T 2020/07 () of 28.7.2011

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2011:T202007.20110728
Datum der Entscheidung: 28 Juli 2011
Aktenzeichen: T 2020/07
Anmeldenummer: 00971319.9
IPC-Klasse: C08F 8/32
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung Polyisobutenphenol-haltiger Mannichaddukte
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: Lubrizol Limited
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Neuheit - Haupt-, erster und zweiter Hilfsantrag (verneint)
Klarheit - dritter Hilfsantrag (verneint)
Neuheit - vierter Hilfsantrag (bejaht)
Neuheit - Disclaimer
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/03
G 0002/03
T 0332/87
T 0762/90
T 0278/97
T 0480/98
T 0190/99
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2015/16

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am 19. Oktober 2007 schriftlich ergangene Entschei dung der Einspruchsabteilung vom 26. September 2007, mit der das europäische Patent 1 226 188 widerrufen worden ist.

II. Das Patent beruhte auf der mit der Priorität der deutschen Voranmeldung 199 48 111.3 vom 6. Oktober 1999 eingereichten Anmeldung 00 971 319.9 vom 5. Oktober 2000 und war mit 15 Ansprüchen erteilt worden.

Anspruch 1 (in der von der Anmelderin vorgelegten und von der Prüfungsabteilung genehmigten Fassung) lautete:

Verfahren zur Herstellung Polyisobutenphenol-haltiger Mannichaddukte durch

a) Alkylierung eines Phenols mit Polyisobuten, das einen Anteil an Vinyliden-Doppelbindungen von größer 70 Mol-% und ein zahlenmittleres Molekulargewicht von 300 bis 3000 aufweist, bei einer Temperatur unterhalb von etwa 50ºC in Gegenwart eines Alkylierungskatalysators;

b) Umsetzung des Reaktionsproduktes aus a) mit

Formaldehyd, einem Oligomer oder einem Polymer des Form aldehyds und

wenigstens einem Amin, das wenigstens eine sekundäre Aminofunktion und keine primäre Aminofunktion aufweist, oder

c) Umsetzung des Reaktionsproduktes aus a) mit wenigstens einem Addukt aus wenigstens einem Amin, das wenigstens eine sekundäre oder primäre Aminofunktion aufweist, und Formaldehyd, einem Oligomer des Formaldehyds, einem Polymer des Formaldehyds oder einem Formaldehydäquivalent.

Ansprüche 2 bis 9 bezogen sich auf das Verfahren nach Anspruch 1.

Anspruch 10 lautete:

Mannichaddukt, erhältlich durch

a) Alkylierung eines Phenols mit Polyisobuten, das einen Anteil an Vinyliden-Doppelbindungen von größer 70 Mol-% und ein zahlenmittleres Molekulargewicht von 300 bis 3000 aufweist, bei einer Temperatur unterhalb von etwa 50ºC in Gegenwart eines Alkylierungskatalysators;

b) Umsetzung des Reaktionsproduktes aus a) mit

Formaldehyd, einem Oligomer oder einem Polymer des Formaldehyds und

wenigstens einem Amin, das wenigstens eine sekundäre Aminofunktion und keine primäre Aminofunktion aufweist.

Die weiteren unabhängigen Ansprüche 11 bis 14 waren auf verschiedene den Einsatz dieses Mannichadduktes betref fende Gegenstände gerichtet, darunter Anspruch 13 auf eine Kraftstoffzusammensetzung, mit deren Verwendung als Otto- oder Dieselkraftstoff sich Anspruch 15 befasste.

III. Gegen dieses Patent war am 19. August 2005 Einspruch wegen fehlender Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 54 und 56 EPÜ) eingelegt worden.

IV. In der am Ende einer mündlichen Verhandlung am 26. September 2007 verkündeten Entscheidung widerrief die Einspruchsabteilung das Patent wegen fehlender Neuheit und verwies dabei auf die folgende Literatur:

| D1: |WO-A-00/78898 (veröffentlicht a|

| |m 28. Dezember 2000) |

| | |

| D8: | EP-A-0 831 141 |

| | |

| | |

| D9: |Sir R. Norman, J.M. Coxon, "Pri|

| |nciples of Organic Synthesis", |

| |3. Auflage, Blackie Academic & |

| |Professional, London 1993, Seit|

| |en 261 bis 264 |

| | |

| D10: |J. March, "Advanced Organic Che|

| |mistry", 4. Auflage, J.Wiley & |

| |Sons, New York 1992, Seite 900 |

| |und |

| | |

| D12: | US-A-5 725 612. |

| | |

| | |

(1) Die Einspruchsabteilung befand, dass im Anspruch 1 die in Absatz b) von Anspruch 1 beschriebene Verfahrens variante (im Folgenden als "Variante b)" bezeichnet) eine "Eintopfreaktion" betraf, bei der das Produkt aus der Reaktionsstufe a) mit Formaldehyd bzw. einem Oligo mer oder Polymer des Formaldehyds und wenigstens einem spezifischen Amin umgesetzt wurde, während in der in Abschnitt c) des Anspruchs beschriebenen "Variante c)" die Umsetzung des Produktes aus (a) mit einem "Addukt" aus wenigstens einem spezifischen Amin und Formaldehyd, einem Oligomer des Formaldehyds, einem Polymer des Form aldehyds oder einem Formaldehydäquivalent gefordert war.

(2) In der Sache befand sie, mit dem Ausdruck "wenigs tens einem Amin" werde die Anwesenheit "anderer" Amine als der im Anspruch 1 definierten nicht ausgeschlossen. Zudem umfasse der Ausdruck "Addukt" auch solche, die in situ, also in einer "Eintopfreaktion" erhalten würden, auch wenn in Abschnitt [0054] des Streitpatents in dieser Hinsicht eine "andere" Lehre angeboten werde. Die Frage der Neuheit sei nur anhand des tatsächlichen Umfangs der unabhängigen Ansprüche zu klären. Dabei sah die Einspruchsabteilung ihre Interpretation der Ansprü che als mit der Entscheidung T 190/99 vom 6. März 2001 (nicht im ABl. EPA veröffentlicht) im Einklang stehend an.

(3) Der Variante b) der Ansprüche 1 und 10 sprach die Einspruchsabteilung die Neuheit ab, obwohl im einzigen Beispiel von D1 ausschließlich Ethylendiamin, also im Gegensatz zu Absatz b) der beiden Ansprüche ein Amin mit zwei primären Aminogruppen eingesetzt worden war. Dieses Beispiel sei jedoch als repräsentativ für die allgemeine Lehre von D1 anzusehen, und so könne das Ethylendiamin durch andere im allgemeinen Teil der Beschreibung von D1 aufgezählte Amine, z.B. Dimethylamin, Dibutylamin oder Morpholin ersetzt werden, ohne dabei eine unzulässige, in dieser Form nicht explizit offen barte neue Kombi nation von Merkmalen zu kreieren. Dabei verwies sie auf die Entscheidung T 332/87 vom 23. November 1990 (nicht im ABl. EPA veröffentlicht).

(4) Auch die Variante c) von Anspruch 1 sei durch die Offenbarung von D1 neuheitsschädlich getroffen, weil sich im erforderlichen Reaktionsablauf zwangsläufig ein "Addukt" aus Aldehyd und Amin in situ bilden müsse, bevor die Folgereaktion zum gewünschten Mannichaddukt ablaufen könne. Als Beleg hierfür verwies die Ein spruchsabteilung insbesondere auf die Lehrbücher D9 und D10. Eine explizite Offenbarung eines solchen in situ erzeugten Addukts in D1 sei daher nicht nötig.

(5) Zum gleichen Ergebnis gelangte die Einspruchs abteilung im Bezug auf Variante c) auch auf der Basis des experimentellen Teils von D8 bzw. auf der Grundlage von D12.

(6) Aus diesen Gründen schloss die Einspruchsabteilung, dass die Gesamtheit der Merkmale beider Varianten des Verfahrensanspruchs 1 und auch die des auf Variante b) beruhenden Product-by-Process-Anspruchs 10 in den Druck schriften D1, D8 und/oder D12 für den Fachmann direkt und zweifelsfrei erkenntlich vorbeschrieben sei, und beurteilte die Gegenstände dieser beiden Ansprüche als nicht neu.

(7) Zur erfinderischen Tätigkeit äußerte sich die Einspruchsabteilung nicht.

