T 0830/06 () of 11.1.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T083006.20080111
Datum der Entscheidung: 11 Januar 2008
Aktenzeichen: T 0830/06
Anmeldenummer: 98104218.7
IPC-Klasse: B60G 11/27
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Luftfeder für Luftfederachsen
Name des Anmelders: BPW Bergische Achsen Kommanditgesellschaft
Name des Einsprechenden: Hermann Peters GmbH & Co.
LFT Germany Luftfedertechnik GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung (nein)
Spät vorgebrachte Dokumente in das Verfahren aufgenommen (nein)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden II richtet sich gegen die am 7. April 2006 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung.

Die Beschwerde wurde am 1. Juni 2006 eingereicht und die Beschwerdegebühr am selben Tag bezahlt. Die Beschwerdebegründung wurde am 7. August 2006 eingereicht.

II. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

III. Anspruch 1 lautet wie folgt (Merkmalsgliederung hinzugefügt):

1. Luftfeder für Luftfederachsen mit einem fahrgestellfesten Deckel und

2. einem auf einem rückwärtigen Ende eines Längslenkers festgelegten Tauchkolben sowie

3. einem zwischen Deckel und Tauchkolben angeordnetem Rollbalg;

4. der Tauchkolben besteht aus einem Kunststoffmaterial, das vorzugsweise glasfaserverstärkt ist;

5. der Tauchkolben ist nach unten offen ausgebildet auf dem Längslenker festlegbar;

6. der Tauchkolben weist eine Mantelfläche auf, von der aus sich Stege im wesentlichen radial zur Mitte des Tauchkolbens hin erstrecken;

7. längslenkerseitig ist in den Tauchkolben eine Halteplatte zur Aufnahme von Befestigungsmitteln zum Festlegen des Tauchkolbens am Längslenker eingesetzt bzw. eingearbeitet;

8. der Rollbalg ist durch einen auf dem rollbalgseitigen Ende des Tauchkolbens angeordneten Deckel am Tauchkolben festlegbar;

9. zur Aufnahme der Gewichtskräfte bei entlüfteter Luftfeder ist ein zentraler Stützkörper in das Tauchkolbenprofil eingesetzt, der Deckel und Halteplatte miteinander verbindet;

10. der Tauchkolben ist direkt auf dem Längslenker derart festlegbar, dass die Unterseite der Halteplatte und die dem Längslenker zugewandten Stirnflächen der Mantelfläche und der Stege eine Ebene bilden.

IV. Folgende Druckschriften haben in dem Beschwerdeverfahren eine Rolle gespielt :

D1': US-A-5535994

D2': US-A-4650166

D3': EP-A-0647795

D4': US-A-2988353

D5': DE-A-40 08 187

D6': DE-U-29619081

D7': US-A-5382006

V. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Stand der Technik zeige mehrere Ausführungen von Tauchkolben, bei denen die Stirnflächen der Stege, der Mantelfläche sowie der Halteplatte entweder in einer Ebene liegen oder auch nicht. Dies zeige, dass für den Fachmann die Wahl einer solchen ebenen Aufliegefläche aller Elemente völlig willkürlich sei. Es könne daher ohne spezifische Angaben in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht davon ausgegangen werden, dass der Fachmann sich im konkreten Fall des Gegenstands des Streitpatents eine ebene Fläche gewünscht habe.

Außerdem sage der Anspruch nichts darüber aus, in welchem Betriebszustand die Luftfeder bzw. der Tauchkolben diese ebene Fläche erreicht. Ein solcher Körper verforme sich nämlich unter der Last, so dass im Betrieb eine unebene Fläche eben oder eine ebene Fläche uneben werden könne.

Bekanntlich verziehen sich in Spritzgusstechnik hergestellte Teile wie der Tauchkolben beim Abkühlen, so dass auch deswegen nicht sichergestellt sei, dass die gewünschte Ebenheit aller Elemente erreicht werden könne. Diese Ebenheit könne auch deswegen nicht als offenbart angesehen werden.

