European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2009:T017507.20091028 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 28 October 2009 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0175/07 | ||||||||
Anmeldenummer: | 01125580.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60R 17/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Fahrzeuggebundene Zentralschmieranlage | ||||||||
Name des Anmelders: | Baier & Köppel GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Lincoln GmbH & Co. KG SKF Lubrication Systems Germany AG |
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Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - Haupt- und Hilfsanträge (verneint) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Einsprechende I (Beschwerdeführerin I) und die Einsprechende II (Beschwerdeführerin II) haben gegen die am 12. Dezember 2006 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent EP 1 209 038 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet.
II. Mit den Einsprüchen war das gesamte Patent nach Artikel 100 a) EPÜ 1973 angegriffen worden. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass die vorgebrachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gemäß dem während der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2006 eingereichten Anspruchssatz nicht entgegenstünden.
Dabei hat die Einspruchsabteilung insbesondere folgende Dokumente berücksichtigt:
E2a: Vollständige Kopie der Programmübersicht "... in Bewegung bleiben LINCOLN Zentralschmiersysteme mit DIN ISO 9001 Zertifikat";
E9: Benutzerinformation einer Mehrleitungspumpe Typ 215 der Firma Lincoln, Seiten 1-29 mit der Bezeichnung "2.1 G-38001-C99;
D3: GB-A-2 155 417,
D5: US-A-3456761;
D9: Katalog der Firma DELIMON, Auszug "Progressiv-Zentralschmieranlagen" mit den Seiten 1-8 (1990) und Auszug "Fettschmierpumpe FZ-A und FZ-B" mit den Seiten 1-6 (1996);
D10: DE-A-38 18 356;
Dl1: DE-A-3217996.
Die Beschwerdeführerin II hat sich im Beschwerdeverfahren zusätzlich auf folgende Dokumente berufen:
D14: Katalog "Zentralschmieranlagen für Fließfett, NLGI-Kl. 000, 00 oder 0" der Willy Vogel AG, Seiten 45-47;
D21: Rechnungsnummer 9030693 vom 16.12.1998 an die Firma Karl Hallwachs betreffend unter anderem zwei Dosierpumpenaggregate vom Typ "KFMA3-2+ 924", ein Kolbenpumpenaggregat vom Typ "PEF-90-S14+ 924", einen Behälter "KFGI .52", 20 Dosierpumpen 0.15 "KFM.U1", 20 Dosierpumpen 0.08 "KFM.U11" und fünf Getriebemotoren "KFG1 .U6+ 924";
D22: Rechnungsnummer 9007170 vom 27.08.1998 an die Firma H. Hoevel betreffend ein Dosierpumpenaggregat "KFMA3-2+ 924", zwölf Dosierpumpen 0.15 "KFM.U1" und sechs Dosierpumpen 0.08 "KFM1 .U1 1".
III. Am 28. Oktober 2009 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin II beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Die Beschwerdeführerin I ist nicht erschienen. Aus ihrem schriftlichen Vorbringen ist festzustellen, dass sie einen gleichlautenden Antrag stellte.
In der mündlichen Verhandlung legte die Beschwerdeführerin II den im schriftlichen Verfahren auszugsweise in Kopie vorgelegten und als D14 bezeichneten Katalog im Original vor.
Alle Beteiligten nahmen daraufhin Einblick in den Originalkatalog.
Der Vertreter der Beschwerdegegnerin erklärte daraufhin, dass im schriftlichen Verfahren lediglich die Seiten 46 und 47 des Katalogs vorgelegt worden seien, obwohl die Seite 45 ebenfalls in Kopie hätte eingereicht werden müssen, da der Offenbarungsgehalt der Seiten 46 und 47 nur im Zusammenhang mit der Seite 45 gelesen werde könne. Die Seite 45 sei als Titelblatt der folgenden zwei Seiten von besonderer Bedeutung, weil sie insbesondere folgende Angabe enthalte: "Separate Schmierstoffverteiler sind also bei dieser Anlage nicht erforderlich". Er sei von diesem Sachverhalt überrascht und beantrage, D14 nicht zum Verfahren zuzulassen. Er könne sich zu diesem Dokument in der mündlichen Verhandlung nicht äußern, da er erst mit seiner Mandantin Rücksprache nehmen müsse. Die Zulassung dieses Dokuments würde das Recht seiner Mandantin auf rechtliches Gehör verletzten.
Der Vertreter der Beschwerdeführerin II erklärte, er habe das Verfahren ebenfalls nur anhand der ihm vorgelegten Kopien vorbereitet und leider verabsäumt, den Originalkatalog einzusehen. Er bitte dieses Versehen zu entschuldigen.
Der Kammervorsitzende unterbrach daraufhin die mündliche Verhandlung für 30 Minuten, damit der Vertreter der Beschwerdegegnerin Gelegenheit erhielt, sich mit dem Inhalt der neu vorgelegten Seite vertraut zu machen und wies darauf hin, dass die Kammer das Dokument D14 im Hinblick auf die auf Seite 46 offenbarten Angaben zum Fördervolumen der Pumpe für hoch relevant hält. Der Vertreter der Beschwerdegegnerin wurde ferner gebeten genau anzugeben, zu welchen Tatsachen er sich ohne Rücksprache mit seiner Mandantin nicht äußern könne.
