T 0335/06 () of 7.12.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T033506.20071207
Datum der Entscheidung: 07 Dezember 2007
Aktenzeichen: T 0335/06
Anmeldenummer: 98810967.4
IPC-Klasse: C22C 21/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Warmfeste Aluminiumlegierung vom Typ AlCuMg
Name des Anmelders: Alcan Technology & Management AG
Name des Einsprechenden: Aleris Aluminum Koblenz GmbH
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 108
European Patent Convention 1973 Art 122
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 R 65(1)
European Patent Convention 1973 R 78(2)
European Patent Convention 1973 R 83(1)
European Patent Convention 1973 R 83(2)
European Patent Convention 1973 R 83(4)
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/86
G 0005/88
G 0002/97
J 0003/00
J 0011/04
T 0201/83
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0836/09
T 1171/13

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen die am 24. Februar 2006 zur Post gegebene Zwischenentscheidung, in der die Einspruchsabteilung das europäische Patent Nr. EP-B-0 989 195 in geändertem Umfang aufrecht erhielt, hat die Beschwerde führerin (Einsprechende) am 3. März 2006 Beschwerde eingelegt und am gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Zusammen mit dem Schreiben vom 29. Mai 2006 wurde eine Beschwerdebegründung eingereicht. Diese sind am 29. Mai 2006 per Fax am EPA eingegangen und wurden der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) am 9. Juni 2006 zugestellt.

II. Die Beschwerdegegnerin hat mit Schreiben vom 26. Juni 2006, eingegangen beim EPA am 30. Juni 2006, darauf hingewiesen, daß die Beschwerdebegründung die Sache T 0900/05 betraf und um die Zustellung der korrekten Unterlagen zur Beschwerdesache T 0335/06 gebeten. Dieser Schriftsatz wurde von der Geschäftstelle der Beschwerdekammer am 11. Juli 2007 an die Beschwerde führerin geschickt, worauf diese die für den Fall zutreffende Begründung am 17. Juli 2006 einreichte. Zu diesem Zeitpunkt war die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung (6. Juli 2006) jedoch bereits abgelaufen.

III. Im Bescheid vom 25. Juli 2006 wies die Kammer die Parteien darauf hin, daß die Beschwerde nicht frist gerecht gemäß Artikel 108 EPÜ begründet wurde. Da sie nichts enthalte, was als Begründung für die vorliegende Beschwerdesache T 0335/06 gewertet werden könne, sei die Beschwerde voraussichtlich als unzulässig zu verwerfen (Artikel 108 i. V. m. Regel 65(1) EPÜ). Auf Regel 84a EPÜ und den Beschluss des Präsidenten des EPA vom 11. Dezember 1998 (ABL. EPA 1999, 45) sowie auf Artikel 122 EPÜ wurde hingewiesen.

IV. Hinsichtlich des verspäteten Einreichens der Beschwerde begründung beantragte die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 12. September 2006 entweder

- die Behebung des damit verbundenen Rechtsverlusts unter dem Prinzip von Treu und Glauben (Hauptantrag); oder

- die Behebung des damit verbundenen Rechtsverlusts mittels Befugnis der Beschwerdekammer (1. Hilfs antrag); oder

- die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf der Grundlage von Artikel 122 EPÜ (2. Hilfsantrag).

Die Gebühr hierfür wurde ebenfalls am 12. September 2006 eingezahlt.

Für den Fall, dass die Kammer keinem der Anträge stattgeben könne und die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen würde, beantragte sie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

V. Am 7. Dezember 2007 fand vor der Kammer eine mündliche Verhandlung statt:

Die Beschwerdeführerin wiederholte die unter Punkt IV genannten Anträge zur Wiedereinsetzung und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 989 195.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der eingereichten Anspruchssätze gemäß Hauptantrag (Beilage B) oder gemäß Hilfsantrag (Beilage C), beide eingereicht am 7. November 2007.

