European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T155207.20091103 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 03 November 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1552/07 | ||||||||
Anmeldenummer: | 02702329.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60T 13/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Bremskraftübertragungseinrichtung für einen Bremskraftverstärker | ||||||||
Name des Anmelders: | Continental Teves AG & Co. oHG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | LUCAS AUTOMOTIVE GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Unzulässige Erweiterung - Hauptantrag (ja) Neuheit - Hilfsantrag I (nein) Ausführbarkeit - Hilfsantrag II (ja) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag II (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP 1 373 039 wurde von der Einspruchsabteilung mit der am 25. Juli 2007 zur Post gegebenen Entscheidung in geändertem Umfang in der Fassung des Hilfsantrags II aufrechterhalten. Gegen diese Entscheidung haben sowohl die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin I) am 14. September 2007 als auch die Einsprechende (Beschwerdeführerin II) am 25. September 2007 Beschwerde eingereicht und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründungen sind am 26. November 2007 (Beschwerdeführerin II) bzw. am 30. November 2007 (Beschwerdeführerin I) eingegangen.
II. Die Einsprechende stützte ihre Argumente im Wesentlichen auf die folgenden Beweismittel:
(D1) EP 0 705 190 B1
(D2) DE 199 16 579 A1
(D3) JP 10-230 840
(D4) JP 3-57568
III. Am 3. November 2009 wurde mündlich verhandelt.
Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und das Patent in geänderter Form auf der Basis des Hauptantrags oder des Hilfsantrags I, jeweils eingereicht mit Schreiben vom 1. Oktober 2009, aufrechtzuerhalten oder weiter hilfsweise, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen (Hilfsantrag II).
IV. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"Übertragungseinrichtung für die Bremskraft eines Bremskraftverstärkers mit einem elastischen Reaktionselement (7), einem Eingangsglied (9), welches über eine Eingangswirkfläche auf das Reaktionselement (7) einwirkt und mit einem Ausgangsglied (10), welches über eine Ausgangswirkfläche (d4) auf das Reaktionselement (7) einwirkt, wobei Änderungsmittel vorgesehen sind, durch welche das durch das Verhältnis der Wirkflächen (d2, d4 bzw. dl) bestimmte Kraftübersetzungs-verhältnis zwischen Eingangsglied (9) und Ausgangsglied (10) in Abhängigkeit von den auf das Reaktionselement (7) über die Wirkflächen ausgeübten Kräften bzw. die hierdurch bedingte Deformation des Reaktionselementes (7) geändert wird, wobei eingangsseitig ein Teil (d3-d2) der Fläche des Reaktionselementes (7) über einen Schaltring (2) und über ein als eine in sich abgeschlossene Baueinheit gebildetes Federelement an dem Eingangsglied (9) abgestützt ist, wobei zumindest ein Teil (d4-d3) der auf die Ausgangswirkfläche (d4) ausgeübten Kraft von dem Steuergehäuse (8) des Bremskraftverstärkers aufgenommen wird und bei wachsender, auf das Reaktionselement (7) ausgeübter Kraft der Schaltring (2) gegen die Kraft des Federelementes (3,5,6) zu einem Anschlag (11) an dem Steuergehäuse (8) hin verschoben wird und an diesem angreift und damit die Eingangswirkfläche (d2) verkleinert, wobei der Schaltring (2) als auswechselbares, loses Teil ausgeführt ist."
V. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I lautet wie folgt:
"Übertragungseinrichtung für die Bremskraft eines Bremskraftverstärkers mit einem elastischen Reaktionselement (7), einem Eingangsglied (9), welches über eine Eingangswirkfläche auf das Reaktionselement (7) einwirkt und mit einem Ausgangsglied (10), welches über eine Ausgangswirkfläche (d4) auf das Reaktionselement (7) einwirkt, wobei zumindest ein Teil (d4-d3) der auf die Ausgangswirkfläche (d4) ausgeübten Kraft von dem Steuergehäuse (8) des Bremskraftverstärkers aufgenommen wird und wobei Änderungsmittel vorgesehen sind, durch welche das durch das Verhältnis der Wirkflächen (d2, d4 bzw. dl) bestimmte Kraftübersetzungsverhältnis zwischen Eingangsglied (9) und Ausgangsglied (10) in Abhängigkeit von den auf das Reaktionselement (7) über die Wirkflächen ausgeübten Kräften bzw. die hierdurch bedingte Deformation des Reaktionselementes (7) geändert wird, wobei eingangsseitig ein Teil (d3-d2) der Fläche des Reaktionselementes (7) über einen Schaltring (2) und über ein Federelement an dem Eingangsglied (9) abgestützt ist, wobei bei wachsender auf das Reaktionselement (7) ausgeübter Kraft der Schaltring (2) gegen die Kraft des Federelementes (3,5,6) zu einem Anschlag (11) an dem Steuergehäuse (8) hin verschoben wird und an diesem angreift und damit die Eingangswirkfläche (d2) verkleinert, dadurch gekennzeichnet dass, das Federelement ein gefesseltes Federpaket (3,5,6) ist, welches eine in sich abgeschlossene Baueinheit bildet, und wobei der Schaltring als auswechselbares, loses Bauelement ausgeführt ist."
