T 1522/06 () of 9.1.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T152206.20090109
Datum der Entscheidung: 09 Januar 2009
Aktenzeichen: T 1522/06
Anmeldenummer: 00102483.5
IPC-Klasse: F16L 37/088
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Sanitärarmatur
Name des Anmelders: HANSA METALLWERKE AG
Name des Einsprechenden: Grohe Water Technology AG & Co. KG
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13
Schlagwörter: Zulassung eines in der mündlichen Verhandlung vorgelegten neuen Dokuments und Hilfsantrags (nein)
Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 036 973 zurückgewiesen worden ist, Beschwerde eingelegt.

Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) angegriffen worden.

II. Am 9. Januar 2009 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

III. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 1 036 973.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte als Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 4, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung, aufrechtzuerhalten.

V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:

"1. Sanitärarmatur mit

a) einem Armaturengehäuse (30);

b) einem das Armaturengehäuse nach unten abschließenden Boden (1), der mindestens eine Durchgangsbohrung aufweist;

c) mindestens einer Wasserzulaufleitung, die in der Durchgangsbohrung des Bodens befestigt ist und hierzu eine mit einer Umfangsnut (24) versehene Steckhülse (22) aufweist, in welcher ein Sprengring (20) eingerastet ist, wobei

d) von einer Grenzfläche zwischen einem Teil des Bodens und einem darüberliegenden Armaturenteil aus ein Aufnahmeraum in dem Boden für den Sprengring zugänglich ist, in dem der Sprengring einen solchen Außendurchmesser einnimmt, daß er durch die Bohrung des Bodens nicht wieder herausgezogen werden kann,

dadurch gekennzeichnet, daß

e) der Sprengring (20) und die diesen aufweisende Nut (24) der Steckhülse (22) dimensionsmäßig so aufeinander abgestimmt sind, daß der Sprengring (20) in der Nut (24) auf einen Außendurchmesser komprimierbar ist, der dem Durchmesser der Bohrung (16) im Boden (1) entspricht, derart, daß die Steckhülse (22) unter Kompression des Sprengringes (20) von außen her in die Bohrung (16) des Bodens (1) eingeschoben werden kann, bis der Sprengring (20) im Aufnahmeraum (40) wieder auffedert."

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist gegenüber Anspruch 1 gemäß Hauptantrag um folgendes Merkmal ergänzt:

"f) im Bereich der unteren Mündung der Bohrung (16) eine Abschrägung (19) vorgesehen ist."

VI. Im Beschwerdeverfahren wurde insbesondere auf folgendes Dokument Bezug genommen:

E2: DE-A-33 32 773

VII. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Dokument E2 offenbare außer dem Merkmal e) des Anspruchs 1 explizit alle Merkmale dieses Anspruchs. Die in Dokument E2 offenbarte Armatur erlaube das Anbringen der Zulaufleitung zu einem späteren Zeitpunkt nach der Herstellung des Armaturenkörpers. Der für die axiale Arretierung der Zulaufleitung vorgesehene Sprengring könne vor der Montage der Zulaufleitung nur auf zwei Weisen angebracht werden, nämlich in der Armatur oder an der Zulaufleitung. Allerdings sei nur das Anbringen des Sprengrings an der Zulaufleitung technisch sinnvoll. Die beiden Dichtungsringe müssten nämlich in jedem Fall an der Zulaufleitung angebracht werden, bevor diese mit der Armatur verbunden werde. Befinde sich der Sprengring in der Armatur, so sei es schwierig, wenn nicht unmöglich, die Dichtungsringe am Sprengring vorbei zu schieben. Es gebe somit in Dokument E2 nur eine realisierbare Möglichkeit, die Zulaufleitung mit der Armatur zu verbinden. Dabei ergebe sich das Merkmal e) des Anspruchs 1 zwangsläufig. Die Tatsache, dass in Dokument E2 keine Einführschräge am unteren Ende der Einführbohrung für die Zulaufleitung gezeigt sei, könne den Fachmann nicht dazu veranlassen, diese Möglichkeit zu verwerfen. Eine solche Einführschräge vorzusehen, liege im Bereich des normalen fachmännischen Handelns. Die Einführung der Zuführleitung mit Sprengring könne aber auch durch einen entsprechend geformten Sprengring ermöglicht werden. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Hilfsantrag sei als verspätet eingereicht nicht zuzulassen. Er sei prima facie nicht gewährbar, da das zusätzliche Merkmal dieses Anspruchs naheliegend sei.