VI. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"1. Verwendung einer Platte hergestellt aus einer Aluminiumlegierung vom Typ AlCuMg mit hoher mechanischer Festigkeit und hoher Wärmebeständigkeit, die im lösungsgeglühten, abgeschreckten, gestreckten und warmausgelagerten Zustand (T8) eine Fliessspannung bei Raumtemperatur von Rp0.2 > 450 MPa, nach einer Vorlagerung von 300 h bei 160ºC eine Fliessspannung bei 160ºC von Rp0.2 > 340 MPa und nach einer Kriechbelastung von 1000 h bei 160ºC unter einer Zugspannung von 260 MPa eine Dehnung von weniger als 0.5% aufweist,

mit

5.2 bis 5.4 Gew.-% Kupfer

0.45 bis 0.65 Gew.-% Magnesium

0.2 bis 0.4 Gew.-% Mangan

max. 0.2 Gew.-% Silizium

max. 0.25 Gew.-% Eisen

max. 0.15 Gew.-% Titan

0.12 bis 0.25 Gew.-% Zirkonium

wahlweise noch

0.05 bis 0.5 Gew.-% Silber

wobei die Summe von Eisen und Silizium max. 0.25 Gew.-% und die Summe von Titan und Zirkonium max. 0.25 Gew.-% beträgt, und Aluminium als Rest mit herstellungs bedingten Verunreinigungen einzeln max. 0.05 Gew.-%, insgesamt max. 0.15 Gew.-% durch die Schritte

a) Giessen eines Barrens aus der Legierung,

b) Homogenisieren des gegossenen Barrens,

c) Halten des Barrens während mindestens 2.5 h in einem Temperaturbereich von 380 bis 440ºC,

d) Warmwalzen des Barrens zur Platte im Temperaturbereich von 380 bis 440ºC,

e) Lösungsglühen der Platte,

f) Abschrecken der Platte,

g) Strecken der Platte um 1 bis 5%, und

h) Warmaushärten der Platte

zur Herstellung von Kunststoffformen."

Anspruch 1 des Hilfsantrags (Beilage C) unterscheidet sich hiervon dadurch, daß der in den Schritten c) und d) genannte Temperaturbereich auf 380 bis 410ºC eingeschränkt wurde.

VII. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Das Prinzip von Treu und Glauben entsprechend den Ausführungen in G 005/88 (ABl. EPA 1991, 137) verpflichte das EPA, eine Partei auf einen drohenden Rechtsverlust hinzuweisen, wenn der Mangel leicht erkennbar sei und noch fristgerecht behoben werden könne. Beides treffe auf die vorliegende Situation zu. Schon als die falsche Begründung am 29. Mai 2006 beim EPA eingegangen sei, hätte das EPA diesen Fehler bemerken und die Beschwerdeführerin darauf hinweisen müssen. Auf jeden Fall sei er aber durch die Eingabe der Patent inhaberin bereits am 30. Juni 2006 erkennbar gewesen. Dennoch habe die Geschäftsstelle der Beschwerdekammer die Beschwerdeführerin darüber erst am 11. Juli 2006 unterrichtet, d.h. zu einem Zeitpunkt, an dem die Beschwerde begründungs frist vom 6. Juli 2006 bereits abgelaufen war. Das Prinzip von Treu und Glauben sei somit verletzt worden.

Weiterhin sei es aus der Aktenlage unzweifelhaft erkennbar, daß die Beschwerdeführerin tatsächlich beabsichtigte, die Beschwerdebegründung rechtzeitig einzureichen und dies, wenn auch mit der vertauschten Begründung, auch getan habe. Dies werde dadurch gestützt, daß der falschen Begründung zwei Druckschriften D8 und D9 beigefügt waren. Es liege somit im Ermessen der Kammer, die verspäteten, aber dennoch relevanten Unterlagen, welche die Beschwerde korrekt begründeten, noch zuzulassen.

Schließlich handelte es sich bei der aufgetretenen Verwechselung der Unterlagen um ein einmaliges Versehen, welches trotz der Anwendung aller gebotenen Sorgfalt innerhalb eines sonst gut funktionierenden Systems in der Kanzlei leider passierte. Insbesondere hätten die kanzleiintern verwendeten Referenznummern "O.693" und "O.623" der gleichzeitig bearbeiteten Fälle aufgrund ihrer Ähnlichkeit zur Verwechselung der beiden Beschwerdebegründungen geführt, welche die sehr erfahrene und an sonsten äußerst zuverlässige Assistentin verschickte. Artikel 122 EPÜ stelle jedoch sicher, daß ein solches einmaliges Versehen entschuldbar sei und nicht schon für sich allein zu einem Rechtsverlust führe.

