T 1154/06 () of 9.12.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T115406.20081209
Datum der Entscheidung: 09 Dezember 2008
Aktenzeichen: T 1154/06
Anmeldenummer: 98906787.1
IPC-Klasse: B22D 18/06
B22D 27/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Giesseinrichtung für Feinguss
Name des Anmelders: Yasui, Shouzui, et al
Name des Einsprechenden: Schultheiss GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 R 100
Schlagwörter: Erfordernis eines zugelassenen Vertreters bei mehreren Patentinhabern, von denen der erstgenannte keinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat des EPÜ hat
Neuheit - offenkundige Vorbenutzung (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/99
Anführungen in anderen Entscheidungen:
R 0018/09
T 0755/09
T 1654/13

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent EP-B1-0 971 805 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von metallischen Feingussobjekten und eine Gießeinrichtung zur Durchführung des Verfahrens. Die Patentinhaber sind S. Yasui und C. Reiter. Gegen die Erteilung des Patentes hatte die Einsprechende (in der vorliegenden Beschwerde die Beschwerdegegnerin) Einspruch eingelegt und den Widerruf des Patents beantragt, weil sein Gegenstand nicht neu bzw. nicht erfinderisch hinsichtlich einer offenkundigen Vorbenutzung durch Verkauf einer Gießanlage mit der Bezeichnung VPC250 sei.

II. Die Einspruchsabteilung kam zum Ergebnis, dass der beanspruchten Gießeinrichtung im Hinblick auf den Verkauf der Gießanlage VPC250 die erfinderische Tätigkeit fehle. Daher hat sie mit der am 3. Mai 2006 zur Post gegebenen Entscheidung das Patent widerrufen.

III. Gegen diese Entscheidung hat der zweitgenannte Patentinhaber (C. Reiter, hier Beschwerdeführer) am 12. Juli 2006 die Beschwerdegebühr entrichtet und am 14. Juli 2006 Beschwerde eingelegt; die Beschwerdebegründung wurde am 12. September 2006 eingereicht.

IV. Der Beschwerdeführer hat die Beschwerde und die Beschwerdebegründung selbst eingereicht. Mit Schreiben von 29. Juni 2006 hatte der zugelassene Vertreter der beiden Patentinhaber erklärt, dass er die Vertretung niedergelegt habe. Zum Nachweis, dass er der alleinige Vertreter in dieser Sache sei, reichte der Beschwerdeführer am 18. Dezember 2006 eine Bestätigung "Confirmation for the European Patent Office" des erstgenannten Patentinhabers (S. Yasui) ein.

Die Beschwerdekammer hat in einer Mitteilung vom 30. Oktober 2006 den Beschwerdeführer benachrichtigt, dass gemäß Regel 100 EPÜ 1973 und der Entscheidung der Grossen Beschwerdekammer G 3/99 (Punkt 2 der Entscheidungsformel) die Beschwerde nur dann als ordnungsgemäß eingereicht gelten könne, wenn ein neuer zugelassener Vertreter bestimmt wird, der nachträglich die bisherigen Handlungen bestätigt, oder der weitere Patentinhaber auf seine Miteigentümerschaft verzichtet oder diese auf Herrn Reiter übertragen hätte.

Mit Schreiben von 21. März 2007 hat sich Hr. Th. Richter als neuer zugelassener Vertreter und gemeinsamer Vertreter der Patentinhaber S. Yasui und C. Reiter gemeldet und die erforderliche Vollmacht vorgelegt. Der zugelassene Vertreter bestätigte die vorgenommenen Handlungen des Beschwerdeführers.

V. In einer Mitteilung vom 19. Juni 2008 hat die Beschwerdekammer zur Frage der Vorbenutzung der Gießanlage VPC250 eine vorläufige Stellungnahme abgegeben und einen Termin für eine mündliche Verhandlung anberaumt.

VI. Mit Schreiben von 13. November 2008 nahm die Beschwerdegegnerin den Einspruch zurück und teilte mit, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen würde.

VII. Anträge

Mit Schreiben vom 24. November 2008 hat der Beschwerdeführer sechs Sätze geänderter Ansprüche für einen Hauptantrag und fünf Hilfsanträge eingereicht. Als Hauptantrag beantragt er, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent mit den am 24. November 2008 eingereichten Ansprüchen 1 bis 11 gemäß Hauptantrag sowie mit der ursprüngliche erteilten Beschreibung und Figuren aufrechtzuerhalten.

