European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2008:T166706.20080618 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 18 Juni 2008 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1667/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98810841.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | D01G 15/24 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Kardendeckel | ||||||||
Name des Anmelders: | MASCHINENFABRIK RIETER AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Trützschler GmbH & Co. KG Trützschler Card Clothing GmbH |
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Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - nein | ||||||||
Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 26. August 1998 unter Inanspruchnahme dreier schweizerischer Prioritäten vom 12. September 1997, 1. Oktober 1997 und 5. Dezember 1997 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 98810841.1 wurde das europäische Patent Nr. 905 293 mit 20 Ansprüchen erteilt.
II. Gegen das erteilte Patent wurden, gestützt auf die Einspruchsgründe der Artikels 100 a) EPÜ, zwei Einsprüche eingelegt mit den Anträgen auf Widerruf des Patents.
III. Die Einspruchsabteilung hielt das Patent mit ihrer am 20. Oktober 2006 zur Post gegebenen Entscheidung in beschränktem Umfang aufrecht.
Sie kam zu dem Ergebnis, daß die Gegenstände der zulässig geänderten und auch dem Klarheitserfordernis genügenden unabhängigen Ansprüche 1, 14, 16 und 17 neu seien und auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.
Der geänderte Anspruch 1 lautet:
"Ein garnierter Wanderdeckelstab, mit einer Trägerpartie für eine(n) Garniturstreifen und einer Gleitpartie, und wobei der Wanderdeckelstab derart gebildet ist, dass er an einer Kette oder Riemen befestigt und in einen Wanderdeckelsatz eingesetzt werden kann, und wobei die Spitzen der Garnitur in Gruppen aufgeteilt sind, dadurch gekennzeichnet, dass jede Gruppe Spitzen aufweist, die in einer Karde zur Bildung einer Fersenzone angeordnet sind, und dass die Gruppen je eine Besteckungsebene bilden, die parallel zueinander angeordnet sind und, dass zwischen der Besteckungsebene einer Gruppe und der Besteckungsebene einer nachfolgenden Gruppe eine Höhendifferenz (z) vorhanden ist."
IV. Gegen diese Entscheidung haben die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende 01 und Einsprechende 02) am 27. Oktober 2006 bzw. am 2. Januar 2007 Beschwerde eingelegt, jeweils am gleichen Tag die Beschwerdegebühr bezahlt und am 10. bzw. 27. Februar 2007 die Beschwerdebegründungen eingereicht.
V. Die Beschwerdekammer hat in ihrem Bescheid vom 1. Februar 2008 ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mitgeteilt, wonach möglicherweise Klarheitsprobleme in der Beschreibung vorlägen. Ob die anscheinend neuen Gegenstände der unabhängigen Ansprüche auf erfinderischer Tätigkeit beruhten, werde insbesondere im Hinblick auf die Merkmale der Parallelität und des Höhenversatzes der Besteckungsebenen der Garniturgruppen zu diskutieren sein.
VI. Am 18. Juni 2008 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, in der nur noch folgende für die Entscheidung relevante Entgegenhaltungen behandelt wurden:
E8: DE-U-1 733 250
E27: US-A-462 121
Die Beschwerdeführerinnen beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 905 923.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents mit den Ansprüchen 1 bis 16 wie überreicht in der mündlichen Verhandlung.
VII. Die Beschwerdeführerinnen brachten vor, Ansprüche und Beschreibung seien widersprüchlich, da in einigen Ausführungsbeispielen die Fersenzonen abweichend von der Besteckungsebene schräg angeschliffen seien und daher nicht in parallelen Ebenen lägen.
Es sei nicht klar, welche Aufgabe mit dem Patentgegenstand gelöst werden solle und wie diese Lösung beschaffen sei. Die Höhendifferenz Z zwischen den Besteckungsebenen sei so gering, dass sie bei den angegebenen Größenverhältnissen kaum messbar sei.
Die Änderung verstoße gegen Artikel 123 (2) EPÜ, da das Merkmal der Parallelität aus dem Zusammenhang der Offenbarung isoliert worden sei, ohne die Größenverhältnisse zu berücksichtigen.
Die allgemeine Aufgabe, das Kardierergebnis zu verbessern, sei bereits mit den in E27 offenbarten Mitteln gelöst. Die Anordnung von Garniturspitzen in Gruppen auf einem Wanderdeckelstab mit der Bildung von Vliesbrücken zur Verbesserung des Kardierergebnisses sei dem Fachmann aus E8 bekannt, so dass er die Lösung gemäß E27 ohne weiteres kombiniere. Es sei nicht erkennbar, wie das "künstlich" zur Abgrenzung eingeführte Merkmal der Parallelität zur Lösung beitragen könne.
VIII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte, unabhängig vom Fersenschliff seien Besteckungsebenen immer vorhanden, so dass keine Unklarheit bestehe. Gemäß der zitierten Offenbarungsstelle stünden Höhendifferenz Z und Parallelität der Besteckungsebenen in einem Zusammenhang und seien so in die geänderten Ansprüche übernommen worden.