Nach Fortsetzung der mündlichen Verhandlung erklärte der Vertreter der Beschwerdegegnerin, dass er die auf Seite 45 der D14 enthaltenen Angaben als für seine Mandantin günstig interpretiere. Jedoch sehe er bei einer Zulassung dieses Dokuments zum Verfahren das Recht seiner Mandantin auf rechtliches Gehör weiterhin für verletzt an. Der Inhalt der Seite 45 der D14 überrasche ihn. Er könne keine konkreten Tatsachen benennen, zu denen er sich jetzt nicht äußern könne, aber er sei kein Schmierstofffachmann und benötige daher eine Rücksprache mit seiner Mandantin. Prozessuale Fairness und Waffengleichheit geböten es daher auch ohne Benennung von konkreten Tatsachen, zu denen er sich nicht äußern könne, dass D14 nicht in das Verfahren zugelassen werde. Wenn er von unfairen Verfahren spreche, enthalte dies keinen Vorwurf der bewussten Manipulation des Verfahrens durch die Beschwerdeführerin II, jedoch habe er sich nicht in gleicher Weise wie die Beschwerdeführerin II zur mündlichen Verhandlung vorbereiten können.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), oder hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis des Hilfsantrags 1, eingereicht mit Schreiben vom 14. November 2007, oder der Hilfsanträge 2, 4, 6 bis 8 jeweils eingereicht mit Schreiben vom 18. September 2008.
Die Beschwerdegegnerin hat ferner folgende Rüge gemäß Regel 106 EPÜ zu Protokoll gegeben:
Die Berücksichtigung des Dokuments D14 im Verfahren stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen Artikel 113 EPÜ im Sinne von Artikel 112 a(2)c) EPÜ dar.
IV. Unter Verwendung der von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagenen Merkmalsgliederung lautet der Anspruch 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung (Hauptantrag) wie folgt:
M1 "Fahrzeuggebundene Zentralschmieranlage als Einbauteil für ein Fahrzeug umfassend:
M2 - eine Schmierstoffpumpe (11),
M3 - ein oder mehrere Verteiler (12),
M4 - eine Mehrzahl von Verteilerleitungen (14 bis 19), die jeweils eine mit Schmierstoff zu beaufschlagende Schmierstelle (20 bis 25) mit dem jeweils zugeordneten Verteiler (12) verbinden und
M5 - Schmiermittelzuführungen (26) zwischen der Schmierstoffpumpe (11) und dem einen oder mehreren Verteilern (12), die jeweils eine vorbestimmte Menge Schmierstoff an den zugeordneten Verteiler (12) fördern,
M6 - wobei an der Schmierstoffpumpe neben Schmiermittelzuführungen (26) für die Verteiler (12) eine oder mehrere Direktleitungen (28 bis 31) anschließbar sind, um eine vorbestimmte Menge von Schmierstoffen ohne Zwischenschaltung eines Verteilers (12) an eine oder mehrere Schmierstellen (32 bis 35) zu fördern,
M7 - wobei die Schmierstoffpumpe (11) mindestens einen Verteileranschluss (36, 37) zum Anschluss einer Schmiermittelzuführung (26) als Zuleitung für einen Verteiler (1 2) und mindestens einen Direktanschluss (38 bis 41) zum Anschluss einer an eine Schmierstelle (32 bis 35) führenden Direktleitung (28 bis 31) umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass
M8- innerhalb der Schmierstoffpumpe (11) den Verteileranschlüssen (36, 37) Verteilerpumpen (42, 43) und den Direktanschlüssen (38 bis 41) Direktpumpen (44 bis 47) zugeordnet sind,
M9 - wobei die Verteilerpumpen (42, 43) jeweils eine Förderleistung von mindestens 0,08cm3/Hub und weiter vorzugsweise mindestens 0,12 cm3/Hub aufweisen und
M10 - wobei die Direktpumpen (44 bis 47) jeweils eine Forderleistung im Bereich von 0,005 cm3/Hub bis 0,05 cm3/Hub aufweisen".
Im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wurde das Merkmal M6 durch das folgende Merkmal ersetzt:
"- ein oder mehrere Direktleitungen (28 bis 31), die an der Schmierstoffpumpe neben den Schmiermittelzuführungen (26) für die Verteiler (12) angeschlossen sind, um eine vorbestimmte Menge von Schmierstoffen ohne Zwischenschaltung eines Verteilers (12) an eine oder mehrere Schmierstellen (32 bis 35) zu fördern".
Der Hilfsantrag 2 enthält den folgenden nebengeordneten unabhängigen Anspruch 6:
"Zugmaschine mit Aufliegekupplung, die als Einbauteil eine fahrzeuggebundene Zentralschmieranlage, insbesondere nach einem der Ansprüche 1 bis 5, aufweist, wobei die Zentralschmieranlage umfasst:
...[es folgen die obigen Merkmale M2 bis M10]."
Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 lautet wie folgt:
"Zugmaschine mit Aufliegekupplung, die als Einbauteil eine fahrzeuggebundene Zentralschmieranlage aufweist, wobei die Zentralschmieranlage umfasst:
...[es folgen die obigen Merkmale M2 bis M10]."
Der unabhängige Anspruch 5 gemäß Hilfsantrag 6 lautet wie folgt:
"Zugmaschine mit Aufliegekupplung, die eine fahrzeuggebundene Zentralschmieranlage, insbesondere nach einem der Ansprüche 1 bis 5, aufweist, umfassend:
...[es folgen die obigen Merkmale M2 bis M10]."
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 entspricht dem Anspruchs 1 des Hauptantrags mit dem folgenden Hinzufügung:
"- wobei die Verteilerpumpen (42,43) und die Direktpumpen (44 bis 47) gemeinsam durch einen umlaufenden Exzenter (48) angetrieben werden, und
wobei Messeinrichtungen (49,50) zur Erfassung der Umdrehungszahl des Exzenters (48) der Schmierstoffpumpe (11) angeordnet sind, um die ausgebrachte Menge an Schmierstoff zu erfassen."
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8 entspricht dem Anspruchs 1 des Hilfsantrag 7 mit der folgenden Hinzufügung:
"und wobei die Schmierstoffpumpe (11) eine Schnittstelle zum Anschluß an einen zentralen Bordcomputer des Fahrzeugs aufweist".
V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin II lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei gegenüber dem Inhalt des Katalogs D9 nicht neu. Hingewiesen werde insbesondere auf die Fördervolumeneinstellung der Dosiermengen an den Auslässen der Pumpe auf der Seite 2 des Katalogabschnittes 21112P2.