VI. Anspruch 1 gemäß der von der Einspruchsabteilung in der Zwischenentscheidung vorgeschlagenen Fassung lautet wie folgt:
"Übertragungseinrichtung für die Bremskraft eines Bremskraftverstärkers mit einem elastischen Reaktionselement (7), einem Eingangsglied (9), welches über eine Eingangswirkfläche auf das Reaktionselement (7) einwirkt und mit einem Ausgangsglied (10), welches über eine Ausgangswirkfläche (d4) auf das Reaktionselement (7) einwirkt, wobei zumindest ein Teil (d4-d3) der auf die Ausgangswirkfläche (d4) ausgeübten Kraft von dem Steuergehäuse (8) des Bremskraftverstärkers aufgenommen wird und wobei Änderungsmittel vorgesehen sind, durch welche das durch das Verhältnis der Wirkflächen (d2, d4 bzw. dl) bestimmte Kraftübersetzungsverhältnis zwischen Eingangsglied (9) und Ausgangsglied (10) in Abhängigkeit von den auf das Reaktionselement (7) über die Wirkflächen ausgeübten Kräften bzw. die hierdurch bedingte Deformation des Reaktionselementes (7) geändert wird, wobei eingangsseitig ein Teil (d3-d2) der Fläche des Reaktionselementes (7) über einen Schaltring (2) und über ein Federelement an dem Eingangsglied (9) abgestützt ist, wobei bei wachsender auf das Reaktionselement (7) ausgeübter Kraft der Schaltring (2) gegen die Kraft des Federelementes (3,5,6) zu einem Anschlag (11) an dem Steuergehäuse (8) hin verschoben wird und an diesem angreift und damit die Eingangswirkfläche (d2) verkleinert, dadurch gekennzeichnet dass, das Federelement ein gefesseltes Federpaket (3,5,6) ist und mit einer Feder (5) versehen ist, welche zwischen zwei zueinander beweglichen Halteelementen (3, 6) unter Vorspannung eingespannt ist, welche in ihrem maximalen Abstand zueinander durch ein Anschlagelement (12) begrenzt sind, wobei der Schaltring als auswechselbares, loses Bauelement ausgeführt ist und mit seiner äusseren Mantelfläche (d3) durch die innere Mantelfläche eines radialen Gehäuse-Vorsprungs (1) des Steuergehäuses (8) geführt ist, welcher einen Teil (d4-d3) der von dem Reaktionselement (7) axial zur Eingangsseite hin ausgeübten Kräfte aufnimmt, und wobei die durch den Schaltring (2) von dem Reaktionselement (7) aufgenommenen Kräfte von dem zweiten der beiden Halteelement[e] (6) über die Feder (5) auf das erste der beiden Halteelement[e] (3) solange übertragen werden bis das zweite Halteelement (6) an dem Steuergehäuse (8) anschlägt."
VII. Die Einsprechende argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei unzulässig erweitert, da die in sich abgeschlossene Baueinheit ein Federpaket sei, wie in Anspruch 2 definiert, und eben kein Federelement. Das Federelement sei ein Teil eines Federpakets. Die Beschreibung offenbare an keiner Stelle, dass das Federelement eine in sich abgeschlossene Baueinheit sein könne.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag I sei jeweils durch die Dokumente D1 bis D4 neuheitsschädlich vorweggenommen.