V. Gegen diese Entscheidung erhob die Patentinhaberin am 17. Dezember 2007 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde. In ihrer am 27. Februar 2008 eingereichten Beschwerdebegründung widersprach sie der Argumentation in der angefochtenen Entscheidung und reichte gleichzeitig einen Hauptantrag sowie Hilfsanträge 1 bis 11 ein. Außerdem ergänzte sie den während des Einspruchsverfahrens mit Schriftsatz vom 13. Juli 2007 eingereichten Versuchsbericht (nun als Versuchsbericht 1 bezeichnet) durch drei weitere, die sie als D15, D16 und D17 bezeichnete.

VI. Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2011 ersetzte die Beschwer deführerin ihre sämtlichen Anträge durch einen neuen Hauptantrag und sechs neue Hilfsanträge, die zunächst die Grundlage der Diskussion während der am 28. Juli 2011 abgehaltenen mündlichen Verhandlung bildeten. Im Laufe der mündlichen Verhandlung, in der die Kammer zu verstehen gab, dass sie einen in den Ansprüchen der Hilfsanträge 3 bis 5 enthaltenen Disclaimer für nicht zulässig hielt, reagierte die Beschwerdeführerin auf den Gang der Diskussion durch mehrmalige Änderung ihrer Hilfsanträge. So ersetzte sie die am 27. Mai 2011 eingereichten Hilfsanträge 3 bis 5 zunächst durch eine geänderte Version dieser Hilfsanträge, zog diese dann aber wieder zurück und reichte stattdessen die Hilfs anträge 3 und 4 in neuer Version ein. Den mit Schreiben vom 27. Mai 2011 eingereichten 6. Hilfsantrag hielt sie als 5. Hilfsantrag aufrecht. Alle von der Beschwerde führerin im Laufe des Beschwerdeverfahrens vorgelegten neuen Anspruchssätze wurden als Kopien aus der gedruck ten Patentschrift mit hand- oder maschinenschriftlich ein- bzw. angefügten Änderungen eingereicht.

Letztlich lagen der Kammer neben dem Hauptantrag fünf Hilfsanträge der Beschwerdeführerin zur Entscheidung vor. Im Folgenden sind die jeweiligen Änderungen gegenüber den gedruckten Fassungen der Ansprüche der Patentschrift unterstrichen.

(1) Anspruch 1 des mit Schreiben vom 27. Mai 2011 ein gereichten Hauptantrags lautete wie folgt:

Verfahren zur Herstellung Polyisobutenphenol-haltiger Mannichaddukte durch

a) Alkylierung eines Phenols mit Polyisobuten, das einen Anteil an vinyliden-Doppelbindungen von gröBer 70 Mol-% [sic] und ein zahlenmittleres Molekulargewicht von 300 bis 3000 aufweist, bei einer Temperatur unterhalb von etwa 50ºC in Gegenwart eines Alkylierungskatalysators;

b) Umsetzung des Reaktionsproduktes aus a) mit

Formaldehyd, einem Oligomer oder einem Polymer des Form aldehyds und

wenigstens einem Amin, das wenigstens eine sekundäre Aminofunktion und keine primäre Aminofunktion aufweist, oder

c) Umsetzung des Reaktionsproduktes aus a) mit wenigstens einem Addukt aus wenigstens einem Amin, das wenigstens eine sekundäre oder primäre Aminofunktion aufweist, und Formaldehyd, einem Oligomer des Formaldehyds, einem Poly mer des Formaldehyds oder einem Formaldehydäquivalent, wobei man in Schritt c) ein Addukt einsetzt, das aus wenigstens einem Amin und Formaldehyd, einem Oligomer des Formaldehyds, einem Polymer des Formaldehyds oder einem Formaldehydäquivalent durch wenigstens 15-minütige Umsetzung der beiden Reaktanden bei einer Temperatur oberhalb von +15ºC erhalten wird und man in Abwesenheit des Polyisobutenphenols das Addukt bildet und dieses Addukt erst anschließend mit dem Polyisobutenphenol umsetzt.

Der Produktanspruch, nun Anspruch 9, blieb wie erteilt, der erteilte Anspruch 6 entfiel.

(2) Im 1. Hilfsantrag (eingereicht mit Schreiben vom 27. Mai 2011) lautete Anspruch 1 wie folgt:

Verfahren zur Herstellung Polyisobutenphenol-haltiger Mannichaddukte durch

a) Alkylierung eines Phenols mit Polyisobuten, das einen Anteil an vinyliden-Doppelbindungen von gröBer 70 Mol-% [sic] und ein zahlenmittleres Molekulargewicht von 300 bis 3000 aufweist, bei einer Temperatur unterhalb von etwa 50ºC in Gegenwart eines Alkylierungskatalysators;

b) Umsetzung des Reaktionsproduktes aus a) mit

Formaldehyd, einem Oligomer oder einem Polymer des Form aldehyds und

wenigstens einem Amin HNR**(4)R**(5), wobei die Reste R**(4) und R**(5) für Methyl, Ethyl, n-Propyl, Isopropyl, n-Butyl, iso-Butyl, sek.-Butyl, tert.-Butyl, n-Pently oder n-Hexyl stehen, oder

c) Umsetzung des Reaktionsproduktes aus a) mit wenigstens einem Addukt aus wenigstens einem Amin, das wenigstens eine sekundäre oder primäre Aminofunktion aufweist, und Formaldehyd, einem Oligomer des Formaldehyds, einem Poly mer des Formaldehyds oder einem Formaldehydäquivalent, wobei man in Schritt c) ein Addukt einsetzt, das aus wenigstens einem Amin und Formaldehyd, einem Oligomer des Formaldehyds, einem Polymer des Formaldehyds oder einem Formaldehydäquivalent durch wenigstens 15-minütige Umsetzung der beiden Reaktanden bei einer Temperatur oberhalb von +15ºC erhalten wird und man in Abwesenheit des Polyisobutenphenols das Addukt bildet und dieses Addukt erst anschließend mit dem Polyisobutenphenol umsetzt.

Im Produktanspruch, nun Anspruch 7, war der Absatz b) in gleicher Weise wie im Anspruch 1 umformuliert. Außerdem wurden Anspruch 2 auf "Dimethylamin, Diethylamin oder Di-n-propylamin" beschränkt und die erteilten Ansprüche 3, 4 und 6 gestrichen.

(3) Der 2. Hilfsantrag, mit Schreiben vom 27. Mai 2011 eingereicht, unterschied sich vom 1. Hilfsantrag im Anspruch 1 durch die Streichung des Wortes "oder" am Ende von Absatz b) und des Absatzes c) und die Strei chung von "oder c)" aus dem umnummerierten Anspruch 4.

(4) Anspruch 1 des 3. Hilfsantrags, der nur noch Verfahrensansprüche enthielt und während der mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2011 eingereicht worden war, lautete wie folgt:

Verfahren zur Herstellung Polyisobutenphenol-haltiger Mannichaddukte durch

a) Alkylierung eines Phenols mit Polyisobuten, das einen Anteil an vinyliden-Doppelbindungen von gröBer 70 Mol-% [sic] und ein zahlenmittleres Molekulargewicht von 300 bis 3000 aufweist, bei einer Temperatur unterhalb von etwa 50ºC in Gegenwart eines Alkylierungskatalysators;

b) Umsetzung des Reaktionsproduktes aus a) mit

Formaldehyd, einem Oligomer oder einem Polymer des Form aldehyds und

wenigstens einem Amin HNR**(4)R**(5), wobei die Reste R**(4) und R**(5) für Methyl, Ethyl, n-Propyl, Isopropyl, n-Butyl, iso-Butyl, sek.-Butyl, tert.-Butyl, n-Pentyl oder n-Hexyl stehen, ausgenommen ein Verfahren, bei dem man in Schritt a) folgendermaßen vorgeht:

Phenol (203.2 g, 2.16 mol) wird bei 40ºC geschmolzen und in einem 5 l Rundkolben zu Bortrifluoridetherat (73.5ml, 0.60 mol) gegeben. Ultravis 10 (1040 g, 1.09 mol) wird in Hexan (1863 ml) gelöst und die Lösung wird in den Phenol enthaltenden Kolben über einen Tropftrichter mit Druck ausgleich innerhalb von 3 Stunden mit einer solchen Geschwindigkeit gegeben, dass die Temperatur des Reaktionsgemischs 22 bis 27 ºC beträgt. Die Lösung wird weitere 16 Stunden bei Raumtemperatur gerührt, bevor Ammoniak (400 ml einer 30 Gew.-%igen wässrigen Lösung, 2.88 mol) zugegeben wird. Wasser (1000 ml) wird hinzu gefügt und das Gemisch wird gerührt. Die Lösung wird in einem 5 l Scheidetrichter in eine organische und eine wässrige Phase getrennt. Die wässrige Phase wird mit Hexan extrahiert. Es werden vier Extraktionsschritte mit jeweils 500 ml Hexan durchgeführt. Die organischen Phasen der vier Extraktionsschritte werden kombiniert und über MgSO4 über Nacht getrocknet und dann über eine 12 mm Celite-Schicht filtriert. Das Lösungsmittel wird bei 80 ºC/23” Hg vom Filtrat am Rotationsverdampfer entfernt;

und das Amin Dimethylamin, N-methyl-ethylamin oder Dibutylamin ist.

