European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2008:T015006.20080626 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 26 Juni 2008 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0150/06 | ||||||||
Anmeldenummer: | 95101891.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | D07B 1/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Seil als Tragmittel für Aufzüge | ||||||||
Name des Anmelders: | INVENTIO AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Otis Elevator Company | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit (nein) Hilfsantrag - erfinderische Tätigkeit (ja) |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Mit der am 22. November 2005 zur Post gegebenen Zwischenentscheidung hat die Einspruchsabteilung festgestellt, dass das europäische Patent Nr. 0 672 781 in seiner geänderten Fassung die Erfordernisse des Europäischen Patentübereinkommens erfüllt.
II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
III. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung beantragte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung äußerte die Kammer ihre vorläufige Meinung, wobei sie auf die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit einging. Insbesondere wies die Kammer darauf hin, dass die zu lösende objektive Aufgabe sehr wichtig für diese Beurteilung sei.
V. Am 26. Juni 2008 wurde vor der Kammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerführerin bestätigte ihren Antrag auf Widerruf.
Die Beschwerdegegnerin beantragte als Hauptantrag die Zurückweisung der Beschwerde und hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des während der Verhandlung eingereichten Hilfsantrags.
VI. Patentanspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Seil (1) als Tragmittel für Aufzüge, wobei das eine Seilende mit einer Kabine (13) bzw. Lastaufnahmemittel verbunden ist und tragende Litzen (4) des Seils (1) aus Aramidfasern bestehen und die tragenden Litzen (4) der äusseren Litzenlage (3) von einer ringsum geschlossenen Ummantelung (2) aus Kunststoff umgeben sind, wobei das Aramidfaserseil (1) mit dem anderen Ende mit einem Gegengewicht verbunden ist und über eine Treibscheibe angetrieben wird, und dass die Ummantelung (2) des Aramidfaserseils (1) aus Kunststoff von der Seil- Aussenumfangsseite her auch die Zwischenräume zwischen den tragenden Litzen (4) der äusseren Litzenlage (3) ausfüllt, dadurch gekennzeichnet, dass die Litzen (4) aus einzelnen Aramidfasern gedreht oder geschlagen sind, und dass jede einzelne Litze (4) mit Polyurethanlösung imprägniert worden ist, so dass sie einen Polyurethananteil zwischen zehn und sechzig Prozent aufweist."
VII. Patentanspruch 1 des Hilfsantrags lautet wie folgt:
"Seil (1) als Tragmittel für Aufzüge, wobei das eine Seilende mit einer Kabine (13) bzw. Lastaufnahmemittel verbunden ist und tragende Litzen (4) des Seils (1) aus Aramidfasern bestehen und die tragenden Litzen (4) der äusseren Litzenlage (3) von einer ringsum geschlossenen Ummantelung (2) aus Kunststoff umgeben sind, wobei das Aramidfaserseil (1) mit dem anderen Ende mit einem Gegengewicht verbunden ist und über eine Treibscheibe angetrieben wird, und dass die Ummantelung (2) des Aramidfaserseils (1) aus Kunststoff von der Seil- Aussenumfangsseite her auch die Zwischenräume zwischen den tragenden Litzen (4) der äusseren Litzenlage (3) ausfüllt, und wobei die Litzen (4) aus einzelnen Aramidfasern gedreht oder geschlagen sind, und wobei jede einzelne Litze (4) mit Polyurethanlösung imprägniert worden ist, so dass sie einen Polyurethananteil zwischen zehn und sechzig Prozent aufweist, und wobei zwischen der äusseren Litzenlage (3) und einer inneren Litzenlage (6) ein reibungsmindernder Zwischenmantel (17) aus Kunststoff angebracht ist."
VIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der nächstliegende Stand der Technik sei
A2: EP-B1-0 168 774.
