruch definierte Erfindung im Lichte der zu lösenden Aufgabe technisch zu verstehen, die Regelung nach den kennzeichnenden Teil nicht anders verstehen.

2.2.2 Der im kennzeichnenden Teil dem Substantiv "Abschaltgeschwindigkeit" zugeordnete, bestimmte Artikel "der" kann sich nach Verständnis der Kammer nur auf die im Oberbegriff erstmalig erwähnte "übliche Abschaltgeschwindigkeit" beziehen (im übrigen jeweils mit gleichem Bezugszeichen "16" versehen). Diese wird im Oberbegriff auf einen Wert "von etwa 23 m/sek" festgelegt. Somit schreibt der Anspruch 1 vor, dass in einem Bereich unterhalb von etwa 23 m/s eine Herunterregelung der Anlage stattfindet.

2.2.3 Der Anspruch schreibt weiterhin vor, dass das Betriebsführungssystem den Betrieb der Anlage oberhalb dieses Werts "abschaltend" ausgebildet ist. Die Kammer schließt sich der Lesart der Beschwerdeführerin an, wonach nur gemeint sein kann, dass die Anlage irgendwo oberhalb dieses Wertes abgeschaltet wird. Es geht aus dieser Formulierung weder die genaue Geschwindigkeit hervor, bei der die Anlage tatsächlich abgeschaltet wird, noch wie die genaue Regelung der Anlage oberhalb von 23 m/s bis zum tatsächlichen Abschaltwert aussieht.

2.2.4 Somit wird der Fachmann den Wortlaut des Anspruchs 1 so auslegen, dass dieser darunter eine Windenergieanlage der eingangs genannten Art versteht, mit einem Betriebsführungssystem, das Rotordrehzahl und Leistungsabgabe in einem Bereich unterhalb von etwa 23 m/s herunterregelt.

3. Neuheit und erfinderische Tätigkeit

3.1 Es ist unumstritten, dass E1/E2 eine Windenergieanlage variabeler Rotordrehzahl beschreibt, mit winkelverstellbaren Rotorblättern, einem Generator und einem Betriebsführungssystem zur windgeschwindigkeits-abhängigen Regelung der Drehzahl und Leistung. Unstrittig ist ebenfalls, dass E1/E2 auch eine Herunterregelung von Rotordrehzahl und Leistung oberhalb einer Grenzwindgeschwindigkeit offenbart, siehe den die Seiten 4 und 5 überbrückenden Absatz. Die Betriebsdrehzahl wird insbesondere durch aktive Blattverstellung, d.h. durch Änderung des Anstellwinkels, reduziert, Seite 6, 2. Absatz.

3.2 Wo genau heruntergeregelt wird, ist in E1/E2 nicht konkret festgelegt. Werte für die Grenzwinkelgeschwindigkeit, auch als "bisherigen" Abschaltgeschwindigkeit vwmax bezeichnet (siehe die Figur 1), werden nicht angegeben. Zwar verweist E1/E2 in diesem Zusammenhang auf Lehrbuch E6, siehe Seite 4, Zeilen 8 bis 18. Diese Druckschrift enthält aber mehrere Wertangaben, siehe z.B. Bild 13.5 (etwa 24 m/s) oder die Seite 422 (Anlage B2), 2. Absatz (20 bis 25 m/s). Es wird kein Wert unmittelbar und eindeutig hervorgehoben. Auch fehlen präzise Angaben, bei welchem Wert die Regelung beendet wird. Die Figur 1 zeigt die beiden Kennlinien (Drehzahl und Leistung) im abfallenden Bereich als begrenzt, was der Fachmann auch wohl als eine Abschaltung der Anlage verstehen würde; für ihn ist eine Abschaltung bei hohen Geschwindigkeiten selbstverständlich und er liest sie mit im Offenbarungsgehalt von E1/E2. Wo genau abgeschaltet wird, ist aber unklar.

3.3 Die Windenergieanlage nach Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich somit von diesem Stand der Technik im wesentlichen dadurch, dass der Herunterregelungsbereich konkret unterhalb von etwa 23 m/s festgelegt ist.

3.4 Die technische Bedeutung des obengenannten Unterschieds liegt in der Dimensionierung der Anlage. Gegenüber einer herkömmlichen Anlage im Megawattbereich, die Absatz [0010] der Patentschrift zufolge üblicherweise bei 23 m/s abschaltet (siehe auch E6, Bild 13-5), aber unter Anwendung der Lehre von E1/E2 erst ab diesem Wert heruntergeregelt wird, ist die beanspruchte Anlage wohl schwächer dimensioniert. Die zu lösende Aufgabe formuliert die Kammer dementsprechend, als eine (z.B. gegenüber einer 1 Megawatt Anlage wie der WKA-60) schwächer dimensionierte und zugleich optimierte Windenergieanlage bereitzustellen.