Der Beschwerdeführer beantragt ferner, der Beschwerdegegnerin die Kosten sowohl des Einspruchsverfahrens als auch des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Sollte die Beschwerdekammer dem Hauptantrag nicht stattgeben können, beantragt der Beschwerdeführer, die bereits terminierte mündliche Verhandlung durchzuführen.

VIII. Patentansprüche des Hauptantrags

Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zum Gießen von metallischen Objekten in einer Gießeinrichtung für Feinguß mit mindestens einer porösen Gießform (2), einer Einrichtung (4) zum Eingießen von flüssigem Metall in die Gießform (2) und mit Einrichtungen zum Erzeugen von Vakuum und Druck, wobei vor dem Beginn des Gießvorganges im Formhohlraum (3) und im Umgebungsraum der Gießform (2) ein Unterdruck erzeugt wird, dann der Formhohlraum (3) und der Umgebungsraum der Gießform (2) mit einem leichten Gas, mit geringer Dichte, gespült wird, während des Spülens die Poren in den Wandungen der Gießform (2) mindestens teilweise mit dem leichten Gas gefüllt werden, anschließend mindestens im Formhohlraum (3) erneut ein Unterdruck erzeugt wird, dann die flüssige Schmelze in den Formhohlraum (3) eingefüllt und der Formhohlraum (3) gefüllt wird, nach dem Füllen des Formhohlraumes (3) der Spiegel (18) der Schmelze im Eingußbereich (17) des Formhohlraumes (3) mit einem anderen, schweren Gas, mit höherer Dichte, beaufschlagt und im Gasraum mit dem schweren Gas den Hohlräumen in den Poren der Gießform (2) ein Überdruck erzeugt wird, wobei als das leichte Gas Wasserstoff oder Helium oder Stickstoff oder Sauerstoff oder Fluor oder Neon verwendet wird."

Anspruch 5 lautet wie folgt:

"5. Gießeinrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1, umfassend einen Schmelztiegel (1) mit einer Ausgussvorrichtung (4) und mindestens einer Gießform (2) mit einem Formhohlraum (3), wobei die Gießform (2) aus einem mindestens teilweise porösen und gasdurchlässigen Material besteht, diese Gießform (2) in einem gasdichten Behälter (5) angeordnet ist, dieser Behälter (5) mit einer ersten Quelle (6) für das leichte Gas und einer zweiten Quelle (7) für das schwere Gas verbunden ist, eine Verbindungsleitung (11) zu einer Pumpe (8) zum Erzeugen von Unterdruck im Behälter (5) vorhanden ist und in der Verbindungsleitung (12) zwischen Behälter (5) und zweiter Gasquelle (7) zusätzlich eine Einrichtung (9) zur Erzeugung von Überdruck angeordnet ist und die Gießeinrichtung ferner so eingerichtet ist, dass die Gießform (2) während des Spülvorganges Verbindung zu der ersten Quelle (6) für das leichte Gas hat, so dass während des Spülens die Poren in den Wandungen der Gießform (2) mindestens teilweise mit dem leichten Gas gefüllt werden."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 und 6 bis 11 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Verfahren bzw. der in Anspruch 5 definierten Gießeinrichtung.

IX. Vorbringen der Parteien

a) Vertretung

Der Beschwerdeführer trägt vor, dass er als der alleinige Inhaber als Vertreter autorisiert und bestätigt sei, und die gesamte Beschwerde mit allen Eingaben und Handlungen über das gesamte Verfahren alleine durchführen könne, um das Patent ordnungsgemäß und rechtens zu erhalten. Diese Autorisation sei durch die Bestätigung "Confirmation for the European Patent Office" des Mit-Patentinhabers, S. Yasui, nachgewiesen.

b) Vorbenutzung der Gießanlage VPC250

Die Beschwerdegegnerin hat vorgebracht, dass ihre im Jahre 1996 hergestellte und verkaufte Gießanlage VPC250 die Neuheit vorwegnehme. Die Offenbarung betraf die Gießanlage sowie ihre Bedienungsanleitung. Als Beweis dafür hat die Beschwerdegegnerin unter anderen die folgenden Unterlagen eingereicht:

A3: Kopie eines Lieferscheins der Firma Schultheiss GmbH an M.B. Gießtechnik mit dem Datum 21. März 1996 für eine Gießanlage VPC250 #9621252.

