T 1045/05 (Verfahren zur Herstellung eines Monolithium-acetylid-Komplexes/BASF … of 12.6.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T104505.20080612
Datum der Entscheidung: 12 Juni 2008
Aktenzeichen: T 1045/05
Anmeldenummer: 95115743.7
IPC-Klasse: C07F 1/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung eines Monolithium-acetylid-Ammoniak-Komplexes
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: DSM Nutritional Products Ltd
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0010/91
G 0007/95
T 0020/81
T 0990/96
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 707 008 am 8. August 2005 Beschwerde eingelegt und die Beschwerdebegründung am 14. Oktober 2005 eingereicht.

II. Die beiden unabhängigen Ansprüche des Streitpatents lauten wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung eines Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes durch Umsetzung von Lithiumamid und Acetylen in Ammoniak, dadurch gekennzeichnet, dass man die Umsetzung bei einer Temperatur von -10 bis 30ºC vornimmt."

"3. Verwendung eines nach einem Verfahren gemäß Anspruch 1 hergestellten Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes zur Ethinylierung von alpha,ß-ungesättigten Ketonen und Aldehyden."

III. Der Einspruch war wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) eingelegt worden, gestützt auf folgende Entgegenhaltungen:

(1) CH 642 936

(2) Studies in Organic Chemistry 34, "Preparative

Acetylenic Chemistry", Second edition, Seiten 13-16,

20, 21, 87 und 88

(3) US-A-3 441 621

Ferner wurde von der Patentinhaberin das Dokument:

(4) Chimia 40, 1986, 9, 323-330

vorgelegt.

IV. In der angefochtenen Entscheidung betrachtete die Einspruchsabteilung die Gegenstände der Ansprüche 1 und 3 als neu gegenüber Dokument (3).

Dokument (1) stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar, da dieses Dokument ein Verfahren zur Herstellung eines Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes offenbart. Das streitgegenständliche Verfahren unterscheide sich vom Inhalt des Dokuments (1) nur dadurch, dass es in einem Temperaturbereich von -10º bis 30ºC durchgeführt wird. Ausgehend von den Dokumenten (1) und (4) mag für den Fachmann zwar die Bildung des Komplexes auch bei höheren Temperaturen zu erwarten gewesen sein, nicht aber die verschiedenen, damit erreichbaren Verbesserungen, wie den Verzicht auf wiederholte Zugabe von Acetylen und auf ein organisches Lösungsmittel sowie die vereinfachte Kontrolle des Temperaturprofiles. Im Gegensatz zu den in Dokument (1) erhaltenen höheren Ausbeuten seien die erfindungsgemäßen niedrigeren Ausbeuten nicht entscheidend, da andere technische Aspekte zu berücksichtigen wären. Da Dokument (2) einen anderen Temperaturbereich offenbare und Dokument (3) hinsichtlich der Natur des Lösungsmittels nicht klar sei, seien diese Druckschriften weniger relevant angesehen. Daher sei eine erfinderische Tätigkeit gegeben.

V. Mit dem nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingelangten Schreiben vom 9. April 2008 zog die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) die "Rechtmäßigkeit" der Beschwerde Zweifel. Die ursprüngliche Einsprechende Roche Vitamins AG habe im Laufe des Einspruchsverfahrens in DSM Nutritional Products AG umfirmiert, was lediglich eine Namensänderung sei. Der vorgelegte Auszug aus dem Handelsregister des Kantons Aargau sei kein Beleg für einen ordnungsgemäßen, für die Beschwerdelegitimation erforderlichen Rechtsübergang.

Mit diesem Schreiben wurden ferner die Hilfsanträge 1 und 2 eingereicht, wobei die Ansprüche des letzteren wie folgt lauten.

"1. Verfahren zur Herstellung eines Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes durch Umsetzung von Lithiumamid und Acetylen in Ammoniak, dadurch gekennzeichnet, dass man die Umsetzung unter dem Eigendruck des Ammoniaks von 3 bis 15 bar bei einer Temperatur von -10 bis 30ºC vornimmt."

"2. Verwendung eines nach einem Verfahren gemäß Anspruch 1 hergestellten Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes zur Ethinylierung von alpha,ß-ungesättigten Ketonen und Aldehyden."

VI. Mit Bescheid vom 21. April 2008 wies die Kammer daraufhin, dass offenbar nur der Firmennamen der Beschwerdeführerin geändert worden sei, was keinen Rechtsübergang bewirkt hätte. Ferner ließ die Kammer die Parteien wissen, dass die Frage der - in der angefochtenen Entscheidung als gegeben erachteten - Neuheit in der mündlichen Verhandlung zur Sprache kommen werde.