An diesen Anspruch schlossen sich die abhängigen Ansprü che 2 bis 6 an, die auf den erteilten Ansprüchen 2, 5, 7, 8 und 9 in angepasster Fassung beruhten. Wie aus der geänderten Zählung der abhängigen Ansprüche ersichtlich, wurde offensichtlich der erteilte Anspruch 6 irrtümlich nicht aus dem vorgelegten Anspruchssatz dieses Hilfs antrags gestrichen.

(5) Der während der mündlichen Verhandlung am 28. Juli eingereichte 4. Hilfsantrag unterschied sich von diesem 3. Hilfsantrag nur durch die unterstrichenen Änderungen im Disclaimer in den beiden letzten Absätzen von Anspruch 1:

Phenol (203.2 g, 2.16 mol) wird bei 40ºC geschmolzen und in einem 5 l Rundkolben zu Bortrifluoridetherat (73.5ml, 0.60 mol) gegeben. Ein Polyisobuten mit einem zahlen mittleren Molekulargewicht von etwa 950 und einem Methyl vinylidengehalt von etwa 82 % (1040 g, 1.09 mol) wird in Hexan (1863 ml) gelöst und die Lösung wird in den Phenol enthaltenden Kolben über einen Tropftrichter mit Druck ausgleich innerhalb von 3 Stunden mit einer solchen Geschwindigkeit gegeben, dass die Temperatur des Reaktionsgemischs 22 bis 27 ºC beträgt. Die Lösung wird weitere 16 Stunden bei Raumtemperatur gerührt, bevor Ammoniak (400 ml einer 30 Gew.-%igen wässrigen Lösung, 2.88 mol) zugegeben wird. Wasser (1000 ml) wird hinzu gefügt und das Gemisch wird gerührt. Die Lösung wird in einem 5 l Scheidetrichter in eine organische und eine wässrige Phase getrennt. Die wässrige Phase wird mit Hexan extrahiert. Es werden vier Extraktionsschritte mit jeweils 500 ml Hexan durchgeführt. Die organischen Phasen der vier Extraktionsschritte werden kombiniert und über MgSO4 über Nacht getrocknet und dann über eine 12 mm Celite-Schicht filtriert. Das Lösungsmittel wird bei 80 ºC/23” Hg vom Filtrat am Rotationsverdampfer entfernt;

und bei dem das Amin Dimethylamin, N-methyl-ethylamin oder Dibutylamin ist.

(6) Der 5. Hilfsantrag (mit Schreiben vom 27. Mai 2011 als 6. Hilfsantrag eingereicht) unterschied sich vom 2. Hilfsantrag nur durch die Beschränkung auf dessen Ansprüche 1 bis 6.

VII. In ihrer Erwiderung vom 10. November 2008 auf die Beschwerdebegründung hatte die Beschwerdegegnerin den von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Argumenten widersprochen und weitere Dokumente eingereicht:

| D18: |Declaration von Dr. P.R. Steven|

| |son vom 14. Oktober 2008, |

| | |

| D19: |CRC Handbook of Chemistry and P|

| |hysics, 69. Auflage, CRC Press,|

| | Boca Raton 1988, Seiten C-246 |

| |und C-271) |

| | |

| D20: |Declaration von Dr. D.J. Moreto|

| |n vom 14. Oktober 2008, |

| | |

| D21: |Declaration von J. Schoonover v|

| |om 21. August 2008, und |

| | |

| D22: |Lubrizol Ltd., "MATERIAL SAFETY|

| |DATA SHEET" für Dimethylamin (4|

| |0 gew.-%ige Lösung in Wasser) m|

| |it Datum: 23/01/01. |

| | |

Mit einer weiteren Eingabe vom 4. Juli 2011 reichte die Beschwerdegegnerin zwei weitere Declarations ein:

| D23: |Declaration von Dr. P.R. Steven|

| |son vom 28. Juni 2008 und |

| | |

| D24: |Declaration von Dr. A. Clarke v|

| |om 29. Juni 2008. |

| | |

VIII. Am 28. Juli 2011 fand eine mündliche Verhandlung statt, zu der die Ladung am 31. März 2011 ergangen war.

IX. Die im schriftlichen und mündlichen Verfahren vorge brachten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Zum Hauptantrag

(1) Die Beschwerdeführerin widersprach der Auffassung der Einspruchsabteilung, dass mit dem Ausdruck "wenigs tens ein Amin" in den Verfahrensschritten b) und c) von Anspruch 1 des Hauptantrags die Anwesenheit "anderer" Amine nicht ausgeschlossen sei. Vielmehr schließe die vorliegende Formulierung in den Absätzen b) der Ansprü che 1 und 10 den Einsatz anderer Amine als solcher, die "wenigstens eine sekundäre Aminofunktion und keine primäre Aminofunktion aufweisen", ausdrücklich aus.

(2) Auch der Auffassung, in Variante c) von Anspruch 1 des Hauptantrags würden in situ gebildete Addukte (und somit auch nicht isolierbare Übergangszustände) umfasst, widersprach die Beschwerdeführerin unter Verweis auf die Klarstellung des Anspruchs 1 durch die Einbeziehung des Merkmals aus dem erteilten Anspruch 6.

(3) Zur Neuheit des Hauptantrags trug die Beschwerde führerin vor, dass die Druckschrift D1 als nachveröf fentlichte ältere Anmeldung nur für die Neuheit relevant sei (Artikel 54(3) und 54(4) EPÜ 1973) und eine Zusam mensetzung, die ein Mannichprodukt in Kombination mit einem Alkohol enthalte, und deren Verwendung als Detergenzadditiv für Kohlenwasserstoff-Kraftstoffe beschreibe. Das Mannichprodukt werde aus (A) einem alkylierten Hydroxyaromaten mit einem Kohlenwasserstoff rest, der bis zu 400 C-Atome aufweisen könne, (B) einem Aldehyd oder Keton und (C) einem Gemisch aus Wasser und Amin, das wenigstens eine primäre oder sekundäre Amino gruppe aufweise, erhalten. Ein Verfahren zur Herstellung des alkylierten Hydroxyaromaten, das dem Schritt a) des Streitpatents entspräche, werde in der allgemeinen Beschreibung von D1 aber nicht offenbart. Lediglich Teil A des Beispiels von D1 gebe ein solches Herstellungs verfahren an. Da jedoch im Teil B des Beispiels von D1 das Polyisobutenyl-substituierten Phenol (PIB-Phenol) aus Teil A mit Ethylendiamin zu einem Mannichprodukt um gesetzt werde, also einem Amin mit zwei primären Amino gruppen, werde dort Schritt b) gemäß Streitpatent nicht verwirklicht. Folglich nehme das dortige Beispiel den Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags nicht vorweg.

(4) Der Auffassung der Einspruchsabteilung, dass in Anlehnung an T 332/87 (oben) das Ethylendiamin durch andere in der allgemeinen Beschreibung aufgezählte Amine ersetzt werden könne, ohne dass eine neue Kombination kreiert werde, widersprach die Beschwerdeführerin.

Das Beispiel stelle vielmehr eine in sich abgeschlossene Lehre dar. Auch könne daraus nicht abgeleitet werden, dass und welche der Ausgangsmaterialien ausgetauscht bzw. welche Parameter verändert werden müssten. Zur Auswahl stünde dann jede der Komponenten (A), (B) und (C) in der vollen Breite ihrer Definitionen auf den Seiten 1 und 2 von D1. Dabei könne zudem nicht von nur einer Liste von Aminen die Rede sein, da ein Teil der Verbindungen nicht mit Wasser mischbar seien. Dies werde aber in den dortigen Ansprüchen verlangt. Außerdem verlange D1 eindeutig die Anwesenheit von Alkohol, enthalte aber in ihrer allgemeinen Beschreibung darüber hinaus keinerlei Angaben zu Einzelheiten des Herstellungsverfahrens.