A4: Kopie einer Rechnung der Firma Schultheiss GmbH für eine Gießanlage VPC250 #9621252 mit dem Datum 13. September 1996.

A12a: Brief mit dem Datum 11. August 2003 von Beate

Augenstein der Firma Franz Breuning GmbH & Co. KG

an die Firma Schultheiss GmbH.

A12c: Eidesstattliche Versicherung vom 17. Dezember 2004 von Herrn Carsten Bissinger von der Firma Breuning GmbH & Co. KG samt einer Kopie eines Lieferschein vom 11. April 1996 und einer Kopie einer Rechnung Nr. 0796305 vom 5. Juli 1996, jeweils betreffend eine Vakuum-Druckgießanlage VPC250 #9621334.

A13a: Brief mit dem Datum 12. August 2003 von L. Auer von der Firma Laboratoire Auer SA an Firma Schultheiss GmbH.

A13b: Auftragsbestätigung vom 11. April 1996 der Firma Schultheiss GmbH an Laboratoire Auer SA für eine Gießanlage VPC250/3.

A13d: Eidesstattliche Versicherung vom 21. November 2004 von Louis Auer von der Firma Laboratoire Auer SA samt einer Kopie eines Lieferschein vom 26. April 1996 und einer Kopie einer Rechnung Nr. 0496145 vom 12. April 1996, jeweils betreffend eine Vakuum-Druckgießanlage VPC250 #9621344.

A14: Eidesstattliche Versicherung vom 23. Dezember 2004 von Georg Schultheiss Geschäftsführer der Firma Schultheiss GmbH.

Die Bedienungsanleitung besteht aus:

A8: Bedienungsanleitung "Operating Instructions" auf Englisch mit dem Datum November 95.

A8.1: Zeichnung vom 11. Juli 1996 mit dem Titel "Vakuumgießmaschine mit Hängeküvette".

A8.2: Zeichnung vom 15. Januar 1996 mit dem Titel "Zusammenstellung Vakuumgießmaschine".

A8.3: Zeichnung vom 4. Januar 1996 mit dem Titel "Vakuum - Gas Vakuumgießanlage VPC250".

A8.4: Zeichnung vom 22. Dezember 1995 mit dem Titel Anschlußplan/ connecting diagram / plan de branchement VPC250"

A8.5: Zeichnung vom 8. Januar 1996 mit dem Titel "Bedienpult VPC250".

A8.6: Zeichnung vom 27. Dezember 1995 mit dem Titel "Beschriftungs-Schilder Vakuum-Giessanlage Type VPC250".

i) Verkauf der Gießanlage VPC250

Die Beschwerdegegnerin führte aus, dass eine Gießanlage vom Typ VPC250 an die Firmen M.B. Gießtechnik, Franz Breuning GmbH & Co. KG und Laboratoire Auer SA vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents (3. April 1997) verkauft wurde. Als Beweis dafür hat sie unter anderen die oben genannten Anlagen A3, A4, A12a, A12c, A13a, A13b und A13d eingereicht.

ii) Offenbarung der Bedienungsanleitung

Die Beschwerdegegnerin trug vor, dass mit jeder ausgelieferten Gießanlage eine Bedienungsanleitung übergeben worden sei. Diese Bedienungsanleitungen, von denen eine mit dem Datum November 95 als Anlage A8 eingereicht worden sei, wurden auch mit den weiteren Anlagen A8.1 bis A8.6 ausgeliefert. Der Beschwerdeführer führte dagegen aus, dass die Beschwerdegegnerin es versäumt habe zu beweisen, dass die Anlagen A8 Teil der behaupteten Lieferungen waren. Insbesondere sei es unwahrscheinlich, dass die in englischer Sprache vorliegende A8 zu der Lieferung einer Gießanlage von einer deutschen Firma an deutsche Kunden gehöre.