So offenbare das Dokument D1 (dort insbesondere Fig. 4) ein gefesseltes Federpaket, gebildet durch die Elemente Ventilsitz 14a, Kolben 14, Hülse 30, Sicherungselement 32 und Feder 31. Dieses Federpaket bilde ebenfalls eine in sich geschlossene Baueinheit. Der Schaltring 34 sei ein auswechselbares loses Bauelement im Sinne des Anspruchs.
D2 offenbare ebenfalls alle Merkmale des Anspruchs (Fig. 2 bis 4). Dort sei eine vormontierte Patrone vorhanden, die in das Steuergehäuse eingefügt werden könne (Zusammenfassung und Spalte 3, Zeile 41), und die ein gefesseltes Federpaket als in sich abgeschlossene Baueinheit aufweise. Des weiteren sei der Schaltkolben, der dem Schaltring der strittigen Erfindung entspräche, auch auswechselbar, indem die Patrone ausgewechselt würde. Dieser Schaltkolben sei weiter lose und wird beim Zusammenbau der Patrone als separates Bauelement in diese eingefügt.
Die in den Dokumenten D3 und D4 gezeigten Übertragungseinrichtungen für Bremskraftverstärker seien vergleichbar zu den in D2 gezeigten und würden somit auch den Gegenstand des Anspruchs 1 offenbaren.
Die Ausführbarkeit der Erfindung, wie sie in der Patentschrift beschrieben ist, die der Zwischenentscheidung zugrunde liegt, sei nicht gegeben. Diese sei dort derart technisch falsch dargestellt, dass der Fachmann nicht im zumutbaren Rahmen in der Lage sei, die Erfindung nachzuvollziehen. Gemäß der Beschreibung, Seite 2, 2. Absatz, könne der Fahrer mit verminderter Fußkraft den gleichen Bremseffekt erreichen. Seite 12, 2. Absatz, 12. Zeile ff. führe ergänzend dazu aus, dass ab dem Zeitpunkt, an dem das zweite Halteelement am Steuergehäuse anschlage, als rückwirkende Kraft des Reaktionselements auf das Eingangsglied nur noch die Fläche d2 wirke. Dies sei aber technisch falsch. Diese Unrichtigkeit würde durch das Merkmal 10 im unabhängigen Anspruch 1 der Zwischenentscheidung abgebildet, welches besagt, dass die vom Reaktionselement aufgenommenen Kräfte vom zweiten Halteelement auf das erste Haltelement solange übertragen werden, bis das zweite Halteelement am Steuergehäuse anschlage. Solange könne in diesem Zusammenhang und im Lichte der Beschreibung lediglich nur solange bedeuten. Sonst sei auch das Merkmal überflüssig. Allerdings sei die technische Ausführbarkeit dieser - durch die Beschreibung gestützten - Definition nicht gegeben und der Fachmann wisse nicht, wie er dieses Merkmal umsetzen solle.
Weiterhin sei Anspruch 1 gemäß der Zwischenentscheidung nicht neu, mindestens aber nicht erfinderisch im Hinblick auf das Dokument D2.
In der Tat bestünde der einzige Unterschied zwischen dem Gegenstand des angegriffenen Anspruchs und der Übertragungseinrichtung nach D2 darin, dass der Schaltring ein separates Bauteil sei, während D2 einen Schaltkolben offenbare, dessen vorderes Ende dem Schaltring entspräche. Der Schaltkolben sei ein Teil der Patrone, die mit dem Federpaket verglichen werden könne. Nun besage die Beschreibung des strittigen Patents, dass dieser Schaltring auch einstückig mit dem Federpaket verbunden sein könne (Spalte 2, Zeilen 1 ff.). Genau diesen Fall zeige D2 mit dem Schaltkolben, so dass D2 die Erfindung zur Gänze offenbare, mindestens aber diese nahelege, da beide Lösungen für den Fachmann gleichwertig seien. Im übrigen würde der Fachmann auch durch D1 explizit auf einen losen Schaltring hingewiesen.
VIII. Die Argumente der Patentinhaberin lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Aus der gesamten Offenbarung der ursprünglichen Anmeldung ginge hervor, dass die Begriffe Federpaket und Federelement synonym verwendet würden (Seite 3, 3. Absatz, Seite 6, 2. Absatz, Seite 10, Zeilen 15 ff.). An diesen Stellen sei stets von einem Federelement die Rede und aus dem Kontext ginge hervor, dass dieses eine in sich abgeschlossene Baueinheit bilde.