Daher könne der gezielte Rückgriff auf einige in der Beschreibung von D1 genannte Amine die Neuheit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 9 des Hauptantrags nicht in Frage stellen. Folglich sei auch die Variante b) neu. Zudem ergebe sich aus den Unterschieden in den Ventil ablagerungen in den Beispielen und Versuchsberichten, dass die Produkte verschieden seien.

(5) Die von der Einsprechenden genannten Entscheidungen waren nach Ansicht der Beschwerdeführerin nicht einschlägig, da dort andere Umstände geherrscht hätten. So sei es in T 332/87 um die Addition eines Merkmals, nicht aber um seinen Ersatz gegangen.

(6) Außerdem machte die Beschwerdeführerin geltend, dass der Ausschluss primärer Amine eine präzisere Definition darstelle als die in D1 enthaltene Definition dieser Komponente als Amine mit mindestens einer primären oder sekundären Aminofunktion.

(7) Abgesehen von einer kurzen Wiederholung der Argumente zu D8 und D12 aus der Beschwerdebegründung durch die Beschwerdeführerin wurden in der mündlichen Verhandlung nur noch Argumente zu D1 ausgetauscht.

Zur Druckschrift D8 argumentierte die Beschwerdeführerin, dass es unstreitig sei, dass diese Druckschrift für die Frage der Neuheit der Variante b) nicht relevant sei.

Was die Variante c) angehe, so werde die Neuheit dieser Ausführungsform auch nicht von D8 vorweggenommen, da sie nicht offenbare, in der Mannichreaktion ein Addukt einzusetzen, das durch eine wenigstens 15-minütige Umsetzung wenigstens eines Amins, das wenigstens eine sekundäre oder primäre Aminofunktion aufweise, mit Formaldehyd oder Oligomer, Polymer oder Äquivalent davon bei einer Temperatur oberhalb 15ºC erhalten werde.

Zu D12 stimmte die Beschwerdeführerin der Anerkennung der Neuheit der Variante b) in der Streitentscheidung zu und argumentierte zur Variante c) genauso wie zu D8.

Zu den Hilfsanträgen 1 und 2

(8) Zu den beiden Hilfsanträgen 1 und 2 verwies die Beschwerdeführerin darauf, dass darin die eingesetzten Amine nicht mehr allgemein als sekundäre Amine bezeich net, sondern auf Grundlage der Beschreibung noch genauer definiert worden seien, um zu demonstrieren, dass Amine mit primären Aminofunktionen ausgeschlossen seien.

Zu den Hilfsanträgen 3 und 4

(9) Zur Einreichung des 3. Hilfsantrags vom 27. Mai 2011 argumentierte die Beschwerdeführerin, dass die Beschwerdegegnerin dadurch im Hinblick auf einige schon mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge keinesfalls überrascht worden sein könne.

(10) Die Beschwerdeführerin stellte ihr Bemühen heraus, den Disclaimer so eng wie möglich an die Offenbarung im Beispiel von D1 anzupassen und auch den Rückgriff auf die dortige Beschreibung so exakt wie möglich durchzu führen, um das beanspruchte Verfahren eindeutig und in zulässiger Weise von D1 abzugrenzen und damit Neuheit herzustellen.

(11) In der Diskussion der Hilfsanträge 3 und 4 trug die Beschwerdeführerin weiter vor, dass ein Verfahren, das die Maßnahmen gemäß Teil A des Beispiels ausschließe, wohl neu sein müsse, da sein Gegenstand durch diesen Disclaimer gegenüber der Offenbarung von D1 abgegrenzt sei. D1 könnte allenfalls bezüglich Variante b) für die Frage der Neuheit relevant sein. Dies gelte dann auch für die spezielle Merkmalskombination des Beispiels von D1, die nun durch den Disclaimer ausgeschlossen sei.

X. Die im schriftlichen und mündlichen Verfahren vorge brachten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Zum Hauptantrag und zu den Hilfsanträgen 1 und 2

(1) Die Beschwerdegegnerin erhob gegen die Änderungen im Hauptantrag und in den Hilfsanträgen 1 und 2 keine Einwände unter den Artikeln 84 bzw. 123(2) EPÜ.

(2) Zur Neuheit des Hauptantrags gegenüber D1 folgte die Beschwerdegegnerin den Argumenten und Feststellungen zur Neuheit in der Streitentscheidung.

(3) So beruhten die Argumente der Beschwerdegegnerin auf der Abänderung des einzigen Beispiels von D1 durch den Ersatz des darin verwendeten Ethylendiamins durch ein Amin aus der Liste der Amine auf den Seiten 6 bis 8 von D1. Genau wie die Streitentscheidung erachtete sie einen derartigen Ersatz eines Merkmals in einem Beispiel durch einen speziellen Bestandteil einer Liste in der allgemeinen Beschreibung im Lichte der Entscheidungen T 332/87 (oben) oder T 278/97 vom 21. März 2001 (nicht im ABl. EPA veröffentlicht) als Grundlage für den Einwand fehlender Neuheit für zulässig.

(4) Das einzige Beispiel der Druckschrift sei zweifel los repräsentativ für die allgemeine Lehre von D1, genau wie die Liste der Komponente (C) in der Beschreibung. Aus dieser Liste könne natürlich ein beliebiges Amin ausgewählt werden, z.B. eines der sekundären Amine. Da aber lediglich die Reaktionstemperatur in Verfahrens schritt a) im vorliegenden Anspruch 1 vorgegeben sei, müssten dann die anderen erforderlichen Reaktionsbedin gungen selbstverständlich an die Eigenschaften der ausgewählten Reaktanten angepasst werden. Zudem schrieben nach Ansicht der Beschwerdegegnerin die Ansprüche des Streitpatents alle notwendigen Komponenten vor, schlossen aber weitere Komponenten wie z.B. Wasser und Alkohole nicht aus.

(5) Im Hinblick auf z.B. Dimethylamin und andere in D1 namentlich genannte Amine sah die Beschwerdegegnerin in der Bedingung in Anspruch 1 des Hauptantrags, dass die Amine zwar sekundäre, aber keine primäre Aminofunktionen haben sollten, keine gültige Abgrenzung gegenüber D1.

(6) Wenn aber das Herstellungsverfahren schon aus einer Entgegenhaltung bekannt sei, fehle es naturgemäß auch dem dabei hergestellten Produkt direkt und unzweideutig an Neuheit. Gleiches gelte auch für die Anwendung der Produkte. So sei auf Seite 1, Absatz 1 von D1 sogar das gleiche technische Gebiet der Detergenzien für Kohlen wasserstoff-Treibstoffe als Anwendungsgebiet genannt.

(7) Die gleichen Argumente galten nach Ansicht der Beschwerdegegnerin auch für die Hilfsanträge 1 und 2.

Zum Hilfsantrag 3

(8) Da sie ihren Einwand gegen den 3. Hilfsantrag bereits vor der mündlichen Verhandlung erhoben habe, sah die Beschwerdegegnerin die Einreichung der neuen Anspruchs sätze zum 3. und 4. Hilfsantrag in der mündlichen Verhandlung als verspätet an und beantragte, diese beiden Hilfsanträge nicht zuzulassen.

(9) In ihrem Schriftsatz vom 4. Juli 2011 (Punkt 3.1) hatte die Beschwerdegegnerin erstmals einen Einwand wegen Verletzung der Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ gegen den damaligen 3. Hilfsantrag vom 27. Mai 2011 erhoben, da der darin enthaltene Disclaimer ihrer Ansicht nach zu breit war.

Dieser Einwand wurde von ihr dann auch in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Entscheidungen G 1/03 und G 2/03 (ABl. EPA 2004, 413 und 448) aufrechterhalten. Zum ersten Mal brachte die Beschwerdegegnerin zusätzlich vor, dass der Disclaimer des 3. Hilfsantrags nicht nur die Variante b), sondern auch die Variante c) betreffe und er infolgedessen zu breit sei.

(10) Außerdem erweiterte die Beschwerdegegnerin ihren Einwand gegen den Hilfsantrag 3 auf Artikel 84 EPÜ. Allgemein gelte, dass ein Anspruch immer in Form eines Satzes zu formulieren sei. Dies sei im Disclaimer aber nicht der Fall. Damit verletze die letzte Fassung von Anspruch 1 des 3. Hilfsantrags auch die Erfordernisse der knappen Formulierung und der Klarheit von Artikel 84 EPÜ. Zudem enthalte er auch noch einen Handelsnamen.

