T 1072/06 (Lederpflegemittel/WERNER & MERTZ) of 14.5.2009

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2009:T107206.20090514
Datum der Entscheidung: 14 Mai 2009
Aktenzeichen: T 1072/06
Anmeldenummer: 99122783.6
IPC-Klasse: C09G 1/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Lederpflegemittel
Name des Anmelders: Werner & Mertz GmbH
Name des Einsprechenden: Sara Lee/DE N.V.
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
Schlagwörter: Alle Anträge: Ausreichende Offenbarung der Erfindung (nein) - Meßmethode unvollständig angegeben - Fachmann kann Lücken nicht aus seinem Fachwissen füllen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0409/91
T 0435/91
T 0534/96
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0862/11
T 2210/16

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 11. Juli 2006 eingegangene Beschwerde des Beschwerdeführers (Einsprechender) richtet sich gegen die am 7. Juni 2006 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 000 990 zurückgewiesen wurde.

II. Im Einspruchsverfahren war das Streitpatent in vollem Umfang wegen mangelnder Ausführbarkeit, mangelnder Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit angegriffen worden. Die angefochtenen Entscheidung führte insbesondere aus, dass das gemäß Anspruch 1 geforderte rheologische Verhalten des Lederpflegemittels nicht unberücksichtigt bleiben dürfe, da nicht zwangsläufig jede Emulsion aus Wachs, Wasser und einem Emulgator das beanspruchte rheologische Verhalten aufweise und dieses somit den Anspruchsgegenstand beschränke. Dem Fachmann sei das im Streitpatent genannte Rheologiemessverfahren bekannt. Auch habe der Beschwerdeführer durch seine eigenen Versuche gezeigt, dass das Streitpatent ausreichende Informationen enthalte, die dem Fachmann eine Durchführung der Messmethode ermögliche. Das Auftreten von Fehlversuchen stehe der Ausführbarkeit nicht entgegen, da dem Fachmann ein gewisses Maß an routinemäßigem Experimentieren zuzumuten sei. Auch sei durch die Angabe eines Ausführungsbeispiels im Streitpatent die Ausführbarkeit der Erfindung gegeben.

III. Mit seinem Schriftsatz vom 24. April 2009 hat der Beschwerdegegner (Patentinhaber) einen neuen Hauptantrag eingereicht. Anspruch 1 des Hauptantrages lautete:

"1. Lederpflegemittel, das im Wesentlichen frei von flüchtigen organischen Lösungsmitteln ist und eine Emulsion von Wachs, Wasser und Emulgator umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass es bei der in der Beschreibung beschriebenen Kriech-/Rückverformungs-messung, jeweils bei einer Temperatur von 23 ºC, bei 5-minütiger Einwirkung einer Schubspannung von 750 Pa eine maximale Deformation gamma von 0,1 oder weniger und nach 5-minütiger Relaxation eine bleibende Deformation von 50 % der maximalen Deformation oder weniger aufweist und der Emulgator einen nichtionischen Emulgator umfasst."

Die geltenden Hilfsanträge 1 bis 4 wurden mit Schriftsatz vom 7. April 2009 eingereicht.

Im geltenden Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 wurden die Bestandteile der Emulsion des erteilten Anspruchs 1 "Wachs, Wasser und Emulgator" ersetzt durch die Passage

"(a) 0, 1 bis 15 Gew.-% eines oder mehrerer Wachse eines Tropfpunkts nach DIN 51801 von 95 bis 140 ºC,

(b) 0,2 bis 60 Gew.-% eines oder mehrerer Wachse eines Tropfpunkts nach DIN 51801 von 45 bis 90 ºC,

(c) 1 bis 15 Gew.-% Emulgator,

(d) 0 bis 20 Gew.-% fakultative Bestandteile und

(e) Differenz auf 100 Gew.-% Wasser"

Im geltenden Anspruch 1 des Hilfsantrages 2 wurden die Bestandteile der Emulsion des erteilten Anspruchs 1 "Wachs, Wasser und Emulgator" ersetzt durch die Passage

"(a) 0,1 bis 15 Gew.-% eines oder mehrerer Wachse eines Tropfpunkts nach DIN 51801 von 95 bis 140 ºC,

(b1) 0,1 bis 30 Gew.-% eines oder mehrerer Wachse eines Tropfpunkts von 45 bis 70 ºC und

(b2) 0,1 bis 30 Gew.-% eines oder mehrerer Wachse eines Tropfpunkts von 75 bis 90 ºC.

