European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2007:T153705.20071123 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 23 November 2007 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1537/05 | ||||||||
Anmeldenummer: | 00890005.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | A47B 9/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Arbeitstisch | ||||||||
Name des Anmelders: | Koch, Walter | ||||||||
Name des Einsprechenden: | VIBRADORM GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (nein) Zurückverweisung (nein) Rückzahlung der Beschwerdegebühr (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat am 8. Dezember 2005 gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 7. November 2005 den Einspruch zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet und am 3. März 2006 die Beschwerde schriftlich begründet.
II. Folgende Druckschriften haben in diesem Verfahren eine Rolle gespielt:
D1: US-A-5 323 695
D2: US-A-5 224 429
D3: NL-C-1 001 004 mit Übersetzung ins Deutsche
D4: WO-A-99/20152
D6: DE-U-296 01 311
Der Einspruch wurde auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100a) und b) EPÜ gestützt. Der auf Artikel 100b) EPÜ gestützte Grund wurde nicht weiter substantiiert.
III. Im Bescheid der Kammer vom 4. Juni 2007, zu dem sowohl die Beschwerdeführerin als auch der Beschwerdegegner (Patentinhaber) Stellung genommen haben, wird u.a. die Auffassung vertreten, dass eine Kombination der Druckschriften D1 und D6 in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt führen dürfte.
IV. Anspruch 1 wie erteilt lautet wie folgt:
"1. Arbeitstisch mit einem insbesondere der Höhe nach verstellbaren Gestell (2), zu dessen Verstellung wenigstens ein elektromotorischer Antrieb (4) mit einer über ein Schaltfeld (9) einer Eingabeeinheit (8) ansteuerbaren Steuereinrichtung (7) vorgesehen ist, wobei die Eingabeeinheit (8) eine Leseeinrichtung (11) für auf einen elektronischen Datenträger (12) abgespeicherte und an die Steuereinrichtung (7) auslesbare Sollwerte für die Gestellverstellung aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß die Leseeinrichtung (11) über eine Vergleicherstufe (15) für eine auf dem Datenträger (12) abgespeicherte Kennung ein Zeitglied (16) zur Freigabe des Schaltfeldes (9) ansteuert oder die auf dem Datenträger (12) abgespeicherten Sollwerte für die Gestellverstellung an die Steuereinrichtung (7) ausliest."
V. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, den Widerruf des Patents und die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, falls dem Antrag auf Widerruf nicht Aufgrund des schriftlichen Vorbringens entsprochen werden könne.
Sie hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Der kennzeichnende Teil des Anspruchs 1 beanspruche zwei Merkmale alternativ. Gemäß den elementaren Regeln der Sprachlogik sei die Aussage des Anspruchs bereits neuheitsschädlich vorweggenommen, wenn eine der Alternativen durch den Stand der Technik bekannt sei. Daher seien die Druckschriften D1 bis D4 als neuheitsschädlich zu betrachten.
Des Weiteren beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf die Kombination von D3 mit D6.
Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) hat im Wesentlichen folgendes vorgebracht:
Aufgrund der Patentbeschreibung aber auch des Oberbegriffs des Anspruchs 1 sei es für einen Fachmann klar, dass die Leseeinrichtung beim Erfassen einer auf dem Datenträger abgespeicherten Kennung das Zeitglied ansteure, sonst aber die abgespeicherten Sollwerte auslese, also in der Lage sei, beide Funktionen zu erfüllen. Dies werde durch keine der Druckschriften D1 bis D4 verwirklicht.
Gemäß der Erfindung solle die Benützung eines abgespeicherten Programms berechtigten Personen vorbehalten sein. Dies werde durch D1 nicht gewährleistet. D6 beschreibe eine Eingabe-Tastatur mit einer Zugangssperre, die bei Übermittlung einer Kennung aufgehoben werde. Somit könne mit der Zugangssperre gemäß D6 ausschließlich sichergestellt werden, dass nur berechtigte Benützer das Schaltfeld benützen können. Eine Automatische Zuordnung eines abgespeicherten Programms zu bestimmten Benützern sei nicht gegeben.