Dem hält die Beschwerdegegnerin entgegen, dass für Hi-Tech Produkte die Bedienungsanleitungen sehr häufig nur in englischer Sprache existierten. Zum Nachweis der Offenkundigkeit der Bedienungsanleitungen verweist die Beschwerdegegnerin auf die eidesstattlichen Versicherungen von Georg Schultheiss (A14), Carsten Bissinger (A12c) und Louis Auer (A13d). Gemäß dieser Versicherungen seien die Bedienungsanleitung samt Anlagen teilweise in englischer, teilweise in deutscher Sprache abgefasst und mit der Lieferung der betreffenden Gießanlagen an die Franz Breuning GmbH & Co. KG bzw. Firma Laboratoire Auer SA übergeben worden.

c) Neuheit und Erfinderische Tätigkeit

Die Einspruchsabteilung war der Meinung, dass die Vorbenutzung der Gießanlage VPC250 der Öffentlichkeit zugänglich war.

Sie kam auch zum Ergebnis, dass die Anlagen A8.1 und A8.2 zeigten, dass das in die obere Kammer eingespeiste Gas durch die poröse Gießform in die untere Kammer sickern könne, so dass die Kammer geflutet werde. Weil jedoch der Druck von Innerhalb der Gießform komme, werde zwar die Form, nicht aber die Kammer mit dem Gas gespült. Da im Verfahren nach der Vorbenutzung der Raum um die Gießform nur geflutet und nicht gespült werde, sei das Verfahren nach Anspruch 1 neu.

Die Gießeinrichtung nach Anspruch 5 unterscheide sich jedoch von der Gießanlage VPC250 wie in Anlage A8.1 bis A8.2 dargestellt nur dadurch, dass in der Verbindungsleitung zwischen dem Behälter und der zweiten Gasquelle eine Einrichtung zur Erzeugung von Überdruck angeordnet ist. Da dieses Merkmal ein bekanntes Mittel zum Einstellen eines Gasdruckes sei, beruhe es auf keiner erfinderischen Tätigkeit.

Der Beschwerdeführer führte aus, dass die Gießanlage VPC250 drei Innenräume aufweise, nämlich einen Schmelzraum, einen Raum für die Aufnahme der Gießform und einen Zwischenraum. Bei dieser Anordnung könne der innere Formhohlraum der Gießform nicht mit Gas gespült werden. Ferner sei eine Einrichtung zur Erzeugung von Überdruck ein kompliziertes und teueres Merkmal, das für den Fachmann nicht offensichtlich wäre.

d) Kostenantrag

Zur Begründung des Kostenantrags führte die Beschwerdeführerin aus, dass der Einspruch der Beschwerdegegnerin von vornherein technisch und technologisch unbegründet, völlig aussichtslos und deshalb rechtsmißbräuchlich gewesen sei. Die technisch/technologische Aussichtslosigkeit des Einspruchs werde dadurch besonders deutlich, dass die Beschwerdegegnerin letztlich den Einspruch zurück genommen habe.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde (Regel 100 EPÜ 1973)

1.1 Die für die vorliegende Beschwerde anzuwendende Regel 100 (1) EPÜ 1973 (tempus regit actum) bestimmt, dass im Fall mehrerer Patentinhaber entweder der gemeinsame Vertreter oder der im Patent zuerst genannte Patentinhaber bzw. dessen Vertreter handlungsberechtigt ist. Diese Regelung kommt in vorliegenden Fall zur Anwendung, da Herr Yasui als erstgenannter Miteigentümer des Patents eingetragen ist.

1.2 In der mit Schreiben vom 18. Dezember 2006 eingereichten Erklärung von Herrn Yasui ("Confirmation for the European Patent Office") erklärt sich dieser mit der Vertretung durch Herrn Reiter in der Beschwerdesache einverstanden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass Herr Yasui auf seine Miteigentümerschaft am Patent verzichtet oder diese an Herrn Reiter übertragen hat. Vielmehr kann der Hinweis auf Herrn Reiter als "1/2 patent owner" und auf die Gleichbehandlung beider Patentinhaber nur so verstanden werden, dass Herr Yasui weiterhin als Mitinhaber des Patents angesehen werden möchte.