XI. Als die Parteien erkennen ließen, dass sie keine weite ren Wortmeldungen zum 4. Hilfsantrag zu den diskutierten Punkten beabsichtigten, stellte die Vorsitzende die Anträge der beiden Parteien zu diesem Zeitpunkt fest und schloss dann die Debatte über diese Punkte, namentlich die Zulässigkeit der Ansprüche und die Neuheit.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhabern) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streit patent mit den Ansprüchen 1 bis 14 gemäß Hauptantrag vom 27. Mai 2011, hilfsweise in der Fassung der Hilfsanträge 1 und 2, eingereicht mit Schreiben vom 27. Mai 2011, weiter hilfsweise in der (letzten) Fassung der Hilfs anträge 3 und 4 (jeweils Ansprüche 1 bis 6), eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2011, oder in der Fassung gemäß Hilfsantrag 5 (vormals Hilfsantrag 6, wie eingereicht mit Schreiben vom 27. Mai 2011) aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Änderungen

Gegen den Wortlaut der Ansprüche des Hauptantrags sind seitens der Beschwerdegegnerin keine Einwände unter Artikel 123(2) EPÜ erhoben worden. Auch die Kammer sieht bezüglich der Änderungen in Anspruch 1 im Hinblick auf Anspruch 6 und Seite 9, Zeilen 5 bis 10 der ursprüng lichen Unterlagen keinen Grund, die Erfüllung dieses Erfordernisses in Frage zu stellen.

Ebenso hat sie im Hinblick auf diese den Umfang des Anspruchs einschränkenden Merkmale keine Veranlassung, die Erfüllung des Erfordernisses von Artikel 123(3) EPÜ anzuzweifeln.

Auch hinsichtlich der Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ bestehen keine Bedenken.

3. Neuheit

3.1 Die Druckschrift D1, die als ältere nachveröffentlichte europäische Patentanmeldung gemäß Artikel 54(1), 54(3) und 89 EPÜ für die Beurteilung der Neuheit in Betracht zu ziehen ist, beschreibt in ihrem Anspruch 1 und unter der Kapitelüberschrift "Summary of the Invention" auf den Seiten 1 und 2 eine Zusammensetzung, die neben einem Mannichaddukt auch einen Alkohol enthält, sowie ein Herstellungsverfahren für diese Zusammensetzung (An spruch 29). Darin wird das Mannichaddukt aus drei als (A), (B) und (C) bezeichneten Komponenten in Gegenwart von Alkohol bereitet ("derived from") bzw. hergestellt, nämlich aus (A) einer hydroxyaromatischen Verbindung, die 1 bis 4 Kohlenwasserstoffgruppen mit jeweils bis zu 400 C-Atomen besitzen kann, (B) einem Aldehyd oder Keton der Formel R**(1)-(CO)-R**(2), worin R**(1) und R**(2) unabhängig vonein ander H oder eine Kohlenwasserstoffgruppe mit bis zu 18 C-Atomen bedeuten können und R**(2) zudem noch carbonylhaltig sein kann, und (C) einem Gemisch von Wasser und einem Amin, welches mindestens eine primäre oder sekundäre Aminogruppe aufweist.

3.1.1 In der Beschreibung befasst sich D1 zunächst mit ver schiedenen Ausgestaltungen der Komponente (A), die den Leser in der Reihenfolge ihrer Beschreibung, ausgehend von Benzol- oder Naphthalin-Kernen ("Ar"; Seite 4, Ab satz 1) mit Kohlenwasserstoffsubstituenten ("R**(1)"), über solche mit von Olefinen abgeleiteten Kohlenwasserstoff gruppen zu solchen mit Polyisobuten-Gruppen hinführen, die einen hohen Gehalt an Methyl vinylidengruppen aufwei sen sollen (z.B. auf Basis von "Ultravis 10" oder "Ultravis 30"; Seite 5, Zeilen 1 bis 5). "Ultravis 10" wurde in Teil A des einzigen Beispiels von D1 eingesetzt.

Im Absatz 3 von Seite 3 wird schließlich ein polyiso buten-substituiertes Phenol (PIB-Phenol) als bevorzugte Komponente (A) bezeichnet, dessen Substituent auf Poly isobuten (PIB) mit einem zahlenmittleren Molekular gewicht (MN-Wert) von ungefähr 300 bis ungefähr 5000 bzw. von ca. 500 bis ca. 2500 und mit einem Mindest-Methyl vinylidengehalt von etwa 70%, z.B. ca. 80%, beruht.

Verfahrensstufe a) im Anspruch 1 des vorliegenden Haupt antrags betrifft die "Alkylierung eines Phenols mit Polyisobuten, das einen Anteil an Vinyliden-Doppelbin dungen von größer als 70 Mol-% und ein zahlenmittleres Molekulargewicht von 300 bis 3000 aufweist …". Das in der Verfahrensstufe a) des vorliegenden Anspruchs 1 hergestellte PIB-Phenol entspricht also der bevorzugten Ausführungsform der Komponente (A) in D1.

3.1.2 Auch die Beschreibung der Komponente (B) in D1 leitet den Leser von einer allgemeinen Beschreibung geeigneter Substanzen einer Vielzahl von Aldehyden und Ketonen zu einer bevorzugten Ausführungsform. So verweisen die Zeilen 1 und 2 von Seite 6 auf Paraformaldehyd und "aqueous solutions of formalin (e.g. about 35% to about 45 % by weight formalin in water)", d.h. wässrige Formaldehyd- (oder Formalin-)Lösungen als bevorzugte Reaktanten ("are preferred reactants"). Im Teil B des Beispiels von D1 wurde Paraformaldehyd eingesetzt.

Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags verweist für beide Verfahrensvarianten auf den Einsatz von Form aldehyd, den eines Oligomers oder eines Polymers des Formaldehyds. In Absatz [0030] des Streitpatents sind diese Begriffe noch weiter erläutert: sie schließen die Begriffe Formalinlösung, Trioxan und Paraformaldehyd ein. Auch hier sind die verwendeten Verbindungen also zum Teil identisch mit denen von D1.

3.1.3 Als Komponente (C) wird in D1 gemäß Anspruch 1 eine Mischung von Wasser und einem Amin mit mindestens einer primären oder sekundären Aminogruppe eingesetzt. Ab Zeile 4 der Seite 6 von D1 wird die Aminkomponente näher erklärt. Sie enthält demnach typischerweise eine bestimmte Menge Wasser ("the weight ratio of amine to water is typically about 50:50 to 99:1"), ist also aus zwei Komponenten zusammengesetzt. Das darin enthaltene Amin soll mindestens eine Gruppe enthalten, die dort durch ">NH" bezeichnet ist. Im Rahmen einer Liste geeig neter Amine unterschiedlicher Struktur (D1: Seite 6, Zeile 13 bis Seite 8, Zeile 13), unter denen Ethylen diamin als ein bevorzugtes Amin ("Ethylene diamine is a preferred amine.") bezeichnet wird (Seite 8, Zeilen 12 und 13), werden im letzten Absatz von Seite 6 auch Amine mit einer sekundären und ohne primärer Aminogruppe genannt: Dimethylamin, N-Methyl-ethylamin, N-Methyl-octylamin und Dibutylamin.

Diese letztgenannten Amine in der Liste beispielhafter Amine von D1 entsprechen damit der laut Variante b) von Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags von Aminen zu erfüllenden Bedingung: wenigstens eine sekundäre Amino gruppe bei gleichzeitiger Abwesenheit einer primären Aminofunktion.

3.1.4 In Anspruch 1 der Druckschrift D1 sind nur die anfangs im Reaktionsgemisch enthaltenen Substanzen (also die Komponenten (A), (B) und (C) gemäß ihren allgemeinsten Definitionen) angegeben, nicht jedoch Verfahrensmerkmale des Verfahrens zur Herstellung des Mannich-Addukts. Im Verfahrensanspruch 29 wird nur verlangt, dass die Kompo nente (A) in Gegenwart von Alkohol mit den Komponenten (B) und (C) zur Reaktion gebracht wird. Im abhängigen Anspruch 33 wird als Verfahrenstemperatur ein Bereich von ca. 40 bis ca. 200ºC genannt. Anspruch 34 betrifft dann noch ein Verfahren, das von PIB-Phenol mit einem Methylvinyliden-Isomeren-Gehalt von ungefähr >=70%, Para formaldehyd und einem Gemisch aus Wasser und Ethylen diamin ausgeht und in der Gegenwart von 2-Ethylhexanol durchgeführt wird. Genauer als in diesen Verfahrens ansprüchen wird das Verfahren zur Herstellung der beanspruchten Verbindung hinsichtlich der in den gegenwärtigen Ansprüchen des Streitpatents definierten Verfahrensmerkmale nur an einer Stelle der Beschreibung von D1 genauer erläutert: im einzigen Beispiel auf den Seiten 11 und 12 von D1.