Betrachte man diese Ebenheit als ein über Parameteränderungen zu erreichendes Ergebnis, so seien diese Parameter entsprechend T 460/83, T 267/91 oder T 697/91 nicht genügend definiert.

Die Druckschriften D1' bis D7' seien deswegen erst mit der Beschwerdebegründung eingereicht, weil die Neugestaltung der kanzleiinternen Recherchemethoden ihr Auffinden erst zu diesem Zeitpunkt ermöglicht habe.

Zwar treffe keine dieser Druckschriften den Gegenstand gemäß Anspruch 1 neuheitsschädlich, doch mehrere Kombinationen führten prima facie zum beanspruchten Gegenstand. Da bei Anwendung des Aufgabe-Lösungsansatzes ein expliziter Hinweis auf die zu kombinierenden Merkmale verlangt werde, und die Druckschriften in diesem Zusammenhang von Bedeutung seien, sollten sie wegen dieser Bedeutung im Verfahren berücksichtigt werden.

Der Gegenstand gemäß Anspruch 1 würde sich auch offensichtlich aus folgenden Kombinationen der entgegengehaltenen Druckschriften ergeben:

Die D3' würde die in der D2' fehlenden Merkmale 6 und 9 zeigen.

Die in der D4' fehlenden Merkmale 4 und 10 würden sich aus der D1', der D2' oder der D5' ergeben.

Die in der D6' oder D7' fehlenden Merkmale 4 und 6 würden sich aus der D3' ergeben.

VI. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Dass sich die Stirnfläche des Kolbenmantels, der Stege, und die Unterseite der Halteplatte in einer Ebene befinden, sei der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung zu entnehmen. Die Figuren 2a und 2c würden dieses Merkmal eindeutig zeigen. Auch in der Beschreibung würde darauf hingewiesen, dass die Halteplatte 11 in das längslenkerseitige Ende des Tauchkolbens eingesetzt bzw. eingearbeitet sei.

Die mit der Beschwerdebegründung neu eingereichten Druckschriften seien als verspätet zurückzuweisen und nicht in das Verfahren aufzunehmen. Zum einen habe die Beschwerdeführerin genügend Zeit gehabt, um diese Schriften schon im Einspruchsverfahren geltend zu machen, und zum anderen seien diese Druckschriften prima facie nicht relevant genug, um einen anderen Verfahrensausgang erwarten zu lassen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Artikel 123(2) EPÜ

2.1 Die Beschwerdeführerin rügt die fehlende ursprüngliche Offenbarung des Merkmals 10, wonach der Tauchkolben direkt auf dem Längslenker derart festlegbar ist, dass die Unterseite der Halteplatte und die dem Längslenker zugewandten Stirnflächen der Mantelfläche und der Stege eine Ebene bilden.

Dieses Merkmal ist jedoch schon aus den Figuren 1, 2a bis 2c zu entnehmen. In Figur 1 ist nur eine einzige kontinuierliche Linie als Abgrenzungslinie zwischen dem Tauchkolben 8 und dem Längslenker 3 gezeichnet. Auch in der Figur 2c, die den Tauchkolben im Schnitt zeigt, ist nur eine einzige untere Abgrenzungslinie zu erkennen, die die Stirnfläche der Mantelfläche, die Stirnfläche der Stege und die Unterseite der Halteplatte darstellt.

Zusätzlich wird in der Spalte 4, Zeilen 20 bis 39 der A-Schrift (entspricht Absatz [0017] der B-Schrift) darauf hingewiesen, dass die Halteplatte 11 in das längslenkerseitige Ende des Tauchkolbens eingesetzt bzw. eingearbeitet ist (Zeilen 20-24).

