T 0447/07 () of 20.11.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T044707.20081120
Datum der Entscheidung: 20 November 2008
Aktenzeichen: T 0447/07
Anmeldenummer: 02732391.4
IPC-Klasse: B60S 1/38
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wischerblatt
Name des Anmelders: ROBERT BOSCH GMBH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0119/82
T 0341/94
T 0531/95
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 02 732 391.4 wurde mit der am 13. Oktober 2006 zur Post gegebenen Entscheidung zurückgewiesen. Die Prüfungsabteilung befand, dass der Gegenstand des am 15. Februar 2006 eingereichten Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag im Hinblick auf D8 (WO-A-02/081582) als Stand der Technik gemäß Art. 54 (3) EPÜ 1973 nicht neu ist und im Hinblick auf D4 (JP-A-57 030 646) und D1 (DE-A1-199 44 274) oder D7 (US-A-5 977 229) keine erfinderische Tätigkeit aufweist. Dagegen wurde von der Anmelderin am 15. Dezember 2006 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 13. Februar 2007 eingereicht.

II. Es wurde am 20. November 2008 mündlich verhandelt. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage des Hauptantrags, und hilfsweise, auf der Grundlage des Hilfsantrags, beide eingereicht in der mündlichen Verhandlung.

Der Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:

"Wischerblatt für einen Scheibenwischer, insbesondere einen Scheibenwischer eines Kraftfahrzeuges, mit einem Wischgummi, der eine Wischgummilippe (2,6) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Wischlippe (2) eine Beschichtung aus Polyethylen (1) aufweist, wobei das Polyethylen ein PE-UHMW darstellt und wobei die Beschichtung aus Polyethylen auf dem Gummimaterial der Wischgummilippe haftet."

Der Anspruch 1 des Hilfsantrags hat folgenden Wortlaut:

"Wischerblatt für einen Scheibenwischer, insbesondere einen Scheibenwischer eines Kraftfahrzeuges, mit einem Wischgummi, der eine Wischgummilippe (2,6) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Wischlippe (2) eine Beschichtung aus Polyethylen (1) aufweist, wobei das Polyethylen ein PE-UHMW oder ein PE-X darstellt, und wobei das Polyethylen als Polyethylen-Folie aufgebracht ist oder das Polyethylen mit dem Gummimaterial koextrudiert ist."

III. Die Beschwerdeführerin trug zunächst zum Anspruch 1 des Hauptantrags vor, D4 sei der nächstliegende Stand der Technik. D4 zeige zwar eine Wischgummilippe eines Wischerblattes mit einer Polyethylenbeschichtung, jedoch keine direkt auf der Wischlippe haftende Beschichtung aus PE-UHMW (Polyethylen mit ultrahohem Molekulargewicht). Obwohl PE-UHMW bekanntlich einen sehr niedrigen dynamischen Reibungskoeffizienten habe, sei seine Verwendung zur Herstellung der Beschichtung der Wischlippe eines Scheibenwischers für den Fachmann aus verschiedenen Gründen nicht naheliegend, insbesondere auch im Hinblick auf D1 und D7. D1 offenbare zwar die Verwendung von PE-UHMW zur Herstellung eines Wischerblattes und einer Wischlippe eines Scheibenwischers, jedoch sei dort das PE-UHMW in einer elastomeren Matrix dispergiert, weil solche Polyolefine, wie z.B. auch PE-UHMW, aufgrund eines hohen Elastizitätsmoduls (D1, Seite 2, Zeilen 26-30) die für ein Wischerblatt und eine Wischlippe notwendige Biegebeständigkeit nicht aufwiesen. Zusätzlich sei PE-UHMW auch nur eines aus einer langen Liste von in D1 (Seite 3, Zeilen 29-50) zitierten thermoplastischen Harzen, womit der Fachmann nicht unmittelbar die Verwendung von PE-UHMW in Betracht ziehen würde. Auch D7 könne den Fachmann nicht dazu anregen, PE-UHMW für die Herstellung der Beschichtung der Wischlippe eines Wischerblattes einzusetzen. D7 gebe erstens keinen Hinweis für die genannte Verwendung und zusätzlich weise es auf Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von PE-UHMW hin, wie z.B. die Bildung eines viskoelastischen Zustands hoher Viskosität bei Erhitzung auf eine über dem kristallinen Schmelzpunkt liegende Temperatur. Weiterhin sei PE-UHMW auch wegen seines hydrophoben Charakters (D7, Spalte 1, Zeile 62-Spalte 2, Zeile 5) zur Verwendung in einer Wischlippe nicht geeignet. Schließlich sei auch die überraschend gute direkte Haftung von PE-UHMW auf dem darunterliegenden Gummimaterial nicht zu erwarten gewesen. Somit sei trotz der Tatsache, dass die Eigenschaften von PE-UHMW, und darunter auch sein besonders niedriger Reibungskoeffizient, allgemein bekannt gewesen seien, die spezifische Anwendung dieses Thermoplasts gemäß der Erfindung für den Fachmann nicht naheliegend.

