T 1482/06 (Analog-digitale Simultanübertragung von Rundfunksendungen/CONTINENTAL … of 29.11.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T148206.20071129
Datum der Entscheidung: 29 November 2007
Aktenzeichen: T 1482/06
Anmeldenummer: 98106551.9
IPC-Klasse: H04H 1/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Anordnung für eine analog-digitale Simultanübertragung von Rundfunksendungen in den AM-Frequenzbändern
Name des Anmelders: Continental Electronics Corporation, et al
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die Patentanmeldung 98106551.9 (EP 0 874 483 A) wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands sowohl nach dem Hauptantrag als auch nach jedem der drei Hilfsanträge zurückgewiesen wurde.

II. In der Begründung der Entscheidung wurde auf die folgende Druckschrift Bezug genommen:

D3: E. Y. Chen, "Digital Audio Radio - An Application of Audio Compression Technology", Proceedings of The IEEE International Conference on Industrial Technology, 1996, Seiten 796 - 800.

III. Mit der Beschwerdebegründung beantragten die Beschwerdeführer, die Entscheidung aufzuheben und ein Patent nach dem Hauptantrag, hilfsweise nach dem ersten Hilfsantrag (hiernach "Hilfsantrag") zu erteilen. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.

IV. Die Beschwerdekammer hat daraufhin eine Ladung zur mündlichen Verhandlung erlassen. In einem der Ladung beigefügten Bescheid vertrat die Kammer unter anderem die vorläufige Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 sowohl nach dem Hauptantrag als nach dem Hilfsantrag gegenüber dem Inhalt des Dokuments D3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit zu beruhen schien.

V. Bezug nehmend auf diesen Bescheid reichten die Beschwerdeführer eine Stellungnahme ein.

VI. Die mündliche Verhandlung fand am 29. November 2007 statt. Die Beschwerdeführer beantragten, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage des Hauptantrags oder des (ersten) Hilfsantrags, beide eingereicht am 5. Februar 2005. Am Ende der mündlichen Verhandlung, nach Beratung der Kammer, wurde die Entscheidung verkündet.

VII. Anspruch 1 nach dem Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zur analog-digitalen Simultanübertragung von Rundfunksendungen in den AM-Frequenzbändern mit einem hochfrequenten Träger für die analoge Modulation eines NF-Signals (n) und mindestens einem frequenzmäßig versetzten Hilfsträger für die digitale Modulation mit einem Signal (DS), wobei die analoge Modulation als Zweiseitenbandmodulation erfolgt, dadurch gekennzeichnet, dass die digitale Modulation einerseits und die analoge Modulation andererseits in getrennten Spektren übertragen werden."

Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zur analog-digitalen Simultanübertragung von Rundfunksendungen in den AM-Frequenzbändern mit einem hochfrequenten Träger für die analoge Modulation und mindestens einem frequenzmäßig versetzten Hilfsträger für die digitale Modulation, wobei die analoge Modulation als Zweiseitenband-Modulation erfolgt, dadurch gekennzeichnet, dass die digitale Modulation einerseits und die analoge Modulation andererseits in getrennten Spektren übertragen werden und dass ein digitales Seitenband unterdrückt wird."

Entscheidungsgründe

1. Erfinderische Tätigkeit - Anspruch 1 gemäß Hauptantrag

1.1 Die Prüfungsabteilung hat in ihrer Entscheidung das Dokument D3 als nächstliegenden Stand der Technik betrachtet. Die Kammer sieht keine Veranlassung, von dieser Beurteilung abzuweichen. Dem haben die Beschwerdeführer auch nicht widersprochen.

1.2 D3 betrifft ein In-Band DAB ("digital audio broadcasting") System für die simultane Übertragung einer analogen und einer digitalen Version einer Rundfunksendung (siehe insb. den Abschnitt II und die Figur 1). Insbesondere offenbart D3, wenn man den Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag verwendet, ein Verfahren zur analog-digitalen Simultanübertragung von Rundfunksendungen im FM-Frequenzband (88 - 108 MHz) mit einem hochfrequenten Träger für die analoge Modulation eines niederfrequenten Audiosignals und mindestens einem frequenzmäßig um 200 kHz versetzten Hilfsträger für die digitale Modulation dieses Signals, wobei die digitale Modulation einerseits und die analoge Modulation andererseits in getrennten Spektren übertragen werden, siehe die Figur 1 ("Row 2"), wobei die digitale Modulation einerseits und die analoge Modulation andererseits in benachbarten Kanälen ("In-Band Adjacent Channel" (IBAC) System) übertragen werden (Seite 797, linke Spalte, Zeilen 10 bis 12).

1.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich vom Offenbarungsgehalt des Dokuments D3 dadurch, dass das Verfahren zur analog-digitalen Simultanübertragung, statt im FM-Frequenzband, in den AM-Frequenzbändern durchgeführt wird und dass die analoge Modulation als Zweiseitenband-Modulation erfolgt.