Der Deckelstab nach E27 sei für eine Karde mit Festdeckel bestimmt, so dass der Fachmann keinen Anlass habe, die dort gezeigte Lösung bei einem Wanderdeckelstab mit wesentlich schmäleren Abmessungen anzuwenden, wo auch die Reinigungsproblematik wie bei einem Festdeckel nicht bestehe. Infolge der parallelen Anordnung der Besteckungsebenen werde die Herstellung der Garnituren vereinfacht. Auch wenn die Höhendifferenz im Verhältnis zu den Kardenabmessungen sehr gering sei, müsse sie zum Erzielen eines besonderen Erfolgs immer vorhanden sein.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen, Klarheit
In Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung hat die Kammer zunächst keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Änderungen und die Klarheit der Ansprüche. Ein weiteres Eingehen auf diese Fragen erübrigt sich, denn die beanspruchte Erfindung ist aus anderem Grund nicht patentfähig (siehe Punkt 4.1 bis 4.6).
3. Neuheit
Die Neuheit des Wanderdeckelstabes nach Anspruch 1 ist unstrittig. Auch die Kammer kommt zum Ergebnis, dass der Stand der Technik zumindest das Merkmal der Parallelität der versetzten Besteckungsebenen nicht offenbart, so dass das Neuheitserfordernis erfüllt ist (Artikel 54 (1) EPÜ).
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1 Nächstkommender Stand der Technik ist E8, worin Wanderdeckelstäbe offenbart sind, die an einer Kette befestigt und in einen Wanderdeckelsatz eingesetzt werden können, wobei die Spitzen der Garnitur in Gruppen aufgeteilt sind. Für den Fachmann ist es selbstverständlich, dass ein solcher Deckelstab eine Trägerpartie für einen Garniturstreifen und eine Gleitpartie aufweist.
4.2 In der Patentschrift ist keine konkrete Aufgabe angegeben, so dass entsprechend dem bekannten Einsatzzweck eines Wanderdeckelstabes von der allgemeinen Problemstellung auszugehen ist, das Kardierergebnis zu verbessern.
4.3 Dieses technische Problem soll durch einen Wanderdeckelstab mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst werden.
4.4 E27 offenbart zur Verbesserung der Kardierleistung (Seite 1, Zeilen 51 bis 55) garnierte Deckelstäbe, deren Garniturspitzen in Gruppen aufgeteilt sind, die in einer Karde zur Bildung einer Fersenzone angeordnet sind. Jede Gruppe bildet eine Besteckungsebene, wobei zwischen der Besteckungsebene einer Gruppe und der Besteckungsebene einer nachfolgenden Gruppe eine Höhendifferenz vorhanden ist (Seite 2, Zeilen 29 bis 34). Da sowohl die nach E8 vorgesehenen Maßnahmen als auch die Anordnung nach E27 zur Verbesserung des Kardierergebnisses beitragen, ist der Fachmann angeregt, sie zu kombinieren und gelangt so allein mit fachlichen Fähigkeiten zu einem Gegenstand, vom dem sich der Wanderdeckelstab nach Anspruch 1 noch dadurch unterscheidet, dass die Besteckungsebenen parallel zueinander angeordnet sind.
4.5 Wie der fachkundige Leser der Beschreibung des Patents entnimmt, sind die Figurendarstellungen rein schematischer Natur, während die tatsächlichen Größenbeziehungen vom Menschenauge kaum wahrnehmbar sind (Absatz [0063]). Nach diesem Hinweis erkennt er, dass es bei der Anordnung der Besteckungsebenen lediglich darauf ankommt, beide schräg zur Tangente an die Kardentrommel anzuordnen, was bei den von modernen Karden bekannten Trommeldurchmessern von bis zu 1.500 Millimetern dazu führen kann, dass die Besteckungsebenen praktisch parallel angeordnet sind und was der Fachmann dann auch so ausdrückt. Zumindest überlegt er hier, welche Angabe angesichts der Messgenauigkeit in diesem Zehntelmillimeter-Bereich sinnvoll ist und kommt von selbst auf die Parallelität. Somit liegt keine erfinderische Qualität in dem Merkmal, dass die Besteckungsebenen zueinander parallel angeordnet sind.
4.6 Da sich die beanspruchte Lösung mit rein fachmännischen Erwägungen durch naheliegende Kombination aus dem Stand der Technik bekannter Maßnahmen ergibt, beruht der Wanderdeckelstab nach Anspruch 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
5. Der während mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin ist bis auf den gestrichenen Anspruch 17 mit dem Hauptantrag identisch. Nachdem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht patentfähig ist, wird der denselben Anspruch 1 umfassende Hilfsantrag nicht zum Verfahren zugelassen, da er folglich ebenfalls nicht gewährbar wäre.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das europäische Patent wird widerrufen.