Die in Anspruch 1 enthaltene Aluminiumlegierung sei unter der Bezeichnung C416 im Zustand T8 aus Tabelle 1 jeder der folgenden Druckschriften bekannt:

D1: B. Skrotzki et al.: "Microstructural stability under creep conditions of two Al-Cu-Mg-Ag alloys", Materials Science Forum Vols. 217-222(1996) Seiten 1245 bis 1250 & Proceedings of the 5th International Conference ICAA5, July 1-5, 1996

D2: S. M. Kazanjian et al.: "Creep behavior and microstructural stability of Al-Cu-Mg-Ag and Al-Cu-Li-Mg-Ag alloys", Materials Science and Engineering A234-236 (1997), Seiten 571 bis 574

D3: K. M. B. Taminger et al.: "Evaluation of creep behavior of emerging aluminum alloys for supersonic aircraft applications" Proceedings of the 6th International Conference ICAA5, July 1998, Seiten 1361 bis 1366

Auch das in den Schritten a) bis h) beanspruchte Herstellungsverfahren entspreche nahezu vollständig den in D1 im Absatz "Experimental Procedure" genannten Verfahrensparametern. Im Vergleich mit der Legierung AA2618 stelle D1 (siehe "Introduction") bei dem Werkstoff C416-T8 eine verbesserte Festigkeit und Kriechfestigkeit bei erhöhten Temperaturen sowie eine erhöhte thermische Stabilität fest, welche C416 für Anwendungen bei erhöhter Temperatur geeignet mache. Die unter Absatz [003] der Patentschrift als technischer Hintergrund zitierte Druckschrift

D11: EP-A-0 756 017,

welche gleichfalls eine Legierung vom Typ AA2618 betreffe, weise bereits in der Zusammenfassung darauf hin, daß diese sich aufgrund ihrer mechanischen Festigkeit und Kriechfestigkeit für die Herstellung von in der Luft- und Raumfahrt verwendeten Bauteilen und auch von Kunststoffformen (moules de plasturgie) eigne. Daher habe es für den Fachmann auf der Hand gelegen, die in D1 bis D3 genannte Legierung C416-T8, welche die Eigenschaften von AA2618 noch übertreffe, auch für die Herstellung von Kunststoffformen zu verwenden. In der Zusammenschau von D1 und D11 sei eine erfinderische Tätigkeit mithin nicht gegeben.

Die in Anspruch 1 des Hilfsantrags vorgenommene Beschränkung des Temperaturbereichs auf 410ºC leite sich aus einem Beispielwert ab und sei somit hinsichtlich Artikel 123(2) EPÜ sowie unter Berücksichtung der in der Entscheidung T 0201/83 gemachten Ausführungen nicht zulässig.

VIII. Die Beschwerdegegnerin argumentierte wie folgt:

Hinsichtlich des Antrags auf Wiedereinsetzung könne von der Eingangsstelle des EPA nicht verlangt werden, alle nicht als "sehr dringend" bezeichnete, eingehende Post sofort zu behandeln und an die zuständige Stelle zu leiten. Dazu bedürfe es einer gewissen Zeit, was auch die Weiterleitung ihres Schreibens durch das EPA an die Einsprechende am 11. Juli 2006 erkläre. Auch dürfe ein Anwalt, wie im vorliegenden Fall offensichtlich geschehen, nicht blind auf die Zuverlässigkeit seiner Sekretärin vertrauen, sondern sei für alle Schriftstücke, welche seine Kanzlei verlassen, verantwortlich. Die Missachtung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht habe im vorliegenden Fall letztendlich zum Vertauschen der Unterlagen geführt.

Die in den Druckschriften D1 bis D3 genannte Legierung sei für Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt vorgesehen. An keiner Stelle erwähnten diese Druckschriften oder legten es nahe, daß C416-T8 sich auch für die Herstellung von Kunststoffformen eigne. Die in D11 genannte Legierung sei typmäßig zwar der Legierung AA2618 zuzuordnen, unterscheide sich jedoch wesentlich im Mg und Mn-Gehalt. Es könne somit keine Rede davon sein, daß die Lehren von D1 und D11 den beanspruchten Verwendungszweck unmittelbar nahelegten. Eine erfinderische Tätigkeit sei somit gegeben.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde; Widereinsetzung in den vorigen Stand; Artikel 122 EPÜ

1.1 In ihrem Hauptantrag beruft sich die Beschwerdeführerin unter dem Hinweis auf die Entscheidung G 002/97 der Großen Beschwerdekammer auf den Grundsatz von Treu und Glauben, wonach das EPA die Beschwerdeführerin innerhalb der noch verbleibenden Zeit über den durch das Einreichen der falschen Beschwerdebegründung drohenden Rechtsverlust hätte warnen müssen.