Da somit der Nachweis dafür fehlt, dass Herr Yasui auf seiner Miteigentümerschaft verzichtet oder diese auf Herrn Reiter übertragen hat, muss ein zugelassener Vertreter für beide Patentinhaber bestellt werden. Ferner hat Herr Yasui keinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat des EPÜ und benötigt auch aus diesem Grund einen zugelassenen Vertreter (Artikel 133 EPÜ). Der bisher tätige zugelassene Vertreter hat aber vor Einlegung der Beschwerde, nämlich mit Scheiben vom 29. Juni 2006, die Vertretung niedergelegt und ist damit als gemeinsamer Vertreter ausgeschieden.

1.3 Es liegt also offensichtlich der Fall vor, für den die Grosse Beschwerdekammer in G 3/99 (Amtsblatt EPA 7/2002, 347) folgendes festgestellt hat (siehe Punkt 2 der Entscheidungsformel):

"… Wird die Beschwerde von einer hierzu nicht berechtigen Person eingelegt, so betrachtet die Beschwerdekammer sie als nicht ordnungsgemäß unterzeichnet und fordert den gemeinsamen Vertreter daher auf, sie innerhalb einer bestimmter Frist zu unterzeichnen. … Scheidet der bisherige gemeinsame Vertreter aus dem Verfahren aus, so ist gemäß Regel 100 EPÜ ein neuer gemeinsamer Vertreter zu bestimmen."

Mit dem Schreiben vom 21. März 2007 wurde ein zugelassener Vertreter der Patentinhaber bestellt und die erforderlichen Vollmachten wurden vorgelegt. Der Vertreter hat erklärt, dass er die vom Patentinhaber Herrn Reiter im Rahmen der Einlegung der Beschwerde und im Rahmen der bisherigen Verfahrensganges vorgenommenen Handlungen bestätigt.

1.4 Damit sind die Erfordernisse der Regel 100 (1) EPÜ erfüllt und die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 123 EPÜ

2.1 Im Vergleich mit Anspruch 1 der ursprünglich Anmeldung (WO-A-98/45071) definiert Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags Wasserstoff, Helium, Stickstoff, Sauerstoff, Fluor oder Neon als das leichte Gas. Im abhängigen Anspruch 3 und auf Seite 3, Zeilen 15 bis 17, der ursprünglichen Anmeldung ist offenbart, das als leichtes Gas ein Gas aus dem Periodensystem mit der Ordnungszahl 1 bis 10 gewählt werden soll. Dies sind die in Anspruch 1 des Hauptantrags angegebenen Gase.

2.2 Anspruch 5 definiert ferner, dass die Gießform (2) aus einem mindestens teilweise porösen Material besteht und dass die Gießform (2) während des Spülvorganges Verbindung zu der ersten Quelle (6) für da leichte Gas hat, so dass während des Spülens die Poren in den Wandungen der Gießform (2) mindestens teilweise mit dem leichten Gas gefüllt werden. Das letztes Merkmal ist in der ursprünglichen Anmeldung offenbart (Seite 3, Zeilen 12 bis 15, Seite 6, Zeilen 20 bis 23 und Seite 7, Zeile 25 bis Seite 3, Zeile 3). Dass die Gießform aus porösen Material besteht, ist ebenfalls aus der ursprünglichen Anmeldung klar zu entnehmen (siehe Seite 1, Zeilen 15 bis 17 und Seite 6, Zeilen 7 bis 8).

2.3 Der Gegenstand der durch die Aufnahme der genannten Merkmale eingeschränkten Ansprüche hat daher eine Grundlage in der ursprünglich eingereichten Anmeldung und es liegt keinen Verstoß gegen Artikel 123 (2) und (3) EPÜ vor.

3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

Die Frage der Neuheit betrifft die behauptete Vorbenutzung einer Gießanlage, die die beanspruchte Merkmale aufweisen soll. Bei der Vorbenutzung handelt sich um den Verkauf der Gießanlage VPC250 samt Bedienungsanleitung an die Firmen M.B. Gießtechnik, Franz Breuning GmbH & Co. KG und Laboratoire Auer SA. Es ist deshalb nötig, die Offenkundigkeit der Gießanlage sowie der Bedienungsanleitung als Beweismittel für die Merkmale der Gießanlage zu prüfen.