A2 offenbare ein Seil mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 des Hauptantrags mit Ausnahme der Ummantelung. Ausgehend von A2 sei die zu lösende technische Aufgabe die Beibehaltung der Form des Seils, wenn das Seil gebogen wird. Eine Verbesserung der Biegefestigkeit des Seils sei bereits eine Aufgabe der A2 (siehe Seite 2, Zeilen 40/41). Die weitere Verbesserung der Biegeeigenschaften sei eine ständige Aufgabe des Fachmanns. Diese Aufgabe und ihre Lösung durch eine Ummantelung aus Kunststoff seien aus
A1: US-A-4 624 097
bekannt (siehe z.B. Spalte 2, Zeilen 34-41). Obwohl das Seil gemäß A1 für Aufzüge im allgemeinen und nicht explizit für Aufzüge mit Treibscheiben offenbart sei, sei das Seil gemäß A1 für Treibscheiben trotzdem geeignet, weil die Ummantelung wie im Streitpatent gleich ausgebildet sei. In der früheren Entscheidung T0918/02 bezüglich dieses Patents wurde bereits festgestellt, dass die Aufzugsangaben des Anspruchs 1 sich nur auf die Eignung für eine Anwendung mit Treibscheiben beschränke. Der Fachmann gelange daher ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1.
Anspruch 1 des Hilfsantrags beruhe auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil das neu eingefügte Merkmal ("Zwischenmantel") nichts neues gegenüber A2 definiere. Der Zwischenmantel des Anspruchs 1 sei mit der geflochtenen Hülse der A2 direkt vergleichbar, weil diese Hülse friktionsmindernde Eigenschaften mit sich bringe (siehe z.B. Seite 5, Zeilen 7-12). Eine zentrale Litze ("fiber core" in A2) sei als innere Litzenlage zu betrachten. Weiter auf Seite 5, Zeilen 42-47, sei eine zentrale Litze mit zehn "fiber cores" offenbart. Um diese zentrale Litze herum sei eine äußere Litzenlage von sechs weiteren Litzen mit je zehn "fiber cores" angeordnet. Dazwischen liege der Kunststoffmantel, nämlich die geflochtene Hülse um die zentrale Litze.
Selbst wenn die zentrale Litze nicht als eine innere Litzenlage zu betrachten wäre, sei die Anwendung eines Kunststoffmantels eine allgemein bekannte naheliegende Lösung, um die Reibung zwischen Litzen zu vermindern (siehe A2 Seite 5, Zeilen 7-10). Der Fachmann würde daher ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.
IX. Die Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
A2 sei als nächstliegender Stand der Technik nicht geeignet, weil A2 vom Fachmann nur als "Verfahrenspatent" betrachtet werde. Das Seil der A2 sei für Aufzüge mit Treibscheiben ungeeignet, und sei nur für Anwendungen, bei denen es um Zugkräfte geht, offenbart. Der Fachmann erkenne aus den Tabellen auf Seite 6, dass die Vergleichsangaben mit Zink/Kupfer nichts mit Aufzügen zu tun haben könne, weil diese Materialien nicht für Aufzugsseile geeignet seien. Das Seil gemäß A2 sei zudem sehr steif, weil das Polyurethan in A2 anders als im Streitpatent angewendet sei. A1 beziehe sich auch nur auf Anwendungen, bei den das Seil mit Zugkräften belastet sei. Zudem würde ein Fachmann A1 mit A2 nicht kombinieren, weil die Aussagen in Spalte 1, Zeilen 33-46 der A1 den Fachmann von einer Polyurethan-Imprägnierung wie in A2 wegführen würde. Zudem sei ein Seil 1b aus A2 nur mit einer einzigen Litze 24 aus A1 zu vergleichen und nicht mit dem ganzen Seil. Die Ummantelung in A1 beziehe sich jedoch auf die äußere Litzenlage eines ganzen Seils, wobei das Seil aus sechs Litzen 24 und nicht nur aus eine einzige Litze 24 bestehe.