Aus den folgenden Gründen kann die Kammer dieser Bewertung der Sachlage jedoch nicht beipflichten. Zwar erfordert es der Grundsatz von Treu und Glauben (wie er in G 002/97, ABl. EPA 1999, 123, Punkt 4.1, dargelegt und dem auch in den Entscheidungen J 0003/00 vom 20. Dezember 2001, Punkt 2.1 und J 0011/04 vom 27 Dezember 2005, Punkt 5, gefolgt wurde), dass das EPA den Anmelder (im vorliegenden Fall die Beschwerdeführerin) auf einen drohenden Rechtsverlust hinweist. Dies setzt jedoch voraus, daß der Mangel für das EPA im Rahmen der normalen Bearbeitung des Falls in der entsprechenden Verfahrensphase leicht erkennbar ist und der Benutzer ihn noch fristgerecht beheben kann.

Im Hinblick auf das Einreichen der falschen Begründung mit Schreiben vom 29. Mai 2006 ist festzustellen, dass im Schreiben sowohl auf die richtige Beschwerdenummer, Patentnummer, Patentinhaberin und Einsprechende verwiesen wurde und nur in der diesem Schreiben angehängten Beschwerdebegründung die falsche Beschwerdenummer, Patentnummer und Patentinhaberin genannt werden. Da es "im Rahmen der normalen Bearbeitung des Falls" nicht erwartet werden kann, dass der Geschäftsstellenbeamte prüft, ob einem offenbar richtigen Anschreiben falsche Unterlagen angeheftet sind, wurde der Vorsatz von Treu und Glauben beim Eingang der Beschwerdebegründung auf keinen Fall verletzt. Dies gilt umso mehr, als auch die Beschwerdeführerin selbst nicht bemerkt hat, dass sie ihrem Schreiben falsche Unterlagen beigefügt hatte.

Dem Schreiben der Beschwerdegegnerin, eingegangen beim EPA am 30. Juni 2006, war zwar zu entnehmen, daß ihr offensichtlich die falsche Beschwerdebegründung zugeschickt worden war, jedoch ließ der Wortlaut dieses Schreibens darauf schließen, dass sie von einer Verwechselung der Unterlagen im EPA ausgegangen ist. Anders läßt sich die Bitte um Zustellung der korrekten Unterlagen vernünftigerweise nicht interpretieren. Auf jeden Fall war aus diesem Schreiben nicht sofort ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin eine falsche Begründung an das sonst in allen Punkten korrekte Deckblatt ihres Briefes vom 29. Mai 2006 angeheftet hatte.

Außerdem konnte die Geschäftsstelle der Beschwerdekammer aus der Mitteilung der Beschwerdegegnerin "im Rahmen der normalen Bearbeitung des Falles" nicht unmittelbar erkennen, daß der Beschwerdeführerin in Kürze durch den Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist ein Rechtsverlust droht. Um dies herauszufinden, hätte es eigener Nachforschungen innerhalb des elektronischen Aktenverwaltungssystems bedurft, wofür jedoch kein Anlass bestand.

Ferner ist zu berücksichtigen, daß das Schreiben der Beschwerdegegnerin erst am Freitag, den 30. Juni 2006, d.h. fünf Arbeitstage vor dem Ablauf der Beschwerde begründungsfrist am 6. Juli 2006, beim EPA eingegangen ist. Im Hinblick auf die verbleibende kurze Zeitspanne, scheint es zweifelhaft, daß das EPA die Beschwerdeführerin unter dem Grundsatz von Treu und Glauben noch zu einem Zeitpunkt hätte warnen können, der sie in die Lage versetzt hätte, den Mangel noch innerhalb der Frist zur Begründung der Beschwerde zu beheben.

In Anbetracht dieser Umstände wurde der Grundsatz von Treu und Glauben auch zu diesem Zeitpunkt nicht verletzt.

1.2 Hinsichtlich des 1. Hilfsantrags ist keine rechtliche Grundlage innerhalb des EPÜ vorhanden, welche es der Kammer erlauben könnte, aus eigenem Ermessen eine unzulässige Beschwerde für zulässig zu erklären. Eine solche Freizügigkeit im Handeln würde die Rechts sicherheit im EPA in Frage stellen.

