T 0592/07 () of 13.5.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T059207.20090513
Datum der Entscheidung: 13 Mai 2009
Aktenzeichen: T 0592/07
Anmeldenummer: 04010039.8
IPC-Klasse: B60R 5/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schutzvorrichtung für einen Innenraum eines Kraftfahrzeuges
Name des Anmelders: BOS GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (Hilfsantrag: ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 04 010 039.8 wurde mit der am 10. November 2006 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen. Die Prüfungsabteilung hat entschieden, dass der Gegenstand des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 im Hinblick auf den Stand der Technik D1 (US 6 416 103 B1) nicht neu ist. Dagegen hat die Anmelderin am 9. Januar 2007 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Mit der Beschwerdebegründung wurde am 16. März 2007 ein Hauptantrag eingereicht, der einen geänderten Anspruch 1 und die ursprünglich eingereichten abhängigen Ansprüche 2-17 umfasste.

Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

"Schutzvorrichtung für einen Innenraum eines Kraftfahrzeugs mit einem flexiblen Flächengebilde, das zwischen einer kompakt abgelegten Ruheposition und wenigstens einer ausgezogenen Schutzposition beweglich gelagert ist, dadurch gekennzeichnet, dass Führungsmittel (10, 10a, 10b) vorgesehen sind, die derart gestaltet sind, dass das Flächengebilde (11, 11b) zwischen einer ersten, etwa horizontal ausgezogenen Schutzposition, in der das Flächengebilde als Laderaumabdeckung fungiert, und einer zweiten, etwa vertikal ausgezogenen Schutzposition verlagerbar ist, in der das Flächengebilde als Rückhalteschutz für Laderaumgut bei einer starken Fahrzeugverzögerung ausgeführt ist."

II. In der der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung vom 30. Januar 2009 führte die Kammer aus, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf D1 neu sei, jedoch im Hinblick auf den weiteren Stand der Technik WO-A-98/24 657 (WO-A) oder EP-A-976 615 (EP-A) keine erfinderische Tätigkeit aufweise.

III. Es wurde am 13. Mai 2009 mündlich verhandelt. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1-17 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder hilfsweise, auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung.

Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag hat folgenden Wortlaut:

"Schutzvorrichtung für einen Innenraum eines Kraftfahrzeugs mit einem flexiblen Flächengebilde, das zwischen einer kompakt abgelegten Ruheposition und wenigstens einer ausgezogenen Schutzposition beweglich gelagert ist, dadurch gekennzeichnet, dass Führungsmittel (10, 10a, 10b) vorgesehen sind, die derart gestaltet sind, dass das Flächengebilde (11, 11b) zwischen einer ersten, etwa horizontal ausgezogenen Schutzposition, in der das Flächengebilde als Laderaumabdeckung fungiert, und einer zweiten, etwa vertikal ausgezogenen Schutzposition verlagerbar ist, in der das Flächengebilde als Rückhalteschutz für Laderaumgut bei einer starken Fahrzeugverzögerung ausgeführt ist, dass die Führungsmittel eine Linearführungsanordnung aufweisen, die auf gegenüberliegenden Fahrzeugseiten zueinander parallele, geradlinig und/oder gekrümmt verlaufende Führungsprofilierungen (10, 10a, 10b; 14) aufweist, dass ein in Auszugrichtung vorderer Stirnendbereich (9, 9a, 9b) des Flächengebildes (11, 11b) quer zur Auszugrichtung formstabil gestaltet ist und seitliche Lagerelemente (12, 13) aufweist, die mit den Führungsprofilierungen (10, 10a, 10b) in Verbindung stehen und dass die Lagerelemente (12, 13) und die Führungsprofilierungen (10, 10a, 10b) wenigstens in den Schutzpositionen des Flächengebildes (11, 11b) derart formschlüssig miteinander verbunden sind, dass durch eine starke Fahrzeugverzögerung verursachte Belastungen auf das Flächengebilde (11, 11b) aufgenommen werden, ohne dass die Lagerelemente (12, 13) sich von den Führungsprofilierungen (10, 10a) trennen."