VII. Mit Schreiben vom 9. Mai 2008 reichte die Beschwerdegegnerin die weiteren Hilfsanträge 3 bis 8 ein.

Die beiden Ansprüche gemäß Hilfsantrag 7 lauten wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung eines Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes durch Umsetzung von Lithiumamid und Acetylen in Ammoniak, dadurch gekennzeichnet, dass man die Umsetzung unter Eigendruck des Ammoniaks von 3 bis 15 bar bei einer Temperatur von -10 bis 30ºC vornimmt."

"2. Verfahren zur Ethinylierung von alpha,ß-ungesättigten Aldehyden und Ketonen, dadurch gekennzeichnet dass

- nach Anspruch 1 der Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplex hergestellt,

- und dieser Komplex mit alpha,ß-ungesättigten Aldehyden oder Ketonen umgesetzt wird."

Hilfsantrag 8 enthält einen einzigen, mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 identischen Anspruch.

VIII. In der mündlichen Verhandlung, die am 12. Juni 2008 stattfand, wurde der Einwand gegen die Rechtsstellung als Einsprechende und somit als Beteiligte des Beschwerdeverfahrens ausführlich diskutiert, worauf Beschwerdegegnerin ihren Einwand zurückzog, ebenso wie ihre Hilfsanträge 1, 3, 4, 5 und 6, nachdem diese von der Kammer unter Regel 80 EPÜ 2000 beanstandet worden waren.

IX. Zur erfinderischen Tätigkeit trug die Beschwerdeführerin im wesentlichem Folgendes vor:

Gemäß Druckschrift (1), welche den nächstliegenden Stand der Technik darstelle, sei die Herstellung der Lithiumacetylid-Ammoniak-Lösung an sich bekannt und könne durch Lösung von Lithium, Lithiumamid, Dilithiumamid, Lithiumhydrid, Butyllithium oder anderen geeigneten Lithiumsalzen, vorzugweise Lithium oder Lithiumamid, in flüssigem Ammoniak und gegebenenfalls Umsetzung mit Acetylen erfolgen. Für den Fachmann sei offenkundig, dass die Verdampfungstemperatur des Ammoniaks -33ºC betrage. Daher habe er zwei Alternativen zur Verfügung, um Lithiumamid und Acetylen umzusetzen, nämlich entweder unterhalb -33ºC oder oberhalb -33ºC unter Druck. Gegen das Arbeiten bei erhöhter Temperatur unter Druck bestehe keinesfalls ein Vorurteil. So sei in Dokument (1) selbst beschrieben worden, dass der Komplex in der Folgereaktion bei 10-30ºC stabil sei. Der Fachmann hätte diese Alternative berücksichtigt.

Außerdem könnten die von der Beschwerdegegnerin gegenüber Dokument (1) angeführten Vorteile, nämlich kein organisches Lösungsmittel, keine Temperaturkontrolle, keine wiederholte Acetylenzugabe und als bevorzugtes Ausgangsmaterial Lithiumamid, nicht anerkannt werden. Im erfindungsgemäß beanspruchten Verfahren seien ein organisches Lösungsmittel, eine Temperaturkontrolle, eine Acetylenzugabe nicht ausgeschlossen, Lithiumamid sei im Dokument (1) als bevorzugtes Material offenbart.

X. Die Beschwerdegegnerin wandte dagegen ein, das von der Beschwerdeführerin erwähnte Zitat beziehe sich auf die Herstellung einer Lithiumacetylid-Ammoniak-Lösung. Diese sei von der erfindungsgemäßen Herstellung eines Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes zu unterscheiden. Das beanspruchte Verfahren verwende gegenüber Dokument (1) als nächstkommenden Stand der Technik lediglich Lithiumamid als Lithium-Quelle, während in allen Beispielen vom Dokument (1) nur Lithium benutzt werde. Die Reaktion zwischen Lithium und Ammoniak setze Wasserstoff frei, welcher die Bildung und/oder die Stabilität der Lithium-acetylid-Ammoniak-Komplexe beeinflussen könne. Die durch den Gegenstand der Ansprüche des Streitpatents im Hinblick auf dieses Dokument gelöste Aufgabe sei ein verbessertes Verfahren zur Herstellung eines Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes. Zur Lösung dieser Aufgabe hätte der Fachmann in Dokument (1) keine Veranlassung gefunden, das Verfahren unter Druck von Ammoniak und im Temperaturbereich von -10ºC bis 30ºC durchzuführen und dadurch zu einem Komplex mit verbesserten Eigenschaften zu gelangen. Verbesserte und/oder vorteilhafte Eigenschaften gegenüber der Lehre des Dokuments (1) bestünden darin, dass kein Lösungsmittel notwendig sei, kein Wasserstoff während der Reaktion erzeugt werde, in Anbetracht des Temperaturbereichs ein Kühlsystem nicht notwendig sei, in Abwesenheit einer weiteren Zugabe von Acetylen das Explosionsrisiko vermindert werde und der erhaltene Komplex stabil sei. Selbst wenn die Lehre des Dokuments (1) mit den Lehren der anderen Dokumente kombiniert würde, führten diesen Kombinationen den Fachmann nicht zum erfindungsgemäßen Verfahren.

