European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T204607.20091021 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 21 October 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2046/07 | ||||||||
Anmeldenummer: | 00120195.3 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60N 2/06 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Einstiegshilfe für Fondsitze | ||||||||
Name des Anmelders: | Volkswagen Aktiengsellschaft | ||||||||
Name des Einsprechenden: | BMW AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Unzulässige Erweiterung (nein) Verspätet eingereichte Beweismittel (nicht zugelassen) Erfinderische Tätigkeit (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP 1 093 960 wurde von der Einspruchsabteilung mit der am 2. November 2007 zur Post gegebenen Entscheidung in geändertem Umfang aufrechterhalten. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende am 13. Dezember 2007 Beschwerde eingereicht und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 7. März 2008 eingegangen.
II. Am 21. Oktober 2009 wurde mündlich verhandelt. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents wegen unzulässiger Erweiterung des Gegenstand von Anspruch 1 gemäß der Zwischenentscheidung und dessen mangelnder erfinderischer Tätigkeit. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte die Beschwerde zurückzuweisen oder das Patent auf der Grundlage der Hilfsanträge 1 bis 6, eingereicht mit Schreiben vom 4. Mai 2007 in geänderter Form aufrechtzuerhalten.
III. Die Beschwerdeführerin stützte sich in ihrer Argumentation im besonderen auf die folgenden Dokumente: (E1) EP 260 631 A1 (E5) DE 40 26 040 A1 (E6) DE 42 12 291 A1 (E7) DE 41 39 580 A1 (E8) EP 0 770 524 A1
IV. Anspruch 1 gemäß der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung lautet wie folgt: "Vorrichtung zur Erleichterung des Ein- und/oder Ausstieges zu bzw. von einem hinter einem Vordersitz (5) angeordneten Fondsitz (4) eines zumindest viertürigen Kraftfahrzeuges wobei die Vorrichtung mit einer Steuereinrichtung (1) versehen ist, welcher ein Signal einer ersten Einrichtung (2a) zum Erfassen eines Einstieges zu dem Fondsitz (4) und/oder ein Signal einer zweiten Einrichtung (2b) zum Erfassen eines Ausstieges von dem Fondsitz (4) zuführbar ist bzw. zugeführt ist, wobei eine Betätigungseinrichtung (3) vorgesehen ist, mit welcher ein Fondsitz (4) eines zumindest viertürigen Kraftfahrzeugs in Längsrichtung zwischen einer vorderen und einer hinteren Endstellung (ESV, ESH) verschiebbar ist und beim Ein- bzw. Ausstieg zu bzw. von dem Fondsitz (4) verschoben wird, und die Steuereinrichtung (1) derart ausgebildet ist, dass bei Erfassen eines Einstieges zu dem Fondsitz (4) durch die erste Einrichtung (2a) welche die Betätigung eines äußeren Türgriffs erfasst, und/oder bei Erfassen eines Ausstieges von dem Fondsitz (4) durch die zweite Einrichtung (2b), welche das Betätigen eines inneren Türgriffs erkennt, die Steuereinrichtung (1) ein Stellsignal zum Verschieben des Fondsitzes (4) in eine definierte hintere Stellung erzeugt und der Betätigungseinrichtung (3) zuführt."
V. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen: Der Gegenstand des strittigen Anspruchs sei unzulässig erweitert, da der Türkontaktschalter nun nicht mehr im Anspruch vorhanden sei. Aus dem gesamten Offenbarungsgehalt des Patents ginge hervor, dass dieser Türkontaktschalter zur Erkennung des beabsichtigten Ein- bzw. Ausstiegs notwendig sei. Dies sei den erteilten Ansprüchen 4 und 5 und der dazugehörigen Passage in Paragraph [0008] zu entnehmen. Dort sei im übrigen die Passage sprachlich verkürzt dargestellt, denn es sei gemeint, dass die Betätigung des äußeren Türgriffs über einen Türkontaktschalter und das Öffnen der Tür über einen Türkontaktschalter erfasst werde. Auch die Beschreibung des Ausführungsbeispiels in Spalte 3, Zeilen 30 ff. der Patentschrift beschreibe einen Türkontaktschalter, der mit dem äußeren Türgriff in Wirkverbindung stehe. Die erst mit Schreiben vom 10. Oktober 2008 eingereichten Dokumente E6 bis E8 seien aufgrund des im Einspruchsverfahren geänderten Anspruchs recherchiert worden. Insbesondere zeige die hochrelevante Entgegenhaltung E6 die Erfassung der Annäherung an einen Türgriff. Damit würden Seitenscheiben der Tür vor der Öffnung abgesenkt werden. Auch hier werde ein beabsichtigter Ein- bzw. Ausstieg frühzeitig erkannt, so dass die Lehre von E6 in Kombination mit E1 den Gegenstand des Anspruch 1 nahelege. Eine erfinderische Tätigkeit sei nicht gegeben, da die Kombination der Dokumente E1 und E5 den Gegenstand des strittigen Anspruchs nahelegten. Das Dokument E5 offenbare, Kopfstützen so frühzeitig von einer Ruhestellung in eine Wirkstellung zu verfahren, dass Mitfahrer durch den Bewegungsablauf nicht gestört werden (Spalte 1, Zeilen 22 ff.). Dazu werde das Öffnen der Tür erkannt (Spalte 1, Zeilen 19-22). Der Begriff Öffnen sei aber weit gefasst und beinhalte im täglichen Sprachgebrauch den Vorgang des Aufschließens, die Betätigung des Türgriffs und das Aufschwenken der Tür. Damit sei die Betätigung des Türgriffs zur Bewegung der Kopfstützen in die Wirkstellung mindestens implizit offenbart. Der Fachmann habe somit eine Anleitung und würde das Betätigen des Türgriffs zur Verstellung des Fondsitzes in das Dokument E1 integrieren und damit zum Gegenstand des Streitpatents gelangen.
VI. Die Beschwerdegegnerin argumentiert, der Paragraph [0008] offenbare zweifelsfrei, dass die Erkennung der Betätigung des äußeren Türgriffs eine Alternative zum Erfassen des Öffnens der Tür über einen Türkontaktschalter darstellt. Diese Alternativen stünden nebeneinander, und die Tatsache, dass nur eine dieser Alternativen der ursprünglichen Anmeldung durch den strittigen Anspruch abgebildet wurde, spiele keine Rolle. Weiterhin sei der Antrag auf Einführung der Dokumente E6 bis E8 in das Verfahren zurückzuweisen, da sie nicht eine dem fortgeschrittenen Verfahrensstand entsprechende Relevanz aufwiesen. Was die erfinderische Tätigkeit beträfe, bestehe zwischen dem Öffnen der Tür und der Betätigung des Griffes ein qualitativer Unterschied. So müsse auf die Betätigung des Türgriffes nicht zwangsläufig sofort ein Öffnen der Tür folgen. Dies sei z.B. dann der Fall, wenn eine Kindersicherung das Öffnen der Tür von Innen verhindere. Dann ließe sich durch die Betätigung des Türgriffs bereits ein Verfahren des Fondsitzes einleiten.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Unzulässige Erweiterung
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß der Zwischenentscheidung ist nicht in unzulässiger Weise erweitert worden (Art. 100 c) EPÜ 1973).
2.1 Die ursprüngliche Anmeldung offenbart neben der Erfassung des Öffnens der Tür zur Erkennung eines beabsichtigten Ein- bzw. Ausstiegs auch die Betätigung des äußeren bzw. inneren Türgriffs. Dies geht aus Paragraph [0008] hervor. Dort werden die Alternativen zur Erfassung des Einstiegs nebeneinandergestellt: "... Gemäß einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung wird als beabsichtigter Einstieg die Betätigung eines äußeren Türgriffes oder das Öffnen der Tür an sich über einen Türkontaktschalter erfaßt ...".