Daher führe eine Kombination von D1 und D6 nicht in naheliegender Weise zur Erfindung.
Er beantragte die Beschwerde zurückzuweisen, bzw. das Patent unverändert aufrechtzuerhalten. Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Auslegung des Anspruchs 1:
2.1 Der kennzeichnende Teil des Patentanspruchs 1 beinhaltet den folgenden Wortlaut:
"daß die Leseeinrichtung (11)
über eine Vergleicherstufe (15) für eine auf dem Datenträger (12) abgespeicherte Kennung ein Zeitglied (16) zur Freigabe des Schaltfeldes (9) ansteuert
oder
die auf dem Datenträger (12) abgespeicherten Sollwerte für die Gestellverstellung an die Steuereinrichtung (7) ausliest."
2.2 Das gemeinsame Subjekt von diesen beiden Nebensätzen ist "die Leseeinrichtung". Das heißt, dass die gleiche Leseeinrichtung entweder für die erste oder für die zweite Alternative verwendet wird. Die erste Alternative wird nicht von einer ersten Leseeinrichtung und die zweite von einer anderen Leseeinrichtung verwirklicht. Diese beiden Alternativen werden vielmehr von einer gemeinsamen Leseeinrichtung ausgeführt. Mit anderen Worten, der beanspruchte Arbeitstisch weist eine Eingabeeinheit mit einer Leseeinrichtung auf und ist dadurch gekennzeichnet, dass die Eingabeeinrichtung mit der Leseeinrichtung entweder die erste oder die zweite Alternative ausführen kann.
2.3 Ferner wird in Spalte 3, Zeilen 18 bis 27 der Patentbeschreibung angegeben: "Zum Unterschied zu herkömmlichen Steuerungen weist die Eingabeeinheit 8 jedoch zusätzlich eine Leseeinrichtung 11 für einen elektronischen Datenträger 12 auf, um entweder aufgrund einer auf dem Datenträger 12 abgespeicherten Kennung das Schaltfeld 9 zur Betätigung des Antriebes 4 freizugeben oder die auf dem Datenträger 12 abgespeicherten Sollwerte für die Arbeitstischverstellung unter Umgehung des Schaltfeldes 9 unmittelbar an die Steuereinrichtung 7 auszulesen."
2.4 Im vorliegenden Fall besteht die Aufgabe darin, einen Arbeitstisch der im Oberbegriff des Anspruchs 1 geschilderten Art so auszurüsten, dass die Verstellung des Gestells zur Anpassung des Arbeitstisches an die jeweils geforderten ergonomischen Verhältnisse entweder eine entsprechende Berechtigung voraussetzt oder weitgehend automatisch durchgeführt werden kann. (Patentbeschreibung, Absatz [0004]). Diese Aufgabe kann jedoch nur durch eine Leseeinrichtung gelöst werden, die in der Lage ist, sowohl über eine Vergleicherstufe für eine auf dem Datenträger abgespeicherte Kennung ein Zeitglied zur Freigabe des Schaltfeldes anzusteuern (Berechtigung), als auch die auf dem Datenträger abgespeicherten Sollwerte für die Gestellverstellung an die Steuereinrichtung auszulesen (automatische Durchführung).
2.5 Die Beschwerdeführerin hat die Meinung vertreten, es komme nicht darauf an, ob im Zusammenhang mit dem sonstigen Kontext vermutet werden könne, dass mit dem Anspruchswortlaut gemeint sei, dass die Leseeinrichtung in der Lage sein müsse, beide Alternativen zu erfüllen, sondern ob der Anspruch so verstanden werden könne, dass seine Aussage rein sprachlogisch erfüllt sei, wenn die Leseeinrichtung nur eine einzige der beiden Alternativen erfülle.
Dem kann nicht gefolgt werden.