Der Gegenstand des Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag I sei neu. So sei in Dokument D1 die Eingangsstange 16 fest und formschlüssig mit dem Ventilsitz 14a verbunden, (Spalte 2, Zeilen 55 ff.) was bedeute, dass in D1 das Federpaket keine abgeschlossene Baueinheit bilde.
Ebenfalls weise D1 keinen auswechselbaren losen Schaltring im Sinne des Streitpatents auf.
Auch Dokument D2 zeige keinen solchen losen Schaltring, da dort ein Schaltkolben als Teil der Patrone auf die Reaktionsscheibe einwirke. Dieser Schaltkolben sei eben nicht lose, da er Teil des gefesselten Federpakets sei. Dieselbe Argumentation gelte sinngemäß auch für die Dokumente D3 und D4.
Die Erfindung, wie sie in den - der Zwischenentscheidung zugrunde liegenden - Unterlagen beschrieben ist, sei richtig und vollständig offenbart, so dass ein Fachmann sie ausführen könne. Für diesen sei es klar, dass - wenn das zweite Halteelement am Steuergehäuse anschlage - nur noch von der Kraft die Rede sein könne, die der Fahrer zusätzlich aufbringen müsse, und die sei geringer als vorher, was erkläre, dass man für den gleichen Bremseffekt eine verminderte Fußkraft benötige.
Anspruch 1 gemäß der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung sei neu und erfinderisch, da D2 zwar einen Schaltkolben offenbare, dieser aber gleichzeitig eines der beiden Halteelemente darstelle; damit gebe es aber keinen losen Schaltring. Der separate Schaltring habe in der Konfiguration eines Bremsverstärkers gegenüber der Patrone Vorteile. Die Beschreibung sei irrtümlich im Einspruchsverfahren nicht vollständig angepasst worden. Die Ausführungsvariante der Erfindung, in der der Schaltring auch einstückig mit dem Federpaket verbunden sein könne, sei zwar dort noch erwähnt, allerdings werde diese Ausführungsform nicht mehr durch den Anspruchssatz abgedeckt.
Entscheidungsgründe
1. Beide Beschwerden sind zulässig.
Unzulässige Erweiterung (Hauptantrag)
2. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags ist unzulässig erweitert, Art. 123(2) EPÜ.
2.1 Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich unter anderem von Anspruch 1 wie erteilt durch die Einfügung in Zeile 27, die festlegt, dass das Federelement eine in sich geschlossene Baueinheit bildet.
Die Passage der Seite 2, letzter Absatz der ursprünglichen Offenbarung beschreibt die Weiterbildung der Erfindung durch die Merkmalskombination nach Anspruch 2, der besagt, dass das Federelement ein gefesseltes Federpaket ist. Dort heißt es: "Das Federpaket kann weiterhin eine in sich abgeschlossene Baueinheit bilden, ..."
Weitere Offenbarungsstellen, in denen von einem Federpaket oder einer geschlossenen Baugruppe die Rede ist, existieren nicht. Daher ist das strittige Merkmal nach Ansicht der Kammer nur für die spezielle Ausführungsform des abhängigen Anspruchs 2 offenbart: nur das Federpaket kann eine in sich geschlossene Baugruppe bilden, nicht aber das Federelement.
2.2 An den von der Patentinhaberin genannten Passagen (Seite 3, 3. Absatz, Seite 6, 2. Absatz, Seite 10, Zeilen 15 ff.) ist immer von einem Federelement die Rede. Der Begriff Federpaket kommt an diesen Stellen nicht vor. Ebenfalls wird an keiner dieser Stellen darauf hingewiesen, dass das Federelement gefesselt ist oder eine geschlossene Baueinheit darstellen kann. So bezieht sich auch die von der Patentinhaberin genannte Passage Seite 3, 3. Absatz auf den ursprünglichen Anspruch 4, der seinerseits über den Anspruch 3 auf den Anspruch 2 rückbezogen ist, der das Federelement als gefesseltes Federpaket definiert.