Bezüglich des Hilfsantrags sei der "Zwischenmantel" in A2 an keiner Stelle offenbart. A2 offenbare nur eine zentrale Litze und keine innere Litzenlage. Die geflochtene Hülse der zentralen Litze in A2 sei auch nicht mit einem kontinuierlichen Zwischenmantel zu vergleichen. Der Zwischenmantel des Anspruchs 1 sei so angeordnet, dass er für Treibscheiben-Anwendungen besonders günstige Eigenschaften besitze, die nicht aus A2 herleitbar seien.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag
Die Kammer ist der Auffassung, dass der nächstliegende Stand der Technik A2 ist. A2 bezieht sich auf ein Seil mit hoher Zugfestigkeit und geringer Ausdehnung (siehe Seite 2, Zeilen 4 und 5 sowie 40 und 41 und Seite 3, Zeilen 1 und 2). Bei Aufzugs-Anwendungen mit Seilen, die über Treibscheiben angetrieben werden, sind gute Zugkraft-Eigenschaften verbunden mit geringer Ausdehnung immer erwünscht.
Anspruch 1 des Hauptantrags definiert ein Seil mit bestimmten Merkmalen und zusätzlich Verwendungsangaben des Seils. Die Angabe, dass das Seil über eine Treibscheibe angetrieben wird, ist somit für den Gegenstand des Anspruchs 1 nur in der Weise einschränkend, dass das beanspruchte Seil geeignet sein muss, über eine Treibscheibe angetrieben zu werden. Das Seil gemäß A2 ist als geeignet für Aufzüge mit Treibscheiben zu bewerten, weil keine Tatsachen festgestellt werden können, die es verhindern, dass es über eine Treibscheibe angetrieben werden kann. Die hohe Zugfestigkeit und die hohe Biegefestigkeit (siehe z.B. Seite 2, Zeilen 40/41 und Seite 5, Zeilen 7-10) sind zudem Eigenschaften, die für eine Anwendung bei Aufzügen sprechen. Weitere Eigenschaften eines über eine Treibscheibe angetriebenen Seils, die eine Unterscheidung von dem Seil in A2 ermöglichen würden, definiert Anspruch 1 des angegriffenen Patents nicht.
Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass A2 nur ein Herstellungsverfahren betreffe und dass die Vergleichsversuche in den Tabellen 1 und 2 auf Seite 6 dem Fachmann von einer Anwendung für Aufzüge wegführen würden. Dies ist jedoch nicht überzeugend. Wie bereits oben ausgeführt, befasst sich A2 ganz allgemein mit einem Herstellungsverfahren für Seile mit hoher Zugfestigkeit bei geringer Ausdehnung. Für den Fachmann ist es eindeutig, dass ein Seil mit solchen Eigenschaften für eine Anwendung in Aufzügen zumindest in Betracht gezogen werden kann.
Beispiele, die dazu dienen Seile mit vergleichbaren Bruchlasten zu vergleichen, können dem Fachmann nicht davon abhalten, das aus A2 abzuleitende Seil für Anwendungen, bei den es gerade auf Zugfestigkeit und geringe Ausdehnung ankommt, anzuwenden.
Die Beschwerdegegnerin hat auch geltend gemacht, dass das in A2 offenbarte Seil sehr steif und im Gegensatz zum Seil des Streitpatents ungeeignet für Treibscheiben sei. Anspruch 1 des Streitpatents definiert selbst aber nur, dass jede einzelne Litze mit Polyurethanlösung imprägniert worden ist, so dass sie einen Polyurethananteil zwischen zehn und sechzig Prozent aufweist. Aus diesen Merkmalen kann kein Festigkeitswert des Seils entnommen werden. Eine Behandlung mit Polyurethan, die sich grundsätzlich von A2 unterscheiden würde, ist weder im Anspruch 1 definiert noch im Streitpatent sonst offenbart. A2 offenbart nämlich ebenfalls die Imprägnierung von einzelnen Litzen ("fibre core" - siehe Seite 3, Zeilen 6/7), die aus einzelnen Aramidfasern gedreht sind, mit z.B. Polyurethanharz (Seite 3, Zeilen 11 bis 20) in einer Menge von z.B. 10% (Seite 3, Zeilen 29 bis 31), wobei das Harz für die Imprägnierung in einer Lösung aufgelöst werden kann (z.B. Seite 3, Zeilen 13-16). Ein Unterschied bezüglich der Festigkeit zwischen dem Seil gemäß A2 und dem Seil, das durch die Merkmale des Anspruchs 1 definiert ist, ist in dieser Hinsicht daher nicht abzuleiten.
