T 0129/07 () of 11.9.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T012907.20080911
Datum der Entscheidung: 11 September 2008
Aktenzeichen: T 0129/07
Anmeldenummer: 98115178.0
IPC-Klasse: D06F 39/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Multifunktions-Bedienvorrichtug für Waschmaschinen
Name des Anmelders: BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH
Name des Einsprechenden: 01: AEG Hausgeräte GmbH
02: Miele & Cie. KG
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Zulässigkeit der Änderungen - ja
Neuheit und erfinderische Tätigkeit - ja
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1377/13

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 12. August 1998 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 21. August 1997 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 98115178.0 wurde das europäische Patent Nr. 898 003 mit 16 Ansprüchen erteilt.

II. Gegen das erteilte Patent wurden, gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a) (Einsprechende 01 und 02) und 100 c) (Einsprechende 01) EPÜ, zwei Einsprüche eingelegt und der Widerruf des Patents beantragt.

III. Die Einspruchsabteilung widerrief das Patent mit ihrer am 22. November 2006 zur Post gegebenen Entscheidung.

Sie kam zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht neu sei und die jeweiligen unabhängigen Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten im Hinblick auf den entgegengehaltenen Stand der Technik.

IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 22. Januar 2007 Beschwerde ein und bezahlte am gleichen Tag die Beschwerdegebühr. Mit ihrer am 30. März 2007 eingegangenen Beschwerdebegründung verfolgte sie ihren Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents mit geänderten Ansprüchen weiter.

V. Die Beschwerdekammer hat in ihrem Bescheid als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mitgeteilt, wonach über die formale Zulässigkeit des unabhängigen Anspruchs zu reden sein werde. Die Neuheit stehe zwar nicht in Frage, die Entscheidung der Einspruchsabteilung im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit scheine jedoch zuzutreffen.

Am 11. September 2008 fand eine mündliche Verhandlung statt, an der nur die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin I teilnahmen. Von dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik wurden nur folgende Entgegenhaltungen diskutiert:

D1: DE-A-35 27 968

D16: Englische Übersetzung der KR-Anmeldung 12144

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents mit der Beschreibung und den 11 Ansprüchen, wie in der mündlichen Verhandlung überreicht.

Die Beschwerdegegnerin I beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Anspruch 1 lautet:

"Multifunktions-Bedienvorrichtung für Waschmaschinen mit einer Display-Anzeige (1) mit im Klartext darstellbaren und auswählbaren Betriebsprogrammen, mit einem Bedienknopf (2) zum Aufrufen der Anzeige eines Betriebsprogrammes im Display (1) durch Drehen des Bedienknopfes und einer Taste mit Enter-Funktion zur Auswahl eines aufgerufenen Betriebsprogramms, dadurch gekennzeichnet, dass die Display-Anzeige (1) mehrere Zeilen hat und in denen mehrere Betriebsprogramme gleichzeitig anzeigbar sind, von denen eines durch Drehen des Bedienknopfes (2) aufrufbar und durch Betätigen der Taste auswählbar und mit einem anderen Programm kombinierbar ist, dass das Display (1) ein LCD-Display ist, dass jedes Betriebsprogramm in einer eigenen Zeile (1.1; 1.2; 1.3; 1.4; 1.5) des Displays (1) anzeigbar ist, dass die Betriebsprogramme rangartig unterteilt sind, dass durch Betätigen der Taste mit Enter-Funktion nach Auswahl eines vorrangigen Betriebsprogramms ein Wechsel der Display-Anzeige von einem vorrangigen Betriebsprogramm, insbesondere einer vorrangigen Programmgruppe, auf ein nachrangiges Betriebsprogramm, insbesondere eine nachrangige Programmgruppe darstellbar ist, dass das jeweils zuvor ausgewählte Betriebsprogramm als verbleibende Display-Anzeige erhalten bleibt und dass die Betriebsprogramm-Kombination durch Betätigung der Taste abrufbar und in Betrieb setzbar ist."

VI. Die Beschwerdeführerin argumentierte, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei ausreichend in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart.

Im entgegengehaltenen Stand der Technik seien wesentliche Merkmale des beanspruchten Gegenstands nicht offenbart, und es sei auch keine Anregung erkennbar, die den Fachmann zur beanspruchten Lösung einer verbesserten Benutzerführung anregen könne.

VIII. Die Beschwerdeführerin I brachte u.a. vor, der spät eingereichte Antrag verstoße gegen Artikel 123 (2) EPÜ, da Merkmale aus dem offenbarten Zusammenhang isoliert in den Anspruch 1 aufgenommen worden seien, und solle deshalb nicht zum Verfahren zugelassen werden.