2.2 Dem Argument der Beschwerdeführerin, diese Passage sei lediglich sprachlich verkürzt, da sie sich auf die abhängigen ursprünglichen Ansprüche 4 und 5 beziehe, und diese eben einen Türkontaktschalter definierten, kann die Kammer nicht folgen. Es gibt zunächst keinen Hinweis in der Beschreibung, dass die in Paragraph [0008] beschriebenen Alternativen der vorteilhaften Weiterbildung vollständig oder teilweise in den Ansprüchen 4 bzw. 5 definiert wären. Auch spricht gegen das Argument der sprachlichen Verkürzung, dass der 2. Satz von Paragraph [0008], der den beabsichtigten Ausstieg beschreibt, überhaupt keinen Türkontaktschalter erwähnt: "Ein beabsichtigter Ausstieg kann einmal über das Betätigen eines inneren Türgriffs oder das Öffnen der Tür von innen aber auch durch das Öffnen des dem entsprechenden Fondsitz zugeordneten Gurtschlosses erkannt werden." Somit hat die Kammer keine Zweifel, dass die ursprüngliche Anmeldung klar und eindeutig zwei Alternativen zur Erkennung des Ein- bzw. Ausstiegs offenbart, wobei sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß der Zwischenentscheidung auf eine der beiden Alternativen beschränkt. Eine derartige Einschränkung stellt keine unzulässige Erweiterung dar.
Zulässigkeit der Dokumente E6 bis E8
3. Die Kammer vertritt die Auffassung, dass die Beweismittel E6 (DE 42 12 291 A1), E7 (DE 41 39 580 A1) und E8 (EP 0 770 524 A1) sowohl grundlos verspätet eingereicht wurden, als auch keine Relevanz für den Ausgang des Verfahren aufweisen, so dass eine Zulassung in das Verfahren nicht geboten ist, Art. 114 (2) EPÜ 1973, Art. 12 (2) und 13 (1) VOBK.
3.1 Die Beweismittel E6, E7 und E8 der Beschwerdeführerin sind erst am 14. Oktober 2008 eingegangen, mehr als sieben Monate nach Ablauf der Frist für die Beschwerdebegründung. Eine Begründung dafür liegt nicht vor.
3.2 Die Beschwerdeführerin führt aus, dass insbesondere das Dokument E6 hochrelevant sei, da dort die Erfassung einer Annäherung an einen Türgriff beschrieben sei. E6 lege den Gegenstand des angegriffenen Anspruchs in Kombination mit E1 nahe.
In E6 wird die Annäherung an einen Türgriff erfasst, um die rahmenlosen und an der Oberseite in Dichtungen gefassten Seitenscheiben absenken zu können, bevor die Tür eine Aufschwenkbewegung vollzieht. Dieses Absenken der Seitenscheiben ist zeitkritisch und muss vor dem Öffnen der Tür geschehen. Obwohl eine Annäherung an den Türgriff mit hoher Wahrscheinlichkeit immer einen Ein- bzw. Ausstiegswunsch zur Ursache hat, liegt beim Streitpatent eine völlig andere Situation vor: weder sind die technischen Mittel, noch die Auswirkung vergleichbar mit denen des Streitpatents. Die Kammer hat daher erhebliche Zweifel, dass der Fachmann dieses Dokument überhaupt in Betracht ziehen würde. Auf jeden Fall ist sie davon überzeugt, dass dieses Dokument nicht so relevant ist, als dass der Verfahrensausgang wahrscheinlich von dessen Zulassung beeinflusst wäre.
Auch die Dokumente E7 und E8 sind weniger relevant als der bereits im Verfahren befindliche Stand der Technik.
Erfinderische Tätigkeit
4. Das Dokument E1 offenbart:
"Vorrichtung zur Erleichterung des Ein- und/oder Ausstieges zu bzw. von einem hinter einem Vordersitz angeordneten Fondsitz eines zumindest viertürigen Kraftfahrzeuges (Zusammenfassung, Fondsitz 3) wobei die Vorrichtung mit einer Steuereinrichtung versehen ist (central electronic unit 26, Fig. 2, Spalte 3, Zeilen 21. ff.), welcher ein Signal einer ersten Einrichtung zum Erfassen eines Einstieges zu dem Fondsitz (4) und/oder ein Signal einer zweiten Einrichtung (2b) zum Erfassen eines Ausstieges von dem Fondsitz (4) zuführbar ist bzw. zugeführt ist (dito, Türkontaktschalter 23, Spalte 3, Zeilen 4 und 5), wobei eine Betätigungseinrichtung vorgesehen ist, mit welcher ein Fondsitz eines zumindest viertürigen Kraftfahrzeugs in Längsrichtung zwischen einer vorderen und einer hinteren Endstellung verschiebbar ist und beim Ein- bzw. Ausstieg zu bzw. von dem Fondsitz verschoben wird (Zusammenfassung, Fig. 1), und die Steuereinrichtung derart ausgebildet ist, dass bei Erfassen eines Einstieges zu dem Fondsitz durch die erste Einrichtung, [ ... ], und/oder bei Erfassen eines Ausstieges von dem Fondsitz durch die zweite Einrichtung, [ ... ], die Steuereinrichtung (1) ein Stellsignal zum Verschieben des Fondsitzes (4) in eine definierte hintere Stellung erzeugt und der Betätigungseinrichtung (3) zuführt."
