T 0979/07 () of 15.10.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T097907.20091015
Datum der Entscheidung: 15 October 2009
Aktenzeichen: T 0979/07
Anmeldenummer: 00124164.5
IPC-Klasse: G01N 27/414
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Brandmelder mit Gassensoren
Name des Anmelders: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegter Anspruchssatz - Zulässigkeit (nein): nicht recherchierte, geänderte Sachlage
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0407/05
T 1123/05
T 0764/07
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0915/11
T 0625/13

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) richtet ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 00124164.5 (Veröffentlichungsnummer 1104884) zurückgewiesen worden ist.

Die Zurückweisung der Anmeldung war damit begründet worden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem der Entscheidung zugrunde liegenden Antrag nicht neu sei (Artikel 52(1) und 54 EPÜ 1973). Die Prüfungsabteilung hatte in ihrer Entscheidung weitere begründete Feststellungen bezüglich mangelnder Neuheit bzw. fehlender erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf eine Reihe von Entgegenhaltungen als obiter dicta aufgenommen. Unter anderem wurden auch die Merkmale der abhängigen Ansprüche derjenigen Erfindungen, die recherchiert worden waren, insbesondere die der ursprünglich eingereichten abhängigen Ansprüche 2 und 22, von der Prüfungsabteilung als nicht neu bzw. als nicht erfinderisch erachtet.

II. Mit der Beschwerdebegründung wurde ein geänderter Anspruch 1 vorgelegt, der sich von dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Anspruch 1 im Wesentlichen dadurch unterscheidet, dass ein Merkmal des Anspruchs durch das Merkmal des ursprünglich eingereichten abhängigen Anspruchs 2 ersetzt wurde.

III. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung vom 29. Mai 2009 teilte die Kammer ihre vorläufige Auffassung mit, dass die Kombination der Merkmale, die den Gegenstand des Anspruchs 1 bilden, gegenüber einer Reihe von Entgegenhaltungen weder neu sei noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Kammer wies auch darauf hin, dass die Auffassung der Prüfungsabteilung, wonach die Merkmale der recherchierten abhängigen Ansprüche nicht neu oder zumindest nicht erfinderisch seien, von der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren zu keinem Zeitpunkt konkret bestritten worden seien und dass die Kammer keine Gründe sehe, in diesem Punkt von der Auffassung der Prüfungsabteilung abzuweichen.

In der Mitteilung wies die Kammer die Beschwerdeführerin auch auf folgendes hin:

"Die mündliche Verhandlung wird der Beschwerdeführerin Gelegenheit geben, zu den oben erwähnten Fragen Stellung zu nehmen. Beabsichtigte Stellungnahmen und Neuanträge, insbesondere geänderte Ansprüche, sollten unverzüglich, jedoch spätestens einen Monat vor dem Termin der mündlichen Verhandlung eingereicht werden. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass es im Ermessen der Kammer steht, Änderungen des Vorbringens der Parteien zu berücksichtigen und zuzulassen (Artikel 13 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, ABl. EPA 2007, 536); insbesondere könnte Vorbringen nach dem oben genannten Zeitpunkt - besonders wenn es aufgrund seiner Komplexität das Verfahren über Gebühr verzögern oder seinen Abschluss verhindern würde - unter Umstände von der Beschwerdekammer nicht berücksichtigt werden (Artikel 13(3) VerfOBK, supra)."

IV. Die mündliche Verhandlung fand am 15. Oktober 2009 statt. Am Anfang der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin den vorherigen Anspruchssatz durch einen neuen einzigen "Hauptantrag" ersetzt.

Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis des Anspruchssatzes gemäß dem Hauptantrag zu erteilen, hilfsweise die Sache zur weiteren Recherche an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.

Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

V. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

"Brandmelder mit mindestens einem Gassensor, bei dem zur Gasdetektion mindestens ein Feldeffekttransistor mit einem Sourcebereich (S, S2, S3), einem Kanalbereich (2, 24, 25), einer Gatelektrode (7, 11, 18) und einem Drainbereich (D, D2, D3) vorgesehen ist, wobei die Gateelektrode(n) des/der Feldeffekttransistors(en) zur Gasdetektion eine oder mehrere gassensitive Schichten aufweist(en), so dass die Kanalleitfähigkeit(en) des/der Feldeffekttransistors(en) in Abhängigkeit von einem oder mehreren zu detektierenden Gasen steuerbar ist/sind, dadurch gekennzeichnet, dass der Gassensor zur Detektion der Austrittsarbeitsänderung des gassensitiven Materiales ein Suspended Gate FET-Gassensor ist und wobei zusätzlich zu dem/den Feldeffekttransistor(en) zur Gasdetektion ein oder mehrere Streulichtraummelder vorgesehen sind."