Der im Mai 1998 gedruckte Katalog D14 stelle auf den Seiten 46-47 eine Anhänger- und Auflieger-Schmierung mit Kompakt-Aggregat KFMA 3-2 und Pumpenelement KFM 1.U11 dar, wobei die Förderleistung des Pumpenelement 0,03 cm**(3) pro Hub betrage. Die zu den Produkten dieses Katalogs vorgelegten Rechnungen D21 und D22 sollten belegen, dass die Katalogprodukte ohne Verpflichtung zur Geheimhaltung verkauft worden seien. Dokument D14 sollte deshalb gemäß Artikel 114 (1) EPÜ 1973 berücksichtigt werden.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ergebe sich in naheliegender Weise aus dem in den Dokumenten D11, D9, D14 und D5 offenbarten Stand der Technik.
Die jeweiligen unabhängigen Ansprüche 6, bzw. 1, bzw. 5 der Hilfsanträgen 2, bzw. 4, bzw. 6 bezögen sich auf eine Zugmaschine, die eine fahrzeuggebundene Zentralschmieranlage aufweise. Eine solche Zugmaschine sei ein "aliud" und es sei nicht zulässig, einen unabhängigen Anspruch auf ein solches "aliud" zu richten, weil es den Rahmen des Einspruchs-Beschwerdeverfahrens sprengen würde. Ferner verstießen die in diesen Ansprüchen durchgeführten Änderungen gegen die Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ. Diese Ansprüche seien deshalb nicht zulässig.
Die in dem Hilfsantrag 1 eingefügten Einschränkungen seien aus dem obigen Stand der Technik bekannt. Unter Berücksichtigung des in den Dokumenten D10, bzw. D3, offenbarten Stands der Technik fügten die in den Hilfsanträgen 7, bzw. 8, eingefügten Einschränkungen dem Gegenstand des Anspruchs 1 nichts Erfinderisches hinzu.
VI. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Gegenstand des umstrittenen Patents sei eine fahrzeuggebundene Zentralschmieranlage, die, wie in der Spalte 1, Zeilen 34-39 der Patentschrift erwähnt, sich universell auf bestimmte Anforderungen an einem bestimmten Fahrzeug konfigurieren lasse und wobei diese Schmieranlage sowohl in neuen als auch in nachrüstbaren Fahrzeugen Anwendung finde (vgl. Spalte 5 Zeilen 38 bis 52 der Patentschrift). Durch die Merkmale des Anspruchs 1 des vorliegenden Hauptantrags bzw. der verschiedenen Hilfsanträge sei eine völlig neue Zentralschmieranlage vorgeschlagen, die als vorkonfektioniertes und vorgetestetes Einbauteil produziert und mit wenig Aufwand an die völlig unterschiedlichen Aufbauten und Einsatzzwecke der konkreten Situation angepasst werden könne. Zu diesem Zweck verlasse die erfindungsgemäße Lösung das übliche, bislang in Fahrzeugen verwendete Konzept einer indirekten Schmierung über Progressivverteiler und schlage eine kombinierte Schmierung über Verteilerpumpen und Direktpumpen vor, wobei die Förderleistung der Verteilerpumpen relativ groß und die der Direktpumpen relativ klein bemessen sei. Die Erfindung stelle einen Paradigmenwechsel dar, indem sie vom Weg einer individuell auf Bestellung angepassten Produktion abkehre und sich in Richtung auf ein vorgefertigtes Produkt auf Lager bewege.
Die beanspruchte Schmieranlage, die sich übrigens auch im Markt bestens durchgesetzt habe, sei gegenüber dem zitierten Stand der Technik neu und erfinderisch.
Die Beschwerdeführerin II stütze ihren Neuheitsangriff auf Dokument D9. Zuerst werde bestritten, dass die einer losen Blattsammlung entnommenen Katalogauszüge D9 zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents einem unbeschränkten Personenkreis zugänglich gemacht worden sei. Aber selbst wenn D9 Stand der Technik bilde, ergebe sich aus diesem Dokument weder das Merkmal M1, noch die Merkmale M9 und M10 des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag.
Was die Frage der erfinderischen Tätigkeit anbetreffe, sei Dokument D14 weniger relevant als die bereits im Verfahren befindlichen Dokumente. Es sollte wegen verspäteten Vorbringens nicht in das Verfahren zugelassen werden (Artikel 114(2) EPÜ 1973). Die Seiten 46-47 von D14 seien zwar mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden, Seite 45 sei jedoch erst während der mündlichen Verhandlung vorgelegt worden. Diese Seite sei als Titelblatt des hier zitierten Katalogabschnittes von besonderer Bedeutung, insbesondere weil sie folgende Angabe enthalte: "Separate Schmierstoffverteiler sind also bei dieser Anlage nicht erforderlich". Diese Angabe sei für den Vertreter der Beschwerdegegnerin überraschend. Weil der Vertreter der Beschwerdegegnerin die fehlende Seite 45 erst in der Verhandlung vorgelegt bekommen habe, sei ihm die Möglichkeit verwehrt, die technische Bedeutung dieser Angabe mit seiner Mandantin zu besprechen. Sollte die Kammer Dokument D14 trotzdem berücksichtigen, würde sie das rechtliches Gehör der Beschwerdegegnerin beschneiden und einen schwerwiegenden Verfahrensfehler begehen.
Im Übrigen werde bestritten, dass Dokument D14 zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents einem unbeschränkten Personenkreis zugänglich gemacht worden sei. Die von der Beschwerdeführerin angeführte Kombination von zahlreichen Dokumenten könne den Gegenstand des Hauptantrags nicht nahelegen. Diese Dokumente belegten, dass nur zwei verschiedene Gattungen von Zentralschmieranlagen bei Fahrzeugen existieren, nämlich direkte (vgl. z.B. D5) oder indirekte Schmierung (vgl. z.B. D11). Dokument D11 sei kein geeigneter Ausgangspunkt für einen Angriff aufgrund mangelnder erfinderischen Tätigkeit. Dieses Dokument bestätige das in Bezug auf fahrzeuggebundene Zentralschmieranlagen in der Fachwelt vorherrschende Konzept, Schmierstellen vorzugsweise über Progressiv-Verteiler zu versorgen.