Der zuständige Fachmann, ein Konstrukteur von Haushaltsgeräten mit Erfahrung in der Programmsteuerung, verstehe die Lehre von D16 so, dass die zuwählbaren Parameter ebenfalls zu einer Programm-Kombination zusammengestellt werden könnten, wobei dort die Darstellung jedes Betriebsprogramms in einer eigenen Zeile durch die Anzeige untereinander schon realisiert oder zumindest nahegelegt sei, denn der Fachmann werde bei Bedarf die Zeilendarstellung unabhängig davon wählen, ob die Unterprogramme in D16 übereinander oder nebeneinander dargestellt seien. Die Auswahl mittels eines drehbaren Bedienknopfes und Auswahl durch Tastendruck sei aus dem Dokument D1 bekannt, welches der Fachmann schon deshalb in Betracht ziehe, weil es sich auf eine Waschmaschine oder dgl. beziehe. Somit beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

2.1 Der neue Anspruch 1 wurde aus den Merkmalen der erteilten Ansprüche 1, 2, 4, 7 und 8 sowie einer Einfügung gebildet, die sich auf die allgemeine Beschreibung stützt (Patentschrift Abschnitt [0009], A-Dokument Abschnitt [0006]). Aus dem erteilten Anspruch wurde die Alternative "oder Programmteil" gestrichen.

Die betreffende Offenbarungstextstelle aus der Beschreibung lautet: "Nach einer Ausgestaltung der Erfindung ist die Übersichtlichkeit der Bedienung dadurch noch weiter verbessert, daß nach dem Auswählen eines ersten Betriebsprogramms für eine vorgesehene Betriebsprogramm-Kombination durch betätigen der Taste das dadurch zuvor angewählte Programm im Display im Klartext erhalten bleibt und die weiteren Betriebsprogramme in den verbleibenden Zeilen des Displays durch Drehen des Drehknopfes durchblätterbar und in gleicher Weise durch betätigen der Taste mit jeweiliger Auswahltaste abspeicherbar sind. Nach dem Auswählen des letzten Betriebsprogramms einer Betriebsprogramm-Kombination ist das gesamte Menü ablesbar und kann dann durch Betätigung der Taste abgerufen und in Gang gesetzt werden."

2.2 Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin kann insbesondere der zweite Satz dieser Textstelle nur vollständig in den Anspruch aufgenommen werden, ohne dass z.B. Begriffe wie "das gesamte Menü ablesbar" weggelassen werden dürfen.

Sinngemäß geht aus dem Anspruch jedoch eindeutig hervor, dass das jeweils zuvor gewählte (vorrangige) Betriebsprogramm beim Wechsel der Displayanzeige erhalten bleibt und weitere nachrangige Betriebsprogramme darstellbar sind. Das Ergebnis dieser Darstellung ist die gewählte Programmkombination und als zusammengestelltes Menü zwangsläufig auch ablesbar.

Somit erfüllt der geänderte Anspruch das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ und, da der Anspruch gegenüber dem erteilten Anspruch 1 eingeschränkt wurde, auch das des Artikels 123 (3) EPÜ.

3. Neuheit

Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 wurde von der Beschwerdegegnerin nicht in Frage gestellt. Auch die Kammer kommt zu dem Ergebnis, dass keine der einschlägigen Druckschriften des Standes der Technik die beanspruchte Merkmalskombination offenbart.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Geht man von D16 als nächstkommendem Stand der Technik aus, so zeigt dieses Dokument eine Multifunktions-Bedienvorrichtung für Waschmaschinen mit einer LCD-Display-Anzeige (Figur 3a) mit im Klartext darstellbaren und auswählbaren Betriebsprogrammen, mit einem Bedienknopf 11 zum Aufrufen der Anzeige eines Betriebsprogramms im Display durch Drehen des Bedienknopfes und einer Taste 14 mit Enter-Funktion zur Auswahl eines aufgerufenen Betriebsprogramms. Die Display-Anzeige hat mehrere Zeilen, in denen mehrere Betriebsprogramme gleichzeitig anzeigbar sind, von denen ein vorrangiges Programm durch Drehen des Bedienknopfes aufrufbar und durch Betätigen der Taste auswählbar und mit einem anderen nachrangigen Programm bzw. Programmparametern kombinierbar ist.

4.2 Es ist Aufgabe der Erfindung, die Bedienung von Komfort-Waschmaschinen mit einer Vielzahl von einstellbaren Betriebsprogrammen, insbesondere im Hinblick auf eine Vermeidung von Bedienfehlern bei gleichzeitiger Auswahlmöglichkeit aller zur Verfügung stehenden Betriebsprogramme zu vereinfachen.

4.3 Gelöst wird diese technische Aufgabe mit einer Multifunktions-Bedienvorrichtung für Waschmaschinen mit den Merkmalen des Anspruchs 1, insbesondere dadurch, dass jedes Betriebsprogramm in einer eigenen Zeile des Displays anzeigbar ist, dass durch Betätigen der Taste mit Enter-Funktion nach Auswahl eines vorrangigen Betriebsprogramms ein Wechsel der Display-Anzeige von einem vorrangigen Betriebsprogramm auf ein nachrangiges Betriebsprogramm darstellbar ist, dass das jeweils zuvor ausgewählte Betriebsprogramm als verbleibende Display-Anzeige erhalten bleibt und dass die (vollständige) Betriebsprogramm-Kombination durch Betätigung der Taste abrufbar und in Betrieb setzbar ist.