XI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 707008.

XII. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag) oder in einer der als Hilfsantrag 2 mit Schreiben vom 9. April 2008 oder als Hilfsanträge 7 und 8 mit Schreiben vom 9. Mai 2008 eingereichten Fassung.

XIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Kammer ihre Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zulässig.

Hauptantrag und Hilfsantrag 2

1. Änderungen

1.1 Das in den Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 eingefügte Merkmal "unter dem Eigendruck des Ammoniaks" entspricht dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 2. Für den Druckbereich "von 3 bis 15 bar" findet sich eine Basis auf Seite 2, Zeilen 16 bis 18 der ursprünglich eingereichten Anmeldung, sodass dieser Anspruch die Voraussetzungen des Artikels 123(2) (3) EPÜ erfüllt.

2. Neuheit

2.1 Während der mündlichen Verhandlung brachte die Beschwerdegegnerin vor, dass die Beschwerdeführerin das Streitpatent lediglich wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit angegriffen habe, nach dem Leitsatz der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 7/95 (ABl. EPA 1996, 626) ein Einwand wegen mangelnder Neuheit aber als neuer Einspruchsgrund gelte und daher nicht ohne das Einverständnis der Patentinhaberin in das Verfahren eingeführt werden dürfe. Dazu ist Folgendes festzustellen:

Zum einem wurde dieser Leitsatz von der Beschwerdegegnerin unvollständig zitiert. Es heißt dort ausdrücklich auch: ".. Die Behauptung, dass die nächstliegende Entgegenhaltung für die Patentansprüche neuheitsschädlich ist, kann jedoch bei der Entscheidung über den Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit geprüft werden."

Zum anderen war die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes schon in der angefochtenen Entscheidung diskutiert worden, sodass sie hier gar keinen neuen Grund im Sinne der Entscheidung G 10/91 (ABl. EPA 1993, 420) und G 7/95 (a.a.O) darstellt. Deshalb durfte sich die Kammer mit der Neuheit des beanspruchten Gegenstandes befassen, und zwar auch ohne Zustimmung der Beschwerdegegnerin.

2.2 Die Kammer hatte auch Veranlassung, die Frage der Neuheit des Anspruchs 3 des Hauptantrags, der gleichlautend mit Anspruch 2 des Hilfsantrags 2 ist, im Hinblick auf das Dokument (1) von Amts wegen nochmals aufzugreifen.

2.2.1 Die im Beispiel 1 vom Dokument (1) hergestellte Suspension des Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes reagiert mit 3-buten-2-on, d.h. alpha,beta-ungesättigten Keton, um 3-Methyl-4-penten-1-in-3-ol zu erzeugen.

2.2.2 Die Herstellung der Suspension erfolgt durch Auflösung von Lithium in flüssigem Ammoniak bei -40ºC und unter anschließender Umsetzung mit Acetylen. Danach wird Ammoniak abgedampft und die abdestillierte Menge laufend durch Diethyläther ersetzt.

2.2.3 Damit ergibt sich als einziger Unterschied zwischen der beanspruchten Verwendung und Dokument (1) nur das Merkmal "nach einem Verfahren gemäß Anspruch 1 hergestellten Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes".

2.2.4 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, die Neuheit sei gegeben, da der im Dokument (1) beschriebene Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplex nicht rein sei (Seite 3, linke Spalte, Zeilen 43 bis 47). Der durch das erfindungsgemäße Verfahren erzeugte Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplex weise vermutlich eine andere Koordination und eine andere Morphologie auf als der Komplex des Dokuments (1). Die Reaktionsbedingungen zur Herstellung des Komplexes müssten auch die Struktur des Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes beeinflussen, insbesondere sei der mit dem beanspruchten Verfahren erhaltene Komplex stabil (d.h. keine Bildung von Lithiumcarbid).

