European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T017608.20090331 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 31 März 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0176/08 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98955520.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | C07K 14/52 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung von Humaneigenblutzytokinen | ||||||||
Name des Anmelders: | Klehr, Nikolaus W. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.3.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Zulässigkeit der Änderungen, Klarheit, ausreichende Offenbarung, Neuheit, erfinderische Tätigkeit - (ja) Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde des Anmelders (Beschwerdeführers) richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung mit der die Europäische Patentanmeldung 98 955 520.6, mit der Veröffentlichungsnummer WO 99/21 887 und dem Titel "Verfahren zur Herstellung von Humaneigenblutzytokinen", gemäß Artikel 97 (1) EPÜ 1973 zurückgewiesen wurde.
II. Die Prüfungsabteilung hat entschieden, dass der Gegenstand von Anspruch 17 des einzigen ihr vorliegenden Antrags nicht neu und nicht klar sei (Artikel 54 und 84 EPÜ) und dass die Anmeldung die Erfindung gemäß Anspruch 17 nicht so deutlich und vollständig offenbarte, dass ein Fachmann sie ausführen könnte (Artikel 83 EPÜ). Anspruch 17 bezog sich auf ein Humaneigenblutzytokin-Produkt.
III. Die Kammer teilte ihre vorläufige Meinung in einem Bescheid vom 4. April 2008 mit.
Der Beschwerdeführer antwortete mit Schreiben vom 8. August 2008, mit dem er insbesondere die Anlagen (A) und (B) in das Verfahren einführte. Als Zeuge für die Korrektheit der Daten in den Anlagen (A) und (B) wurde Herr Dr. Setter genannt.
In einer Zwischenentscheidung vom 5. November 2008 entschied die Kammer Herrn Dr. Setter als Zeugen zu hören.
Am 31. März 2009 fand eine mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf der Zeuge Dr. Setter vernommen wurde (siehe Protokoll der Zeugeneinvernahme).
IV. Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 16 des neuen Hauptantrages, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 31. März 2008, zu erteilen.
Außerdem beantragte er die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Anspruch 1 des neuen Hauptantrages lautet:
"Verfahren zur Herstellung von Humaneigenblutzytokinen, umfassend die folgenden Schritte:
a) Gewinnen einer Zusammensetzung von weißen
Blutzellen, Plasma und einem Antigen aus dem
Vollblut eines Spenders, wobei diese von den
Erythrozyten abgetrennt werden,
b) Aufteilen der Zusammensetzung in ein erstes und
ein zweites Aliquot,
c) Demaskieren der im ersten Aliquot vorliegenden
Zellen und
d) Zusammengeben des in Schritt c) erhaltenen ersten
Aliquots zum zweiten Aliquot und nachfolgende
Inkubation."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 16 beziehen sich auf bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 1.
V. Diese Entscheidung nimmt Bezug auf folgende Entgegenhaltungen und sonstige Unterlagen:
(3) WO 97/05 239
(4) EP-A-0 607 593
Anlage (A) "Anlage zum Prüfprotokoll" (08.11.2001),
eingereicht vom Beschwerdeführer mit
Schreiben vom 8. August 2008
Anlage (B) "Anlage zum Prüfprotokoll" (27.05.2008),
eingereicht vom Beschwerdeführer mit
Schreiben vom 8. August 2008
VI. Die Argumente des Beschwerdeführers können folgendermaßen zusammengefasst werden:
Der Gegenstand der Ansprüche sei klar und vollständig durch die Beschreibung gestützt im Sinne der Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
Die in den Anlagen (A) und (B) vorgelegten Daten, deren Korrektheit vom Zeugen Dr. Setter bestätigt würden, zeigten, zusammen mit dem Inhalt der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht, dass das beanspruchte Verfahren so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann es ausführen könne (Artikel 83 EPÜ).
Der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 16 sei in den vorliegenden Entgegenhaltungen weder offenbart, noch könnte er aus diesen in naheliegender Weise abgeleitet werden. Der Gegenstand der Ansprüche entspräche somit den Erfordernissen der Artikel 54 und 56 EPÜ.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspräche wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit.
Entscheidungsgründe
Änderungen - Artikel 123 (2) EPÜ
1. Die Ansprüche 1 bis 16 sind identisch mit den Ansprüchen 1 bis 16 der ursprünglich eingereichten Anmeldung wie veröffentlicht.