Die Gegenstände der Ansprüche 1 gemäß den jeweiligen Hilfsanträgen beruhten auf erfinderischer Tätigkeit. Gerade bei der Schmierstoffabgabe von kleinen Volumina (vgl. Merkmal M10) trete das Problem der Ungleichmäßigkeit der Abgabe stärker auf. Dieses Problem werde durch die in Hilfsantrag 7 hinzugefügten Merkmale gelöst. Die im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8 hinzugefügten Merkmale seien unter Berücksichtigung der Absätze [0014] und [0015] der Patentschrift auszulegen. Die Verwendung einer Messeinrichtung zur Erfassung der Umdrehungszahl und einer bidirektionalen Schnittstelle zum Anschluss an einen zentralen Bordcomputer ergebe einen Synergieeffekt, weil dadurch eine Steuerung und eine Überwachung erzielt werden könne. Das Ergebnis der Messeinrichtung könne an die Schnittstelle weitergeleitet bzw. überwacht werden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerden sind zulässig.
Die Beschwerdeführerin I war entsprechend Artikel 107 Satz 1 EPÜ 1973 als Einsprechende 01 an dem Verfahren beteiligt, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat. Die Beschwerdeführerin I hat durch Vorlage von Handelsregisterauszügen des Amtsgerichts Heidelberg nachgewiesen, dass die Firma der Einsprechenden 01, eingetragen unter HRB 703-Wi, nach deutschem Umwandlungsgesetz im Wege der Ausgliederung zur Aufnahme ihr gesamtes Vermögen als Gesamtheit auf die Lincoln Participation GmbH mit Sitz in Walldorf, eingetragen unter HRB 2143-Wi, mit Wirkung vom 23. Dezember 2005 übertragen hat. Die Führung des Handelsregisters zu dieser Gesellschaft, die am 15. September 2006 in den Namen der Beschwerdeführerin I umfirmierte, wurde wegen Neuordnung der Registerbezirke auf das Amtsgericht Mannheim übertragen und erfolgte dort unter der Registernummer HRB 352143. Die Einspruchsstellung der Einsprechenden 01 ging daher als zum Betriebsvermögen gehörender Teil kraft § 131 Abs. 1 Nr. 1 des deutschen Umwandlungsgesetzes auf die Beschwerdeführerin I über. Diese war daher befugt, unter ihrer Firma die Beschwerde einzulegen. Die Beschwerdegegnerin hat die Zulässigkeit der Beschwerde der Beschwerdeführerin I in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr in Zweifel gezogen, so dass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.
Die Beschwerdeführerin II hat durch Vorlage des amtlichen Ausdrucks des Handelsregisters des Amtsgerichts Charlottenburg HRB 95218 in der mündlichen Verhandlung nachgewiesen, dass die am 15. Mai 2009 beschlossene Änderung ihrer Firma von Willy Vogel AG in SKF Lubrication Systems Germany AG am 1. Juli 2009 im Handelsregister eingetragen und damit zu diesem Zeitpunkt wirksam wurde. Das Rubrum der vorliegenden Entscheidung muss daher auf die geänderte Firma lauten.
2. Der relevante Stand der Technik
2.1 Zur öffentlichen Zugänglichkeit der Kataloge D9 und D14
Die Beschwerdegegnerin hat bestritten, dass die von der Beschwerdeführerin II zitierten Kataloge D9 und D14 vor dem Prioritätsdatum des Patents offenkundig waren.
Die Kataloge D9 und D14 stellen damalig bestehende Produkte der Beschwerdeführerin II auf dem Gebiet der Zentralschmieranlagen dar. In Hinblick auf die Frage der öffentlichen Zugänglichkeit dieser Kataloge hat die Kammer folgende Fakten und Angaben der Beschwerdeführerin II berücksichtigt:
- nach den Angaben der Beschwerdeführerin II wurden die Kataloge D9 und D14 ohne Geheimhaltungsverspflichtung an die Kunden der Willy Vogel AG sowie beliebige Interessenten zum damaligen Zeitraum verteilt und lagen zudem auf Messen und im Hause der Willy Vogel AG öffentlich aus.
- der Abschnitt "Progressiv-Zentralschmieranlagen" des Katalogs D9 ist auf Seite 1 unten mit dem Druckvermerk "X 35 P 1/ 4 11 90 Hf" versehen, wobei die Bezeichnung "11 90" auf die Drucklegung dieses Abschnittes im November 1990 hinweist. Der Abschnitt "Fettschmierpumpe FZ-A und FZ-B" des Katalogs D9 ist auf Seite 1 unten mit dem Druckvermerk "21112 P 2 / 05 0996 HF" versehen, wobei die Bezeichnung "0996" auf die Drucklegung dieses Abschnittes im September 1996 hinweist.
- Katalog D14 enthält einen Druckvermerk "Z000 5 98" auf dem hinteren Deckblatt, was auf das Druckdatum Mai 1998 hinweist. Zwischen diesen Druckdaten und dem Prioritätsdatum des angegriffenen Patents (10. November 2000) liegt ein Zeitraum von mehreren Jahren. Bei einem derartigen langen Zeitraum ist davon auszugehen, dass die Kataloge aller Wahrscheinlichkeit nach vor dem Prioritätsdatum verteilt wurden.
- aus den Rechnungen D21 und D2 an die Firmen Siempelkamp und Karl Hallwachs geht hervor, dass das Kompakt-Aggregat KFMA 3-2 und die im Katalog D14 aufgeführten Pumpenelemente KFG1.U1 und KFG1.U11 im Jahre 1998 verkauft worden sind.