Es wird weiter in Bezug auf den Kopf des Stützkörpers, der in der Halteplatte integriert ist, erwähnt: "Um eine ebene Auflagefläche auf dem Längslenker 3 zu erhalten, ..." (Unterstreichung hinzugefügt).

Diese Aussage in der Beschreibung untermauert die Darstellungen in den oben erwähnten Figuren, aus denen deutlich wird, dass die Unterseiten oder Stirnflächen aller Elementen, die dafür gedacht sind, auf dem Längslenker aufzuliegen, in einer Ebene liegen.

Auch die ursprünglichen Figuren 3a und 4 zeigen längslenkerseitige Stirnflächen der Mantelfläche und der Stege, die eine Ebene bilden.

Diese Sichtweise ist auch in Einklang mit dem in der Beschreibungseinleitung gesetzten Ziel, auf die vollflächig auf dem Längslenker liegende Bodenplatte der Luftfeder gemäß des in der Anmeldung erwähnten Stands der Technik nach DE 3147231 zu verzichten, und den Tauchkolben direkt auf dem Längslenker festzulegen.

Merkmal 10 ist daher unzweifelhaft in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.

2.2 Die Beschwerdeführerin behauptet, dass das Merkmal 10 technisch inhaltslos sei, bzw. keinen Offenbarungsgehalt habe, da nicht klar sei, in welchem Betriebszustand des Tauchkolbens die Ebenheit erreicht werden solle.

Der Anspruch ist auf eine Luftfeder gerichtet, und nicht zum Beispiel auf einen Lkw mit eingebauter Luftfeder. In diesem Fall könnte möglicherweise unklar sein, in welchem Betriebszustand sich der Tauchkolben befindet.

Gemäß vorliegender Patentschrift ist aber eindeutig, dass die Luftfeder allein, im uneingebauten Zustand, sozusagen wie im Ersatzteillager, beansprucht wird, und daher die Frage des Betriebszustands des Tauchkolbens sich nicht stellt, um die Merkmale des Anspruchs zu definieren. Es wird ein separates und eigenständiges Bauteil eines Fahrzeugs beansprucht, bei dem ohne Weiteres im nicht montierten bzw. im nicht belasteten Zustand überprüft werden kann, ob dieses oder jenes Merkmal vorhanden ist.

Die Beschwerdeführerin behauptet weiter, dass die Offenbarung nicht ausreichend sei, da nicht klar wäre, wie diese Ebenheit erreicht würde.

Jedem Maschinenbauingenieur ist klar, dass wenn in einem Bauteil mehrere Elemente in einer Ebene liegen sollen, wie das nach Merkmal 10 verlangt wird, dies in Abhängigkeit des Fachgebiets und der Funktion dieser Flächen zu verstehen ist. Eine Ebene im mathematischen Sinne ist nicht gemeint. Dies bedeutet in dem vorliegenden Fall, dass diese Flächen so in einer Ebene liegen müssen, dass die Elemente fähig sind, die einwirkenden Kräften anstelle der im Stand der Technik benutzten Bodenplatte direkt auf den Längslenker zu übertragen. Die gewünschte Ebenheit kann auch noch durch Bearbeitung der jeweiligen Endfläche im montierten Zustand des Tauchkolbens erzeugt werden. Weder eine Schwierigkeit mit möglichem Verziehen der in Spritzgusstechnik hergestellten Teilen noch irgendeine unklare Parameterdefinition liegt daher vor.

3. Die in der Beschwerdeschrift zum ersten Mal angeführten Druckschriften sind prima facie nicht so relevant, dass sie in das Verfahren eingeführt werden sollten.

3.1 Wie auch die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung zugegeben hat, kann keine dieser Schriften die Neuheit in Frage stellen. Schon bei einer prima facie Analyse fehlen in jeder Schrift mehrere Merkmale.

Eine Halteplatte ist bei dem Tauchkolben gemäß D1' nicht zu erkennen, und die Stege 34 reichen nicht zur Auflagefläche. Eine ebene Unterseite ist auch nicht vorhanden.