3.1 Offenkundigkeit der Gießanlage VPC250

a) M.B. Gießtechnik

Als Beweis für den Verkauf hat die Beschwerdegegnerin die Anlagen A3 und A4 eingereicht. A3 betrifft eine Kopie eines Lieferscheins mit dem Datum 21. März 1996 für eine Gießanlage VPC250 # 9621252. A4 ist eine Kopie der Rechnung dafür mit dem Datum 13. September 1996. Dass die Bezahlung erst im September erfolgte, erklärte die Beschwerdegegnerin damit, dass die Anlage anfangs für Testzwecke benutzt worden sei.

b) Franz Breuning GmbH & Co. KG

Anlage 12a ist ein Brief von Beate Augenstein der Firma Breuning mit der Erklärung, dass Breuning eine Gießanlage VPC250 # 9621334 im April 1996 von der Beschwerdegegnerin erhalten habe. Anlage 12c ist eine eidesstattliche Versicherung zu diesem Punkt von Carsten Bissinger, der damals Betriebsleiter und später Prokurist bei Breuning und am Kauf der Gießanlage beteiligt gewesen sei; Anlage 12c enthält auch einen Lieferschein und eine Rechnung für den Verkauf.

c) Laboratoire Auer SA

Anlage A13b ist die Auftragsbestätigung der Beschwerdegegnerin für eine Gießanlage VPC250/3. Nach dem Brief (Anlage A13a) von L. Auer, Inhaber der Firma Laboratoire Auer SA, und gemäß seiner eidesstattliche Versicherung bzw. Lieferschein und Rechnung (Anlage 13d) wurde die Gießanlage im April 1996 geliefert.

Da keine Anhaltspunkte für eine Geheimhaltung der Verkäufe vorliegen, ist durch die oben erwähnten Beweismittel überzeugend nachgewiesen, dass eine Gießanlage des Typs VPC250 vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich wurde.

3.2 Offenbarung der Bedienungsanleitung

Die Bedienungsleitung (A8 und A8.1 bis A8.8) beinhaltet mehrere technische Zeichnungen und Schaltdiagramme der Gießanlage. Es ist nicht sicher, welche Dokumente mit der Bedienungsleitung an Kunden geschickt wurden. Ferner hat der Beschwerdeführer die Übergabe der Bedienungsanleitung an die Kunden bezweifelt, weil die Anleitung in englischer und deutscher Sprache abgefasst sind. Die Einspruchsabteilung hat die Erklärung der Einsprechenden hierfür akzeptiert, nämlich dass die Anlagen sowohl an Kunden im Ausland als auch in Deutschland übermittelt worden seien und aus den eingereichten Unterlagen auch die offenkundige Vorbenutzung entnommen werden könne.

Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern muss das zugrunde liegende Beweismaterial um so stichhaltiger sein je schwerwiegender eine nachzuweisende Tatfrage ist. Für Fälle offenkundiger Vorbenutzung, bei denen praktisch alle Beweismittel dafür der Verfügungsmacht und dem Wissen des Einsprechenden unterliegen, muss die Vorbenutzung lückenlos mit praktisch absoluter Gewissheit nachgewiesen werden.

Hinsichtlich der Offenbarung der Bedienungsanleitungen (A8, A8.1 bis A8.6) scheint es ungewöhnlich, dass sie in einer Mischung zweier Sprachen, nämlich Englisch und Deutsch, abgefasst wurden. Die eidesstattlichen Versicherungen, die dies bestätigen, sind identisch abgefasst und damit offensichtlich nicht von Herrn Schultheiss, Herrn Bissinger und Herrn Auer selbst verfasst. Dies könnte Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser eidesstattlichen Versicherungen begründen.

Da die Beschwerdegegnerin den Einspruch zurückgenommen hat und nicht an der mündlichen Verhandlung teilnimmt, hat die Kammer keine Möglichkeit, diese Fragen endgültig zu klären. Daher ist die Offenkundigkeit der Bedienungsanleitungen nicht mit Sicherheit festgestellt.