Die Beschwerdeführerin II hat die Originale der Kataloge in der mündlichen Verhandlung vorgelegt. Nach Prüfung der Originale und unter Berücksichtigung der vorgebrachten Angaben, die zusammen betrachtet eine Kette von übereinstimmenden Beweiselementen bilden, ist die Kammer unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit zu der Überzeugung gelangt, dass die Kataloge D9 und D14 vor dem Prioritätstag des Streitpatents öffentlich zugänglich waren. D9 und D14 gehören somit zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ.
2.2 Zulassung des neu vorgebrachten Dokuments D14 in das Verfahren
Aus der Begründung der Entscheidung der Einspruchsabteilung geht hervor (vgl. insbesondere Punkte 5.5 und 6.3), dass die in den erteilten Anspruch 1 kurz vor der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung hinzugefügten Merkmale, insbesondere die Merkmale bezüglich der Förderleistung der Direktpumpen (Merkmale M10), eine wichtige Rolle in Hinblick auf die Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit bei der Aufrechterhaltung des Patents gespielt haben.
Der Katalog D14 zeigt auf den Seiten 46-47 ein Pumpenelement (Dosierpumpe KFM 1.U11) in einer Zentralschmieranlage für einen Einsatz in einem Fahrzeug (Anhänger- und Auflieger). Die Förderleistung der Dosierpumpe liegt bei 0,03 cm**(3) pro Hub (Seite 46). Aufgrund der neuen Ausrichtung des beanspruchten Gegenstands durch die in den Ansprüchen durchgeführten Änderungen ist dieses Dokument von besonderer Relevanz. Die Kammer hat daher in der Ausübung ihres Ermessens gemäß von Artikel 114 EPÜ 1973 das Dokument D14 in das Beschwerdeverfahren zugelassen.
3. Hauptantrag; Neuheit
Die Beschwerdeführerin II hat die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gegenüber dem Inhalt ihres Katalogs D9 in Frage gestellt.
Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern geht von einem engen Neuheitsbegriff aus. Insbesondere müssen sämtliche Merkmale eines beanspruchten Gegenstands als Ganzes eindeutig und unmittelbar aus dem Inhalt des entgegengehaltenen Dokuments hervorgehen. In T 305/87 (ABl. EPA 1991, 429) wurde klargestellt, dass es bei der Beurteilung der Neuheit nicht genügt, den Inhalt eines Dokuments pauschal zu berücksichtigen. Es muss vielmehr jede in dem Dokument beschriebene Ausführungsform für sich betrachtet werden und es ist nicht zulässig, verschiedene Bestandteile jeweils spezifischer Ausführungsformen, die in ein und demselben Dokument beschrieben sind, allein deshalb miteinander zu verbinden, weil sie in diesem Dokument offenbart wurden, sofern nicht im Dokument selbst eine solche Verbindung nahegelegt wird.
Die Frage, ob die in dem Katalog D9 beschriebene Zentralschmieranlage als Einbauteil für ein Fahrzeug geeignet ist oder nicht, kann dahingestellt bleiben, denn, obwohl der Fachmann auf der Grundlage der im Katalog beschriebenen Produkte eine Zentralschmieranlage mit den Merkmalen M2 bis M10 des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag hätte zusammenbauen können, ergibt sich aus dem Inhalt des Katalogs nicht zwingend, dass die Zentralschmieranlage mindestens einen Pumpenanschluss mit einer Förderleistung von mindestens 0,08cm3/Hub und mindestens einen Pumpenanschluss mit einer Förderleistung im Bereich von 0,005 cm3/Hub bis 0,05 cm3/Hub aufweisen kann. Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist daher gegenüber dem Offenbarungsgehalt des Katalogs D9 gegeben.
Diese Schlussfolgerung ist auch gültig für den Inhalt des Katalogs E2a mit dazugehöriger Benutzerinformation E9, auf den sich die Beschwerdeführerin I im schriftlichen Verfahren bezogen hat, um die mangelnde Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag zu begründen.
4. Hauptantrag; erfinderischer Tätigkeit
4.1 Bei Schmiersystemen für Industrieanlagen war es schon lange vor dem Prioritätszeitpunkt des Patents zur Anpassung an unterschiedliche Einsatzzwecke bekannt, eine Zentralschmieranlage zu verwenden, in der die Schmierstoffpumpe aus verschiedenen austauschbaren Pumpenelementen mit unterschiedlichen auswählbaren oder einstellbaren Förderleistungen zusammengestellt war. An den individuellen, den verschiedenen Pumpenelementen zugeordneten Auslässen der Schmierstoffpumpe wurden sowohl mit Verteilern verbundene Verteilerleitungen als auch mit Schmierstellen verbundene Direktleitungen angeschlossen (Kombibetrieb). Dieser Stand der Technik ist durch die von den Beschwerdeführerinnen zitierten Dokumente E2a, E9 oder D9 belegt. Dies ergibt sich zum Beispiel aus der Abbildung unten rechts auf der Seite 4 des Katalogabschnittes X 35 P1 von D9, die folgenden Titel trägt: "Progressiv-Anlage mit elektromotorisch betätigter Mehrleitungspumpe". Daraus ist ersichtlich, dass es bekannt war, mit derselben Zentralschmierpumpe FZ-A sowohl indirekt über Verteiler (Anschlüsse 9 und 10) als auch direkt (Anschlüsse 1 bis 8) zu schmieren. Dies wurde von der Beschwerdegegnerin auch eingeräumt.
4.2 Was fahrzeuggebundene Schmieranlagen betrifft, war beispielweise aus der Entgegenhaltung D11 bekannt, eine Einschüttvorrichtung für den Müllsammelbehälter eines Müllfahrzeugs mittels eines Verteilers 18 zu schmieren, der über eine Mehrzahl von Verteilerleitungen 22-25 die Schmierstellen 5 und 12-15 mit Schmierstoff versorgt. Auf Seite 14, zweiter Absatz der Druckschrift D11 ist ausgeführt, dass der Verteiler 18 durch eine vollautomatische Vorrichtung zur Schmiermittelzufuhr mit Schmiermittel versorgt werden kann.