IV. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass der wesentliche Unterschied zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und dem Stand der Technik gemäß D1, WO-A oder EP-A durch die Eigenschaft des flexiblen Flächengebildes gegeben sei, das gleichzeitig sowohl als Laderaumabdeckung, in einer horizontal ausgezogenen Schutzposition, als auch als Rückhalteschutz für Laderaumgut bei einer starken Fahrzeugverzögerung, in einer etwa vertikal ausgezogenen Schutzposition, diente. Dagegen sei z.B. aus D1 (Spalte 1, Zeile 18-21) klar zu entnehmen, dass jeweils ein Flächengebilde für die jeweilige der genannten Funktionen vorgesehen sei. Dies sei auch gemäß WO-A (siehe z.B. Figur 1 links, Wickelwelle mit einem weiteren, aufgerollten Flächengebilde oberhalb des Gehäuses 16) und EP-A (siehe Bezugszeichen 14,15 und 17,18) nicht anders. Somit gebe es für den Fachmann aus dem gesamten vorliegenden Stand der Technik keinen Hinweis, welcher zu den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag führen könnte.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag enthalte als wesentliches Merkmal, dass der vordere Stirnendbereich des Flächengebildes quer zur Auszugsrichtung formstabil gestaltet sei und die Lagerelemente in den Schutzpositionen des Flächengebildes mit den Führungsprofilierungen derart formschlüssig verbunden seien, dass sich diese Verbindung bei Aufnahme von Belastungen durch eine starke Fahrzeugverzögerung nicht auflöse. Der Fachmann erhalte durch den Stand der Technik keinen Hinweis, welcher dieses Merkmal nahelegen könne. Tatsächlich zeige keines der vorliegenden Dokumente, dass die Stirnenden der Auszugleiste in der Rückhalteschutzposition einen formschlüssigen Rückhalt in den Führungsschienen bildeten. Folglich, da diese auch keine fachübliche Maßnahme sei, beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Das Dokument D1 offenbart eine Schutzvorrichtung für einen Innenraum eines Kraftfahrzeugs mit einem flexiblen Flächengebilde 2 (Figur 1, Figur 12), welches zumindest abschnittsweise zwischen einer kompakt abgelegten Ruheposition und wenigstens einer ausgezogenen Schutzposition durch Führungsmittel (5; 5') beweglich gelagert ist. Die kennzeichnenden Merkmale stellen folglich den Unterschied zwischen dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und dem Stand der Technik D1 dar. Diese Merkmale bieten den offensichtlichen Vorteil, dass sie die Ausführung der zwei angegebenen unterschiedlichen Funktionen durch ein einziges flexibles Flächengebilde ermöglichen.

Zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Anspruchsgegenstands wird zunächst folgendes festgestellt. Die in Figur 12 von D1 gezeigte Schutzvorrichtung umfasst ein flexibles Flächengebilde 2', welches von einer horizontal ausgezogenen Laderaumabdeckungsstellung schräg nach oben in die gezeigte Komfortstellung bewegt werden kann (D1, Spalte 7, Zeilen 42-47), die bei geöffneter Heckklappe einen vergrößerten Zugang zum Laderaum ermöglicht. Speziell wird in D1 an gleicher Stelle (D1, Spalte 7, Zeilen 47-50) auf das Dokument WO-A hingewiesen, welches z.B. in den Figuren 1 und 5 auch eine Schutzvorrichtung mit einer der in der Figur 12 von D1 gezeigten ähnlichen Konfiguration offenbart, wo allerdings aufgrund der vorgesehenen rein manuellen Bedienung der Schutzvorrichtung das flexible Flächengebilde die Komfortstellung auch bei geschlossener Hecklappe einnehmen kann. Der Fachmann erkennt, dass die in D1 bzw. WO-A gezeigte Schutzvorrichtung in der Komfortstellung bei geschlossener Heckklappe eine klare Abtrennung des Laderaums des Kraftfahrzeugs vom Fahrzeuginsassenraum bewirkt und zwar mit dem gleichen flexiblen Flächengebilde, das die Laderaumabdeckung bildet. Im Hinblick auf die Figur 12 in D1, und insbesondere auf die Figuren 1 und 5 in WO-A, würde es sich daher angesichts der dargelegten Gründe für den Fachmann in naheliegender Weise anbieten, die in Figur 13 von D1 dargestellte senkrechte Rückhalteschutzstellung ausgehend von der Komfortstellung gemäß Figur 12 von D1 und Figur 5 von WO-A durch geeignete Verlängerung der Führungsprofilierungen zu verwirklichen. Dies würde ohne nennenswerten Aufwand eine wesentliche konstruktive und prinzipielle Vereinfachung der bekannten Schutzvorrichtung gemäß D1 herbeiführen, bei der hingegen jeweils ein flexibles Flächengebilde für die Laderaumabdeckung und für den Rückhalteschutz vorgesehen sind (D1, Spalte 1, Zeilen 18-23; Spalte 5, Zeilen 18-27). Mit diesen naheliegenden Maßnahmen ist somit nur ein einziges flexibles Flächengebilde für beide Schutzpositionen notwendig. Insgesamt ergibt sich also, dass das durch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 ausgedrückte allgemeine Konzept bzw. die unmittelbar daraus folgenden Vorteile für den Fachmann im Hinblick auf D1 und das darin gewürdigte Dokument WO-A naheliegend bzw. offensichtlich sind, insbesondere unter Berücksichtigung des ständigen Bestrebens des Fachmanns nach Vereinfachung (Art. 56 EPÜ 1973).