Daraus geht nach Ansicht der Kammer hervor, dass die Begriffe Federelement und Federpaket in den Anmeldeunterlagen nicht synonym verwendet werden, wie dies die Patentinhaberin vorgibt. Vielmehr ist das Federelement als ein Teil des Federpakets zu betrachten. Das Federelement bestimmt über die Federkennlinie das Verstärkungsverhalten des Bremskraftverstärkers (Seite 3, 3. Absatz), es ist einfach aufgebaut und besteht aus zwei Halteelementen und der Feder (Seite 10, Zeilen 15 ff. und Seite 6, 2. Absatz). Zur Bildung des gefesselten Federpakets sind weitere Elemente notwendig, vgl. Seite 10, Zeile 24 bis Seite 11, Zeile 9.
Neuheit des Hilfsantrags I
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag I ist nicht neu im Hinblick auf Dokument D2.
3.1 Das Dokument D2 offenbart:
Übertragungseinrichtung für die Bremskraft eines Bremskraftverstärkers mit einem elastischen Reaktionselement (Fig. 2 und 3: Reaktionsscheibe 32), einem Eingangsglied (Fig. 1: Krafteingangsglied 24), welches über eine Eingangswirkfläche auf das Reaktionselement einwirkt (Kolben 50) und mit einem Ausgangsglied (Kraftabgabeglied 38), welches über eine Ausgangswirkfläche auf das Reaktionselement einwirkt (dito, Fig. 1, Spalte 3, Zeile 51 bis Spalte 4, Zeile 2), wobei zumindest ein Teil der auf die Ausgangswirkfläche ausgeübten Kraft von dem Steuergehäuse des Bremskraftverstärkers aufgenommen wird (in Fig. 1 liegt rechts oben und unten die Reaktionsscheibe am Steuergehäuse (40) an) und wobei Änderungsmittel vorgesehen sind, durch welche das durch das Verhältnis der Wirkflächen bestimmte Kraftübersetzungsverhältnis zwischen Eingangsglied und Ausgangsglied in Abhängigkeit von den auf das Reaktionselement über die Wirkflächen ausgeübten Kräften bzw. die hierdurch bedingte Deformation des Reaktionselementes geändert wird (Schaltkolben 52), wobei eingangsseitig ein Teil der Fläche des Reaktionselementes über einen Schaltring und über ein Federelement an dem Eingangsglied abgestützt ist (der Schaltkolben 52 stützt seinen Teil über die Feder 48 und dem Teller 46 am Eingangsglied ab, Spalte 4, Zeilen 3 bis 12), wobei bei wachsender auf das Reaktionselement ausgeübter Kraft der Schaltring gegen die Kraft des Federelementes zu einem Anschlag an dem Steuergehäuse hin verschoben wird und an diesem angreift und damit die Eingangswirkfläche verkleinert (Spalte 5, Zeilen 32 ff.), wobei das Federelement ein gefesseltes Federpaket ist (die Patrone 30 ist ein gefesseltes Federpaket im Sinne des Anspruchs), welches eine in sich abgeschlossene Baueinheit bildet (im Sinne der Erfindung, Seite 2, letzter Absatz der Anmeldung ist die Patrone einstückig in das Steuergehäuse einfügbar und damit in sich abgeschlossen, auch Zusammenfassung), und der Schaltring als auswechselbares, loses Bauelement ausgeführt ist (der Schaltkolben ist auswechselbar und somit auch lose).
3.2 Dem Argument der Patentinhaberin, in D2 sei der Schaltring weder auswechselbar noch lose, kann sich die Kammer nicht anschließen. Der Schaltring in Form des Schaltkolbens ist mit der Patrone austauschbar (s.o., Zusammenfassung, Spalte 3, Zeile 41: "vormontierte Patrone"). Des Weiteren ist der Schaltkolben ein separates Einzelteil, welches beim Zusammenbau beweglich in die Patrone eingesetzt wird und welches sich im Betrieb relativ zum Gehäuse bewegt. Somit ist der Schaltkolben unter jedwedem Gesichtspunkt als lose anzusehen.
