T 2002/07 (Aktivität von Enzymen/PAPST) of 21.4.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T200207.20090421
Datum der Entscheidung: 21 April 2009
Aktenzeichen: T 2002/07
Anmeldenummer: 96920690.3
IPC-Klasse: C12Q 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zur Bestimmung der Aktivität von Enzymen in Flüssigkeiten, beziehungsweise der Konzentration und/oder Aktivität von Inhibitoren in Flüssigkeiten
Name des Anmelders: Papst Licensing GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Unzulässige Änderungen - (nein); Neuheit, erfinderische Tätigkeit, Klarheit, ausreichende Offenbarung - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0019/90
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Anmelderin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung 96 920 690.3, veröffentlicht als WO 97/00969, gemäß Artikel 97(1) EPÜ 1973 zurückgewiesen wurde.

II. Die Prüfungsabteilung hatte entschieden, dass sowohl der mit Schreiben vom 23. März 2006 eingereichte Hauptantrag als auch der in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2006 eingereichte Hilfsantrag I nicht den Erfordernissen der Artikel 123(2), 83 und 84 EPÜ entsprächen.

Die von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 29. Januar 2007 eingereichten Ansprüche 1 bis 7 wurden von der Prüfungsabteilung gemäß Regel 86(3) EPÜ 1973 nicht zugelassen.

III. Die Kammer teilte ihre vorläufige Meinung in zwei Bescheiden vom 22. Juli 2008 und 7. Januar 2009 mit.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der am 18. Dezember 2008 eingereichten Ansprüche 1 bis 7 (neuer Hauptantrag) zu erteilen.

IV. Anspruch 1 des neuen Hauptantrages lautet folgendermaßen:

"Vorrichtung zur Bestimmung der Aktivität von Enzymen in einer flüssigen Meßprobe, die wenigstens ein Enzym und wenigstens einen zu dem Enzym korrespondierenden Enzyminhibitor enthält, wobei die Vorrichtung folgendes umfasst:

eine Durchlauf-Chromatographiesäule (1), die ein darin gepacktes festes Trägermaterial und eine an das Trägermaterial gebundene Substanz enthält, welche in der Lage ist, den wenigstens einen Enzyminhibitor zu binden,

ein umstellbares Ventil (6), über das die Meßprobe oder Säulenpuffer alternativ über die Durchlauf-Chromatographiesäule (1) oder über eine Bypass-Leitung an der Durchlauf-Chromatographiesäule (1) vorbei geführt werden kann,

einen Meßprobenspeicher (3) und ein Säulenpufferreservoir (4) und einen Detektor zum Erfassen des Anstiegs der Konzentration zumindest eines Spaltprodukts pro Zeiteinheit,

wenigstens ein Versuchsgefäß (5) zur Aufnahme von Meßprobe und ggf. damit gemischtem Puffer und/oder Substrat, wobei das Versuchsgefäß temperierbar ausgestaltet ist,

und wenigstens eines der folgenden der Durchlauf-Chromatographiesäule nachgeschalteten Elemente:

eine Kontrollvorrichtung (8) zur Überprüfung der Reinheit der aus der Durchlauf-Chromatographiesäule austretenden Flüssigkeit,

eine Meßvorrichtung (9) zum Bestimmen der Verdünnung der Meßprobe mit Säulenpuffer,

eine Mischvorrichtung (10) zum Herstellen einer gleichmäßigen Mischung der Meßprobe mit zudosiertem Säulenpuffer,

einen Substratbehälter (12) und/oder einen Meßpufferbehälter (13) in Verbindung mit einem Ventil (11) für das Zudosieren von Substrat und/oder Meßpuffer zu eluierter flüssiger Meßprobe aus der Durchlauf-Chromatographiesäule (1)."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 beziehen sich auf bevorzugte Ausführungsformen der Vorrichtung gemäß Anspruch 1. Anspruch 6 bezieht sich auf ein Verfahren zur Bestimmung der Aktivität von Enzymen in einer flüssigen Messprobe unter Benutzung der Vorrichtung gemäß den Ansprüchen 1 bis 5 und Anspruch 7 auf eine bevorzugte Ausführungsform des Verfahrens gemäß Anspruch 6.

V. In der vorliegenden Entscheidung wird folgende Entgegenhaltung erwähnt:

(5) J. Anim. Sci., vol.68, 1990, Seiten 2362 bis 2370

VI. Die Argumente der Beschwerdeführerin können folgendermaßen zusammengefasst werden:

Sämtliche von der Prüfungsabteilung unter Artikel 123(2) EPÜ beanstandeten Ausdrücke seien gestrichen worden. Die Ansprüche 1 bis 7 basierten auf der ursprünglich eingereichten Anmeldung.

Der Gegenstand der Ansprüche sei klar und von der Beschreibung gestützt (Artikel 84 EPÜ).