VI. Die Beschwerdeführerin stützte ihre Anträge auf folgende Argumente:

Der neue Anspruch 1 basiert auf einer Kombination der Merkmale des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anspruchs 1 mit den Merkmalen des abhängigen Anspruchs 22 und dem in Absatz [0048] der Beschreibung der veröffentlichten Anmeldung offenbarten Merkmal, wonach "die Kombination eines Streulichtrauchmelders mit einem Gassensor besonders geeignet" ist.

Ein Gassensor auf der Basis von Feldeffekttransistoren und ein Streulichtrauchmelder weisen eine unterschiedliche Sensibilität und eine unterschiedliche Selektivität auf, so dass sich diese komplementären Eigenschaften in bestimmten Räumen - wie z.B. in Flugzeugen - vorteilhaft ergänzen, wenn zusätzlich zu einem FET-Gassensor ein Streulichtrauchmelder eingesetzt wird.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag - Zulässigkeit

2.1 In der begründeten Mitteilung vom 29. Mai 2009, die der Ladung zur mündlichen Verhandlung beilag, vertrat die Kammer die vorläufige Auffassung, dass - wie von der Prüfungsabteilung bereits geltend gemacht - der Gegenstand des damals geltenden Anspruchs 1 gegenüber einer Reihe von Entgegenhaltungen nicht patentfähig sein dürfte (Punkt III oben). Damit musste es für die Beschwerdeführerin klar gewesen sein, dass ohne Änderung des damals geltenden Anspruchssatzes mit der Zurückweisung der Beschwerde zu rechnen gewesen wäre.

Bis zur mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2009 stand der Beschwerdeführerin somit ein Zeitraum von mehr als vier Monaten zur Verfügung, um geänderte Unterlagen einzureichen. Auf die Mitteilung der Kammer ging seitens der Beschwerdeführerin jedoch keine schriftliche Erwiderung ein und erst zu Beginn der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin den der Beschwerdebegründung beigefügten Anspruchssatz zurückgenommen und einen neuen Anspruchssatz mit einem geänderten Anspruch 1 als Hauptantrag eingereicht.

2.2 Der geänderte Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag basiert im Wesentlichen auf einer Kombination des mit der Beschwerdebegründung einreichten Anspruchs 1 mit dem ursprünglich eingereichten abhängigen Anspruch 22, wobei das Merkmal des ursprünglich eingereichten Anspruchs 22, wonach "zusätzlich zu dem/den Feldeffekttransistor(en) [...] ein oder mehrere konventionelle Detektoren vorgesehen sind", durch Merkmale näher charakterisiert wurde ("zusätzlich zu dem/den Feldeffekttransistor(en) [...] ein oder mehrere Streulichtrauchmelder vorgesehen sind"), die aus der Beschreibung aufgenommen worden sind (Absatz [0048] der veröffentlichten Anmeldung). Damit hatte sich das Wesen des beanspruchten Gegenstands durch diese Änderungen von den strukturellen und funktionellen Merkmalen eines Feldeffekttransistors und dessen Verwendung als Gassensor in einem Brandmelder zu der funktionellen Zusammenwirkung eines Feldeffekttransistor-Gassensors mit einem Streulichtrauchmelder in einem Brandmelder (siehe Punkt VI oben, dritte Absatz) verschoben.

