T 1376/07 () of 9.7.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T137607.20090709
Datum der Entscheidung: 09 Juli 2009
Aktenzeichen: T 1376/07
Anmeldenummer: 00111933.8
IPC-Klasse: A01J 5/007
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum maschinellen Melken von Tieren, insbesondere von Schafen
Name des Anmelders: GEA WestfaliaSurge GmbH
Name des Einsprechenden: DeLaval International AB
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Verfahren gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - Neuheit - (nein)
Zurückverweisung an die erste Instanz (nein)
Verfahren gemäß Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0133/87
T 0392/89
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0942/07
T 0975/20

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat am 17. August 2007 gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 19. Juni 2007 das Patent zu widerrufen, Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet und am 18. Oktober 2007 die Beschwerde schriftlich begründet.

II. Der Einspruch wurde auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) (Neuheit und erfinderische Tätigkeit) und b) EPÜ 1973 gestützt.

III. Die folgenden Druckschriften haben in diesem Verfahren eine Rolle gespielt:

D2: DE-A-30 47 579

D14: Practical Sheep Dairying, Thorsons Publishers Ltd, 1982, Seiten 128 - 131

IV. Am 9. Juli 2009 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang in der Fassung des Hauptantrages, hilfsweise in der Fassung der Hilfsanträge 1 oder 2, aufrechtzuerhalten. Alle Anträge wurden mit der Beschwerdebegründung eingereicht.

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"1. Verfahren zum maschinellen Melken von kleinen Wiederkäuern, insbesondere von Schafen, bei dem während einer Vormelkphase (v) ein Teil der Milch aus der Euterzisterne abgemolken wird, danach wenigstens eine Zitze des Tieres während einer Stimulationsphase (s) stimuliert wird, und bei dem der Stimulationsphase (s) eine Melkphase (h) nachgeschaltet ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:

"1. Verfahren zum maschinellen Melken von kleinen Wiederkäuern, insbesondere von Schafen, bei dem während einer Vormelkphase (v) ein Teil der Milch aus der Euterzisterne abgemolken wird, wobei die Vormelkphase wenigstens eine Dauer von 5 sec., vorzugsweise 7 sec., und höchstens eine Dauer von 30 sec. hat, danach wenigstens eine Zitze des Tieres während einer Stimulationsphase (s) stimuliert wird, und bei dem der Stimulationsphase (s) eine Melkphase (h) nachgeschaltet ist."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet wie folgt:

"1. Verfahren zum maschinellen Melken von kleinen Wiederkäuern, insbesondere von Schafen, bei dem während einer Vormelkphase (v) ein Teil der Milch aus der Euterzisterne abgemolken wird, danach wenigstens eine Zitze des Tieres während einer Stimulationsphase (s) stimuliert wird, und bei dem der Stimulationsphase (s) eine Melkphase (h) nachgeschaltet ist, wobei während der Stimulationsphase (s) eine taktile Reizung der Zitze erfolgt und ein Melkbecher mit einem Pulsator verbunden ist, wobei die Pulsatorfrequenz wenigstens 300 Zyklen pro Minute beträgt."

Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

D14 offenbare kein Melkverfahren mit drei klar erkennbaren Phasen, nämlich mit einer Vormelkphase, einer Stimulationsphase und einer Hauptmelkphase. Die Neuheit des Verfahrens gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 sei daher gegeben.

Da die Frage der erfinderischen Tätigkeit von der ersten Instanz noch nicht geprüft worden sei, wäre es sinnvoll, die Sache an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.

In D14 werde der Melkprozess mit einer Melkphase begonnen. D2 lehre jedoch einen Fachmann, vor dem eigentlichen Melken eine Stimulationsphase vorzusehen. Die in D14 und D2 vorgesehenen Verfahrensabläufe seien daher unvereinbar. Deswegen würde ein Fachmann, der das in D14 beschriebene Verfahren verbessern wollte, D2 nicht in Betracht ziehen.

Die Beschwerdegegnerin hat dem widersprochen und im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

In D14 sei ein Melkverfahren für Schafe beschrieben, wobei einer ersten Melkphase eine Stimulationsphase folge, der wiederum eine weitere Melkphase nachgeschaltet sei. Zudem offenbare D14, dass die erste Melkphase nach 30 Sekunden abgeschlossen sei. Sowohl das Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag als auch das gemäß Hilfsantrag 1 seien daher nicht neu.