Bei der Auslegung der Ansprüche sollte ein Fachmann Auslegungen die unlogisch oder technisch keinen Sinn ergeben ausräumen. Er sollte versuchen die Ansprüche so auszulegen, dass sie technisch einen Sinn ergeben und der Gesamtheit der Beschreibung gerecht werden. Der Wortlaut eines Anspruchs sollte zumindest so ausgelegt werden, dass er mit den Zielen der Erfindung übereinstimmt, das heißt, dass die zu lösende Aufgabe dadurch auch gelöst wird. Auslegungen des Wortlauts eines Anspruchs, die in keiner Weise zur Lösung der Aufgabe beitragen, obwohl gemäß der Erfindung dieser Wortlaut dies tun sollte, können vernünftiger Weise nicht von der Kammer akzeptiert werden.
3. Neuheit:
3.1 Keine der Druckschriften D1 bis D4 offenbart eine Leseeinrichtung, die sowohl in der Lage ist, über eine Vergleicherstufe die bei Übereinstimmung der auf dem Datenträger gespeicherten Kennung ein Zeitglied zur Freigabe des Schaltfeldes anzusteuern, als auch die auf dem Datenträger abgespeicherten Sollwerte für die Gestellverstellung an die Steuereinrichtung auszulesen.
Die Argumentation der Beschwerdeführerin beruht auf der vorstehend dargelegten Auslegung des Anspruchs 1, wonach dieser zwei Alternativen beinhalten würde, und daher jeder Stand der Technik der eine der beiden Alternativen offenbart, bereits neuheitsschädlich sein müsse. Da dies nicht zutrifft, ist der diesbezügliche Vortrag der Beschwerdeführerin auch nicht schlüssig.
3.2 Auch keine der anderen genannten Druckschriften offenbart diese Merkmale.
Somit ist die Neuheit gegenüber dem zitierten Stand der Technik gegeben.
4. Erfinderische Tätigkeit:
4.1 D1 stellt den nächstkommenden Stand der Technik dar.
Die Beschwerdeführerin ist von D3 ausgegangen, die jedoch kein Schaltfeld offenbart. Daher offenbart D3 auch nicht die Merkmale des Oberbegriffs und ist daher nicht der geeignete Ausgangspunkt.
Aus D1 (Spalte 16, Zeilen 12 bis 26; Figuren 1, 3, 4, 8) ist ein Arbeitstisch bekannt, mit einem insbesondere der Höhe nach verstellbaren Gestell (2), zu dessen Verstellung wenigstens ein elektromotorischer Antrieb (68) mit einer über ein Schaltfeld (133, 134) einer Eingabeeinheit (92) ansteuerbaren Steuereinrichtung vorgesehen ist, wobei die Eingabeeinheit (92) eine Leseeinrichtung für auf einen elektronischen Datenträger abgespeicherte und an die Steuereinrichtung auslesbare Sollwerte für die Gestellverstellung aufweist, wobei die Leseeinrichtung die auf dem Datenträger abgespeicherten Sollwerte für die Gestellverstellung an die Steuereinrichtung ausliest.
4.2 Der Arbeitstisch des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem gemäß D1 dadurch, dass die Leseeinrichtung über eine Vergleicherstufe für eine auf dem Datenträger abgespeicherte Kennung ein Zeitglied zur Freigabe des Schaltfeldes ansteuert.
Da eine jeweils vorteilhafte ergonomische Anpassung eines Arbeitstisches einschlägige Kenntnisse voraussetzt, sollte die Verstellung eines Arbeitstisches nur Befugten vorbehalten bleiben (Beschreibung des angefochtenen Patents, Spalte 1, Zeilen 20 bis 24).
Der Arbeitstisch gemäß D1 ist mit einem Schaltfeld ausgestattet, jedoch können die Einstellungen auch von nicht berechtigten Benützern geändert werden.
Die von der Erfindung zu lösende Aufgabe kann daher darin gesehen werden, dass bei einem automatisch einstellbaren Arbeitstisch, der zusätzlich eine Eingabeeinheit zur manuellen Verstellung des Gestells besitzt, eine Verstellung über die Eingabeeinheit nur durchgeführt werden kann, wenn eine entsprechende Berechtigung besteht (Patentbeschreibung, Absatz [0004]).