4.4 Wie sich aus D16 (Figur 3a) sowie der Beschreibung ergibt, erfolgt dort die Anzeige der Hauptprogramme (function elements of the upper classification) und der nachgeordneten Programme bzw. Programmparameter (function elements of the intermediate bzw. lower classification) in einer matrixartig aufgebauten Anzeige, wobei nach der Auswahl eines vorrangigen Programms in der linken Spalte weitere Programmparameter in den Spalten rechts davon auswählbar sind. Eine Anzeige jedes Betriebsprogramms in einer eigenen Zeile des Displays ist nicht offenbart. Da in der gesamten Entgegenhaltung auch kein Hinweis zu finden ist, dass die Anzeige überhaupt wechseln soll, kann dieser Stand der Technik keinen Anstoß dazu liefern, nach der Auswahl eines vorrangigen Programms die Anzeige zu wechseln, wobei aber dieses ausgewählte Programm erhalten bleibt und weitere nachrangige Programme zu diesem vorrangigen Programm anzeigbar und auswählbar sind. Die Bedienerführung gemäß der Erfindung ist tatsächlich verbessert, da nur die jeweils zu einem vorrangigen Programm kombinierbaren nachrangigen Programme angezeigt werden, während bei einer matrixartigen Auswahlmöglichkeit auch Programm- oder Parameter-Kombinationen angezeigt werden können, die nicht miteinander kompatibel sind.

4.5 D1 befasst sich ebenfalls mit einer Multifunktions-Bedienvorrichtung für Waschmaschinen mit einer Display-Anzeige mit im Klartext darstellbaren und auswählbaren Betriebsprogrammen, mit einem Bedienknopf zum Aufrufen der Anzeige eines Betriebsprogramms im Display durch Drehen des Bedienknopfes und einer Taste mit Enter-Funktion zur Auswahl eines aufgerufenen Betriebsprogramms. Die einzelnen anwählbaren Programmteile werden nacheinander zur Anzeige gebracht. Die Betriebsprogramme sind rangartig unterteilt, wobei von einem vorrangigen Betriebsprogramm auf ein nachrangiges Betriebsprogramm umgeschaltet werden kann.

Die Display-Anzeige hat aber nicht mehrere Zeilen, in denen mehrere Betriebsprogramme gleichzeitig anzeigbar sind. Nach Betätigen der Taste mit Enter-Funktion nach Auswahl eines vorrangigen Betriebsprogramms erfolgt zwar ein Wechsel der Display-Anzeige, jedoch bleibt das jeweils zuvor ausgewählte Betriebsprogramm nicht als verbleibende Display-Anzeige erhalten. Diese Anordnung ermöglicht somit keine Auswahl aus einer Liste von angezeigten Programmen oder Programmteilen. Da es sich offenbar um eine einzeiliges Display handelt, ist kein Anhaltspunkt erkennbar, der den Fachmann dazu anregen könnte, mehrere Betriebsprogramme gleichzeitig und jeweils in einer eigenen Zeile anzuzeigen, ebenso wenig dazu, nach Auswahl eines vorrangigen Betriebsprogramms beim Wechsel der Display-Anzeige die Anzeige des zuvor ausgewählten Betriebsprogramms zu erhalten und gleichzeitig weitere nachrangige Programme oder Programmteile anzuzeigen. Somit kann dieser Stand der Technik den Fachmann nicht zur beanspruchten Lösung führen.

4.6 Nimmt man als der Erfindung nächstkommenden Stand der Technik D1 an und versucht, die dort offenbarte Lösung mit D16 zu kombinieren, so erhält man auch mit dieser Vorgehensweise mangels eines geeigneten Hinweises keine Display-Anzeige, die mehrere Zeilen hat und in denen mehrere Betriebsprogramme gleichzeitig anzeigbar sind, von denen eines durch Drehen des Bedienknopfes aufrufbar und durch Betätigen der Taste auswählbar und mit einem anderen Programm kombinierbar ist, wobei jedes Betriebsprogramm in einer eigenen Zeile des Displays anzeigbar ist, nach Auswahl eines vorrangigen Betriebsprogramms ein Wechsel der Display-Anzeige von einem vorrangigen Betriebsprogramm auf ein nachrangiges Betriebsprogramm darstellbar ist und das jeweils zuvor ausgewählte Betriebsprogramm als verbleibende Display-Anzeige erhalten bleibt. Die Bedienvorrichtung nach Anspruch 1 beruht daher auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt somit die Patentierungsvoraussetzungen im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ. Zusammen mit dem Anspruch 1 können die abhängigen Ansprüche 2 bis 11, die weitere Ausgestaltungen der Erfindung enthalten, ebenfalls aufrecht erhalten werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:

- Ansprüche 1 bis 11 und Beschreibung, Spalten 1 bis 4 mit Einfügung in Spalte 1, beides eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer,

- Figuren 1 bis 3, wie erteilt.

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