3. Die im Anspruch 1 des Hilfsantrags aufgenommenen Merkmale ergeben sich aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 3, 5 und 7. Somit sind die Voraussetzungen von Art. 123 (2) EPÜ erfüllt.

4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ermöglicht die Verwirklichung des unter Punkt 2 erwähnten Konzeptes auf eine besondere Art und Weise, die nicht durch den Stand der Technik nahegelegt wird. Insbesondere sind entsprechend dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 die seitlichen Lagerelemente wenigstens in den Schutzpositionen des Flächengebildes derart formschlüssig mit den Führungsprofilierungen verbunden, dass die durch eine starke Fahrzeugverzögerung verursachte Belastung auf das Flächengebilde aufgenommen wird, ohne dass die Lagerelemente sich von den Führungsprofilierungen trennen. Eine derartige formschlüssige Verbindung ist aus keinem der vorliegenden Dokumente aus dem Stand der Technik bekannt. Insbesondere zeigt EP-A (Figur 2) eine Halteaufnahme 21 mit einem daran befestigbarem Auszugteil bzw. einer Haltestange HT des flexiblen Flächengebildes, an deren Enden zwecks sicheren Rückhalteschutzes blockförmige oder scheibenförmige Teile einstückig angeformt sind, die formschlüssig in der Halteaufnahme eingreifen und speziell für die Rückhalteschutzfunktion vorgesehen sind. Entsprechende Auszugteile mit einstückig angeformten Teilen zum formschlüssigen Eingriff in nicht gezeigten Halteaufnahmen sind auch in D1 (Figur 1, siehe Wickelrolle oberhalb des flexiblen Flächengebildes 2) und in WO-A (Figur 1 und 4, siehe Wickelrolle neben dem flexiblen Flächengebilde 17) dargestellt. Im Hinblick auf diesen Stand der Technik würde der Fachmann in naheliegender Weise zur sicheren Befestigung des flexiblen Flächengebildes in der Rückhalteschutzposition das flexible Flächengebilde mit zusätzlichen Befestigungselementen versehen, um es unmittelbar, wie es in EP-A, WO-A oder D1 gelehrt wird, karosserieseitig festzumachen. Insbesondere würde es der Fachmann auch vermeiden, die Führungsprofilierungen und die Lagerelemente starken Belastungen auszusetzen, weil dies zu Verklemmungen und zu Beeinträchtigungen der Führungsfunktion führen könnte und überdies eine robustere Dimensionierung der gesamten aus den Lagerelementen und den Führungsprofilierungen bestehenden Anordnung erfordern würde. Insgesamt beruht also der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ 1973).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

- Ansprüche: Nr. 1-7, eingereicht in der mündlichen Verhandlung

- Beschreibung: geänderte Seiten 2-7, eingereicht in der mündlichen Verhandlung

- Zeichnungen: wie ursprünglich eingereicht.

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