Mangelnde Ausführbarkeit der
Erfindung gemäß der Zwischenentscheidung
4. Die Erfindung, wie sie in den der Zwischenentscheidung zugrundeliegenden Ansprüchen, Beschreibung und Zeichnungen beschrieben ist, ist derart vollständig und deutlich offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
4.1 Die Einsprechende beanstandet die Ausführbarkeit der Erfindung, da diese in der Beschreibung und im Anspruch 1 technisch falsch dargestellt sei und der Fachmann deshalb nicht im zumutbaren Rahmen in der Lage sei, die Erfindung nachzuvollziehen. So sei das Merkmal 10 (gemäß der Merkmalsgliederung der Einsprechenden, siehe Anlage zur Beschwerdebegründung) technisch falsch, welches im Kern besage, dass Kräfte vom Schaltring über das zweite Halteelement und die Feder auf das erste Halteelement solange übertragen werden, bis das zweite Halteelement am Steuergehäuse anschlägt. Die Formulierung lege nahe, dass nach dem Anschlagen des zweiten Halteelements, keine Kraft mehr übertragen würde; solange bedeute somit nur solange. Diese Aussage würde durch die Beschreibung gestützt, denn auf Seite 2, 3. Absatz sei ausgeführt, dass der Fahrer bei verminderter Fußkraft den gleichen Bremseffekt erreiche und auf Seite 12, 2. Absatz, Zeile 12 ff. sei dargestellt, dass nach Anschlagen des zweiten Halteelements nur noch die Fläche d2 auf das Eingangsglied wirke. Die Darstellung in den Patentunterlagen sei somit konsistent, aber falsch und leite den Fachmann fehl.
4.2 Die Kammer stimmt den Argumenten der Einsprechenden insoweit zu, als dass der Gegenstand des Merkmals 10 in der Beschreibung sachlich missverständlich dargestellt ist: es verhält sich in der Tat so, dass nach Anschlagen des zweiten Halteelements der Fahrer bei einem verminderten Zuwachs an Fußkraft den gleichen Zuwachs an Ausgangskraft erreicht (Seite 2, 2. Absatz) und dass nur noch die Fläche d2 eingangsseitig das Verstärkungsverhältnis bestimmt, da d3 durch das Anschlagen der zweiten Halteelements festgesetzt ist. Allerdings ist die Kammer der Ansicht, dass ein Fachmann auf dem Gebiet der Bremskraftverstärker die fehlerhaften Formulierungen erkennt. Das Prinzip eines Bremskraftverstärkers mit umschaltbarer Verstärkung über Schaltelemente ist im Stand der Technik beschrieben und ihm somit hinreichend bekannt. Schließlich setzt sich die Erfindung in erster Linie mit dem auswechselbaren, losen Schaltring auseinander (siehe Punkt 5, unten); dieses Merkmal ist von der fehlerhaften Darstellung nicht betroffen. Auf jeden Fall ist es einem Fachmann möglich, die Erfindung, wie sie beispielsweise in der Fig. 1 der Patentschrift gezeigt ist, nachzubauen.
Neuheit und Erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 1 gemäß der Zwischenentscheidung
5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß der Zwischenentscheidung ist neu und erfinderisch gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik, Art. 54 EPÜ und Art. 56 EPÜ 1973.
5.1 Die Merkmale des Oberbegriffs sind unstrittig aus D2 bekannt, siehe auch 3.1, oben.
Des Weiteren offenbart das Dokument D2, dass
das Federelement ein gefesseltes Federpaket ist (Feder 48 ist gefesselt zwischen Teller 46 und Schaltkolben 52, Sicherungsring 58; weiter "vormontierte Patrone"), das mit einer Feder versehen ist, welche zwischen zwei zueinander beweglichen Halteelementen unter Vorspannung eingespannt ist, welche in ihrem maximalen Abstand zueinander durch ein Anschlagelement begrenzt sind (dito, Halteelemente sind Teller und Schaltkolben), wobei der Schaltring [ ... ] mit seiner äußeren Mantelfläche durch die innere Mantelfläche eines radialen Gehäuse-Vorsprungs des Steuergehäuses geführt ist (dies ist für den Schaltkolben 52 der Patrone der Fall, siehe Fig. 2 bis 4), welcher einen Teil der von dem Reaktionselement axial zur Eingangsseite hin ausgeübten Kräfte aufnimmt (Reaktionskräfte der Reaktionsscheibe 34 werden vom Steuergehäuse aufgenommen, so auch von dem Teil, auf das das Bezugszugszeichen 28 zeigt), und wobei die durch den Schaltring von dem Reaktionselement aufgenommenen Kräfte von dem zweiten der beiden Halteelement über die Feder auf das erste der beiden Halteelement solange übertragen werden bis das zweite Halteelement an dem Steuergehäuse anschlägt.