3.1.5 Es war unstreitig zwischen den Parteien, dass sich die erste Verfahrensstufe a) gemäß Anspruch 1 des vorliegen den Hauptantrags nicht von Teil A des Beispiels von D1, auch nicht hinsichtlich der verwendeten Temperaturen, unterscheidet. Die Beschwerdeführerin hatte ihre Argumentation jedoch darauf abgestellt, dass in Teil B des Beispiels von D1, der die sich daran anschließende Mannichreaktion des PIB-Phenols aus Teil A beschreibt, 2-Ethylhexanol und Wasser zugegen waren, während gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags keine dieser Verbindungen zugesetzt werde.

3.1.6 Im Hinblick auf dieses Argument sei zum einen auf die verschiedenen Ausführungsformen der Variante i) in den Beispielen IIb, IIe und IIf (Absätze [0120], [0125] bzw. [0126]) des Streitpatents verwiesen. So wird in Beispiel IIb, wie auch in Absatz [0068] allgemein beschrieben, ein Alkohol, nämlich Isopropanol zugesetzt. In den Bei spielen IIa und IIe wiederum wird eine 37 %ige Formalin lösung verwendet, und in Beispiel IIf wird den vorgeleg ten Komponenten PIB-Phenol und Dimethylamin ("40 ml 40 % wässrige Lösung") ausdrücklich eine "37 % wässrige Lösung von Formaldehyd" hinzugefügt. Dort enthält das Reaktionsgemisch also offensichtlich die gleichen Komponenten, die im Anspruch 1 von D1 beschrieben sind. Ergänzend sei angemerkt, dass auch im Beispiel 3 im Versuchsbericht der Patentinhaberin vom 13. Juli 2007 Wasser und Formaldehyd zugesetzt wurden.

Zum anderen bildet sich bei der Mannichreaktion ohnehin Wasser, wie Teil B des Beispiels von D1 und auch die letzte Reaktionsformel auf Seite 261 von D9 zeigen.

In Anbetracht dieser Feststellungen kann das Argument der Beschwerdeführerin, das den Zusatz von Wasser bzw. Alkohol in D1 betrifft, zum Nachweis eines für die Entscheidung über die Neuheit relevanten Unterschieds daher nicht überzeugen.

3.2 Das Beispiel in D1 und die weiter oben angesprochenen Stellen der allgemeinen Beschreibung zeigen, dass der Einsatz von PIB-Phenol, dessen MN-Wert im Bereich von 300 bis 2500 und dessen Methylvinylidengehalt bei oder über 70 % liegen (d.h. innerhalb der Definition des Streit patents), und von Formaldehyd in verschiedenen üblichen Einsatzformen, namentlich als (polymeres) Paraform aldehyd bzw. wässrige Formaldehydlösung, auch in D1 allgemein bevorzugt ist. Es verbleibt damit nur ein signifikanter Unterschied zwischen dieser bevorzugten Ausführungsform von D1, dem Beispiel, und dem Gegenstand des Streitpatents, nämlich die Auswahl eines anderen Amins als Ethylendiamin.

3.2.1 Wie schon in Abschnitt 3.1.3 oben erwähnt, sind bereits am Anfang der ersten Gruppe der in D1 namentlich aufgezählten Amine, d.h. auf Seite 6, letzter Absatz, als Beispiele für "primary or secondary amines" nach dem Methylamin als nächste Alternativen dazu vier sekundäre Amine aufgelistet: Dimethylamin, N-Methyl-ethylamin, N-Methyl-octylamin und Dibutylamin.

3.2.2 Ein solcher Ersatz einer Komponente (eines primären Amins) durch eine in derselben Druckschrift als glatte Alternative offenbarte Verbindung (ein sekundäres Amin) bei Beibehaltung der anderen bevorzugten Komponenten der Entgegenhaltung kann nach Ansicht der Kammer nicht zur Anerkennung von Neuheit führen.

3.2.3 Da weder die allgemeine Beschreibung noch das Beispiel von D1 den Ersatz des bevorzugten PIB-Phenols oder des bevorzugten Aldehyds nahelegt, das im Beispiel von D1 verwendete Amin aber nicht das, sondern nur ein bevorzugtes Amin war, kommt die gegenwärtige Situation der Situation recht nahe, wie sie in der Entscheidung T 332/87 (oben) (zweiter Absatz von Nr. 2.2 der Ent scheidungsgründe) dargelegt ist:

"This means that, when examining novelty, different passages of one document may be combined provided that there are no reasons which would prevent a skilled person from such a combination. In general the technical teaching of examples may be combined with that disclosed elsewhere in the same document, e.g. in the description of a patent document, provided that the example concerned is indeed representative for the general technical teaching disclosed in the respective document."

Noch deutlicher wird die obige Feststellung in Ab schnitt 3.2.2 (oben) durch die Entscheidung T 278/97 (oben) unterstützt. In deren Entscheidungsgründen (Nrn. 1.1.4.2 und 1.1.4.3) wurde ein in Anspruch 1 des dortigen Streitpatents eingefügter Disclaimer, mit dem ein bestimmtes Trägermaterial (nämlich Cellulosetri acetat) ausgeschlossen werden sollte, als nicht hinrei chend für die Abgrenzung gegen eine unter Artikel 54(3) EPÜ in Betracht zu ziehende Patentanmeldung und damit für die Herstellung der Neuheit befunden. Diese ältere Patentanmeldung "document (4)" enthielt ein für den Gegenstand des dort in Rede stehenden Anspruchs 1 neuheitsschädliches Beispiel 4, worin Cellulosetriacetat als Träger eingesetzt worden war. In der allgemeinen Beschreibung findet zudem sich eine namentliche Auf zählung möglicher Träger, darunter auch Cellulosetri acetat. Hierzu führte die Kammer aus, dass die Druck schrift keine Gründe nenne, die den Fachmann daran hindere, einen solch anderen Träger einzusetzen, viel mehr lehre sie sogar ausdrücklich, dass anstelle von Cellulosetriacetat ein anderer dieser Träger eingesetzt werden könne.

3.3 Angesichts der vorstehend dargelegten Tatsachen und Feststellungen ist die Kammer im vorliegenden Fall zur Schlussfolgerung gelangt, dass die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 des Hauptantrags und damit des ganzen Hauptantrags gegenüber D1 nicht anerkannt werden kann (Artikel 54(1) und 54(3) EPÜ).

Deshalb erübrigt sich, auch noch die Frage der Neuheit in Bezug auf die Verfahrensvariante c) von Anspruch 1 oder in Bezug auf die übrigen Ansprüche des Hauptantrags zu untersuchen. Gleiches gilt hinsichtlich der Frage der Neuheit dieses Antrags gegenüber D8 bzw. D12.

3.4 Der Hauptantrag wird daher zurückgewiesen.

Erster und zweiter Hilfsantrag

4. Die Änderungen im ersten Hilfsantrag bestehen in einer Beschränkung der Definition der Amine auf solche der Formel HNR**(4)R**(5). Im zweiten Hilfsantrag fehlen außerdem auch alle Hinweise auf die Verfahrensvariante c) bzw. deren Merkmale.

4.1 Ebenso wie die Beschwerdegegnerin in ihrem Schriftsatz vom 6. Juli 2011 und in der mündlichen Verhandlung, sieht die Kammer bezüglich der in den Ansprüchen dieser beiden Hilfsanträge durchgeführten Änderungen im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin genannten Quellen in den ursprünglichen Unterlagen keinen Grund, Einwände unter Artikel 123(2) EPÜ zu erheben.

4.2 Neuheit

4.2.1 Es stellt sich aber für diese beiden Hilfsanträge die Frage, ob die Beschränkung der Amine auf solche der in Anspruch 1 definierten Formel HNR**(4)R**(5) die Situation hinsichtlich der im Zusammenhang mit dem Hauptantrag getroffenen Feststellungen zur Neuheit ändert.

4.2.2 Die in den obigen Abschnitten 3.1 bis 3.2.1 im Zusammen hang mit dem Hauptantrag schon dargelegten Tatsachen und Feststellungen gelten mit Ausnahme des hier nicht zu treffenden Hinweises auf N-Methyl-octylamin (D1: Seite 6, Zeilen 7 und 6 von unten) vollinhaltlich ebenso für die Ansprüche der ersten beiden Hilfsanträge, namentlich auch für die in der Liste der Amine von D1 genannten sekundären Amine Dimethylamin, N-Methyl-ethylamin und Dibutylamin. Deshalb treffen auch hier die im Abschnitt 3.3 (oben) gezogenen Schlussfolgerung ohne Einschränkung zu, sodass Neuheit weder des ersten, noch des zweiten Hilfsantrags anerkannt werden kann (Artikel 54(1) und 54(3) EPÜ).