4.3 Vollautomatische Schmiermittelzufuhr-Vorrichtungen für Fahrzeuge waren auch sonst vor dem Prioritätsdatum des Patents bekannt (vgl. D5 und D14). In der Druckschrift D5 ist beispielsweise eine fahrzeuggebundene Zentralschmieranlage als Einbauteil für ein Fahrzeug bekannt (vgl. Figur 1, Spalte 2, Zeilen 41-45: "central chassis lubricator unit"). Diese Schmieranlage besteht aus einer Schmierstoffpumpe mit am Außenumfang des Pumpengehäuses angeordneten Pumpenelementen 75, die einzeln über eine Nocke 76 zentral angetrieben werden. An den individuellen Pumpenelementen 75 sind Leitungen 2 anschließbar (vgl. Anschlüsse 84), um eine vorbestimmte Menge von Schmierstoff an eine oder mehrere Schmierstellen zu fördern (Spalte 4, Zeile 66 bis Spalte 5, Zeile 40 i.V.m. Figuren 4-5). Es war somit naheliegend, eine als Einbauteil produzierte Zentralschmieranlage nach Art der Druckschrift D5 an dem aus D11 bekannten Verteilerschmiersystem zu dessen Versorgung anzuschließen.
4.4 Nun definiert der Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag zwei Arten von Pumpenelementen, nämlich "Direktpumpen" und "Verteilerpumpen". Diesbezüglich ist festzustellen, dass die "Direktpumpen" und "Verteilerpumpen" sich in Hinblick auf ihre Konstruktion und ihr Wirkungsprinzip weder voneinander, noch von den üblichen aus Zentralschmieranlagen bekannten Pumpenelementen unterscheiden. Der Anspruch weist auch keine strukturelle Merkmale auf, die einen "Direktanschluss" von einem "Verteileranschluss" unterscheiden. Das Merkmal M8 besagt lediglich, dass die Direktpumpen in irgendeiner Form mit den Direktanschlüssen und die Verteilerpumpen mit den Verteileranschlüssen assoziiert werden. Das einzige die "Verteilerpumpen" strukturell beschreibende Merkmal ist die Angabe, dass sie eine Förderleistung von mindestens 0,08 cm**(3)/Hub und das einzige die "Direktpumpen" strukturell beschreibende Merkmal ist die Angabe, dass sie eine Förderleistung im Bereich von 0,005 cm**(3)/Hub bis 0,05 cm**(3)/Hub.
4.5 Der Katalog D14 zeigt auf den Seiten 46-47 eine Zentralschmieranlage als Einbauteil für Anhänger und Auflieger (Kompaktaggregat KFMA 3-2). Die Schmierpumpe besteht aus mehreren austauschbaren Pumpenelementen (Dosierpumpe), die einzeln über eine Taumelscheibe zentral angetrieben werden. An den individuellen Pumpenelementen sind Schmierleitungsanschlüsse vorgesehen, um eine vorbestimmte Menge von Schmierstoff an eine oder mehrere Reibstellen direkt zu fördern (vgl. Seite 47, "Funktion" i.V.m. den Figuren). Wie aus Seite 46 ersichtlich, ist die vorbestimmte Menge von Schmierstoff abhängig von der eingebauten Dosierpumpe. Die Dosierpumpe KFM 1.U11 hat eine Fördermenge von 0,03 cm**(3)pro Umdrehung der Taumelscheibe (0,03 cm**(3)pro Hub). Diese Zentralschmieranlage weist somit das Merkmal M10 auf.
4.6 Bezüglich der in den Merkmalen M9 und M10 angegebenen Förderleistungsbereiche ist festzustellen, dass sie sehr breit und offensichtlich willkürlich festgelegt worden sind, denn der Patentschrift und dem Vortrag der Patentinhaberin lassen sich keine besondere Eigenschaften, Vorteile oder Wirkungen aus diesen Förderleistungen entnehmen. Die beanspruchten Förderleistungen gemäß den Merkmalen M9 und M10 erfassen nämlich sehr breite Bereiche und erfüllen keine weitere Zwecke als die, die bereits aus dem Stand der Technik bekannt sind, nämlich durch die Wahl der Förderleistung dafür zu sorgen, dass jeder Schmierstelle die notwendige Menge an Schmiermedium zugeführt wird, die für einen ordnungsgemäßen Betrieb benötigt wird und dass die Schmierpumpe gleichzeitig an unterschiedliche konkrete Einbausituationen angepasst werden kann. D14 zeigt, dass die Förderleistung gemäß Merkmal M10 üblich ist für ein Pumpelement, das zur direkten Versorgung von Schmierstellen in Fahrzeugen dient ("Direktpumpen"). Merkmal M9 lässt den Wert der Fördermenge pro Hub nach oben offen und definiert nach unten einen Mindestwert. Diese Werte sind für "Verteilerpumpen" üblich, denn letztere haben in der Regel eine höhere Förderleistung als die "Direktpumpen", da Verteilerpumpen im Gegensatz zu Direktpumpen mehrere Schmierstellen zu versorgen haben. Die Merkmale M9 und M10 können somit keine erfinderische Tätigkeit begründen.
4.7 Es stellt sich noch die Frage, ob es naheliegend war, eine direkte und eine indirekte Schmierung in einer fahrzeuggebundene Zentralschmieranlage zu kombinieren. Wie bereits im obigen Punkt 4.1 erörtert, war ein solcher kombinierter Schmierbetrieb bei stationären Zentralschmieranlagen bekannt (vgl. Dokumente D9, E2A). Nach Auffassung der Kammer ist ein solcher Betrieb auch bei fahrzeuggebundenen Zentralschmieranlagen naheliegend. Bereits Dokument D14 widerlegt die Behauptung der Beschwerdegegnerin in Bezug auf ein bei fahrzeuggebundenen Zentralschmieranlagen in der Fachwelt vorherrschende Konzept, normale Schmierstellen stets über Progressiv-Verteiler zu versorgen. Auch Dokument D5, das eine fahrzeuggebundene Zentralschmieranlage mit Pumpelementen zur direkten Versorgung von individuellen Schmierstellen beschreibt, erwähnt in der Spalte 7, Zeilen 19-26, dass auch eine einzige Pumpe mehrere Schmierstellen mit Schmierstoff versorgen kann. Dies ist ein Hinweis auf die herkömmliche indirekte Schmierung mittels an die Pumpe angeschlossener Verteiler. In dem Gedanken, eine indirekte und eine direkte Schmierung in der Zentralschmieranlage eines Fahrzeugs zu kombinieren, kann nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf den übrigen Stand der Technik keine erfinderische Leistung erblickt werden.