Zum Hilfsantrag sei zusätzlich zu den vorangehenden Argumenten hervorzuheben, dass die insbesondere durch die Koextrusion von PE-UHMW mit dem Gummimaterial erreichte direkte Haftung von PE-UHMW auf dem Gummimaterial aufgrund der besagten problematischen Verarbeitung von PE-UHMW bei seiner Erhitzung über den kristallinen Schmelzpunkt hinaus für den Fachmann keineswegs zu erwarten gewesen sei. Insbesondere würde der Fachmann wegen der genannten Verarbeitungsprobleme eine Koextrusion von PE-UHMW und eines Gummimaterials nicht in Erwägung ziehen. D6 (US-A-4 638 525) offenbare zwar die Koextrusion zweier thermoplastischen Elastomere aber nicht von Polyethylen.

Die Beschwerdeführerin erklärte ausdrücklich, dass sie ihr Vorbringen hinsichtlich eines möglichen Verfahrensmangels des erstinstanzlichen Verfahrens wegen Nichtgewährung einer telephonischen Rücksprache nicht weiterverfolge und den diesbezüglich gestellten Antrag auf Zurückverweisung an die erste Instanz zurücknehme.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich vom nächstliegenden Stand der Technik D4 dadurch, dass eine Beschichtung aus PE-UHMW auf dem Gummimaterial der Wischlippe des Scheibenwischers haftet.

3. Aus dem Vorgehenden ergibt sich, dass der vorliegenden Erfindung die objektive Aufgabe zugrunde liegt, für die Beschichtung der Wischlippe ein Material einzusetzen, welches einen möglichst geringen Trockenreibwert hat, um somit kostenintensive Scheibenwischerantriebe zu vermeiden. Der Fachmann würde somit, ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik D4, Thermoplaste suchen, die möglichst geringe Reibwerte haben. Da die gemäß D4 auf der Wischlippe aufgetragene Beschichtung bereits aus Polyethylen besteht, wird der Fachmann zunächst innerhalb der existierenden Polyethylentypen suchen. Es ist allgemein bekannt, dass thermoplastische Harze, und darunter natürlich auch Polyethylen, niedrige Reibungskoeffizienten haben (siehe z.B. D1, Seite 2, Zeilen 9-12) und dies gilt in besonderem Maße für ultrahochmolekulares Polyethylen (PE-UHMW), wie von der Beschwerdeführerin ohne weiteres in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt wurde. Aus diesem Grunde wird PE-UHMW zur Herstellung des Wischerblattes und der Wischlippe, allerdings in einer thermoplastischen Elastomerzusammensetzung, bereits in dem in D1 (Seite 3, Zeilen 30-33) offenbarten Scheibenwischer mit Vorteil eingesetzt. Insgesamt würde folglich der Fachmann in naheliegender Weise versuchen, PE-UHMW zur Reduzierung des Reibungskoeffizienten der Wischlippe einzusetzen und folglich den Versuch unternehmen, anstelle der aus Polyethylen bestehenden Beschichtung der Wischlippe gemäß D4 eine Beschichtung aus PE-UHMW einzusetzen.