Die Zulässigkeit der Beschwerde wird auch nicht durch das Beifügen zweier Druckschriften zu einer Begründung, welche einen anderen Beschwerdefall betrifft, erreicht, wie die Beschwerdeführerin argumentiert. Es ist in jedem Fall erforderlich, daß die Beschwerdebegründung die rechtlichen und tatsächlichen Gründe angeben muss, aus denen sich die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ergibt und warum diese deshalb aufzuheben ist. Das kommentarlose Einreichen zweier Druckschriften reicht grundsätzlich nicht als Beschwerdebegründung aus. Vielmehr muss die Beschwerdeführerin ihre Argumente so deutlich und genau vorbringen, dass die Kammer und die Patentinhaberin ohne eigene Ermittlungen unmittelbar verstehen können, warum die Entscheidung falsch sein soll und auf welche Tatsachen die Beschwerdeführerin ihre Argumente stützt. Da dies im vorliegenden Fall nicht zutrifft, kann auch dem ersten Hilfsantrag nicht entsprochen werden.

1.3 Nach der Entscheidung G 001/86 der Großen Beschwerde kammer (ABl. EPA, 1987, 447) kann ein Einsprechender, der Beschwerde führer ist, nach Artikel 122 EPÜ wieder in den vorigen Stand gesetzt werden, wenn er die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung versäumt hat.

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin zwar die zweimonatige Frist zur Einreichung der Beschwerde gegen die Entscheidung vom 24. Februar 2006 eingehalten, nicht aber die am 6. Juli 2006 endende viermonatige Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung (Artikel 108 EPÜ). Diese ging erst am 17. Juli 2006 bei EPA ein, nachdem die Kammer am 11. Juli 2006 der Beschwerdeführerin das Antwortschreiben der Patentinhaberin, datiert am 26. Juni 2006, übermittelt hatte.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses für die Einhaltung der versäumten Frist unter Glaubhaftmachung der zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen, unter Zahlung der Wiedereinsetzungsgebühr und unter Nachholung der versäumten Handlung einzureichen (Artikel 122 (2), (3) EPÜ). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, denn die Beschwerdeführerin hat glaubhaft angegeben, dass das Hindernis mit Eingang am 17. Juli 2006 der amtlichen Mitteilung vom 11. Juli 2006 weggefallen ist, weil ihr Vertreter erst zu diesem Zeit das Versenden der falschen Beschwerdebegründung und damit auch das Versäumnis der Beschwerdebegründungsfrist bemerkt hat. Deshalb wahrt der mit der Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr und der Beschwerdebegründung verbundene Wiedereinsetzungsantrag vom 12. September 2006 die gesetzlich vorgeschriebene Zweimonatsfrist.

Der Antrag ist somit nach Artikel 122(2) und (3) EPÜ zulässig.

Nach Artikel 122 (1) EPÜ vermag die Kammer allerdings nur dann wieder in den vorigen Stand einzusetzen, wenn das Fristversäumnis trotz der Beachtung aller nach den Umständen gebotenen Sorgfaltspflicht eingetreten ist.

Der Vertreter machte glaubhaft, alle für das EPA vorgesehene Unterlagen zur Einreichung des Beschwerde falls T 0335/06 korrekt vorbereitet zu haben. So habe er streng auf die Einhaltung der bestehenden Beschwerde frist (Schreiben vom 3. März 2006) und der Beschwerde begründungsfrist (Schreiben vom 29. Mai 2006) geachtet. Am selben Tag habe er auch per E-mail, die der Kammer als Kopie vorliege, den internen Kunden über die Einreichung der Beschwerde begründung unterrichtet, wobei das korrekte Schriftstück als pdf-Datei "0.693-grounds-of-appeal" angehängt war. Auch seiner sehr zuverlässigen Assistentin habe er die korrekte Beschwerdebegründung per E-mail in dieser Form zugeschickt, worauf diese die Unterlagen zum Versenden an das EPA ausgedruckt und abgesendet habe.