Im Gegensatz zu den ursprünglich eingereichten Ansprüchen und den Ansprüchen des Antrags der der Prüfungsabteilung vorlag, enthält der vorliegende neue Hauptantrag keine Ansprüche mehr, die sich auf ein erfindungsgemäß hergestelltes Produkt, bzw. auf dessen medizinische Verwendung beziehen.
Die Ansprüche erfüllen die Erfordernisse des Artikel 123 (2) EPÜ.
Klarheit und Stützung durch die Beschreibung - Artikel 84 EPÜ
2. Anspruch 1 bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung von Humaneigenblutzytokinen, wobei im Schritt a) eine Zusammensetzung von weißen Blutzellen, Plasma und einem Antigen aus dem Vollblut eines Spenders gewonnen wird. In Anspruch 1, Schritt b), wird die gewonnene Zusammensetzung in ein erstes und ein zweites Aliquot geteilt. Gemäß Anspruch 1, Schritt c) werden im ersten Aliquot die darin vorhandenen Zellen demaskiert. Schließlich werden gemäß Anspruch 1, Schritt d) die beiden Aliquots wieder vereint und gemeinsam inkubiert.
3. Laut Patentanmeldung beruht das beanspruchten Verfahren auf der Demaskierung von im Blut eines Patienten vorhandenen Antigenen und Antigenmaterial-enthaltenden weißen Blutzellen. Gemäß Seite 3 der veröffentlichten Patentanmeldung (Zeilen 6 bis 10) sind die Antigene Tumorzellen, bzw. Tumorzellmaterial-enthaltende weiße Blutzellen. Die Erkenntnisse der Erfindung träfen aber auch für Viren, Bakterien, Prionen und andere Antigene zu (Seite 3, Zeilen 25 bis 28).
Tumorzellen seien durch das Vorhandensein von Oberflächenmarkern, wie CD44V, "maskiert" (Seite 3, Zeilen 12 bis 15). Es ist bekannt, dass andere Antigene keine solche "Maskierung" aufweisen. Bruchstücke des Antigenmaterials seien aber, wie der Anmelder in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, durch die Membran der sie enthaltenden weißen Blutzellen "maskiert".
Als Resultat dieser "Maskierung" würden die Antigene und Antigenmaterial-enthaltenden weißen Blutzellen von den üblichen im Blut der Patienten vorhandenen weißen Blutzellen nicht als körperfremd erkannt werden, wodurch eine gegen sie gerichtete Immunantwort ausbleibe. Die Behandlung der Zellen (Tumorzellen, bzw. Antigen-Material-Enthaltende weiße Blutzellen) mittels des beanspruchten Verfahrens bewirke deren "Demaskierung", mit der Folge, dass die üblichen im Blut vorhandenen weißen Blutzellen verstärkt Zytokine produzierten.
Der Schritt der "Demaskierung" wird auf Seite 6 (letzter Absatz) der veröffentlichten Patentanmeldung näher beschrieben. Er umfasse das Entfernen der Tarnung und/oder die Membranreduktion der Zellen und könne entweder spontan ablaufen oder induziert werden. Bevorzugt sei es, wenn die Induktion der "Demaskierung" physikalisch erfolge, insbesondere durch Zentrifugation.
4. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist somit klar und von der Beschreibung gestützt. Dasselbe trifft auf die abhängigen Ansprüche 2 bis 16 zu. Die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ sind daher erfüllt.
Offenbarung der Erfindung - Artikel 83 EPÜ
5. Anspruch 1 bezieht sich auf ein Verfahren zur Erhöhung der Konzentration von Humaneigenblutzytokinen in einer aus menschlichem Blut gewonnenen Zusammensetzung.
Gemäß Artikel 83 EPÜ muss eine europäische Patentanmeldung die beanspruchte Erfindung so deutlich und vollständig offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
6. In einem Beispiel, beginnend auf Seite 8 der veröffentlichten Patentanmeldung, werden alle erfindungsgemäßen Verfahrensschritte ausführlich beschrieben.
Aus der Tatsache, dass in der Patentanmeldung, und im speziellen in diesem Beispiel, keine Daten oder Messergebnisse enthalten sind, die die Anreicherung von Zytokinen in erfindungsgemäß behandeltem Blut im Vergleich zu unbehandeltem Blut belegen, ergibt sich kein ernsthafter, durch nachprüfbare Fakten erhärteter Zweifel, der es für ein Entscheidungsorgan des EPA, hier die Beschwerdekammer, rechtfertigen würde, die Patenterteilung wegen eines Verstoßes gegen Artikel 83 EPÜ zu versagen (siehe Entscheidung T 19/90, ABl. 1990, 476, Punkt 3.3).