(c) 1 bis 15 Gew.-% Emulgator,

(d) 0 bis 20 Gew.-% fakultative Bestandteile und

(e) Differenz auf 100 Gew.-% Wasser".

Der geltende Anspruch 1 des Hilfsantrages 3 lautete:

"1. Lederpflegemittel, das im Wesentlichen frei von flüchtigen organischen Lösungsmitteln ist, 8 bis 25 Gew.-% Wachs und 60 bis 85 Gew.-% Wasser enthält und eine Emulsion

(a) 0, 1 bis 15 Gew.-% eines oder mehrerer Wachse eines Tropfpunkts nach DIN 51801 von 95 bis 140 ºC,

(b1) 0,1 bis 30 Gew.-% eines oder mehrerer Wachse eines Tropfpunkts von 45 bis 70 ºC und

(b2) 0,1 bis 30 Gew.-% eines oder mehrerer Wachse eines Tropfpunkts von 75 bis 90 ºC.

(c) 1 bis 15 Gew.-% Emulgator,

(d) 0 bis 20 Gew.-% fakultative Bestandteile und

(e) Differenz auf 100 Gew.-% Wasser

umfasst, wobei das Gewichtsverhältnis von Emulgator zu Wachs 1:3 bis 1,5:1 beträgt, dadurch gekennzeichnet, dass es bei der in der Beschreibung beschriebenen Kriech-/Rückverformungsmessung, jeweils bei einer Temperatur von 23 ºC, bei 5-minütiger Einwirkung einer Schubspannung von 750 Pa eine maximale Deformation gamma von 0,1 oder weniger und nach 5-minütiger Relaxation eine bleibende Deformation von 50 % der maximalen Deformation oder weniger aufweist."

Der geltende Anspruch 1 des Hilfsantrages 4 basierte auf dem Wortlaut des Hilfsantrages 2, wobei unmittelbar nach der Aufzählung der Einzelkomponenten (a) bis (e) die Passage "wobei der Emulgator einen mit 2 bis 30 mol C1-C4-Alkenoxid alkoxylierten verzweigten C6-C28-Alkohol und/oder einen Sorbitanmono-, -di- oder -triester einer C6-C28-Carbonsäure umfasst und das Gewichtsverhältnis von Emulgator zu Wachs 1:3 bis 1,5:1 beträgt" eingefügt wurde.

IV. Der Beschwerdeführer trug vor, dass das Streitpatent nicht genügend Information enthalte, die es dem Fachmann erlaubte, die Erfindung über den gesamten beanspruchten Bereich auszuführen. Insbesondere sei im Streitpatent die Messmethode nicht ausreichend beschrieben. So fehlten in der Streitpatentschrift wichtige Angaben über die während der Messung einzustellenden Messparameter, wie Abmessungen des Probenkörpers, Dauer der Äquilibrationszeit, Normalkraft beim Schließen des Probenspalts (normal stress), sowie Dauer des Schließens und Öffnens des Probenspaltes. Er habe in eigenen Versuchen, in welchen er Mischungen entsprechend dem streitpatentgemäßen Beispiel verwendet habe, gezeigt, dass je nach Einstellung dieser nicht im Streitpatent genannten Messparameter, eine Mischung entweder Werte für die maximale Deformation und permanente Deformation innerhalb des beanspruchten Bereiches zeige oder nicht. Daher sei das Messverfahren, nach dem diese Werte gemessen werden, nicht in ausreichendem Masse offenbart, so dass der Fachmann die Erfindung nicht über die gesamte beanspruchte Breite ausführen könne. Zur Stützung seiner Argumentation reichte er mit Schriftsatz vom 4. Juni 2008 Test Reports I bis IV ein.