Wie es dabei zu der Vertauschung der Unterlagen mit denjenigen der Beschwerdesache T 0900/05 kommen konnte, ist für die Kammer nicht mehr feststellbar. Eine mögliche Erklärung könnte die Ähnlichkeit der intern benutzten Dateinummern sein, welche im Fall T 0900/05 die Nummer "0.623" trug und damit leicht mit dem vorliegenden Fall "0.693" zu verwechseln war.

Für die Kammer ist mit dieser Darstellung des Sachverhalts glaubhaft belegt, daß der Vertreter die Beschwerdesache T 0335/05 in korrekter Form und mit der nötigen Sorgfalt bearbeitet hatte und nach sorgfältiger Überwachung und unter Wahrung der jeweiligen Fristen, d.h. Tätigkeiten, welche ihm aufgrund seiner Qualifikation persönlich obliegen, die vorbereiteten Schriftstücke an das EPA verschicken ließ. Dass er dabei eine typische Routineaufgabe, zu der das Ausdrucken und Absenden von Schreiben gehört, einer entsprechend qualifizierten und stets äußerst zuverlässig arbeitenden Hilfsperson anvertraute, der die bis dahin einmalige Verwechselung der Unterlagen unterlief, kann ihm nicht vorgeworfen werden. An die Sorgfalt einer solchen Hilfsperson sind jedoch nicht die gleichen strengen Anforderungen wie an die eines Anmelders oder seines Vertreters zu stellen, so daß dieser einmalige Fehler, der zum Vertauschen der Schriftstücke führte, entschuldbar ist. Die Tatsache, welche zur Versäumnis der Beschwerdebegründungsfrist führte, stellt somit einen isolierten Fehler dar, der trotz sorgfältiger Organisation einer Kanzlei nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.

Aufgrund dieser Gegebenheiten kommt die Kammer zu der Überzeugung, daß der Vertreter der Beschwerdeführerin seiner Sorgfaltspflicht bezüglich der Beaufsichtigung seiner Assistentin nachgekommen ist. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist damit begründet. Daher sind die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung nach Artikel 122 EPÜ in die versäumte Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung gegeben.

Jedoch kann bei der vorangehend dargestellten Sachlage dem Antrag auf Rückzahlung der Wiedereinsetzungsgebühr nicht stattgegeben werden.

2. Erfinderische Tätigkeit; Artikel 56 EPÜ

2.1 Hauptantrag:

Im Einvernehmen der Parteien und der Kammer bildet die Druckschrift D1 den nächstkommenden Stand der Technik. Daraus ist die Legierung C416 T8 bekannt, welche die Zusammensetzung der im Patentanspruch 1 genannten AlCuMgMnZr-Legierung vorwegnimmt (siehe D1, Tafel 1). Das Verfahren zur Herstellung von C416 beschreibt Druckschrift D1, Seite 1245, letzter Absatz in "Experimental Procedure" bis Seite 1246: Nach einem ausgedehnten Vorheizen wurden das Material bei 441ºC auf 4,1 mm Dicke warm und dann auf 2,3 mm Dicke kalt gewalzt, 20 min bei 529ºC lösungsgeglüht, in kaltem Wasser abgeschreckt, zwischen 0.5 bis 8% gestreckt und 36 h bei 163ºC künstlich gealtert.

Die in Anspruch 1 genannten Verfahrenschritte unterscheiden sich hiervon durch

c) ein Homogenisieren des gegossenen Barrens und

d) ein Halten auf 380-440ºC für mindestens 2,5 Stunden, während D1 lediglich ein ausgedehntes Vorheizen (extended preheat) erwähnt.

Das Homogenisieren der Barren vor dem Warmwalzen entsprechend Schritt c) ist eine übliche Praxis. Offensichtlich misst das Patent dem Homogenisierungs schritt selbst keine entscheidende technische Bedeutung bei, denn es nennt im Beispiel (siehe Abs. [0018] der Patentschrift) keine genaue Temperatur. Das Warmwalzen bei 441ºC (D1) und 380-440ºC (Patent) wird als gleich angesehen, da während des Warmwalzens die Temperatur im Allgemeinen gleichmäßig und langsam abfällt und dann im beanspruchten Temperaturbereich liegt.