7. Um jedoch Bedenken, die von der Kammer diesbezüglich in ihrem Bescheid erhoben wurden zu begegnen, reichte der Anmelder mit Schreiben vom 8. August 2008 die Anlagen (A) und (B) ein, in denen die Daten von Messungen erfindungsgemäß behandelter Blutproben von jeweils acht Tumorpatienten dargestellt seien. Für die Korrektheit der der Daten wurde vom Anmelder Herr Dr. Setter als Zeuge benannt.
Der Anmelder führte aus, dass die Angaben in den Anlagen (A) und (B) eine ergänzende Stützung der in der Patentanmeldung ursprünglich schon enthaltenen Aussagen darstelle.
In Spalte (3) der Tabellen der Anlagen (A) und (B) seien die gemessenen Zytokine identifiziert (Tumornekrosefaktor a (TNF-a), löslicher Interleukin 2-Rezeptor (sIL 2-R) und löslicher Interleukin 6-Rezeptor (sIL 6-R)). In Spalte (4) sei der jeweilige Zytokin-Ausgangswert angegeben, also diejenige Menge des betreffenden Zytokins in pg/ml, die im nativen Plasma des jeweiligen Patienten vor Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens vorhanden war. Spalte (9) zeige die nach Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens gemessene Zytokinkonzentration in pg/ml und Spalte (10) gebe den erzielten Steigerungsfaktor gegenüber den jeweiligen Ausgangswerten aus Spalte (4) wider.
8. Die in den Anlagen (A) und (B) angegebenen Werte zeigen, dass bei fünfzehn der insgesamt sechzehn untersuchten Blutproben durch die Behandlung gemäß der beanspruchten Methode alle drei gemessenen Zytokine angereichert wurden. Lediglich bei der ersten Blutprobe der Anlage (B) wurden nur zwei von drei Zytokinen angereichert.
Bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung gab der Zeuge an, dass er über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Blutanalytik verfüge und dass er die zur Diskussion stehenden Untersuchungen mittels ELISA (Enzyme-linked Immunosorbent Assay) regelmäßig seit zehn Jahren im Auftrag des Anmelders in dessen Labor durchführe. Er habe die Analysen entweder selbst durchgeführt oder überwacht, sodass kein Befund ohne sein Wissen erstellt worden sei. Obwohl die Anreicherung gemäß der beanspruchten Methode nicht Teil der von ihm durchgeführten Analytik gewesen wären, hätte er, da er die erhaltenen Ergebnisse freigeben musste, Einblick in die dazu notwendigen Arbeitsschritte gehabt. Es sei ihm bewusst gewesen, dass genau nach dem in der Patentanmeldung offenbarten Verfahren gearbeitet werden musste (siehe beiliegendes Protokoll der Zeugenvernehmung).
9. Im Lichte dieser ergänzenden Unterstützung der in der Patentanmeldung bereits vorhandenen Offenbarung und im Einklang mit der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe Entscheidung T 19/90, Punkt (6) oben), ist die Kammer davon überzeugt, dass die vorliegende Anmeldung die Erfordernisse des Artikel 83 EPÜ erfüllt.
Neuheit und erfinderische Tätigkeit - Artikel 54 und 56 EPÜ
10. Das beanspruchte Verfahren gemäß Ansprüchen 1 bis 16 wird in keiner der Kammer vorliegenden Entgegenhaltungen offenbart. Der Gegenstand der Ansprüche ist somit neu (Artikel 54 EPÜ).
11. Die Entgegenhaltung (3) beschreibt die Herstellung von Zusammensetzungen aus autologen Immunzellen die ex vivo durch bestimmte Proteine aktiviert werden und zur Differenzierung in Regulator- oder in Effektor-Zellen angeregt werden, die durch ihr spezielles Zytokinprofil definiert werden (Seiten 19 bis 20). Diese Zusammensetzungen enthalten bevorzugt bis zu über 95% der jeweils erwünschten Zellart (Seite 20 ab Zeile 25) und die Konzentration an bestimmten Zytokinen ist gegenüber dem Ausgangsblut stark erhöht.