3.3 Merkmale der Gießanlage VPC250

Trotz der Unsicherheit hinsichtlich Offenkundigkeit der Bedienungsanleitungen kann wegen des zeitlichen Zusammenhangs und der Bezugnahme auf die Gießanlage VPC250 in der Betriebsanleitung davon ausgegangen werden, dass die gelieferten Gießanlagen die in den Zeichnungen der Betriebsanleitung gezeigten Merkmale aufwiesen. Damit kann zu den Merkmalen der der Öffentlichkeit zugänglichen Gießanlage VPC250 folgendes festgestellt werden:

3.3.1 Die Gießanlage gemäß A8.1 weist eine obere Kammer und eine untere Kammer aus, die in A8.1 handschriftlich als "A" bzw. "B" bezeichnet sind. Zwischen den Kammern A und B liegt ein Zwischenraum. Eine Strömungsverbindung zwischen diesen drei Räumen ist in A8.1 nicht gezeigt.

Die obere Kammer A dient als Schmelzkammer und enthält einen Schmelztiegel (VG153.xx) und eine Einrichtung zur Betätigung eines Stopfens; die untere Kammer B enthält die Gießform (VG120.xx). Nach dem Vakuum-Gas-Diagramm der Gießanlage (A8.3) ist die Schmelzkammer (Kammer A) mit einer Vakuum-Pumpe verbunden; es gibt auch eine Vakuum-Verbindung zu einem "Vakuumfass", das der unteren Kammer B entspricht.

3.3.2 In A8.3 sind zwei unterschiedliche Gasquellen dargestellt, die an die obere Kammer A angeschlossen sind; A8.3 zeigt keinen Gasanschluss an der unteren Kammer B. Nach der Meinung der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin wird vor dem Beginn des Gießvorgangs in der oberen und unteren Kammer ein Unterdruck mit der Vakuumpumpe erzeugt. Wenn danach ein leichtes Gas in die obere Kammer A eingespeist werde, könne das Gas auch durch die poröse Form in die untere Kammer B sickern. Das Merkmal, dass die Gießform eine Verbindung zu der Quelle für das leichte Gas habe, sodass die Poren in der Gießform mindestens teilweise mit diesem Gas gefüllt werden, sei daher offenbart.

Jedoch ist es tatsächlich nicht eindeutig entnehmbar, dass Gas von der oberen Kammer A in die unteren Kammer B fließen kann. Die Kammern scheinen von einander durch Dichtungen (VG160, VG254.xx und VG255.xx) getrennt zu sein, und bei geschlossenem Stopfen im Schmelztiegel ist keine Verbindung zwischen der oberen Kammer A und der unteren Kammer B erkennbar. Wenn der Stopfen jedoch offen ist, d.h. wenn sich kein flüssiges Metall im Schmelztiegel befindet, gibt es eine Verbindung mit der Zwischenkammer. Obwohl die untere Kammer B von der Zwischenkammer abgetrennt ist, könnte Gas von der Zwischenkammer von innen in die Poren der Gießform einsickern.

Jedoch wird nach dem Verfahren gemäß Anspruch 1 der Formhohlraum und der Umgebungsraum der Gießform mit dem leichten Gas gespült. Zu diesem Zweck scheint die Anordnung der Gießanlage VPC250 nicht geeignet zu sein. Weil die beiden Gasleitungen nur an der oberen Kammer angeschlossen sind und die untere Kammer nur mit einem Vakuum verbindbar ist, ist es für den Fachmann klar, dass es nicht der Zweck dieser Gießanlage ist, die untere Kammer und deshalb die Gießform und Umgebungsraum mit Gas zu spülen.

Das Merkmal des Anspruchs 5, dass die Gießeinrichtung so eingerichtet ist, dass die Gießform Verbindung zu der Quelle für das leichte Gas hat, so dass während des Spülens die Poren der Gießform teilweise mit dem leichten Gas gefüllt werden, ergibt sich damit nicht eindeutig und unmittelbar aus der Vorbenutzung der Gießanlage VPC250.

3.3.3 Wie die Einspruchsabteilung festgestellt hat, weist die Gießanlage VPC250 als zweites Unterschiedsmerkmal keine Einrichtung zwischen Behälter und zweiter Gasquelle zur Erzeugung von Überdruck auf.

3.3.4 Aus den oben genannten Gründen sind die Gießeinrichtung nach Anspruch 5 und das in Anspruch 1 definierte Verfahren zum Gießen neu.

4. Erfinderische Tätigkeit

4.1 Die Gießeinrichtung nach Anspruch 5 unterscheidet sich von der Gießanlage VPC250 unter anderem dadurch, dass die Gießform eine Verbindung zu der ersten Quelle für ein leichtes bzw. schweres Gas hat, sodass während des Spülens in den Wandungen der Gießform vorhanden Poren mindestens teilweise mit dem leichten Gas gefüllt werden.