Das Fehlen von anderen Merkmalen des im Anspruch 1 definierten Seils in A2 wurde von der Beschwerdegegnerin nicht behauptet.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von dem in A2 offenbarten Seil nur dadurch, dass die äußere Litzenlage von einer ringsum geschlossenen Ummantelung aus Kunststoff umgeben ist, die von der Seil-Außenumfangseite her auch die Zwischenräume zwischen den tragenden Litzen der äußeren Litzenlage ausfüllt.
Das Seil in A2 hat zwar eine hohe Biegefestigkeit (siehe z.B. Seite 2, Zeilen 40/41). Es bleibt jedoch eine ständige Aufgabe eines Fachmanns auch diese Eigenschaften weiter zu verbessern. Ausgehend von A2 kann daher die objektiv zu lösende technische Aufgabe in der Verbesserung der Biegefestigkeit gesehen werden. Es ist aber dem Fachmann allgemein bekannt, dass die Biegefestigkeitseigenschaften durch Beibehaltung der ursprünglichen Form eines Seils während des Biegens besser aufrechterhalten werden können. In dieser Hinsicht offenbart A1 ein Seil, das z.B. für Aufzüge geeignet ist (siehe Spalte 1, Zeilen 7 bis 9). Zudem offenbart A1, dass die Beibehaltung der Form des Seils durch eine auf das Seil extrudierte Ummantelung ("jacket 32") aus z.B. Polyurethan ermöglicht wird(siehe z.B. Spalte 2, Zeilen 34-44 und Spalte 2, Zeilen 52-56). Diese Ummantelung weist alle Merkmalen der im Anspruch 1 definierten Ummantelung auf (siehe z.B. Figur 2), was auch nicht von der Beschwerdegegnerin bestritten wurde.
Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, dass A1 sich nur auf Seile bezieht, die mit Zugkräften belastet werden und daher eine Anwendung für über Treibscheiben angetriebene Seile fern liege.
Die Beispiele in A1 (Spalte 1, Zeilen 7 bis 10) deuten jedoch auf Anwendungen, wo auch Biegekräfte sehr wichtig sind (z.B. bei Kränen und Aufzügen, die immer entweder Umlenkscheiben und/oder Aufwickeltrommeln haben). Daneben ist auch zu beachten, dass beim Antreiben des Seils in A1 über eine Treibscheibe (siehe Streitpatent, Absatz [0006]) keine anderen Probleme als beim Streitpatent auftreten, gerade weil A1 eine Ummantelung entsprechend der des Anspruchs 1 des Streitpatents aufweist.
Weiter hat die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass der Fachmann A1 mit A2 wegen der Aussagen in Spalte 1, Zeilen 33-46 nicht kombinieren würde. Diese Textstelle bezieht sich jedoch nur auf die Imprägnierung von Litzen und nicht auf die Funktion der Ummantelung. Die unabhängigen Funktionen der Litzen und der Ummantelung bei dem beschriebenen Seil ergeben sich z.B. aus der Textstelle in Spalte 2, Zeilen 56-58. Hier wird angegeben, dass auf die Ummantelung auch verzichtet werden könne.
Die Beschwerdegegnerin hat weiter argumentiert, dass ein Seil 1b aus A2 nur mit einer einzigen Litze 24 aus A1 zu vergleichen sei und nicht mit dem ganzen Seil. Dies ist jedoch unerheblich in Bezug auf die zu lösende technische Aufgabe. Die beschriebene technische Funktion der Ummantelung in A1 ist nicht durch die Anzahl oder Größe der Litzen bestimmt.