Eine Zurückverweisung an die erste Instanz würde eine unakzeptable Verlängerung des Verfahrens mit sich bringen und sollte daher vermieden werden.

Von D14 ausgehend sei die zu lösende Aufgabe darin zu sehen, eine effektive, zeitsparende Stimulationsart zu finden. D2 lege einem Fachmann nahe, eine Stimulation der Zitze durch eine Pulsatorhochfrequenz durchzuführen und führe somit zum Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag und Hilfsantrag 1 - Neuheit:

2.1 D14 (vgl. Seite 131) beschreibt ein Verfahren zum maschinellen Melken von Schafen (implizit durch den Bezug auf Melkbecher). Zuerst wird die sich in der Euterzisterne befindliche Milch abgemolken (Zeilen 3 und 4 des zweiten Absatzes). Dies entspricht einer Vormelkphase. Danach werden die Zitzen des Tieres durch Abnehmen und wieder Anbringen der Melkbecher stimuliert (Zeilen 3 bis 5 des dritten Absatzes). Dies entspricht einer Stimulationsphase. Darauf folgt wieder eine Melkphase ("release from gland", "second let-down").

Ferner ist der auf Seite 131 abgebildeten Figur zu entnehmen, dass die Vormelkphase ("immediate release from cistern") nach 30 Sekunden abgeschlossen ist.

2.2 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass die verschiedenen Verfahrensphasen aus D14 nicht klar erkennbar seien. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die sich in der Euterzisterne befindliche Milch problemlos abgemolken werden kann, sobald die Melkbecher angebracht sind (vgl. Seite 131, Zeilen 3 und 4 des zweiten Absatzes), wobei der Verweis auf die Benutzung von Melkbechern ein maschinelles Melken impliziert. Ferner wird im dritten Absatz insbesondere auf Schafe eingegangen, die ihre Milch nur langsam ablassen ("ewe is nervous or genetically slow in letting her milk down, she can always appear to have a ?second let-down?"). Um dieses zweite Milchablassen einzuleiten, wird eine Stimulation empfohlen. Es sind somit alle drei Phasen des beanspruchten Verfahrens klar identifizierbar.

2.3 Daraus ergibt sich, dass der Verfahrensanspruch 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 im Hinblick auf diesen Stand der Technik nicht neu ist.

3. Zurückverweisung:

3.1 Da die erfinderische Tätigkeit vor der ersten Instanz nicht erörtert wurde, hat die Beschwerdeführerin beantragt, die Sache zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurückzuverweisen.

Diesem Begehren ist die Beschwerdegegnerin aus verfahrensökonomischen Gründen nicht gefolgt.

3.2 Gemäß Artikel 111 (1) EPÜ 1973 wird die Beschwerdekammer entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder sie verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ zurück. Demnach gewährt Artikel 111 EPÜ 1973 den Parteien keinen absoluten Anspruch auf die Prüfung jeder in einem Beschwerdeverfahren vorgebrachten Frage durch zwei Instanzen (vgl. T 0133/87; T 0392/89). Es ist vielmehr dem pflichtgemäßen Ermessen der Kammer überlassen, unter Würdigung der Umstände des Falles über die Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz zu entscheiden, wobei auch der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie eine Rolle spielt.

Das Interesse der Öffentlichkeit und der Beteiligten an einer zügigen Durchführung des Verfahrens, sowie die Vermeidung einer fortdauernden wirtschaftlichen Unsicherheit, sprechen im allgemeinen gegen eine Zurückverweisung. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin zudem keine besonderen Gründe zur Stützung Ihres Antrages genannt.

Für eine Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz, wie sie vom Beschwerdeführer hilfsweise beantragt wurde, bestand daher weder aus sachlichen noch aus verfahrensrechtlichen Gründen eine Notwendigkeit.

Daher hat sich die Kammer entschlossen, über die Frage der erfinderischen Tätigkeit selbst zu entscheiden.

4. Hilfsantrag 2 - erfinderische Tätigkeit:

4.1 Die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 wurde nicht in Frage gestellt.

Da D14 die Druckschrift ist, die die meisten Merkmale mit dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 gemein hat, stellt sie den nächstkommenden Stand der Technik dar.