V. Der Beschwerdegegner widersprach den Argumenten des Beschwerdeführers hinsichtlich der mangelnden Offenbarung der Messmethode. Er trug vor, dass das Streitpatent die unverzichtbaren Messparameter, nämlich Temperatur, Messabstand und Plattengeometrie angebe. Im Hinblick auf weitere Einflussgrößen bestreite er nicht, dass Messparameter, wie die Normalkraft beim Befüllen des Rheometers, die Dicke des Probenkörpers, die Schließgeschwindigkeit und -zeit des Rheometerspalts, sowie die Äquilibrationszeit den jeweils gefundenen Messwert beeinflussten. Jedoch stelle der Fachmann diese so ein, dass das jeweilige Messergebnis am wenigsten verfälscht werde. So habe der Beschwerdeführer mit seinen Versuchen gezeigt, dass der Fachmann ohne Weiteres eine geeignete Äquilibrationszeit und ein geeignetes Kompressionsverhältnis einstellen könne. Dies zeige, dass es dem Fachmann sowohl bewusst war, dass er weitere Messparameter bei der Messung optimieren müsse, als auch, dass er dazu imstande war. Die vom Beschwerdeführer festgestellten nicht erfolgreichen Messungen, die auch im bevorzugten Rezepturbereich des Streitpatentes aufträten, seien Fehlversuche, die für den Fachmann als nicht vertrauenswürdig erkennbar seien. Außerdem enthalte das Streitpatent ein Ausführungsbeispiel, so dass zumindest ein Weg aufgezeigt sei, wie der Fachmann die Erfindung ausführen könne und der Fachmann anhand dieses Ausführungsbeispiels seine eigene Messanordnung kalibrieren könne.

VI. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatentes in vollem Umfang.

Der Beschwerdegegner beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage seines Hauptantrages, eingereicht mit Schreiben vom 24. April 2009, hilfsweise auf der Basis eines seiner Hilfsanträge 1 bis 4, eingereicht mit Schreiben vom 7. April 2009.

VII. Am 14. Mai 2009 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, an deren Ende die Entscheidung verkündet wurde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag

2. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)

Der Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 unterscheidet sich vom Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 dadurch, dass am Ende des erteilten Anspruchs die Passage "und der Emulgator einen nichtionischen Emulgator umfasst" angefügt wurde. Diese Passage findet ihre Basis in Anspruch 5 der ursprünglichen Anmeldung. Daher sieht die Kammer die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ als erfüllt.

Da die Aufnahme dieses technischen Merkmals in den erteilten Anspruch 1 dessen Schutzumfang beschränkt, sind auch die Erfordernisse von Artikel 123(3) EPÜ erfüllt.

3. Ausführbarkeit

3.1 Im Einspruchsverfahren, sowie im Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer das Streitpatent wegen mangelnder Ausführbarkeit nach Artikel 100 b) EPÜ angegriffen.

3.2 Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist das Erfordernis der Ausführbarkeit nur dann erfüllt, wenn die in den unabhängigen Ansprüchen definierte Erfindung durch einen Fachmann im gesamten beanspruchten Bereich ohne unzumutbaren Aufwand unter Verwendung seines allgemeinen Fachwissens und weiterer Angaben in der vorliegenden Anmeldung nachgearbeitet werden kann (siehe Entscheidungen T 409/91, ABl. EPA 1994, 653, Punkt 3.5; T 435/91, ABl. EPA 1995, 188, Punkt 2.2.1; T 534/96, Entscheidungsgründe Punkt 4, nicht veröffentlicht im ABl. EPA). Dieser Grundsatz gilt für jede Erfindung ungeachtet dessen, wie sie anspruchsgemäß definiert ist, sei es durch strukturelle oder durch aufgabenhafte Merkmale. Die Besonderheit einer aufgabenhaften Definition eines technischen Merkmals liegt in der Tatsache, dass es durch seine Wirkung charakterisiert ist. Diese Art der Definition umfasst eine unbestimmte und unzählige Schar von möglichen Alternativen ganz unterschiedlicher Struktur, was solange nicht zu beanstanden ist, wie all diese umfassten Alternativen das gewünschte Ergebnis liefern und dem Fachmann auch zur Verfügung stehen. Dies spiegelt den allgemeinen Rechtsgrundsatz wider, dass das Schutzbegehren dem technischen Beitrag zu entsprechen hat, welchen die offenbarte Erfindung zum Stand der Technik leistet. Daher ist zu prüfen, ob die Streitanmeldung eine verallgemeinerungsfähige technische Lehre offenbart, die dem Fachmann das ganze Variantenspektrum zur Verfügung stellt, das die aufgabenhafte Definition eines anspruchsgemäßen technischen Merkmals umfasst.

3.3 Im vorliegenden Fall hat sich die Erfindung zum Ziel gesetzt, im Wesentlichen lösungsmittelfreie Lederpflegemittel bereitzustellen, welche das für herkömmliche Ölware charakteristische Schollenbruchverhalten aufweisen (siehe Streitpatentschrift, Paragraph [0006]).