12. Die Entgegenhaltung (4) befasst sich mit der Herstellung von Zellkulturen mit erhöhtem Gehalt an körpereigenen Zytokinen. Dazu werden Eigenblutkulturen eines Patienten mit einem Ozon-Sauerstoff-Gemisch begast. Die Zellen werden danach lysiert. In diesen Lysaten beträgt die Konzentration an bestimmten Zytokinen ein Vielfaches des Ausgangswertes (siehe Spalten 2 bis 3).
13. Ausgehend von dieser Offenbarung im Stand der Technik war es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein alternatives Verfahren zur Herstellung von Humaneigenblutzytokinen zur Verfügung zu stellen.
Das Verfahren gemäß Anspruch 1, das durch die vier Arbeitsschritte a) bis d) gekennzeichnet ist (siehe Abschnitt (IV) oben), unterscheidet sich grundlegend von den Verfahren die in den Entgegenhaltungen (3) und (4) offenbart sind. Das beanspruchte Verfahren kann aus den vorliegenden Entgegenhaltungen, sei es einzeln oder in Kombination, nicht in naheliegender Weise abgeleitet werden. Der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 16 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit und erfüllt die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ.
Anpassung der Beschreibung
14. Die Beschreibung wurde an den Gegenstand der Ansprüche 1 bis 16 des neuen Hauptantrages, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 31. März 2009, angepasst. Insbesondere wurden Verweise auf ein Produkt (Seite 1) oder dessen therapeutische Wirkung (Seite 11) gestrichen.
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - Regel 103 (1)b) EPÜ
15. Im Verfahren vor der Prüfungsabteilung, am 18. November 1998, erhielt das Europäische Patentamt (EPA) eine unterzeichnete Vollmacht, mit der der Anmelder, Herr Nikolaus W. Klehr, Herrn Günter Grättinger (im folgenden "der Vertreter") autorisierte, für ihn in allen durch das Europäische Patentübereinkommen geschaffenen Verfahren zu handeln, die die vorliegende Patentanmeldung zum Gegenstand haben.
Die Prüfungsabteilung setzte für Montag den 30. Juli 2007 eine mündliche Verhandlung an. Am Freitag den 27. Juli 2007 um 10:19 Uhr erhielt das EPA ein FAX des Vertreters, in dem dieser mit folgender Begründung um eine Verlegung der mündlichen Verhandlung bat:
"Soeben erhalten wir vom Erfinder Herrn Dr. Klehr die Mitteilung, dass er an einer schweren Lungenentzündung erkrankt ist und aus diesem Grunde an der mündlichen Verhandlung am kommenden Montag, 30. Juli 2007 nicht teilnehmen kann.
Da es in der mündlichen Verhandlung wesentlich auf Ausführungen des Erfinders ankommen wird, bitten wir höflichst, die mündliche Verhandlung aufzuheben und einen neuen Verhandlungstermin nach der Urlaubszeit vorzuschlagen, bevorzugt am Montag oder Mittwoch der ersten Septemberwoche."
16. Die Prüfungsabteilung hob jedoch die mündliche Verhandlung nicht auf, die somit am anberaumten Termin, dem 30. Juli 2007, in Abwesenheit des Vertreters und des Anmelders stattfand.
17. Der Beschwerdeführer beantragte die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, da "die vorliegende Patentanmeldung ... unter Verletzung grundlegender Rechte des Anmelders zu Zeiten einer schweren Erkrankung desselben zurückgewiesen" wurde.
In der Beschwerdebegründung führte der Vertreter des Anmelders aus, dass die "Mitteilung der Vizepräsidenten Generaldirektion 2 und 3 vom 1. September 2000 über mündliche Verhandlungen vor dem EPA" (ABl. EPA 10/2000, Seiten 456 bis 458) (im folgenden "die Mitteilung") vorsehe, dass auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten eine vom EPA anberaumte mündliche Verhandlung abgesagt und neu anberaumt werden könne, wenn der Beteiligte schwerwiegende Gründe vorbringen könne, die die Festlegung eines neuen Termins rechtfertigten. Die Mitteilung enthalte eine Liste von Vorfällen, die als schwerwiegende Gründe angesehen werden könnten, einer davon sei die schwere Erkrankung eines Beteiligten.