4.2 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von dem durch D14 offenbarten Verfahren dadurch, dass zur taktilen Reizung der Zitze(n) ein Melkbecher mit einem Pulsator verbunden ist, wobei die Pulsatorfrequenz wenigstens 300 Zyklen pro Minute beträgt.

4.3 Da in D14 (Seite 131) die Verwendung von Melkbechern offenbart wird, ist dieser auch zwangsläufig mit einem Pulsator verbunden. Ferner wird im dritten Absatz (selbe Seite) angegeben, dass eine Massage durch Abnehmen und wieder Anbringen der Melkbecher erfolgen soll, oder durch jegliche anderen Kunstgriffe. Das Abnehmen und wieder Anbringen der Melkbecher wird jedoch auch als zeitaufwendig betrachtet. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass jeder Melbecher bei jedem Tier einzeln von Hand abgenommen und wieder angebracht werden muss. Des Weiteren wird in dieser Passage der Fachmann bereits dazu angeregt, auch andere als die vorgeschlagene Stimulationsart zu verwenden.

4.4 Im Hinblick auf den nächstkommenden Stand der Technik D14 kann die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, eine alternative, effektive aber weniger zeitaufwändige Stimulation vorzuschlagen.

4.5 D2 liegt die Aufgabe zugrunde, eine optimale Stimulation eines zu melkenden Tieres zu erzielen (Seite 16, zweiter Absatz). Zu diesem Zweck wird eine Stimulation durch eine hohe Pulsfrequenz des Pulsators bis 450 Zyklen pro Minute vorgeschlagen (Seite 21, zweiter Absatz). Des weiteren wird auf Seite 17, zweiter Absatz (und Seite 8, Zeilen 9 bis 19 des zweiten Absatzes,) vorgeschlagen, dass binnen 40 bis 90 Sekunden nach Beginn der Stimulation bei Kühen eine Milchejektion bewirkt wird. Da diese Stimulation maschinell vollbracht wird, können alle an der Melkanlage gleichzeitig angeschlossenen Tiere in der oben genannten Zeitspanne auch gleichzeitig stimuliert werden. Das heißt, dass binnen 40 bis 90 Sekunden alle Tiere stimuliert worden sind.

4.6 Die Beschwerdeführerin hat bemängelt, dass das in D2 vorgeschlagene Verfahren zum Melken von Kühen bestimmt sei. Dem kann nicht zugestimmt werden. Der letzte Satz der Seite 21 lautet "Das erfindungsgemäße Verfahren ist nicht nur auf Kühe, sondern auch in gleicher Weise auch auf Schafe und Ziegen anwendbar". Auch dem Einwand, dass nur das erfindungsgemäße Verfahren, d.h. das Verfahren gemäß Anspruch 1 dieser Patentschrift auf Schafe und Ziegen anwendbar sei, kann nicht gefolgt werden. Der fachmännische Leser wird sofort erkennen, dass die beanspruchte und beschriebene Stimulation einer Zitze des zu melkenden Tieres durchaus auf Schafe und Ziegen anwendbar ist.

Die Beschwerdeführerin hat weiter vorgetragen, dass die Lehren von D14 und D2 unvereinbar seien, weil die Verfahrensabläufe unterschiedlich gestaltet seien.

Auch diese Ansicht kann nicht geteilt werden.

Ausgehend von D14 als nächstkommendem Stand der Technik besteht die zu lösende Aufgabe darin, eine Stimulation der Zitzen des zu melkenden Tieres vorzuschlagen, die im Wesentlichen nicht mit großem Zeitaufwand verbunden ist.

Der mit dieser Aufgabe konfrontierte Fachmann wird aus der Lehre der D2 eine effektive, aber im Vergleich zu D14 weniger zeitaufwändige Stimulation ableiten. Es ist für ihn selbstverständlich, dass die dort vorgeschlagene Stimulation unabhängig von den anderen Verfahrensschritten benutzt werden kann.

4.7 Somit war es für den zuständigen Fachmann naheliegend, die Stimulation in D14, wie in D2 vorgeschlagen, durch eine erhöhte Pulsatorfrequenz von wenigstens 300 Zyklen pro Minute in zeitsparender Weise auszuführen.

Daraus folgt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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