2.3 In der Mitteilung vom 29. Oktober 2009 wurde ohnehin der Beschwerdeführerin darauf hingewiesen (siehe Punkt III oben), dass "beabsichtigte Stellungnahmen und Neuanträge, insbesondere geänderte Ansprüche, [...] unverzüglich, jedoch spätestens einen Monat vor dem Termin der mündlichen Verhandlung eingereicht werden" sollten und dass "es im Ermessen der Kammer steht, Änderungen des Vorbringens der Parteien zu berücksichtigen und zuzulassen (Artikel 13 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, ABl. EPA 2007, 536)". Es wurde auch ausdrücklich unter Hinweis auf Artikel 13(3) VerfOBK darauf hingewiesen, dass "insbesondere [...] Vorbringen nach dem oben genannten Zeitpunkt - besonders wenn es aufgrund seiner Komplexität das Verfahren über Gebühr verzögern oder seinen Abschluss verhindern würde - unter Umstände von der Beschwerdekammer nicht berücksichtigt werden [könnte]".

Angesichts der konkreten Umstände sah sich die Kammer zu diesem späten Verfahrenszeitpunkt ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage, die Gewährbarkeit und insbesondere bei formaler Zulässigkeit die materiellrechtliche Patentfähigkeit vollständig und uneingeschränkt zu prüfen. Insbesondere die Tatsache, dass der geänderte Anspruch 1 sich auf einem Gegenstand bezieht, der nur in der Beschreibung der Anmeldung offenbart wurde und - wie von der Beschwerdeführerin selbst während der mündlichen Verhandlung zugegeben - offensichtlich von der ursprünglichen Recherche nicht umfasst wurde, hätte eine zusätzliche Recherche erfordert und somit zumindest eine Vertagung der mündlichen Verhandlung und möglicherweise auch eine Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz erfordert. Folglich warf der geänderte Anspruch 1 Fragen auf, "deren Behandlung der Kammer [...] ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist" im Sinne vom Artikel 13(3) VerfOBK.

Außerdem hat die Beschwerdeführerin im Laufe des Verfahrens genügend Gelegenheit gehabt, einen solchen Anspruchssatz einzureichen, und während der mündlichen Verhandlung hat sie keine stichhaltige Begründung vorgelegt und keine besonderen Umstände geltend gemacht, die das verspätete Vorlage des neuen Anspruchssatzes rechtfertigen könnten. Aufgrund des verspäteten Vorbringens und der Verschiebung der beanspruchten Erfindung auf einen anderen technischen Gegenstand, der einen vorher nicht erörterten Sachverhalt einbringt (punkt 2.2 oben), musste die Beschwerdeführerin damit rechnen, dass die Kammer nicht in der Lage sein würde, die Sache zuzulassen und zu entscheiden. In einer solchen Situation einen derart geänderten Anspruchssatz zuzulassen würde einer Patentanmelderin im Beschwerdeverfahren de facto die uneingeschränkte Möglichkeit verschaffen, nach Belieben eine Vertagung der mündlichen Verhandlung bzw. die Wiedereröffnung des gesamten Prüfungsverfahren herbeizuführen, was der gebotenen Verfahrensökonomie widersprechen würde.

2.4 Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist die Kammer zu der Entscheidung gelangt, den erst zu Beginn der mündlichen Verhandlung als Hauptantrag eingereichten Anspruchssatz gemäß Artikel 13(3) VerfOBK nicht in das Verfahren zuzulassen (siehe auch analoge Entscheidungen T 407/05, Punkt 3 der Entscheidungsgründe, T 1123/05, Punkt 2 und T 764/07, Punkt 1).

3. Hilfsantrag

Der von der Beschwerdeführerin hilfsweise gestellte Antrag, die Angelegenheit an der ersten Instanz zur Recherche zurückzuverweisen, setzt voraus, dass ein im Verfahren zugelassener Anspruchssatz vorliegt. Da der Anspruchssatz gemäß dem Hauptantrag jedoch in das Verfahren nicht zugelassen wurde (Punkt 2 oben) und kein anderer Anspruchsatz vorliegt, ist der Hilfsantrag der Beschwerdeführerin gegenstandlos. Ergänzend sei angemerkt, dass gerade auch die Tatsache, dass im Fall einer Zulassung des Hauptantrags die Sache an die erste Instanz zur weiteren Recherche und Prüfung hätte zurückverwiesen werden müssen, nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falls gegen die Zulassung des Hauptantrags gesprochen hat (siehe Punkt 2.3 oben).

4. Da der Hauptantrag nicht zuzulassen war und der Hilfsantrag gegenstandlos ist, liegt insgesamt kein gewährbares Schutzbegehren vor, so dass der Beschwerde nicht stattgegeben werden konnte.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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