Bei dem Tauchkolben gemäß der D2 sind keine Stege und kein zentraler Stützkörper, der Deckel und Halteplatte miteinander verbindet, zu erkennen.

Der Tauchkolben gemäß D3' weist keine ebene Unterseite auf, der Stützkörper verbindet keinen Deckel mit einer Halteplatte, die Stege reichen nicht von der Mantelfläche bis zur Mitte des Kolbens und der Tauchkolben ist auch nicht nach unten offen.

Auch der Tauchkolben nach D4' zeigt keine ebene Unterseite, keine Halteplatte, die eingearbeitet ist, und keinen Deckel auf der Rollbalgenseite. Die Stege reichen nicht bis zur Unterseite des Kolbens.

Der Tauchkolben gemäß D5' weist keine Halteplatte, keine Stege, die bis zur Mitte reichen und keinen zentralen Stützkörper auf.

Der Tauchkolben gemäß D6' ist nicht aus Kunststoff, zeigt auch keine Stege, und sein Boden ist geschlossen.

Auch der Tauchkolben nach D7' ist nicht aus Kunststoff, weist keine Stege auf und ist auch nicht nach unten offen.

3.2 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sollen folgende Kombinationen prima facie die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands gemäß Anspruch 1 vorwegnehmen:

(i) Die D3' würde die in der D2' fehlenden Merkmale 6 und 9 zeigen.

(ii) Die in der D4' fehlenden Merkmale 4 und 10 würden sich aus der D1', der D2' oder der D5' ergeben.

(iii) Die in der D6' oder D7' fehlenden Merkmale 4 und 6 würden sich aus der D3' ergeben.

Betreffend die Kombination (i) zeigt die D3 keinen Stützkörper, der den Deckel mit der Halteplatte verbindet wie dies Merkmal 9 verlangt, und die Stege erstrecken sich auch nicht bis zur Mitte wie dies Merkmal 6 verlangt. Diese Kombination kann somit prima facie nicht zum Gegenstand des Anspruchs führen.

Betreffend die Kombination (ii) ist schon fraglich, ob die Abdeckhaube 2, die in der Figur 1 der D4' gezeigt wird, als ein Deckel, der am Fahrgestell zu befestigen ist, angesehen werden kann. Außerdem, und zusätzlich zu den von der Beschwerdeführerin erwähnten Merkmalen 4 und 10, zeigt die D4' keine Halteplatte zur Aufnahme von Befestigungsmitteln, die in den Tauchkolben eingesetzt bzw. eingearbeitet sind, wie dies Merkmal 7 verlangt, und auch keinen Deckel, mittels welchem der Rollbalg am Tauchkolben festgelegt ist. Diese Kombination kann somit prima facie auch nicht zum Gegenstand des Anspruchs führen.

Betreffend die Kombination (iii) ist zu bemerken, dass auch die D3' keine Stege zeigt, die sich bis zur Mitte des Tauchkolbens erstrecken, wie dies Merkmal 6 verlangt, und keiner der Tauchkolben gemäß D3', D6', oder D7' ist nach unten offen, wie dies Merkmal 5 verlangt, so dass auch diese Kombination somit prima facie nicht zum Gegenstand des Anspruchs führen kann.

Keine der vorgebrachten Kombinationen ist daher prima facie so relevant, dass sie die angefochtene Entscheidung in Frage stellen könnte. Daher berücksichtigt die Kammer die Dokumente gemäß Artikel 114(2) EPÜ nicht.

3.3 Weitere Einwände gegen die angefochtene Entscheidung hat die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht, und die Kammer ist der Überzeugung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 aus den in der angefochtenen Entscheidung zutreffend genannten Gründen eine erfinderische Tätigkeit aufweist, so dass das Patent in der vorliegenden Fassung aufrechtzuerhalten ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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