5.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß der Zwischenentscheidung unterscheidet sich von der Übertragungseinrichtung gemäß Dokument D2 dadurch, dass
der Schaltring als auswechselbares loses Bauelement ausgeführt ist.
Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß der Zwischenentscheidung neu, Art. 54(2) EPÜ 1973.
5.3 Die zu lösende Aufgabe besteht in einer weiteren Modularisierung des Bremskraftverstärkers, wobei sowohl Federpaket als auch Schaltring in verschiedenen Ausführungsformen auf Lager gehalten werden können, mit denen dann das Steuergehäuse je nach Bedarf und gewünschtem Verlauf der Verstärkung bestückt wird (Seite 3, 1. Absatz der Anmeldung).
Der im Verfahren befindliche Stand der Technik legt einen losen Schaltring nicht nahe, daher beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5.4 Diese Auffassung der Kammer widerspricht sich nicht mit der unter Punkt 3.1 und 3.2 dargelegten Begründung zur mangelnden Neuheit des Hilfsantrags I.
5.4.1 Im Anspruch 1 des Hilfsantrags I ist im Gegensatz zum dem des Hilfsantrags II kein zweites Halteelement definiert. Damit ist in der Merkmalsanalyse des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag I der Schaltring dem Schaltkolben gemäß D2 zugeordnet worden, und dieser ist - wie oben ausgeführt - lose.
5.4.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags II definiert indes das Federpaket mit zwei zueinander beweglichen Halteelementen, die durch die Feder vorgespannt sind (ursprünglicher Anspruch 3), darüber hinaus den Schaltring als loses Bauelement (ursprünglicher Anspruch 5). Der Schaltkolben in Dokument D2 erfüllt dort sowohl die Funktion des zweiten Halteelements als auch die des Schaltrings. Nach Ansicht der Kammer kann aber ein Schaltring, der einstückig mit einem Halteelement verbunden ist, nicht mehr als lose im Sinne der Erfindung bezeichnet werden.
5.5 In diesem Zusammenhang argumentiert die Einsprechende, dass sowohl die einstückige Verbindung des Schaltrings mit dem Federpaket als auch eine Ausführung als separates Bauteil in der Beschreibung des Streitpatents erwähnt seien. Vor allem seien beide Lösungen für den Fachmann gleichwertig und daher sei die Merkmalskombination des Anspruchs 1 nahegelegt.
Die Kammer sieht den vorliegenden Anspruch klar auf die Variante beschränkt, dass Federpaket und Schaltring voneinander getrennt sind. Sie folgt hierbei der Ausführung der Patentinhaberin, die angab, dass die Beschreibung im Einspruchsverfahren nicht vollständig an die geänderten Ansprüche angepasst worden sei. Auf jeden Fall führt diese Passage in der Beschreibung nicht dazu, dass eine einstückige Kombination von Schaltring und Halteelement unter den Schutzumfang der Merkmalskombination von Anspruch 1 subsumiert werden kann.
Der lose Schaltring hat gegenüber der vormontierten Patrone den technischen Vorteil einer flexiblen Anpassung durch Federpaket und Schaltring. Dabei hat der Fachmann - ausgehend von D2 - keine Veranlassung das dort verwendete System der Patrone aufzugeben oder weiterzuentwickeln.
Ebenfalls legt das Dokument D1 in diesem Zusammenhang keinen losen Schaltring nahe. Der Fachmann würde D1 nicht in Betracht ziehen, da sich die Übertragungseinrichtung gemäß D1 nicht mit dem Zusammenbau bzw. der leichten Konfigurierbarkeit auseinandersetzt.
Daher sieht die Kammer die Merkmalskombination des gemäß der Zwischenentscheidung aufrechterhaltenen Anspruchs 1 als erfinderisch an. Die Patentierbarkeit der von diesem Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2 bis 8 und die mit der Zwischenentscheidung geänderte Beschreibung wurden mit der Beschwerde der Einsprechenden nicht angegriffen. Auch die Kammer sieht keine Gründe insoweit von der angefochtenen Entscheidung abzuweichen.
6. Da der von der Patentinhaberin vorgelegte Haupt- und Hilfsantrag nicht gewährbar war, und die von der Einsprechenden vorgebrachten Einwände gegen die von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung des Patents unbegründet waren, bleiben beide Beschwerden ohne Erfolg.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.