4.3 Beide Hilfsanträge werden daher ebenfalls zurückgewiesen.

Dritter Hilfsantrag

5. Der dritte Hilfsantrag umfasst nur noch die Verfahrens ansprüche 1 bis 6 und entspricht insoweit den Ansprüchen 1 bis 6 des zweiten Hilfsantrags. Allerdings enthält Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags auch noch einen Dis claimer, der eine vollständige Übersetzung von Teil A des Beispiels von D1 ohne dessen letzten (das para-/?ortho-Verhältnis des dortigen PIB-Phenols betreffenden) Satz wiedergibt und nach Aussage der Beschwerdeführerin nur dazu dienen soll, konkret die als neuheitsschädlich angesehene Offenbarung von D1 auszuschließen.

Offensichtlich irrtümlich ist der erteilte Anspruch 6 nicht gestrichen worden, obgleich er sich ausschließlich auf den aus Anspruch 1 nun gestrichenen Absatz c) bezog.

5.1 Da der dritte Hilfsantrag erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgelegt worden ist, ist zunächst zu prüfen, ob er die Zulässigkeitskriterien des EPÜ (Artikel 123(2) EPÜ) und der Artikel 12 und 13 VOBK erfüllt.

5.1.1 Gemäß der VOBK sollte die Beschwerdebegründung bzw. die Erwiderung darauf den vollständigen Sachvortrag des jeweiligen Beteiligten einschließlich dazugehöriger Unterlagen enthalten. Dieses Vorbringen aller Beteilig ten bildet die Grundlage des Beschwerdeverfahrens (Artikel 12(1) und 12(2) VOBK). Die Zulassung späteren geänderten Vorbringens unterliegt gemäß Artikel 13(1) VOBK dem Ermessen der Kammer, die dabei die Komplexität des neuen Vorbringens, den Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt.

5.1.2 Erstmals wurden in diesem Beschwerdeverfahren Anspruchs sätze, die einen Disclaimer gegenüber D1 enthielten, zusammen mit der Beschwerdebegründung als Hilfsanträge 6 bis 11 am 27. Februar 2008 vorgelegt.

5.1.3 In Lichte dieser Tatsache handelt es sich beim dritten Hilfsantrag, der in der mündlichen Verhandlung eingereicht wurde, keinesfalls um eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin, die im Sinne von Artikel 13(1) VOBK die Komplexität des Falles erhöht oder der gebotenen Verfahrensökonomie zuwiderläuft. Vielmehr hatte die Beschwerdeführerin bereits bei Einreichung ihrer Beschwerdebegründung den Versuch unternommen, einen Antrag zu formulieren, der eine negative Beurteilung und damit den Verlust des Streit patents wegen fehlender Abgrenzung gegenüber D1 verhin dern sollte. Im weiteren Beschwerdeverfahren hatte sie dann entsprechende Hilfsanträge deshalb stets aufrecht erhalten und, sobald bzw. soweit als notwendig erkannt, geändert. Bei dieser Sachlage ist die Kammer zur Entscheidung gelangt, den dritten Hilfsantrag als sachdienlich zu betrachten und zum Verfahren zuzulassen.

5.1.4 Gemäß den Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 1/03 und G 2/03 (oben) kann ein Disclaimer, dessen Inhalt nicht bereits in den ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung, die zum Streitpatent führte, enthalten war, zulässig sein, wenn er dazu dient, die Neuheit durch Abgrenzung gegenüber Stand der Technik gemäß Artikel 54(3) EPÜ oder gegenüber einer zufälligen Vorwegnahme nach Artikel 54(2) EPÜ wiederherzustellen oder um einen Gegenstand auszuklammern, der nach den Artikeln 52 bis 57 EPÜ aus nichttechnischen Gründen vom Patentschutz ausgenommen ist (Nr. 2.1 des Tenors). Dabei sollte der Disclaimer nicht mehr ausschließen, als nötig ist, um die vorgenannten Ziele zu erreichen. Ansonsten verstößt ein durch einen Disclaimer ergänzter Anspruch gegen Artikel 123(2) EPÜ (Nrn. 2.2 und 2.3 des Tenors). Gemäß Nr. 2.4 des Tenors muss ein einen Disclaimer enthaltender Anspruch zudem die Erfordernisse der Klarheit und Knappheit nach Artikel 84 EPÜ erfüllen.

5.1.5 Die Definition der Verfahrensmerkmale in den Absätzen a) und b) von Anspruch 1 des vorliegenden dritten Hilfs antrags sind identisch mit den Definitionen der Merkmale a) und b) in Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags. Wie aus Abschnitt 4.2.2, oben, hervorgeht, ist das Neuheits kriterium von Artikel 54(1) und 54(3) EPÜ von der Ver fahrensvariante b) im zweiten Hilfsantrag gegenüber der älteren aber nachveröffentlichten Druckschrift D1 (vgl. Abschnitt IV, oben) nicht erfüllt worden. Zur Abgrenzung des Patentgegenstands des dritten Hilfsantrags gegenüber D1 wurde daher offensichtlich der Disclaimer an die Fassung von Anspruch 1 angefügt, wie sie im zweiten Hilfsantrag enthalten war. Der Disclaimer erfüllt also insoweit die erste in G 1/03 bzw. G2/03 festgelegte Bedingung für die Zulassung eines Disclaimers.

5.2 Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags lässt sich in zwei Teile gliedern, zum einen den Teil, der die geltend gemachte Erfindung definiert, und zum anderen den Disclaimer, der einen bestimmten Bereich des durch den ersten Teil definierten Bereichs durch die Formulierung ausschließt: ", ausgenommen ein Verfahren, bei dem man in Schritt a) folgendermaßen vorgeht: … vom Rotations verdampfer entfernt; und das Amin Dimethylamin, N-methyl-ethylamin oder Dibutylamin ist." Diese Formu lierung widerspiegelt exakt die Struktur der Formulie rungen im Beispiel von D1 und schließt außerdem die auf Seite 6, unten, genannten sekundären Amine aus, soweit sie vom ersten Teil des Anspruchs 1 mitumfasst werden.

5.2.1 Den von der Beschwerdeführerin schriftlich und auch mündlich vorgetragenen Argumenten entnimmt die Kammer, dass die Beschwerdeführerin stets auch das weitere von der Großen Beschwerdekammer formulierte Erfordernis zu erfüllen suchte, durch den Disclaimer nicht mehr auszu schließen, als nötig ist, um die Neuheit gegenüber D1 zu erreichen.

5.2.2 Nach Ansicht der Kammer wäre bei jedem Versuch, den Wortlaut von Teil A des Beispiels in D1 in einen Satz umzuformulieren oder gar zu kürzen, die klare Struktur der Beschreibung der Versuchsführung in D1 verloren gegangen und hätte damit zumindest zu Unklarheiten (Artikel 84 EPÜ) oder sogar zu Widersprüchen zwischen dem Umfang des Disclaimers und der Offenbarung des Beispiels von D1 und damit zu einer Verletzung von Artikel 123(2) EPÜ geführt.

5.2.3 Gerade im Hinblick auf die Notwendigkeit, jede Unstim migkeit und damit auch jeden sachlichen Unterschied zwischen der Formulierung des Disclaimers und der Definition des auszuklammernden Teils in der älteren Druckschrift zu vermeiden und damit in dieser Hinsicht dem Tenor der beiden Entscheidungen G 1/03 und G 2/03 (oben) gerecht zu werden, sieht die Kammer unter den gegebenen Umständen die Verwendung einer Folge einzelner Sätze gemäß der Vorlage in Teil A des Beispiels in D1 als gerechtfertigt an.

5.3 Allerdings wird im Disclaimer ein wesentliches Ausgangs material (das PIB) des auszuschließenden Verfahrens von D1 nur mit seinem Handelsnamen "Ultravis" und einer Typenbezeichnung "10" benannt. Eine solche Benennung hat jedoch keine klare technische Bedeutung, und es ist zweifelhaft, ob bzw. wie ein so bezeichnetes Material von einem anderen Material eindeutig unterschieden werden kann (vgl. z.B. T 480/98 vom 28. April 1999, Nr.5.3 der Begründung, nicht im ABl. EPA veröffentlicht).