4.2 Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, der Füllgrad der Gießform und deshalb die Abformgenauigkeit zu verbessern (siehe Absatz [0006] der Beschreibung).

4.3 Die Lösung dieser Aufgabe besteht darin, dass die Gießform unter Vakuum gesetzt wird, so dass in der Wandung der Gießform vorhandene Poren evakuiert und danach mit einem leichten Gas ausgefüllt werden. Anschließend erfolgt der Füllvorgang des flüssigen Metalls außerordentlich schnell, da das leichte Gas sehr leicht und schnell aus den Poren in der Wandung der Gießform verdrängt wird und nach außen abfließen kann (Absatz [0008] der Beschreibung).

4.4 Die Gießanlage VPC250 weist keine Verbindung zwischen der unteren Kammer B, die die Gießform enthält, und einer Gasquelle auf. Wie oben beschrieben, ist es den Dokumenten A8 und A8.1 bis A8.6 nicht zu entnehmen, dass Gas von der oberen Kammer A in die untere Kammer B fließen kann. Um die Gießform mit einem leichten Gas zu spülen, muss die Gießanlage VPC250 entsprechend geändert werden, wofür es für den Fachmann keinen Hinweis gibt. Da die Lösung der Aufgabe sich aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht in naheliegender Weise ableiten lässt, beruht die Gießeinrichtung des Anspruchs 5 sowie das Gießverfahren des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

5. Zusammenfassung

Weil die Beschwerdegegnerin den Einspruch zurückgenommen hat, ist es der Beschwerdekammer nicht möglich die Offenkundigkeit und die Merkmale der Gießanlage VPC250 mit hinreichender Genauigkeit festzustellen. Auf der Basis der vorgelegten Beweismittel sind das Verfahren nach Anspruch 1 und die Gießeinrichtung nach Anspruch 5 jedenfalls als neu und erfinderisch anzusehen.

6. Kostenantrag

Der Beschwerdeführer hat beantragt, der Beschwerdegegnerin die Kosten sowohl des Einspruchsverfahrens als auch des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, da der Einspruch von vornherein technisch unbegründet und aussichtslos sei.

Nach Artikel 104 (1) EPÜ kann vom Prinzip, dass jeder am Einspruchsverfahren Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt, dann abgewichen werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammern ist dies dann der Fall, wenn die Verfahrensführung einer Partei dazu Anlass gibt, beispielsweise bei einem Missbrauch des Verfahrens (siehe die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 5. Auflage, Seiten 664 ff).

Im vorliegenden Fall könnte die Begründung des Beschwerdeführers, dass der Einspruch von vornherein technisch unbegründet und aussichtslos gewesen sei, als ein Hinweis auf einen möglichen Missbrauch des Einspruchsverfahrens verstanden werden. Dies ist allerdings völlig unbegründet. Zum einen kann der mögliche Erfolg eines Einspruchsverfahrens erst im nachhinein und nicht von vornherein beurteilt werden und daher kein Kriterium für eine Kostenauferlegung bilden. Zum andern zeigt ja gerade die Tatsache, dass die Einspruchsabteilung das Patent wegen mangelnder erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten Giesseinrichtung widerrufen hat, die Beschwerdekammer in ihrer vorläufigen Meinung sich dieser Beurteilung angeschlossen hat und das Patent daher erst nach Änderungen des entsprechenden Anspruchs 5 aufrechterhalten werden konnte, dass der Einspruch gerade nicht technisch unbegründet und aussichtslos war.

Die Beschwerdekammer sieht daher keinen Grund, dem Kostenantrag stattzugeben.

7. Mündliche Verhandlung und Hilfsanträge

Da dem Hauptantrag stattgeben werden kann, ist es nicht nötig, die Hilfsanträge in Betracht zu ziehen und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der

Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

a) Ansprüche 1 bis 11 des Hauptantrags, eingereicht mit Schreiben von 24. November 2008;

b) Beschreibungsseiten 2 bis 6, wie erteilt;

c) Figuren 1 bis 3, wie erteilt.

3. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenerstattung wird abgelehnt.

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