4.8 Die Kammer kommt somit zum Ergebnis, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt (Art. 56 EPÜ 1973).
5. Hilfsanträge
5.1 Hilfsantrag 1
In dem Anspruch 1 des Hilfsantrags I wird gegenüber dem Anspruch 1 des Hauptantrags präzisiert, dass eine oder mehrere Direktleitungen an der Schmierstoffpumpe "angeschlossen sind" statt "anschließbar sind". Eine solche Änderung ist nicht in der Lage, die zum Hauptantrag angestellten Einwände der Kammer in Hinblick auf die mangelnde erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands auszuräumen. Die in diesem Hilfsantrag eingefügten Einschränkungen können somit keine erfinderische Tätigkeit begründen.
5.2 Hilfsanträge 2, 4 und 6
Die jeweiligen unabhängigen Ansprüche 6, bzw. 1, bzw. 5 der Hilfsanträge 2, bzw. 4, bzw. 6 beziehen sich auf eine Zugmaschine, die eine fahrzeuggebundene Zentralschmieranlage aufweist. Die Beschwerdegegnerin sieht in diesen Ansprüchen eine nähere Spezifizierung der Zentralschmieranlage gemäß Hauptantrag, indem der konkrete Einsatzort, bzw. die konkrete Verwendung angegeben wird. Sie sieht eine Grundlage für diese Ansprüche in der ersten Ausführungsform der Zentralschmieranlage nach der Erfindung, die in der Figur 1 und der dazugehörigen Textstelle der ursprünglich eingereichten Unterlagen beschrieben ist.
Die Figur 1 und die dazugehörige Textstelle der ursprünglich eingereichten Unterlagen beschreiben jedoch eine ganz konkrete Ausführung einer Zugmaschine mit Zentralschmieranlage. Bei dieser Zentralschmieranlage erfolgt die indirekte Schmierung über einen Verteiler 12 und Verteilerleitungen 14-19, die zu den Schmierstellen der Aufliegerkupplung 54 führen, und die direkte Schmierung 55 über Direktleitungen 38-41, die zu Schmierstellen an den Achsschenkelbolzen der Zugmaschine führen.
Die in den geänderten Ansprüchen gemäß dieser Hilfsanträge beanspruchte Zugmaschine muss lediglich eine Aufliegerkupplung aufweisen. Welche Komponenten der Zugmaschine direkt und welche indirekt über die Zentralschmieranlage geschmiert werden, wird in diesen Ansprüchen nicht angegeben. Die Kammer sieht in dem Weglassen dieser wesentlichen Angaben eine nicht offenbarte Zwischenverallgemeinerung, die gegen die Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ verstößt.
5.3 Hilfsanträge 7 und 8
In dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 werden die Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags mit den Merkmalen der erteilten Ansprüche 4 (Antrieb durch einen umlaufenden Exzenter) und 6 (Messeinrichtung) kombiniert.
In dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8 werden noch die Merkmale des erteilten Anspruchs 7 (Schnittstelle) hinzugefügt.
Die Merkmale des erteilten Anspruchs 4 sind bereits aus der Entgegenhaltung D5 (vgl. Figur 4: Exzenter 76) bekannt. Die Merkmale des erteilten Anspruchs 6 sind aus der Entgegenhaltung D10 (vgl. Ansprüche 2-4) bekannt. Die Merkmale des erteilten Anspruchs 7 sind z.B. aus der Entgegenhaltung D5 (Spalte 6, Zeilen 44-55: Schnittstelle an der Steuerungseinheit der Schmierstoffpumpe) bekannt.
Die Kammer betrachtet die in diesen Hilfsanträgen eingefügten Einschränkungen als reines Agglomerat von Merkmalen, so dass die Kombination der genannten Merkmale mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Die hinzugefügten Merkmale sind einzeln oder in Gruppen eigenständigen Problemstellungen (Hilfsantrag 7: Gleichmäßigkeit der Schmierung; Hilfsantrag 8: Datenaustausch für eine komfortablere Bedienung) zuzuordnen, für die der einschlägige Stand der Technik bereits entsprechende Lösungen anbietet oder für die sich die angegebenen Merkmale zur Problemlösung im Rahmen des durchschnittlichen Wissens und Könnens des Fachmanns aufdrängen. Wenn auch die Einzelmerkmale der abhängigen Ansprüche aus unterschiedlichen Entgegenhaltungen entnommen sind, so ist auch zu bedenken, dass es sich um einfache und unabhängige Maßnahmen handelt, die in der geschilderten Weise von jedem Durchschnittsfachmann zwecks Nutzung ihrer offensichtlichen Vorteile anwendbar sind und, entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin, keine weitere Wirkung im Sinne eines überraschenden funktionellen Zusammenwirkens bedingen. Für eine Auslegung der hinzugefügten Merkmale im Sinne der Beschwerdegegnerin gab es keine Veranlassung.
6. Die Kammer kommt somit zu dem Schluss, dass der jeweilige Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, bzw. gemäß sämtlichen Hilfsanträgen nicht patentfähig ist.