Ausgehend von A2 in Verbindung mit der Lehre der A1 gelangt der Fachmann daher ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1. Somit erfüllt der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht das Erfordernis des Artikels 56 EPÜ 1973.
2. Hilfsantrag
Durch die Änderungen im Anspruch 1 des Hilfsantrag wurde Anspruch 1 in einer einteiligen Form gebracht und gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags das folgende Merkmal hinzugefügt:
"wobei zwischen der äusseren Litzenlage (3) und einer inneren Litzenlage (6) ein reibungsmindernder Zwischenmantel (17) aus Kunststoff angebracht ist."
Einwände unter Artikel 123(2)/(3) EPÜ wurden weder geltend gemacht, noch sind solche Einwände für die Kammer feststellbar. Das hinzugefügte Merkmal war bereits sowohl im Anspruch 5 in der eingereichten Anmeldung, als auch im erteilten Patent im Anspruch 6 vorhanden. Nur das Wort "äussersten" aus dem erteilten Anspruch 6 wurde in "äusseren" beim Einfügen im Anspruch 1 geändert, weil der erteilte Anspruch 1 die Litzenlage 3 bereits als "äussere Litzenlage" definiert und nur eine äussere Litzenlage vorhanden ist.
Die Litzen gemäß Anspruch 1 sind "aus einzelnen Aramidfasern gedreht oder geschlagen". Dieses kann nur so verstanden werden, dass die einzelnen Fasern jeder Litze durch das Drehen oder Schlagen miteinander in gedrehtem Kontakt sind. Die einzige klare Offenbarung eines Seils mit einer äußeren Litzenlage in A2, bei dem die Litzen aus einzelnen Aramidfasern gedreht oder geschlagen sind, ist "composite rope 1b" (siehe z.B. Seite 3, Zeilen 6-10; Seite 4, Zeilen 42-56 und Figur 5). Wenn in diesem Seil 1b eine zentrale Litze vorhanden wäre (was nicht klar offenbart ist), wäre eine zentrale Litze ohnehin keine "Litzenlage" des Anspruchs 1. Die Kammer ist der Auffassung, dass "eine Litzenlage" zumindest aus einer Mehrzahl von Litzen bestehen muss.
In der Ausführungsform gemäß Figur 7 und Seite 5, Zeilen 19-45 sind eine innere und eine äußere Litzenlage vorhanden. Die äußere Litzenlage entspricht jedoch nicht der äußeren Litzenlage des Anspruchs 1, weil die sechs Litzen der äußeren Litzenlage in A2 nicht wie im Anspruch 1 "aus einzelnen Aramidfasern gedreht oder geschlagen sind", sondern sie bestehen je aus zehn gebündelten Litzen (d.h. zehn "fibre cores" - siehe Seite 5, Zeile 36-38)).
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, ist das hinzugefügte Merkmal daher als neu gegenüber der Offenbarung der A2 anzusehen.
Es wurde von der Beschwerdeführerin keine andere Entgegenhaltung zitiert, die eine Litzenlageanordnung mit aus einzelnen Fasern gedrehten oder geschlagenen Litzen gemäß Anspruch 1 offenbart.
Die Beschwerdeführerin hat weiter argumentiert, dass die Einfügung eines Zwischenmantels dem beanspruchten Gegenstand keine erfinderische Inhalt verleihe, weil die Verwendung eines solchen Zwischenmantels aus Kunststoff eine naheliegende reibungsmindernde Maßnahme sei, zumal A2 auf Seite 5, Zeilen 7-10 die reibungsmindernde Funktion eines derartigen Mantels bereits offenbare.