4.3 Aus D6 ist es bekannt, eine Eingabetastatur mit einem Lesegerät für das Freischalten einer Zugangssperre zu versehen, wobei das Lesegerät aus einem Transponder eine Kennung ausliest, und wenn diese als berechtigt für die Tastatur abgespeichert ist, die Zugangssperre aufhebt; wobei ein Zeitglied vorgesehen ist, das nach Ablaufen den Zugang zur Tastatur wieder sperrt (Seite 2, Zeilen 26 bis 30 und 34, 35).
D6 löst also die Aufgabe, eine Eingabetastatur nur dann freizugeben, wenn eine Berechtigung des Benützers vorliegt. Somit löst D6 im Wesentlichen die der beanspruchten Erfindung zugrunde liegende Aufgabe. Daher ist es für einen Fachmann naheliegend, die in D6 offenbarte Lehre bei einem Arbeitstisch gemäß D1 einzusetzen.
4.4 Der Beschwerdegegner hat geltend gemacht, dass beim erfindungsgemäßen Arbeitstisch das Schaltfeld nur während des durch das Zeitglied vorgegebenen Zeitfensters bedient werden könne, während in D6 das Zeitglied lediglich zum zeitverzögerten Aktivieren des Zugangssperre diene.
In D6 kann das Schaltfeld bedient werden, solange die Kennung übertragen wird, und dann auch noch während des durch das Zeitglied vorgegebenen Zeitfensters.
Demgegenüber wird gemäß der beanspruchten Erfindung auch einem berechtigten Benützer nur zeitlich begrenzt Zugang zum Schaltfeld gewährt.
Diese Art der Verwendung des Zeitgliedes trägt nicht zu Lösung der in der Patentschrift (siehe Absatz [0004]) angegebenen Aufgabe bei.
Welche zusätzliche Aufgabe dadurch gelöst werden kann, ist der Patentschrift nicht zu entnehmen.
Somit kann dieser Unterschied auch keine erfinderische Tätigkeit begründen.
4.5 Der Beschwerdegegner war auch der Ansicht, D6 offenbare eine Leseeinrichtung die nach Erkennung des Datenträgers anhand der gespeicherten Daten mittels einer Vergleicherstufe nur ein Schaltfeld freigeben könne, jedoch nicht in der Lage sei, eine Tischverstellung automatisch herbeizuführen.
Der aus D1 bekannte Arbeitstisch besitzt jedoch bereits eine Leseeinrichtung, die die auf dem Datenträger abgespeicherten Sollwerte für die Gestellverstellung an die Steuereinrichtung ausliest.
Somit ist die ausgehend vom nächstkommenden Stand der Technik (D1) zu lösende Aufgabe lediglich auf das Freigeben des Schaltfeldes für berechtigte Benützer beschränkt.
4.6 Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5. Zurückverweisung an die erste Instanz und Rückzahlung der Beschwerdegebühr:
5.1 Die Beschwerdeführerin hat die Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung beantragt, weil Ihrer Ansicht nach, die Einspruchsabteilung ihre Entscheidung aufgrund einer falschen Auslegung des Anspruchs 1 getroffen hätte.
Da die Kammer die durch die Einspruchabteilung gegebene Auslegung des Anspruchs 1 im Wesentlichen teilt und der Sachverhalt unverändert geblieben ist, bestand kein Grund die Angelegenheit zurückzuverweisen.
5.2 Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet, wenn der Beschwerde stattgegeben wird, und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht (Regel 67 EPÜ).
Selbst wenn die Kammer die von der Einspruchabteilung erstellte Auslegung des Anspruchs 1 für unrichtig gehalten hätte, so wäre diese unrichtige Beurteilung alleine kein Grund für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr, siehe u.a. T 162/82 (ABl. 1987, 533, Abschnitt 15).
Daher ist dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht stattzugeben.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.