5. Der Gegenstand des angegriffenen Anspruchs 1 unterscheidet sich von der in E1 offenbarten Vorrichtung darin, dass
die erste Einrichtung die Betätigung eines äußeren Türgriffs erfasst, und/oder die zweite Einrichtung die Betätigung eines inneren Türgriffs erkennt.
E1 offenbart lediglich eine einzige Einrichtung, den Türkontaktschalter 23, der das Öffnen der Tür erkennt, und dessen Signal sowohl für den Einstieg als auch für den Ausstieg verwendet wird. Demgegenüber wird erfindungsgemäß der Ein- bzw. Ausstiegswunsch über das Erkennen des einleitenden Schritts des beabsichtigten Ein- bzw. Ausstiegsvorgangs erfasst. Somit wird die technische Aufgabe gelöst, die Fondsitzverstellung zur Erleichterung des Einstiegs zum Fondsitz bzw. des Ausstiegs aus dem Fondsitz flexibler zu gestalten (Spalte 1, Zeilen 53 ff. der Anmeldung).
5.1 Die Kammer sieht einen qualitativen Unterschied zwischen der Erkennung des Aufschwenkens einer Tür, wie in E1 durch den Türkontaktschalter 23 erfasst, und der Erfassung der Betätigung eines Türgriffs und folgt damit der Argumentation der Beschwerdegegnerin. So gibt es Situationen, in denen das Betätigen des Türgriffs nicht zwangsläufig ein sofortiges Öffnen der Tür zur Folge hat. Wenn z.B. die Kindersicherung aktiviert ist, die ein Öffnen einer hinteren Tür von innen verhindert, so kann dann trotzdem durch die Betätigung des inneren Türgriffs der Fondsitz verfahren werden, um den nötigen Platz zum Aussteigen sicherzustellen.
5.2 Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin im Prinzip zu, dass im Sprachgebrauch u.U. unter den Begriff Öffnen einer Fahrzeugtür außer dem Aufschwenken einer Tür auch weitere Verfahrensschritte wie das Aufschließen fallen könnten. Daraus kann aber nach Auffassung der Kammer keine implizite Offenbarung hergeleitet werden, dass die in Dokument E5 beschriebene Verfahrbewegung der Kopfstütze durch eine Betätigung eines Türgriffes ausgelöst wird: dafür gibt es in E5 keinen Hinweis. Der Fachmann würde das Dokument E5 aufgrund der gesamten Offenbarung so verstehen, dass dort mit dem Begriff Öffnen einer Tür das Aufschwenken derselben gemeint sein muss. So bezieht sich beispielsweise die Passage in Spalte 2, Zeilen 8 bis 13 auf einen üblichen Türkontaktschalter, der auf das Öffnen der Tür reagiert und das Innenlicht einschaltet.
5.3 Daher kommt die Kammer zu dem Schluss, dass weder E1, E5 noch der weitere im Verfahren genannte Stand der Technik die Lösung des Streitpatents nahelegt. Keines der Dokumente offenbart die Erfassung der Betätigung eines Türgriffs zur Erkennung des beabsichtigten Ein- bzw. Ausstiegs oder legt sie nahe. Daher erfüllt Anspruch 1 gemäß der Zwischenentscheidung die Anforderungen an den Art. 56 EPÜ 1973.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.