1.4 Dadurch, dass die analoge Modulation als Zweiseitenband-Modulation erfolgt, ist das Verfahren zur analog-digitalen Simultanübertragung uneingeschränkt auf herkömmliche AM-Sender und -Empfänger anwendbar, siehe auch die vorliegende Patentanmeldung (Spalte 1, Zeilen 51 bis 57, Spalte 2, Zeilen 48 bis 52, und Spalte 4, Zeilen 49 bis 52, und Anspruch 1) in der veröffentlichten Fassung.

1.5 Die dem beanspruchten Gegenstand zugrunde liegende Aufgabe kann somit darin gesehen werden, das aus D3 bekannte Verfahren für eine Übertragung im AM-Bereich anzupassen und zwar so, dass herkömmliche AM-Sender und -Empfänger weiter verwendet werden können.

1.6 Die Formulierung dieser Aufgabe erfordert keine erfinderische Tätigkeit des Fachmanns, weil D3 sich bereits mit der Anpassung des aus D3 bekannten FM-Systems für die AM-Frequenzbänder befasst. Insbesondere gibt D3 den Hinweis, dass das beschriebene FM IBAC System auf einfache Weise auf die AM-Frequenzbänder anwendbar ist, siehe Seite 797, rechte Spalte, Zeilen 21 bis 23 ("The IBAC system is also readily extendable to DAB solutions in the terrestrial AM-Radio and satellite bands"). Dass der Fachmann durch die D3 den Hinweis erhält, ein IBAC-Übertragungsverfahren im AM-Bereich zu realisieren, wurde von den Beschwerdeführern auch nicht in Frage gestellt (s. Schreiben vom 29. Oktober 2007, Seite 4, 4. Absatz).

Nach Auffassung der Kammer erfordert ebenso die Zielsetzung, eine Rückwärtskompatibilität zu gewährleisten, keine erfinderische Tätigkeit des Fachmanns, weil dies zu seinen geläufigen Überlegungen gehört, siehe z.B. D3, Seite 797, rechte Spalte, Zeilen 8 bis 13.

1.7 Am Prioritätsdatum gehörte es des weiteren zum allgemeinen Fachwissen des Fachmanns, dass die analoge Modulation bei AM-Radio üblicherweise als Zweiseitenband-Modulation erfolgt. Dies wurde von den Beschwerdeführern auch nicht bestritten.

1.8 Ausgehend von D3 und vor die oben genannte Aufgabe gestellt, würde der Fachmann demzufolge unter Anwendung seines allgemeinen Fachwissens das aus D3 bekannte Verfahren so für den AM-Bereich anpassen, dass die analog-digitale Simultanübertragung in den AM-Frequenzbändern unter Verwendung einer Zweiseitenband-Modulation für die analoge Modulation durchgeführt wird.

1.9 Die Beschwerdeführer hatten argumentiert, dass der Fachmann, wenn er vor die oben genannte Aufgabe gestellt worden wäre, zu einer Lösung gekommen wäre, gemäß welcher die analoge und digitale Modulation nicht in getrennten, sondern in überlappenden Spektren übertragen werden. Dies wurde wie folgt begründet:

Die verfügbare Kanalbandbreite sei bei AM-Radio wesentlich geringer als bei FM-Radio, nämlich etwa 5 bis 10 kHz statt 200 kHz. Um dann eine verbesserte Tonqualität der Rundfunksendung durch die zusätzliche digitale Modulation zu erreichen, wäre eine optimierte Ausnutzung des Spektralbereichs für die digitale Modulation, und demzufolge eine Überlappung der betreffenden Spektren, erforderlich. Dieses Vorgehen entspreche auch dem dem Fachmann bereits bekannten AM-IBOC ("In-Band On-Channel") Verfahren zur analog-digitalen Simultanübertragung von Rundfunksendungen in den AM-Frequenzbändern, da dabei ebenfalls die analoge und digitale Modulation mit überlappenden Frequenzspektren übertragen werden. Hinzu käme, dass es dem Fachmann bekannt war, dass, im Gegensatz zu FM, im AM-Frequenzbereich sowieso durch die Phaseninformation ein zusätzlicher Parameter vorhanden wäre, welcher es erlauben würde, im Sendesignal, neben dem die analoge Modulationsinformation enthaltenden In-Phase-Kanal, ein zusätzliches Informationssignal in einem zum In-Phase-Kanal orthogonalen Quadratur-Kanal im selben Frequenzband zu übertragen. Diese ohne weiteres zur Verfügung stehende Übertragungskapazität innerhalb desselben Frequenzbereichs würde der Fachmann nicht ohne besonderen Anlass ausschlagen. Dagegen sei bei FM eine spektrale Überlappung nicht möglich.