7. Rechtliches Gehör in Verbindung mit der Rüge der Beschwerdegegnerin gemäß Regel 106 i.V.m. Artikel 112a(2)c)EPÜ
Das Recht auf rechtliches Gehör einer Partei wird in der mündlichen Verhandlung grundsätzlich von dem von der Partei beauftragten zugelassenen europäischen Vertreter wahrgenommen. Dieser vertritt die Partei und nimmt deren Rechte und Pflichten wahr. Das Recht einer Partei auf rechtliches Gehör in der mündlichen Verhandlung wird daher im Regelfall allein dadurch gewährleistet, dass dem zugelassenen europäischen Vertreter Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Ein Abweichen von diesem Grundsatz wäre nur gerechtfertigt, wenn dies auf Grund der konkret vorliegenden prozessualen Situation geboten wäre.
Im vorliegenden Fall stellte der Vertreter der Beschwerdegegnerin nicht in Frage, dass der technische Gehalt der neu vorgelegten Seite 45 technisch einfach und mühelos zu verstehen war und die 30 - minütige Unterbrechung ausreichend lang war, um hierzu im Hinblick auf den beanspruchten Gegenstand Stellung zu nehmen. Damit stützt sich die vorliegende Entscheidung entsprechend Artikel 113(1) EPÜ 1973 ausschließlich auf Tatsachen und Gründe, zu denen die Beschwerdegegnerin gehört wurde.
Der von dem Vertreter geltend gemachte Einwand, dass durch die neu eingeführte Seite 45 eine prozessuale Lage entstand, die grundsätzlich ein Recht auf Rücksprache mit seiner Mandantin begründete, wird von der Kammer nicht geteilt.
Die neu eingeführte Seite 45 von D14 enthält keinen technischen Inhalt, der nicht auch schon implizit in den schon im schriftlichen Verfahren eingeführten Seiten 46 und 47 enthalten war. Insbesondere wird auf Seite 47 ein Schnitt der Schmierstoffpumpe mit Pumpenelementen und Schmierleitungsanschlüssen abgebildet. Ein Schmierstoffverteiler oder Anschlüsse hierzu sind in der Schnittzeichnung nicht vorhanden. In der Abbildung sind nur "Schmierleitungsanschlüsse" aber keine "Verteilungsleiteranschlüsse" gekennzeichnet. Der Text auf Seite 47 bestätigt den Offenbarungsgehalt der Schnittzeichnung, da dort angegeben wird, dass während der Pumpenlaufzeit die Dosierpumpen betätigt werden und Schmierstoff zur Reibstelle gefördert wird (vgl. Paragraph "Funktion", vorletzter Absatz). Dies ist ein eindeutiger Hinweis auf eine direkte Schmierung, die folgerichtig keinen Verteiler benötigt.
Die ausdrückliche Angabe auf Seite 45 der D 14, dass separate Schmierstoffverteiler bei dieser Anlage nicht erforderlich sind, begründet daher keine Veränderung der Sachlage, sondern betont nur die auch schon auf den Seiten 46 und 47 vorhandene Offenbarung, dass keine Verteilerpumpen erforderlich sind.
Trotz Nachfrage durch die Kammer hat der Vertreter der Beschwerdegegnerin auch keine sonstigen technischen Angaben auf Seite 45 der D 14 benennen können, die geeignet wären, den Offenbarungsgehalt der Seiten 46 und 47 in Frage zu stellen und die Möglichkeit zur Rücksprache mit der Mandantin gerechtfertigt hätte. Der Vertreter der Beschwerdeführerin berief sich daher zu Unrecht auf eine überraschende Veränderung der Sachlage. Auch seine Berufung auf die besondere Fachkunde seiner Mandantin für Schmierstoffe und eine sich daraus ergebende Notwendigkeit zur Rücksprache geht fehl, weil er die durch D14 offenbarte Lehre mit seiner Mandantin schon anhand der Seiten 46 und 47 zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung hätte besprechen können. Die Kammer hatte bereits in Punkt 7 ihres Bescheids zur Ladung darauf hingewiesen, dass das Dokument D14 (Seiten 46 und 47) von besonderer Relevanz ist und seine Zulassung zum Verfahren in Betracht kommt.
Die Kammer war auch durch die Gebote zum fairen Verfahren und zur "Waffengleichheit" nicht gehindert, das Dokument D14 zum Verfahren zuzulassen.
Die Zulassung des spät eingereichten Dokuments D14 in das Verfahren erfolgte gemäß dem der Beschwerdekammer in Artikel 13(1) und (3) VOBK in Verbindung mit Artikel 114(2) EPÜ 1973 eingeräumten Ermessen und begründete, wie bereits zuvor dargelegt, für die Beschwerdegegnerin keine prozessuale Überraschung, zu der sie nicht hätte Stellung nehmen oder sich nicht hätte vorbereiten können. Die Kammer sah daher auch die Voraussetzungen für die Notwendigkeit einer Vertagung der mündlichen Verhandlung für nicht gegeben. Die Beschwerdekammer ist ferner auf Grund der Erklärung des Vertreters der Beschwerdeführerin II in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass die Nichtvorlage der Seite 45 versehentlich erfolgte und keinerlei Anhaltspunkte für einen Verfahrensmissbrauch gegeben sind, was auch die Beschwerdegegnerin ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung bestätigte. Die Grundsätze eines fairen Verfahrens sind daher zur Überzeugung der Kammer durch Beachtung der Verfahrensvorschriften gewahrt.
Das Gebot der "Waffengleichheit" als Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes war ebenfalls gewährleistet, da beide Parteien im Rahmen der anzuwendenden Verfahrensvorschriften nicht nur formell die gleiche Verfahrensrechte hatten (vgl. G 1/86, Punkt 13 der Entscheidungsgründe, ABl. EPA 1987, 447), sondern auch materiell gleichbehandelt wurden. Insoweit wird wiederum auf die obigen Ausführungen verwiesen, in denen dargelegt wurde, dass die Beschwerdegegnerin Gelegenheit erhielt, alles für die Entscheidung Erhebliche vorzutragen und alle zur Abwehr der gegnerischen Einwände erforderlichen Entgegnungen vor der mündlichen Verhandlung zu bedenken und notwendige Erwiderungen vorzubereiten.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.