3.4 Das technische Mittel zum Erreichen dieses Ziels besteht laut geltendem Anspruch 1 darin, dass das Lederpflegemittel, neben den technischen Merkmalen, dass es eine Emulsion aus Wachs, Wasser und nichtionischem Emulgator umfasst, auch durch ein aufgabenhaftes Merkmal gekennzeichnet ist. Dieses aufgabenhafte Merkmal, das den kennzeichnenden Teil des geltenden Anspruchs 1 darstellt, bezieht sich auf ein spezielles rheologisches Verhalten, welches das Lederpflegemittel aufweisen soll, nämlich dass es bei der in der Beschreibung des Streitpatentes beschriebenen Kriech-Rückverformungsmessung, jeweils bei einer Temperatur von 23 ºC, bei 5-minütiger Einwirkung einer Schubspannung von 750 Pa eine maximale Deformation gamma von 0,1 oder weniger und nach 5-minütiger Relaxation eine bleibende Deformation von 50 % der maximalen Deformation oder weniger aufweist. Diese aufgabenhafte Definition im geltenden Anspruch 1 umfasst somit grundsätzlich jedes Lederpflegemittel, welches eine Emulsion aus Wachs, Wasser und nichtionischem Emulgator enthält und folglich eine unbestimmte und unzählige Schar von Alternativen darstellt, was solange nicht zu beanstanden ist, wie alle diese Alternativen das anspruchsgemäß geforderte rheologische Verhalten zeigen.

3.5 Wie der Patentinhaber während der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, stellt das aufgabenhafte Merkmal, dass das Lederpflegemittel bei der in der Beschreibung beschriebenen Kriech-Rückverformungsmessung, jeweils bei einer Temperatur von 23 ºC, bei 5-minütiger Einwirkung einer Schubspannung von 750 Pa eine maximale Deformation gamma von 0,1 oder weniger und nach 5-minütiger Relaxation eine bleibende Deformation von 50 % der maximalen Deformation oder weniger aufweist, ein beschränkendes technisches Merkmal dar, welches nicht alle Lederpflegemittel aufwiesen, die eine Emulsion aus Wachs, Wasser und nichtionischem Emulgator umfassen.

3.6 Da somit nicht jedes denkbare Lederpflegemittel, welches eine Emulsion aus Wachs, Wasser und nichtionischem Emulgator umfasst, das anspruchsgemäß geforderte rheologische Verhalten zeigt, nämlich dass es bei der in der Beschreibung beschriebenen Kriech-Rückverformungs-messung, jeweils bei einer Temperatur von 23 ºC, bei 5-minütiger Einwirkung einer Schubspannung von 750 Pa eine maximale Deformation gamma von 0,1 oder weniger und nach 5-minütiger Relaxation eine bleibende Deformation von 50 % der maximalen Deformation oder weniger aufweist, hat der Fachmann aus dieser unbestimmten und unzähligen Schar von Alternativen die geeigneten auszuwählen.

3.7 Um beurteilen zu können, ob seine Auswahl erfolgreich ist, kann der Fachmann ausschließlich auf jene Messwerte zurückgreifen, die er mit Hilfe der in der Beschreibung des Streitpatentes angegebenen speziellen Messmethode ermittelt hat. Demzufolge ist die Reproduzierbarkeit und Verlässlichkeit dieser Messmethode ein unverzichtbares Erfordernis, um festzustellen, ob ein untersuchtes Lederpflegemittel das aufgabenhafte Merkmal des geltenden Anspruchs 1 erfüllt, oder nicht. Ob die im Streitpatent angegebene Messmethode zu verlässlichen und reproduzierbaren Messwerten führt, war zwischen den Parteien strittig.