Der Vertreter wies darauf hin, dass die Mitteilung den Ausdruck "Beteiligter" verwendet und führte dazu folgendes aus:
"Als Beteiligter kommt in erster Linie der Anmelder und allenfalls in zweiter Linie dessen Vertreter in Frage".
Der Vertreter ist somit der Auffassung, dass die in der Mitteilung angeführten schwerwiegenden Gründe für die Absage einer mündlichen Verhandlung in gleicher Weise auf den Anmelder und seinen Vertreter Anwendung finden, wenn nicht sogar primär auf ersteren, und zwar generell, also auch wenn ein Anmelder durch einen zugelassenen Vertreter vertreten ist. Der Vertreter widersprach ausdrücklich der von der Prüfungsabteilung in Punkt (13) der angefochtenen Entscheidung vertretenen Position, wonach die in der Mitteilung angeführten schwerwiegenden Gründe auf den Vertreter und nicht auf den Erfinder/Anmelder anzuwenden seien.
18. Im Schreiben vom 8. August 2008 stimmte der Vertreter des Anmelders zwar zu, dass geringfügige Entschuldigungsgründe aus Gründen der Verfahrensökonomie nicht zu einer Verschiebung der mündlichen Verhandlung führen sollten (wie in der Entscheidung T 275/89, ABl. EPA 1992, 126 entschieden), dass sich jedoch der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt von der vorliegenden Situation unterscheide. Hier ist der Anmelder so schwer erkrankt gewesen, dass nicht einmal eine Rücksprache mit dem Vertreter zu Abstimmungszwecken möglich gewesen wäre.
In der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer führte der Vertreter des Beschwerdeführers weiterhin aus, dass, besonders in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Erfinder ein Wissenschaftler sei, der sich im hohen Masse mit seiner Erfindung identifiziere und der Wesentliches zur Aufklärung substantieller technischer Fragen im Bezug auf seine Erfindung beitragen könne, es notwendig und wünschenswert wäre, dass die Instanzen des EPA die Mitteilung der Vizepräsidenten und die darin enthaltene, nicht abschließende, Liste von Vorfällen die als schwerwiegende Gründe angesehen werden könnten eine anberaumte mündliche Verhandlung zu verschieben, mit mehr Augenmass und im Sinne der Anmelder anwendeten.
19. Regel 103 (1)a) EPÜ sieht die Rückzahlung der Beschwerdegebühr vor, wenn dies "... wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers der Billigkeit entspricht ..." (Hervorhebung durch die Kammer).
Die Kammer kann die Argumentation des Beschwerdeführers nachvollziehen und die, im vorliegenden Fall durch seine plötzliche schwere Erkrankung aufgetretene, schwierige Situation für den bevollmächtigten Vertreter erkennen. Auch der Hinweis des Vertreters des Beschwerdeführers, dass die Prüfungsabteilung, ohne gegen die Bestimmungen der Mitteilung zu verstoßen, die anberaumte mündliche Verhandlung hätte verschieben und dem Beschwerdeführer damit die Möglichkeit zur Mitwirkung einräumen können, ist seitens der Kammer nachvollziehbar.
20. Dennoch sieht die Kammer in der Auslegung der Mitteilung durch die Prüfungsabteilung keinen wesentlichen Verfahrensfehler der eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 103 (1)a) EPÜ rechtfertigen würde.
In Abwesenheit anderer spezieller Umstände, die im vorliegenden Fall nicht bekannt sind, stellt der alleinige Wunsch des Beschwerdeführers/Anmelders, selbst bei der mündlichen Verhandlung anwesend zu sein, keinen schwerwiegenden Grund dar, die mündliche Verhandlung auf ein Datum zu verschieben, an dem er zur Verfügung stehen könnte. Angesichts der Tatsache, dass der Erfinder/Anmelder eine Vollmacht unterschrieben hat, in der er einen zugelassenen Vertreter autorisiert, kann in seiner Erkrankung kein Ereignis gesehen werden, das die Durchführung der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung zu einem Verstoß gegen sein Recht gehört zu werden (Artikel 113 EPÜ) hätte werden lassen.
Dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird daher nicht stattgegeben.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in folgender Fassung zu erteilen:
Beschreibung: Seiten 1 und 11 eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 31. März 2009;
Seiten 2 bis 10 der Patentanmeldung wie veröffentlicht;
Ansprüche: 1 bis 16 des neuen Hauptantrages, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 31. März 2009.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.