Im Hinblick auf Schritt d), durch den ein Al2Cu-Gefüge eingestellt wird (siehe Absatz [0013] des Patents), ist festzustellen, daß auch in D1 die Phase Al2Cu (genannt Theta' und Omega - Phase; metastabile und stabile Phase) gebildet wird. Da, wie vorangehend gezeigt, mit derselben Walztemperatur gearbeitet wird, ist auch das gleiche Produkt zu erwarten. Die Produkte nach D1 sind auch bei höheren Temperaturen sehr kriechbeständig und deshalb auch für die Herstellung von Teilen mit erhöhter Wärmebelastung vorsehen, da das Theta' und Omega-Gefüge thermisch sehr stabil ist. Dies deckt sich mit den Aussagen des Patents. Schritt d) stellt damit kein patentbegründendes Merkmal dar, weil er, obwohl nicht ausdrücklich beschrieben, zumindest nahegelegt war.

Daraus folgt, daß der einzige und wesentliche Unterschied zwischen dem Gegenstand von Patentanspruch 1 und der Lehre von D1 in der Verwendung der AlCuMgMnZr Platten zur Herstellung von Kunststoffformen besteht, während D1 lediglich die Verwendung des Werkstoffs für Bauteile, welche hohen Temperaturen ausgesetzt sind, nennt. Diese Bewertung des technischen Sachverhalts ist von der Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung nicht in Frage gestellt worden.

Allerdings vergleicht D1 auf Seite 217 die untersuchten Al-Cu-Mg-Ag Legierungen mit den auch in Absatz [0003] des Patents genannten Werkstoffen AA2618 und AA2219 und stellt ihnen gegenüber die verbesserten Hochtemperatur eigen schaften der neuen Legierung C416-T8 heraus (siehe D1, Seite 1245, Introduction). Wie die Einsprechende durch ihren Hinweis auf D11 glaubhaft nachweisen konnte, war der Werkstoff AA2618, zu dem nach den Aussagen der Patentschrift die in D11 genannte Legierung zählt, zur Herstellung von Kunststoffformen geeignet. Einen gegenüber AA2618 in seiner thermischen Stabilität verbesserten Werkstoff C416-T8 für den gleichen Verwendungszweck einzusetzen und damit die dem Patent zugrunde liegende Aufgabe zu lösen, liegt für den Fachmann jedoch auf der Hand. Daran ändert auch der Hinweis der Patentinhaberin nichts, D11 betreffe einen anderen Legierungs typ, ist es doch nach den Aussagen der Patentschrift selbst unstrittig, dass dieser der Werkstoff gruppe AA2618 zuzuordnen ist.

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags beruht damit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.2 Hilfsantrag:

In Anspruch 1 des Hilfsantrags hat die Beschwerde führerin in den Schritten c) und d) die obere Grenze des Temperaturbereichs auf 410ºC beschränkt. Grundlage für diese Änderung ist die in Abschnitt [0018] des Patents als Beispiel genannte Temperatur, auf welche die in Tabelle 1 genannten Legierungen aufgeheizt wurden.

Dieser Wert ist jedoch nicht als bevorzugte Obergrenze des in den Schritten c) und d) genannten Temperaturbereichs offenbart. Vielmehr stellt er einen singulären Wert dar, der im Zusammenwirken mit den übrigen gewählten Verfahrens parametern (z.B. der Haltedauer, der Lösungsglüh temperatur, der künstlichen Alterung usw.) die mechanischen Eigenschaften des getesteten Werkstoffs bestimmt. Eine Verallgemeinerung eines solchen Beispielwertes zu einer bevorzugten Obergrenze eines Temperaturbereichs ist im Hinblick auf Artikel 123(2) EPÜ grundsätzlich nicht möglich. Eine Ausnahme hiervon ist, wie dies T 0201/83 ausführt, nur dann möglich, wenn der Fachmann ohne weiteres erkennen kann, daß der singuläre Wert mit den übrigen Merkmalen des Beispiels nicht so eng verbunden ist, daß er die Wirkung dieser Ausführungsform der Erfindung als Ganzes und auf außergewöhnliche Weise bestimmt. Aufgrund der Wechsel wirkung der jeweiligen Legierungszusammensetzung sowohl mit der vorgenommenen Wärmebehandlung als auch der vorgenommenen mechanischen Verformung auf die endgültig erreichten Werkstoffeigenschaften trifft dies auf den vorliegenden Fall nicht zu. Eine solche Ausnahme liegt somit nicht vor.

Daraus folgt, daß Anspruch 1 des Hilfsantrags im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ unzulässig und somit nicht gewährbar ist.

3. Bei dieser Sachlage war das Patent zu widerrufen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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