Hierbei kann auch das verfahrensmäßige Aufbringen eines Polyethylens, und insbesondere von PE-UHMW, auf das darunter liegende Gummimaterial der Wischlippe, an sich keine erfinderische Tätigkeit begründen, wie es sich aus dem nächstliegenden Stand der Technik D4 und den weiteren Dokumenten ergibt. Speziell geht aus der Zusammenfassung ("abstract") von D4, sowie aus der Figur, klar hervor, dass das Polyethylenharz unmittelbar auf dem darunter liegenden Gummimaterial der Wischlippe haftet. Es ist zwar aus D4 nicht zu entnehmen, auf welche Art und Weise das Polyethylen auf die Wischlippe aufgebracht wurde, gleichwohl ist es bei Thermoplasten allgemein bekannt, dass hierfür mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, wie z.B. elektrostatisches Pulverbeschichtungsverfahren, Formpressen, Spritzgießen usw., wobei im Allgemeinen eine abschließende Wärmebehandlung oder Vulkanisation notwendig ist. Einige dieser Methoden zum Aufbringen eines thermoplastischen Harzes oder Elastomers auf ein aus einem thermoplastischen Elastomermaterial bestehendes Wischerblatt oder eine aus diesem Material bestehende Wischlippe werden z.B. in D1 (Seite 7, Zeilen 1-6), D5 (US-A-6 004 496; Spalte 6, Zeilen 41-51) oder D6 (Spalte 3, Zeilen 48-57) offenbart. D1 offenbart ausdrücklich unter anderem die Koextrusion eines thermoplastischen Harzes und eines thermoplastischen Elastomers zur Herstellung eines Wischerblattes mit angeformter Wischlippe und es geht aus D1 auch ausdrücklich hervor, dass das Verfahren zur Herstellung dieser Bauteile keiner besonderen Einschränkung unterliegt (D1, Seite 7, Zeilen 1-6), so dass bspw. unter anderem auch Spritzgießen verwendet werden kann. Angesichts der Tatsache, dass gemäß D1, wie oben ausgeführt, das Wischerblatt und die Wischlippe zu einem wesentlichen Anteil auch aus PE-UHMW bestehen können (D1, Seite 2, Zeilen 39-41), kann die unter den genannten Verfahren im Rahmen des fachüblichen Handelns liegende Wahl eines geeigneten Verfahrens zum Aufbringen einer Beschichtung aus PE-UHMW auf die Wischlippe des Scheibenwischers nicht eine erfinderische Tätigkeit rechtfertigen.

Aus dem Vorgehenden ergibt sich, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Art. 56 EPÜ 1973). Dasselbe gilt aus den bereits angegebenen Gründen für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag.

4. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin konnte die Kammer aus mehreren Gründen nicht folgen. Zum einen bereiten offensichtlich die von der Beschwerdeführerin genannten Probleme, die sich angeblich bei Verwendung von Polyethylen und insbesondere von PE-UHMW zur Herstellung der Beschichtung einer Wischlippe ergeben würden, dem Fachmann keine fundamentalen oder unüberwindbaren Schwierigkeiten. Dies wird gerade durch den nächstliegenden Stand der Technik D4 bewiesen, welcher unmittelbar zeigt, dass sich Polyethylenharze ohne weiteres zur Herstellung einer auf einer aus Elastomermaterial bestehenden Wischlippe haftenden Beschichtung eignen. Zum anderen wird dem Fachmann durch den weiteren Stand der Technik und speziell durch D1 die Herstellung eines solchen Wischerblattes samt der Wischlippe und der Beschichtung mittels herkömmlicher bekannter Verfahren, wie z.B. Koextrusion, unmittelbar plausibel gemacht und auch nahegelegt. Dazu ist ferner festzuhalten, dass für das Bestehen von Vorurteilen sich aus dem vorliegenden Stand der Technik in dem in Rede stehenden Zusammenhang keinerlei Anhaltspunkte, geschweige denn mögliche Beweise im Sinne der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe z.B. T 119/82, ABl. EPA 1984, 217; T 341/94 oder T 531/95, beide nicht im ABl. EPA veröffentlicht) ergeben, z.B. gegen die Verwendung von Koextrusion. Im Übrigen werden bei der beanspruchten Erfindung gemäß ihrer Gesamtoffenbarung durch die ursprünglich eingereichten Beschreibung und Ansprüche, ebenfalls lediglich unterschiedliche, allgemein bekannte und geeignete Verfahren aufgezählt, um das Polyethylen mit dem Wischerblatt zu verbinden (siehe veröffentlichte ursprünglich eingereichte Beschreibung der Anmeldung WO-A1-02/094624, Seite 4, letzter Absatz-Seite 6, dritter Absatz), ohne hierbei irgendeinem dieser Verfahren eine besondere Bedeutung hinsichtlich der Überwindung von spezifischen Schwierigkeiten oder sogar Vorurteilen beizumessen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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