1.10 Diese Argumente überzeugen die Kammer jedoch nicht. Nach Auffassung der Kammer gehörte es zum allgemeinen Fachwissen des Fachmanns, dass in Vergleich zu einer Übertragung mit einer Überlappung der jeweiligen Signalspektren eine Übertragung mit getrennten Spektren generell zu einer niedrigen Interferenz der zu übertragenden Signale führt (s. auch D3, Seite 797, rechte Spalte, Zeilen 1 bis 21). Wenn genügend Bandbreite verfügbar ist, ist eine Übertragung mittels getrennten Spektren deshalb erste Wahl. Die Tatsache, dass ohne spektrale Überlappung insgesamt eine größere Bandbreite erforderlich ist, würde den Fachmann erst dann dazu veranlassen, sich weitere Maßnahmen zu überlegen, wenn die größere Bandbreite sich im Hinblick auf vorgegebene spektrale Einschränkungen als nachteilig herausstellen würde. Zum Beispiel würde er dann, wie beim AM-IBOC Verfahren, eine teilweise Überlappung der jeweiligen Spektren und eine entsprechende Anpassung der jeweiligen Signalstärke in Betracht ziehen.

Das beanspruchte Verfahren definiert jedoch weder solche Einschränkungen noch irgendwelche Maßnahmen, die eine Simultanübertragung zur Verbesserung der Tonqualität bei vorgegebener schmalen Kanalbandbreite, insb. 10 kHz, ermöglichen würden. Anders gesagt, beim beanspruchten Verfahren wird eine größere Bandbreite einfach in Kauf genommen. Dies setzt jedoch keine erfinderische Tätigkeit des Fachmanns voraus. Die Frage, ob, im Gegensatz zu AM, bei FM die Verwendung von getrennten Spektren immer erforderlich sei, ändert daran nichts.

Ausgehend von D3 sieht die Kammer deshalb keinen Anlass dafür, dass der Fachmann, zur Anpassung des aus D3 bekannten Verfahrens an einen AM-Betrieb, die getrennten Spektren durch überlappende Spektren ersetzen würde.

1.11 Die Kammer stellt somit fest, dass der Fachmann, ausgehend von D3 und unter Anwendung seines allgemeinen Fachwissens zur Lösung der oben genannten Aufgabe (s. Punkt 1.5), das aus D3 bekannte Verfahren für den Betrieb im AM-Bereich zunächst so anpassen würde, dass die analog-digitale Simultanübertragung in den AM-Frequenzbändern unter Verwendung einer Zweiseitenband-Modulation für die analoge Modulation durchgeführt wird, unter Beibehaltung einer Übertragung der digitalen und analogen Modulation in getrennten Spektren. Demzufolge würde der Fachmann, ohne dabei erfinderisch tätig zu werden, zum beanspruchten Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gelangen.

1.12 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht demzufolge nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ). Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.

2. Erfinderische Tätigkeit - Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag

2.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag enthält gegenüber dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag das zusätzliche Merkmal, dass die digitale Modulation als Zweiseitenband-Modulation mit einem unterdrückten Seitenband erfolgt.

Bezüglich der übrigen mit Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gemeinsamen Merkmale wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

2.2 Nach Auffassung der Kammer gehörte es zum allgemeinen Fachwissen, dass im Vergleich zur Zweiseitenband-Modulation eine Einseitenbandmodulation ein im Hinblick auf die Frequenzbandbreite effizienteres Modulationsverfahren bildet, da keine redundanten Signalkomponenten, insb. das zweite Seitenband und das Trägersignal übertragen werden.

2.3 Wenn vor die Aufgabe gestellt, die digitale Modulation des Simultanübertragungsverfahrens gemäß Hauptantrag (siehe Punkt 1.11) im Hinblick auf die Frequenzbandbreite effizient zu implementieren, lag es somit für den Fachmann nahe, für die digitale Modulation eine Einseitenbandmodulation zu verwenden.

2.4 Dass, wie von den Beschwerdeführern argumentiert, die Einseitenbandmodulation des digitalen Signals den besonderen Vorteil hat, dass das digitale Signal in einem eigenständigen Frequenzkanal durch den Digitalempfänger empfangen werden kann und dadurch unabhängig von dem Trägersignal und der Trägerfrequenz, ändert nichts an der obigen Feststellung. Dieser Vorteil ist als ein Bonuseffekt zu bewerten.

2.5 Die Beschwerdeführer hatten ebenfalls geltend gemacht, dass die Verwendung einer Einseitenbandmodulation deshalb nicht nahe liegend sei, weil dies zu einer Leistungs-Asymmetrie bezüglich der Trägerfrequenz führen würde und hierdurch senderseitig besondere Maßnahmen ergriffen werden müssten. Dies kann die Kammer jedoch nicht überzeugen, weil ein asymmetrisches Spektrum ein inhärentes Merkmal der Einseitenband-Modulation ist, dies den Fachmann jedoch nicht davon abhalten würde, eine Einseitenbandmodulation für die digitale Modulation in einer analog-digitalen Simultanübertragung von Rundfunksendungen zu verwenden, wie z.B. D3 dokumentiert, siehe die Figur 1 ("Row 5" und "Row 6").

2.6 Folglich beruht auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, Artikel 52 (1) und 56 EPÜ. Der Hilfsantrag ist demzufolge nicht gewährbar.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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