VIII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Der Vertreter der Beschwerdegegnerin habe Dokument E2 selbst abgefasst. Deshalb wisse er, dass niemals beabsichtigt gewesen sei, den für die axiale Arretierung der Zulaufleitung vorgesehenen Sprengring der Ausführungen gemäß der Figuren 3 und 4 an der Zulaufleitung anzubringen. Anspruch 5 dieses Dokuments definiere, dass der Sprengring in der Armatur angebracht sei. Gleiches ergebe sich aus Seite 8, Zeilen 10 bis 14 des Dokuments E2. Die untere Mündung der Aufnahmebohrung der Armatur weise keine Einführschräge auf. Es sei somit technisch unmöglich, den Sprengring an der Zulaufleitung anzubringen, da er beim Einführen der Leitung in die Aufnahmebohrung am Armaturboden anstoßen würde. Dies treffe auch dann zu, wenn der Sprengring einen runden Querschnitt aufweise. Die DIN 471 beschreibe, wie man einen Sprengring befestige, nämlich so, dass der Sprengring mit Spannung auf der Nut des Rundteils aufliege. Merkmal e) des Anspruchs 1 sei unter Beachtung dieser Norm somit nicht verwirklichbar. Die Norm zu umgehen und die Nut der Zulaufleitung und den Sprengring gemäß dieses Merkmals auszuführen, sei als erfinderische Tätigkeit zu betrachten. Dokument E2 so zu deuten, dass der Sprengring vor der Montage der Zulaufleitung an der Zulaufleitung angebracht sei, sei somit eine rückschauende Betrachtung in Kenntnis des Streitpatents.

Der Hilfsantrag sei zuzulassen, da das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 dieses Antrags durch ein Argument der Gegenseite veranlasst sei. Der Anspruch sei auch gewährbar, da dieses Merkmal eine erfinderische Tätigkeit darstelle. Aus dem Stand der Technik ergebe sich nämlich keine Einführschräge.

Entscheidungsgründe

1. Die von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegte DIN 471 ist zum einen eine deutsche Industrienorm und zum anderen betrifft sie Sicherungsringe für Wellen. Das Streitpatent ist jedoch ein europäisches Patent mit Gültigkeit für Staaten, in denen deutsche Normen nicht verbindlich sind. Das Streitpatent betrifft zudem eine Sanitärarmatur. Deren Wasserzulaufleitung entspricht nicht einer Welle. Aus diesem Grunde sieht die Kammer die DIN 471 als nicht relevant für die Beurteilung des Streitpatents an. Diese Norm wird deshalb in Einklang mit Artikel 114(2) EPÜ nicht in das Verfahren eingeführt.

2. Dokument E2 offenbart in den Ausführungsformen gemäß der Figuren 3 und 4 eine Sanitärarmatur mit den Merkmalen a) bis d) des Anspruchs 1 des Streitpatents, also eine Sanitärarmatur mit einem Armaturengehäuse (106, 206), einer Durchgangsbohrung im Boden, einer Wasserzulaufleitung mit einer mit einer Umfangsnut (126, 226) versehenen Steckhülse (109, 209), in welcher ein Sprengring (127, 227) eingerastet ist, der in einem für den Sprengring zugänglichen Aufnahmeraum (128, 228) im Boden einen solchen Außendurchmesser einnimmt, dass er durch die Bohrung des Bodens nicht wieder herausgezogen werden kann. Merkmal e) ergäbe sich dann zwangsläufig, wenn sich der Sprengring 127 bzw. 227 vor dem Zusammenbau von Armatur und Zulaufleitung an der Zulaufleitung befindet, denn nur dann lässt sich die Zulaufleitung samt Sprengring in die Aufnahmebohrung der Armatur einführen und nur dann kann der Sprengring die Zulaufleitung in der Armatur axial fixieren. Dokument E2 macht allerdings keine Angaben dazu, wo sich der Sprengring 127 bzw. 227 vor dem Zusammenbau von Armatur und Zulaufleitung befindet. Anspruch 5 und Seite 8, Zeilen 10 bis 14, die diesbezüglich von der Beschwerdegegnerin zitiert wurden, beziehen sich auf den zusammengebauten Zustand, wenn die Zulaufleitung also bereits in der Armatur befestigt ist. Es lässt sich daraus nicht entnehmen, ob der Sprengring vor dem Zusammenbau in der Armatur oder an der Zulaufleitung angebracht war. Die Figuren des Dokuments E2 sind schematische Zeichnungen, aus denen sich keine eindeutigen Größenverhältnisse ableiten lassen. Somit lässt sich Dokument E2 nicht in direkter und eindeutiger Weise entnehmen, dass es auch das Merkmal e) des Anspruchs 1 offenbart. Aus diesem Grund ist der Gegenstand des Anspruchs 1 als neu zu bezeichnen.

3. Ein Fachmann, der Dokument E2 liest, kann nicht wissen, welche Gedanken der Autor dieses Dokuments bei dessen Abfassung hatte. Er wird es vielmehr so lesen, wie es geschrieben ist, d.h. er wird dem Dokument das entnehmen, was es objektiv offenbart.