3.8 Die Messmethode, wie sie in Paragraph [0010] der Streitpatentschrift beschrieben ist, enthält mit der Angabe der Temperatur, der Plattengeometrie und des Messabstandes einige der unverzichtbaren Messparameter. Jedoch enthält das Streitpatent keine Informationen hinsichtlich weiterer, ebenso notwendiger Verfahrensparameter, die den jeweiligen Messwert beeinflussen. So war es zwischen den Parteien unstrittig, dass die Abmessungen des Probenkörpers, sowie die vor der Messung abzuwartende Äquilibrationszeit, welche beide nicht im Streitpatent offenbart sind, die Messwerte der maximalen und der permanenten Deformation beeinflussen. Dies ist auch aus Test Report I des Beschwerdeführers ersichtlich, in dem eine Rezeptur entsprechend einer bevorzugten Ausführungsform des Streitpatentes eingesetzt wurde. Entsprechend den Angaben des Streitpatentes wurde die maximale Deformation nach 5-minütiger Einwirkung einer Schubspannung von 750 Pa, sowie die permanente Deformation nach einer 5-minütigen Relaxationszeit gemessen. Bei diesen Messungen wurden nur jeweils andere Äquilibrationszeiten bzw. nur jeweils andere Probendicken eingestellt. Es zeigte sich, dass in Abhängigkeit der Probendicke, welche bei gleichem Messabstand durch die Kompressionsrate angegeben wurde, die verwendete Rezeptur bei einer Kompressionsrate von 14 Prozent Messwerte innerhalb der anspruchsgemäß geforderten Werte hinsichtlich der permanenten Deformation ergab, während dieselbe Rezeptur bei Kompressionsraten von 9 Prozent oder 23 Prozent Messwerte außerhalb der anspruchsgemäß geforderten Werte ergab. Ebenso zeigte dieselbe Rezeptur bei einheitlicher Kompressionsrate von 14 Prozent und lediglich unterschiedlich langen Äquilibrationszeiten unterschiedliche Messwerte bezüglich der permanenten Deformation, die entweder innerhalb oder auch außerhalb des anspruchsgemäß geforderten Wertebereichs lagen.

3.9 Angesichts der in Test Report I gefundenen Messwerte, die je nach Dicke der zu messenden Probe und je nach Dauer der Äquilibrationszeit zu unterschiedlichen Messwerten innerhalb und außerhalb des beanspruchten Wertebereichs führen, kann der Fachmann nicht entscheiden, ob er die Messmethode mit Messparametern gemäß Streitpatent durchgeführt hat, oder nicht. Folglich ist ihm auch nicht möglich zu entscheiden, ob die jeweils gewählte Zusammensetzung des Lederpflegemittels, welches die anspruchsgemäßen strukturellen Merkmale aufweist, nämlich eine Emulsion aus Wachs, Wasser und nichtionischem Emulgator umfasst, auch das anspruchsgemäß geforderte rheologische Verhalten aufweist oder nicht, denn Test Report I zeigt ebenfalls, dass selbst bei Auswahl einer Zusammensetzung entsprechend einer bevorzugten Ausführungsform des Lederpflegemittels Messwerte innerhalb und auch außerhalb des beanspruchten Wertebereichs der permanenten Deformation gemessen werden.

3.10 Der Beschwerdegegner brachte vor, dass der Fachmann, in Ermangelung von genaueren Angaben hinsichtlich der Messparameter, beispielsweise der Dauer der Äquilibrationszeit und der Probendicke, diese Lücke mit seinem Fachwissen schließe, indem er Messparameter, die zu Ergebnissen außerhalb des beanspruchten Bereichs führten, ausschließe.

Indessen würde der Fachmann lediglich jene Messparameter ausscheiden, die zu offensichtlich fehlerhaften Messungen führen, bei denen beispielsweise inakzeptables Schlupfverhalten oder vorzeitiger Bruch des Probenkörpers auftreten. Alle anderen Messungen, auch bei unterschiedlichen Probendicken und anderen Äquilibrationszeiten, sind für ihn a priori nicht als fehlerhaft erkennbar. Da der Fachmann somit nicht in der Lage ist, fehlerhafte von nicht-fehlerhaften Messungen zu unterscheiden, kann er auch nicht die gemäß Streitpatent eingesetzten, richtigen Messparameter erkennen.

3.11 Der Beschwerdegegner brachte weiterhin vor, dass das Streitpatent ein Ausführungsbeispiel enthalte, das dem Fachmann ermögliche, das dort offenbarte Lederpflegemittel herzustellen. Somit sei zumindest ein Weg zur Ausführung der Erfindung angegeben.

Indessen stellt ein Ausführungsbeispiel, ungeachtet dessen, ob die darin verwendeten Einzelkomponenten und Verfahrensschritte klar und eindeutig angegeben sind, lediglich einen Weg zur Ausführung einer einzelnen Ausführungsform der beanspruchten Erfindung dar, reicht aber alleine nicht aus, um die Ausführbarkeit der Erfindung über den gesamten beanspruchten Bereich zu gewährleisten.