5.3.1 Eine solche Handelsmarke eignet sich auch deshalb nicht zur eindeutigen Identifikation eines Materials, da sie im Laufe der Zeit jederzeit geändert werden kann. Eine solche Änderung der Bedeutung hätte im vorliegenden Fall jedoch eine Verschiebung des durch den Disclaimer ausge schlossenen Bereichs zur Folge, d.h. sie änderte also den Bereich des Anspruchs.

5.3.2 Die Bedenken gegen die Definition eines Materials durch eine Marke/ein Warenzeichen sind in der Entscheidung T 762/90 vom 29. November 1991 (Nr. 4.1.1 der Begründung; nicht im ABl. EPA veröffentlicht) z.B. wie folgt ausge drückt worden: "Die Kammer hat … Bedenken gegen die Anwendung einer solchen Bezeichnung in einem Anspruch, weil es ungewiß ist, ob die Bedeutung dieses Waren zeichens, selbst soweit sie am Anmeldetag bekannt war, bis ans Ende der Laufzeit des Patents unverändert erhalten bleiben wird."

5.3.3 Die Berechtigung dieser Zweifel wird zudem durch Unterschiede in den Definitionen von "Ultravis 10" in verschiedenen in diesem Verfahren benannten Druck schriften belegt: Gemäß D1 (Seite 5, Zeilen 2 und 3; beanspruchte Priorität vom 22. Juni 1999) ist dieses PIB "a polyisobutene having a number average molecular weight of about 950 and a methylvinylidene content of about 82%". Gemäß Spalte 3, Zeilen 7 bis 9, von D4, US-A-5 300 701 (angemeldet am 28. Dezember 1992), liegt der MN-Wert von "Ultravis 10" zwar im gleichen Bereich, sein Methylvinylidengehalt aber beträgt "about 76%". Im Bei spiel 1 von D8 (beanspruchte Priorität vom 5. September 1996) wiederum wird es als "a 'highly reactive' poly isobutene (PiB) (Mw = 1000)" bezeichnet.

5.3.4 Im vorliegenden Fall muss aber durch den Disclaimer die in D1 offenbarte Ausführungsform des in der Druckschrift im Anspruch 29 und auf Seite 2, ab Zeile 12 nur sehr allgemein angegebenen Verfahrens ausgeschlossen werden.

5.3.5 Da dies im Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags durch die Verwendung der Handelsbezeichnung "Ultravis 10", wie oben gezeigt, nicht eindeutig geschehen kann, muss dieser Hilfsantrag wegen Unklarheit gemäß Artikel 84 EPÜ zurückgewiesen werden.

Vierter Hilfsantrag

6. Der vierte Hilfsantrag ist als direkte Reaktion auf die in der mündlichen Verhandlung geführten Diskussion über die Zulässigkeit des dritten Hilfsantrags eingereicht worden. Daher sieht die Kammer keinen Grund, ihn als neues geändertes Vorbringen im Sinne von Artikel 13(1) VOBK nicht zuzulassen. Auch gelten die vorstehend darge legten Gründe für die Zulassung mehrerer Sätze im Disclaimer (siehe die Abschnitte 5.2 bis 5.2.3, oben). Der Disclaimer unterscheidet sich vom Disclaimer im dritten Hilfsantrag nur durch den Ersatz des Handels namens durch die auf Seite 5, Zeilen 2 und 3 von D1 gegebene Definition sowie durch die verbesserte Anpassung des letzten Teils an den ersten Teil des Disclaimers durch Einfügung von "bei dem" an zweiter und dritter Stelle dieses letzten Absatzes. Mit dem Ersatz des Handelsnamens ist die Unklarheit beseitigt worden, die der Grund für die Zurückweisung des dritten Hilfs antrags war. Er erfüllt daher auch das Klarheitserfor dernis von Artikel 84 EPÜ.

6.1.1 Wie im Zusammenhang mit dem Hauptantrag schon dargelegt, war unstreitig, dass Teil A des Beispiels in D1 die Verfahrensstufe a) des beanspruchten Verfahrens komplett vorwegnimmt. Des Weiteren ist im Zusammenhang mit dem Haupt- sowie dem ersten und dem zweiten Hilfsantrag festgestellt worden, dass der Einsatz eines in der Liste der auf Seite 6 namentlich genannten Amine Neuheit in der Mannich-Reaktion (Verfahrensstufe b) von Anspruch 1) nicht herstellen kann. Folglich musste auch die Überlappung der Offenbarung in Teil B des Beispiels in D1 und der des strittigen Anspruchs 1 beseitigt werden.

6.1.2 Dieses Erfordernis sieht die Kammer nun durch den Aus schluss aller sekundärer Amine ohne primäre Amino funktion, die innerhalb der Definition des Amins in Absatz b) von Anspruch 1 liegen und auf Seite 6 von D1 offenbart sind, gemäß dem letzten Absatz von Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags als erfüllt an.

6.2 Infolgedessen ist die Kammer zur Entscheidung gekommen, dass Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags das Neuheits erfordernis von Artikel 54(1) und 54(3) EPÜ hinsichtlich D1 erfüllt.

6.3 Dies gilt ebenso für die Ausgestaltungen dieses Gegenstands in den auf Anspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogenen abhängigen Ansprüchen 2 bis 6 des vierten Hilfsantrags, die sämtliche Merkmale von Anspruch 1 ebenso erfüllen.

6.4 Im Hinblick darauf, dass D8 auf Mannichaddukte gerichtet ist, die unter Einsatz von Ethylendiamin hergestellt werden, und dass die Vergleichsprodukte ebenfalls nicht auf Aminen basieren, die unter die in Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags fallende Definition HNR**(4)R**(5) (mit den dort wiedergegebenen Bedeutungen der Reste R**(4) und R**(5)) fallen, kann die Neuheit des Streitgegenstands durch D8 nicht in Frage gestellt werden. Gleiches gilt auch für die Druckschrift D12 im Hinblick auf die in ihrer Spalte 4 aufgezählten Amine und insbesondere auf das in ihren Beispielen eingesetzte N,N-Dimethylamino-1,3-propan di amin (DMPD) oder auf das als Vergleich dazu verwendete Diethylentriamin (DETA).

6.5 Der vierte Hilfsantrag erfüllt somit das Neuheits erfordernis gemäß Artikel 52(1) und 54 EPÜ.

6.6 Offensichtlich irrtümlich ist der erteilte Anspruch 6 (Streitpatent, wie erteilt: Seite 24, Zeile 58 bis Seite 25, Zeile 3) nicht gestrichen worden, obgleich er sich ausschließlich auf den aus Anspruch 1 nun gestrichenen Schritt c) bezog. Daher ist Artikel 84 EPC (Klarheit) im Moment nicht erfüllt.

Fünfter Hilfsantrag

7. Infolge der obigen Feststellungen zur Neuheit des vierten Hilfsantrags erübrigt es sich, die Neuheitsfrage auch noch in Bezug auf den fünften Hilfsantrag zu untersuchen.

Weiteres Verfahren

8. Als weiteren Einspruchsgrund hat die Beschwerdegegnerin als Einsprechende in ihrem Einspruchsschriftsatz mangelnde erfinderische Tätigkeit geltend gemacht. Die Behandlung dieser Frage ist jedoch von der Einspruchs abteilung ihrer Ladung vom 25. Juli 2006 zur mündlichen Verhandlung am 26. September 2007 unter Hinweis auf die Prüfungsrichtlinien des EPA bis zur definitiven Feststellung der Neuheit eines beanspruchten Gegenstands zurückgestellt worden. Folglich ist diese Frage im Einspruchsverfahren noch nicht behandelt worden.

Angesichts dieser Tatsache und der Vorlage der vier Versuchsberichte der Patentinhaberin und der fünf von der Beschwerdegegnerin eingereichten Declarations (siehe die Abschnitte V und VII, oben), macht die Kammer von dem ihr in Artikel 111(1) EPÜ verliehenen Ermessensrecht Gebrauch und verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung auf Basis des vierten Hilfsantrags an die Einspruchsabteilung zurück.

8.1 Bei der Weiterverfolgung dieser Sache auf Basis der vierten, während der mündlichen Verhandlung eingereich ten Hilfsantrags ist noch darauf zu achten, dass der erteilte Anspruch 6 gestrichen werden sollte, um den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ zu genügen (vgl. Abschnitt 6.6, oben).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage des vierten Hilfsantrags (Ansprüche 1 bis 6), eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 28. Juli 2011, zurückverwiesen.

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