Die aus A2 entnehmbare Lehre betrifft jedoch lediglich die Ummantelung von einzelnen Litzen oder Litzengruppen. Die herangezogene aus A2 bekannte Anordnung (siehe "EXAMPLE" auf Seite 5) offenbart ein Seil (Figur 7) mit aus einzelnen Fasern (12 000 Kohlenstoff Fasern) zusammengestellten Litzen ("fibre core"), die zu größeren ummantelten Litzen gruppiert werden (zehn einzelne Litzen, "Sample A", Seite 5, Zeilen 36/37) und bei dem sieben solcher Litzen zu einem Seil geschlagen werden.
Hierbei wird deutlich, dass die reibungsmindernden geflochtenen Hülsen um die aus einzelnen Fasern gedrehten Litzen oder Litzengruppen, zwar als "Mantel" aus Kunststoff im Sinne des angefochtenen Patents zu verstehen sind, ein solcher reibungsmindernder Mantel jedoch um jede der sieben Litzengruppen vorhanden ist. Wie schon oben festgestellt wurde, entspricht eine solche Anordnung nicht die des beanspruchten Seils, denn die äußere Litzenlage ist nicht aus einzelnen Fasern gedrehten oder geschlagenen Litzen aufgebaut, sondern aus bereits ummantelten Litzengruppen.
Im Vergleich zu dem aus A2 bekannten Seil unterscheidet sich das beanspruchte Seil im wesentlichen durch das Material (Aramid statt Kohlenfasern), den äußeren Kunststoffmantel und dass zwischen der äußeren Litzenlage und einer inneren Litzenlage ein reibungsmindernder Zwischenmantel aus Kunststoff angebracht ist. Diese Merkmale tragen dazu bei, ein einfacher aufgebautes, stabiles, aber auch flexibles Seil bereitzustellen, wobei bei der Verwendung einer kleinen Treibscheibe das Seil sich wenig verformt (Biegefestigkeit) und die Zugkräfte der Treibscheibe auf das Seilinnern gut verteilt werden.
Ausgehend von A2 ist die objektiv zu lösende Aufgabe folglichdarin zu sehen, das bekannte Seil im Hinblick auf die Eigenschaften bei einer Verwendung als ein durch eine Treibscheibe angetriebenes Aufzugsseil zu verbessern.
A2 kann dem Fachmann bei der Lösung dieser Aufgabe nicht weiterhelfen, denn diese Druckschrift enthält nichts was ihn bei Seilen für Treibscheiben von Nutzen sein könnte. Zusätzlich gibt die Tatsache, dass die Verminderung der Reibung zwischen den Litzen mit dem Seil nach A2 vollständig gelöst ist, keinen Anlass die bekannte Anordnung in Richtung der beanspruchten Anordnung ändern zu wollen.
Zwar ist es im Hinblick auf die in Bezug auf den Hauptantrag herangezogene A1 als naheliegend anzusehen zur Verbesserung der Biegefestigkeit eine um das Seil extrudierte Ummantelung vorzusehen, aber A2 noch die weiter im Verfahren befindlichen Dokumente geben einen Hinweis auf die nun beanspruchte Anordnung. Der Fachmann ist - soweit ersichtlich - auch nicht anderweitig in der Lage ohne erfinderisches Zutun zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen. Jedenfalls gibt es weder einen ersichtlichen Grund, weshalb der Fachmann einen weiteren Mantel in der Anordnung nach A2 vorsehen wurde, noch eine Anregung, eine Umordnung der Litzen vorzunehmen oder bestimmte Mäntel wegzulassen und durch einen anderen zu ersetzen.
Zusammenfassend kommt die Kammer somit zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Das Erfordernis des Artikels 56 EPÜ 1973 ist somit im Bezug auf den zitierten Stand der Technik erfüllt.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen, mit der Auflage, das europäische Patent mit folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:
Ansprüche 1 bis 4,
Beschreibung Spalten 1 bis 6 mit Beiblatt 1,
jeweils eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2008;
Zeichnungen Figuren 1 - 5, wie erteilt.