3.12 Darüberhinaus brachte der Beschwerdeführer vor, dass der Fachmann das Lederpflegemittel, welches gemäß dem Ausführungsbeispiel des Streitpatentes erhalten werde, einer rheologischen Messung unterziehen könne, wobei er bei der Durchführung der Messung die einzelnen Messparameter, die in der Streitpatentschrift nicht angegeben seien, so variieren könne, dass die streitpatentgemäß gefundenen Messwerte erzielt würden. Es sei ihm damit möglich, die nicht offenbarten Messparameter im Sinne einer Kalibrierung auf empirischem Wege einzustellen.

Indessen ist festzustellen, dass das Ausführungsbeispiel des Streitpatentes hinsichtlich der eingesetzten Einzelkomponenten lediglich sehr vage angegeben ist, so dass es fraglich ist, ob alle der eingesetzten Einzelkomponenten in eindeutiger Weise identifizierbar sind. Es mag aber dahinstehen, ob damit das Ausführungsbeispiel hinsichtlich der Zusammensetzung des Lederpflegemittels eindeutig nacharbeitbar ist, oder nicht, denn der vom Beschwerdegegner getroffene Umkehrschluss, dass empirisch festgestellte Messparameter bei einer einzelnen gemessenen Rezeptur auch für andere Rezepturen zu richtigen absoluten Messwerten führen, lässt sich nicht bestätigen. Darüber hinaus räumte der Beschwerdegegner ein, dass es durchaus vorstellbar sei, dass auch für das Ausführungsbeispiel des Streitpatentes mehrere unterschiedliche Kombinationen von Messparametern das gleiche zahlenmäßige Messergebnis liefern können. Daher kann der Fachmann auch ausgehend vom Ausführungsbeispiel des Streitpatentes nicht entscheiden, welche Kombination von Messparametern nun tatsächlich im Beispiel des Streitpatentes angewendet wurde.

3.13 Da somit das Streitpatent keine Informationen hinsichtlich der bei der Messmethode einzustellenden essentiellen Messparameter enthält und auch der Fachmann aus seinem Fachwissen diese Lücke nicht füllen kann, ist die Messmethode, die als einzige dem Fachmann eine Entscheidung darüber erlaubt, ob ein von ihm untersuchtes Lederpflegemittel die anspruchsgemäße Fähigkeit aufweist oder nicht, unzureichend offenbart. Da der Fachmann angesichts der unzureichend offenbarten Messmethode nicht in der Lage ist, aus der unbestimmten und unzähligen Schar der Lederpflegemittel umfassend eine Emulsion aus Wachs, Wasser und nichtionischem Emulgator diejenigen auszuwählen, welche das anspruchsgemäß geforderte rheologische Verhalten aufweisen, nämlich bei der in der Beschreibung beschriebenen Kriech-Rückverformungsmessung, jeweils bei einer Temperatur von 23 ºC, bei 5-minütiger Einwirkung einer Schubspannung von 750 Pa eine maximale Deformation gamma von 0,1 oder weniger und nach 5-minütiger Relaxation eine bleibende Deformation von 50 % der maximalen Deformation oder weniger aufzuweisen, sind nicht alle anspruchsgemäßen Lederpflegemittel ermittelbar, weshalb die Erfindung nicht über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar ist. Somit greift der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ durch.

Hilfsanträge 1 bis 4

4. Alle Hilfsanträge 1 bis 4 enthalten im kennzeichnenden Teil der jeweiligen geltenden Ansprüche 1 dieselbe aufgabenhafte Bestimmung, wie der geltende Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, nämlich dass die Lederpflegemittel bei der in der Beschreibung beschriebenen Kriech-Rückverformungsmessung, jeweils bei einer Temperatur von 23 ºC, bei 5-minütiger Einwirkung einer Schubspannung von 750 Pa eine maximale Deformation gamma von 0,1 oder weniger und nach 5-minütiger Relaxation eine bleibende Deformation von 50 % der maximalen Deformation oder weniger aufzuweisen. Daher gelten für die Hilfsanträge 1 bis 4 die gleichen Überlegungen und Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Ausführbarkeit der Erfindung, wie für den Hauptantrag unter Punkt 3 dargelegt. Folglich ist auch die beanspruchte Erfindung gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 4 nicht im gesamten Umfang ausführbar, so dass auch für die Hilfsanträge 1 bis 4 der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ durchgreift.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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