Da Dokument E2 keine direkte und eindeutige Angabe enthält, wie die Zulaufleitung an der Armatur montiert wird, muss diese Frage mit fachmännischen Überlegungen beantwortet werden. Es kann nur zwei Orte geben, an denen der Sprengring 127 bzw. 227 (vgl. Figuren 3 und 4) vor der Montage der Zulaufleitung angebracht ist, nämlich entweder in der Aufnahmenut 128 bzw. 228 der Aufnahmebohrung des Armaturenkörpers oder in der Vertiefungsrille 126 bzw. 226 der Zulaufleitung. Im Prinzip hat der Fachmann somit die Wahl zwischen diesen beiden einfach erkennbaren Möglichkeiten, so dass an dieser Stelle schon festzustellen ist, dass weder die Wahl der einen noch die Wahl der anderen Möglichkeit eine erfinderische Tätigkeit darstellen kann. Allerdings wird sich der Fachmann bei dieser Wahl von praktischen Überlegungen leiten lassen und ergründen, welche der beiden Möglichkeiten die sinnvollere und praktischere ist. Analysiert er dazu die Figuren 3 und 4, so wird klar, dass die beiden O-Ringe 111 und 117 bzw. 211 und 217 in den entsprechenden Vertiefungsrillen 124 und 125 bzw. 224 und 225 der Zulaufleitung angebracht werden müssen, bevor die Zulaufleitung in die Aufnahmebohrung des Armaturenkörpers eingeführt wird. Wird nun der Sprengring 127 bzw. 227 im Armaturenkörper angebracht, so würde die Einführung der mit den O-Ringen bestückten Zulaufleitung durch diesen Sprengring behindert. Die O-Ringe könnten dabei beschädigt oder aus den Vertiefungsrillen herausgeschoben werden. Allenfalls bei einer sehr geringen Federkraft des Sprengrings könnte man dies vermeiden. Eine geringe Federkraft des Sprengrings bedeutet aber eine geringe axiale Haltekraft, die nicht erwünscht sein kann, da ein Abziehen der Zulaufleitung mit geringem Kraftaufwand oder ein Herausdrücken der Zulaufleitung aus der Armatur durch den Wasserdruck vermieden werden muss. Dies bedeutet, dass der Fachmann die Anbringung des Sprengrings an der Zulaufleitung als die praktischere der beiden Möglichkeiten ansehen wird, weshalb insbesondere diese Möglichkeit als naheliegend zu betrachten ist. Wie oben unter Punkt 2 ausgeführt, ergibt sich in diesem Falle von selbst, dass der Sprengring und die zugehörige Nut der Zulaufleitung so dimensioniert werden müssen, dass der Sprengring in dieser Nut auf einen Außendurchmesser komprimierbar ist, der dem Durchmesser der Bohrung im Boden des Armaturenkörpers entspricht.

Es trifft zu, dass in den Figuren 3 und 4 des Dokuments E2 an der Mündung der Aufnahmebohrung keine Abschrägung gezeigt ist. Daraus kann aber nach Ansicht der Kammer nicht abgeleitet werden, dass Dokument E2 ausschließen würde, den Sprengring an der Zulaufleitung anzubringen. Wenn der Fachmann die Anbringung des Sprengrings an der Zulaufleitung als die praktischere der beiden Möglichkeiten erkannt hat, so erkennt er genauso einfach, dass er ein Hilfsmittel benötigt, um den Sprengring auf den Durchmesser der Aufnahmebohrung zu komprimieren. Ein gängiges Hilfsmittel für diesen Zweck ist eine solche Abschrägung. Die Tatsache, dass in den schematischen Zeichnungen der Figuren 3 und 4 des Dokuments E2 keine Abschrägung eingezeichnet ist, wird einen Fachmann nicht zu dem Schluss bringen, dass er eine solche nicht vorsehen darf. Er wird sie dennoch als eines von mehreren denkbaren Hilfsmitteln, neben z.B. einer abziehbaren Einführhülse oder einem geeigneten Werkzeug, in Betracht ziehen.

Dies bedeutet, dass dem Fachmann das Merkmal e) des Anspruchs 1 des Streitpatents über die naheliegende Wahl der Art der Anbringung des Sprengrings an der Zulaufleitung durch Dokument E2 nahegelegt wird.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

4. Wie oben unter Punkt 3 ausgeführt, ist eine Abschrägung an der Mündung der Aufnahmebohrung des Armaturenkörpers als Einführhilfe für die mit dem Sprengring bestückte Zulaufleitung nicht als ein Merkmal anzusehen, das eine erfinderische Tätigkeit begründen kann. Aus diesem Grunde ist der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag, der eine solche Abschrägung als einziges zusätzliches Merkmal gegenüber Anspruch 1 gemäß Hauptantrag enthält, schon prima facie nicht gewährbar.

Der Hilfsantrag wird somit als verspätet vorgelegt und prima facie nicht gewährbar nicht zugelassen (Artikel 114(2) EPÜ, Artikel 13(1) VOBK).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Das Patent wird widerrufen.

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