Es gehörte zum Allgemeinwissen eines Fachmanns, Kenntnis über Substanzen zu besitzen, die mit hoher Affinität an einen Enzyminhibitor binden und die somit in der Lage wären, diesen Inhibitor dem zu bestimmenden Enzym zu entziehen. Obwohl die Anmeldung nur ein Beispiel enthielte (Aktivitätsbestimmung von Cathepsin H nach Abtrennung der Inhibitoren an einer Papain-beladenen Säule), wäre es für den Fachmann ein Leichtes, das erfindungsgemäße Prinzip der beanspruchten Vorrichtung zur Bestimmung anderer Enzyme durchzuführen.

Die Erfindung sei daher so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ohne unzumutbaren Aufwand über den gesamten beanspruchten Bereich ausführen könnte (Artikel 83 EPC).

Im Lichte der Offenbarung in den zitierten Entgegenhaltungen sei der beanspruchte Gegenstand neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 54 und 56 EPÜ).

Entscheidungsgründe

Änderungen - Artikel 123(2) EPÜ

1. Anspruch 1 beruht auf den Ansprüchen 1, 7, 10 und 11, sowie auf Seite 4, Zeilen 17 bis 19, Seiten 10 und 11 und Abbildung 1 der veröffentlichten Anmeldung.

Anspruch 2 beruht auf den Ansprüchen 7 und 17, Anspruch 3 auf Anspruch 15, Anspruch 4 auf den Ansprüchen 12 und 13 und Anspruch 5 auf Anspruch 22 der veröffentlichten Anmeldung.

Die Ansprüche 6 und 7 beruhen auf den Ansprüchen 1 bis 6 und Abbildung 1 der veröffentlichten Anmeldung.

Sämtliche in Punkt (3.4) der angegriffenen Entscheidung von der Prüfungsabteilung beanstandeten Ausdrücke sind in den Ansprüchen 1 bis 7 des Antrags der Beschwerdeführerin nicht mehr enthalten.

Die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ sind daher erfüllt.

Klarheit und Stützung durch die Beschreibung - Artikel 84 EPÜ

2. Der Gegenstand der Ansprüche wurde auf eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Bestimmung der Aktivität von Enzymen in einer flüssigen Messprobe beschränkt.

3. Sowohl die ursprünglich eingereichten Ansprüche als auch die der Prüfungsabteilung vorliegenden Ansprüche bezogen sich neben dieser Ausführungsform auch noch auf eine Vorrichtung und ein Verfahren zur Bestimmung der Konzentration und/oder Aktivität von Enzyminhibitoren in einer flüssigen Messprobe.

Durch die Streichung dieser Ausführungsform sind sämtliche von der Prüfungsabteilung in Punkt (3.5) der angegriffenen Entscheidung diesbezüglich erhobenen Einwände wegen mangelnder Klarheit und mangelnder Stützung in der Beschreibung hinfällig geworden.

4. Der Gegenstand der Ansprüche ist klar und wird durch die Beschreibung gestützt. Die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ sind erfüllt.

Offenbarung der Erfindung - Artikel 83 EPÜ

5. Die Patentanmeldung beschreibt, beginnend auf Seite 8, vierter Absatz der veröffentlichten Anmeldung, eine Vorrichtung zur Bestimmung der Aktivität des Enzyms Cathepsin H in einer flüssigen Messprobe. Die Vorrichtung enthält unter anderem eine Durchlauf-Chromatographiesäule, wobei als Trägermaterial Sepharose-Gel verwendet wird, an das Papain gebunden ist. Papain ist in der Lage, die mit Cathepsin H korrespondierenden in der flüssigen Messprobe vorhandenen Enzym-Inhibitoren zu binden.

6. Die Prüfungsabteilung stellt in Punkt (3.5) der beschwerten Entscheidung fest, dass die Patentanmeldung nur dieses eine Ausführungsbeispiel beinhalte, aber nicht offenbare, nach welchen Kriterien das angewandte Prinzip verallgemeinert werden könne. Sie kommt zu der Auffassung, dass der Fachmann erfinderisch tätig werden müsste, um Substanzen zu finden, die sich für die Bindung von Enzym-Inhibitoren bei der Bestimmung anderer Enzyme als Cathepsin H eigneten. Die Prüfungsabteilung schließt daraus, dass die Erfindung nicht so ausreichend offenbart sei, dass sie über den gesamten Schutzbereich in die Realität umgesetzt werden könne.

7. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass das in der Beschreibung (siehe Punkt (5) oben) angeführte Ausführungsbeispiel lediglich dazu diene, den Gegenstand der Ansprüche beispielhaft zu erläutern. Der Gegenstand der Erfindung sei eine Vorrichtung zur Bestimmung der Aktivität von Enzymen in flüssigen Proben, die mit dem Enzym korrespondierende Inhibitoren enthielten. Es bestehe kein Anlass, die Erfindung auf die spezielle im Beispiel wiedergegebene Konfiguration der Durchlauf-Chromatographiesäule zu beschränken. Vielmehr wäre es für den Fachmann mittels der beanspruchten Vorrichtung ein Leichtes, das erfindungsgemäße Prinzip nicht nur für das System Papain/Cathepsin H, sondern auch für viele andere Systeme durchzuführen.

Beispielsweise kämen monoklonale oder polyklonale Antikörper als alternative Substanzen für die Bindung von Enzym-Inhibitoren in Frage. Solche Antikörper binden hochspezifisch und mit hoher Affinität an bestimmte Inhibitoren und seien in einer für die Affinitäts-Chromatographie geeigneten Form kommerziell erhältlich.

8. Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann gegen eine Anmeldung der Einwand mangelnder Offenbarung nur erhoben werden, wenn ernsthafte, durch nachprüfbare Fakten erhärtete Zweifel bestehen. Die bloße Tatsache, dass ein Anspruch weit gefasst ist, ist an sich noch kein Grund zu der Annahme, dass die Anmeldung das Erfordernis einer ausreichenden Offenbarung im Sinne von Artikel 83 EPÜ nicht erfüllt (siehe Entscheidung T 19/90, ABl. EPA 1990, 476).

Im vorliegenden Fall liegen der Kammer keine nachprüfbaren Fakten dafür vor, dass die Erfindung nicht so offenbart sei, dass sie im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar wäre. Vielmehr erscheint die Argumentation der Beschwerdeführerin überzeugend, wonach es für den Fachmann keine Schwierigkeiten darstelle, von dem in der Anmeldung offenbarten Ausführungsbeispiel abweichende Ausführungsformen der beanspruchten Erfindung zu realisieren.

Die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ sind daher erfüllt.

Neuheit - Artikel 54 EPÜ

9. Der Vorrichtung gemäß Anspruch 1 wird in keiner der sich in der Akte befindenden Entgegenhaltungen offenbart und ist somit als neu anzusehen.

Der Gegenstand von Anspruch 1, sowie der der Ansprüche 2 bis 7, erfüllt die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ.

Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ

10. Entgegenhaltung (5), welche den nächstliegenden Stand der Technik darstellt, vergleicht vier Methoden, um die Bestimmung der Aktivität von Enzymen (Cathepsin B und L) zu optimieren. Gemäß Methode (d) werden die enzymhaltigen Proben zuerst über eine mit Sepharose-Gel-Papain beladene Affinitäts-Chromatographie-Säule geleitet, um darin enthaltene endogene Enzym-Inhibitoren abzutrennen. Die aus der Säule austretende Flüssigkeit wird gesammelt und darin die Enzymaktivität bestimmt (siehe Entgegenhaltung (5), Seite 2363 bis 2364).

11. Es war die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, welche die weitgehend automatisierte Durchführung des Verfahrens der im nächstliegenden Stand der Technik beschriebenen Methode ermöglicht.

Diese Aufgabe wurde durch den Gegenstand von Anspruch 1 gelöst, in welchem die beanspruchte Vorrichtung durch die folgenden Komponenten definiert wird:

- Durchlauf-Chromatographiesäule (1)

- umstellbares Ventil (6)

- Messprobenspeicher (3)

- Versuchsgefäß (5)

und wenigstens eines der folgenden Elemente:

- Kontrollvorrichtung (8)

- Messvorrichtung (9)

- Mischvorrichtung (10)

- Substratbehälter (12) und/oder Messpufferbehälter (13)

in Verbindung mit Ventil (13)

12. Weder die Offenbarung in Entgegenhaltung (5) selbst, noch die in einer anderen der Kammer vorliegenden Entgegenhaltung enthält einen Hinweis, die im nächstliegenden Stand der Technik verwendete Vorrichtung überhaupt und wenn, dann in der beanspruchten Weise zu verändern, so dass der Fachmann in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen würde.

Der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 7 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit und erfüllt die Voraussetzungen von Artikel 56 EPÜ.

13. Die Beschreibung wurde an die Ansprüche 1 bis 7, eingereicht mit Schreiben vom 18. Dezember 2008, angepasst.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen zu erteilen:

Ansprüche: 1 bis 7, eingereicht mit Schreiben vom 18. Dezember 2008

Beschreibung: Seiten 3, 5, 6, 8 bis 12, 14 bis 16, 18 und 20 bis 22 der veröffentlichten Patentanmeldung,

Seiten 2, 2a, 2b, 4 und 13, eingereicht mit Schreiben vom 17. März 2009 und

Seiten 1, 7, 17 und 19, eingereicht mit

Schreiben vom 17. April 2009

Abbildungen: 1 bis 9 der veröffentlichten Patentanmeldung.

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