3.5 Es ist dem Fachmann geläufig, dass die genaue Windgeschwindigkeit, bei der eine Anlage abgeschaltet wird, um Überbelastung zu vermeiden, u.a. von ihrer Konstruktion, den verwendeten Materialien und ihrer Dimensionierung abhängen wird. Eine schwächer ausgelegte Anlage kann nur geringeren Belastungen ausgesetzt werden, und muss somit bei geringeren Windgeschwindigkeiten abgeschaltet werden. Für den Fachmann - in diesem Fall ein Bauingenieur für den Bau von Windenergieanlagen - liegt es auf der Hand, dass er eine Anlage, die schwächer ausgelegt ist als eine 1 Megawatt Anlage, wie z.B. die WKA-60, die nach der Lehre von E1/E2 erst ab etwa 23 m/s heruntergefahren werden müsste, schon früher, d.h. unterhalb diesem Wert herunterfahren muss, um eine Überlastung zu vermeiden. Die Kammer schließt aus diesen Gründen, dass es die Windenergieanlage nach Anspruch 1 an erfinderischer Tätigkeit mangelt.

3.6 Die Frage, ob es dem Fachmann geläufig ist, eine Windenergieanlage schwächer auszulegen, bejaht die Kammer. Es gehört zu seinem Grundwissen, Aufbau und Auslegung auf die jeweiligen Umstände (Bedarf, Kostenbudget, Aufstellungsort, usw.) abzustimmen. Windenergieanlagen werden längst in verschiedenen Baugrößen und Leistungsbereichen angeboten. Das Angebot umfasst z.B. neben der WKA-60 mit 1200kW Leistung auch eine Aeroman mit nur 30kW Leistung, siehe E6, Bild 13-3. Dass in letzter Zeit tendenziell leistungsstärkere Anlagen wie die WKA-60 zum Einsatz kommen, hat auch wohl eher wirtschaftliche Gründe (Vermarktung, Wirtschaftlichkeit), als dass von einem technischen Vorurteil gegen schwächer dimensionierten Anlagen die Rede sein kann. Des weiteren hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) keinen Nachweis erbracht, dass in der Fachwelt ein solches technisches Vorurteil geherrscht hatte, das es zu überwinden galt.

Es ist auch kaum als überraschend zu bezeichnen, dass eine auf die genauen Umstände abgestimmte Anlage eine bessere Wirtschaftlichkeit haben wird, da das eben einer der Ziele einer solchen Abstimmung ist. Es ist dem Fachmann zudem bereits bekannt, dass durch die geringe Häufigkeit der hohen Windgeschwindigkeiten, es sich auf den Energieertrag kaum auswirkt, wenn früher oder später abgeschaltet wird, siehe Seite 422 der E6 (Anlage B2), letzter Absatz und Bild 13-30. Es ist somit für den Fachmann ohne weiteres erkennbar, dass, wenn er eine schwächer ausgelegte Anlage früher herunterregelt, der Ertrag wenig einbüssen wird.

3.7 In diesem Zusammenhang betrachtet die Kammer auch den Wert von 16 m/s für die Geschwindigkeit, bei der das System anfängt herunterzuregeln, sowie auch die anschließende Abschaltung der Anlage bei 23 m/s (Hilfsanträgen 1 bis 3) als nichts weiteres als das Ergebnis einer solchen Abstimmung einer Anlage und ihrer Auslegung an die jeweiligen Gegebenheiten. So stellt der Wert von 16 m/s der Beschwerdeführerin zufolge ein Optimum für Anlagen in Europa bezüglich Herstellungskosten und Energieausbeute dar. Nach ständiger Rechtsprechung aber, siehe z.B. die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 5. Ausgabe, 2006, ID.8.15 und die darin zitierten Entscheidungen, gehört die Optimierung eines Parameters (hier Anfang des Herunterregelungsbereichs), die auf einen annehmbaren Kompromiss zwischen gegenläufigen, davon abhängigen Wirkungen zielt, zu den normalen Tätigkeiten eines Fachmannes. Die Anlage derart optimal zu dimensionieren, bedarf somit keiner erfinderischen Tätigkeit. Die so optimierte Anlage dann bei etwa 23 m/s abzuschalten, im Bereich wo E6 zufolge "in der Regel" abgeschaltet wird (Seite 422, 2. Absatz) entspricht normaler Praxis, wie auch durch die Bezeichnung des Wertes als "üblich" im Anspruch selber anerkannt wird. Auch dieses Merkmal kann keine erfinderische Tätigkeit begründen.

3.8 Die Kammer schließt aus obengenannten Gründen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Haupt- und den Hilfsanträgen 1 bis 3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, Artikel 52 und 56 EPÜ. Im übrigen ist aus den gleichen Gründen der Gegenstand der jeweiligen Verfahrensansprüche, die lediglich die Kernidee in Form eines Regelungsverfahrens beanspruchen, als nicht erfinderisch zu betrachten. Infolgedessen bestätigt die Kammer die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent zu widerrufen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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