2.2.5 Dazu sei zunächst darauf hingewiesen, dass ein Dokument, welches eine niedermolekulare chemische Verbindung und ihre Herstellung offenbart, in aller Regel diese Verbindung in allen vom Fachmann gewünschten Reinheitsgraden der Öffentlichkeit im Sinne von Artikel 54 EPÜ zugänglich macht (T 990/96, ABl EPA 1998, 489, Punkt 7). Die Reinheit ist daher kein unterscheidendes Merkmal. Im Übrigen wurde dieser angebliche höhere Reinheitsgrad auch nicht belegt.

2.2.6 Die von der Beschwerdegegnerin behaupteten Strukturunterschiede zwischen dem Komplex des Streitpatents und demjenigen des Dokuments (1) (Stabilität, Koordination, Morphologie) sind mangels spezifischer Angaben und deren Nachweis als reine Vermutungen einzustufen, die nicht als objektive Entscheidungsgrundlage herangezogen werden können.

2.3 Da ein relevanter Unterschied zwischen dem Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplex des Dokuments (1) und dem mit dem Verfahren des Anspruchs 1 des Streitpatents gewonnen Komplex weder nachgewiesen noch an sich erkennbar ist, fehlt diesem Anspruch die Neuheit. Dies gilt auch für den wortgleichen Anspruch 2 des Hilfsantrags 2, da von der Beschwerdegegnerin nicht nachgewiesen wurde, dass die zum Verfahren gemäß Anspruch 1 hinzugefügten Merkmale (siehe Punkt 1.1) zu einem Komplex führen, der sich vom Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplex des Dokuments (1) unterscheiden lässt. Somit ist keiner dieser beiden Anträge gewährbar.

Hilfsantrag 7

3. Zulässigkeit

3.1 Anspruch 2 dieses Hilfsantrags betrifft ein Verfahren zur Ethinylierung von alpha,beta-ungesättigten Aldehyden und Ketonen (siehe Punkt VII oben).

3.2 Hinsichtlich der Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ berief sich die Beschwerdegegnerin auf Seite 2, Zeile 31 bis Seite 3, Zeile 3 der ursprünglich eingereichten Anmeldung.

Der erste Absatz betreffe zwar ein Verfahren zur Erzeugung eines Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes, das eine praktisch quantitative Acetylenumsetzung erlaubt. Hingegen erwähne der zweite Absatz explizit nur die Entfernung des Ammoniaks, die Hinzufügung eines inerten organischen Lösungsmittels und die Umsetzung des Komplexes in Gegenwart von alpha, ß-ungesättigten Ketonen oder Aldehyden. Diese weitere Verarbeitung des Komplexes gemäß Anspruch 2 erfolge ohne Einschränkung auf ein inertes organisches Lösungsmittel.

3.3 Es ist daher zweifelhaft, ob der Gegenstand des Anspruchs 2, der die Anwesenheit eines organischen Lösungsmittels nicht zwingend einschließt, nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht.

3.4 Unter diesen Umständen hat die Kammer in Ausübung des ihr von durch die Verfahrensordnung eingeräumten Ermessens entschieden, diesen spät eingereichten und nicht offenbar gewährbaren Antrag nicht zum Verfahren zuzulassen.

Hilfsantrag 8

4. Änderungen

Das eingefügte Merkmal "unter dem Eigendruck des Ammoniaks" entspricht dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 2. Für den Druckbereich "von 3 bis 15 bar" findet sich eine Basis auf Seite 2, Zeilen 16 bis 18 der ursprünglich eingereichten Anmeldung, sodass dieser Anspruch die Voraussetzungen des Artikels 123(2) (3) EPÜ erfüllt.

5. Neuheit

Die Kammer hat sich überzeugt, dass der Gegenstand des Anspruchs neu ist. Auch die Beschwerdeführerin hat im Beschwerdeverfahren keinen Einwand wegen mangelnder Neuheit erhoben.

6. Erfinderische Tätigkeit

6.1 Die Kammer sieht im Einklang mit den Parteien das Dokument (1) als den nächstliegenden Stand der Technik an.

Obwohl sich das Dokument (1) grundsätzlich mit der Erzeugung von ethinylierten Ketonen oder Aldehyden durch die Ethinylierung eines alpha,ß-ungesättigten Ketons oder Aldehyds mit einer Suspension des Lithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes befasst, offenbart auch dieses Dokument verschiedene Methoden, um einen Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplex zu erzeugen. Daher hätte der Fachmann dieses Dokument herangezogen, um die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe zu lösen.

6.2 Gemäß Dokument (1) kann ein Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplex dadurch hergestellt werden, dass man aus einer Lithiumacetylid-Ammoniak-Lösung Ammoniak abdampft und durch ein inertes organisches Lösungsmittel ersetzt, gegebenenfalls die erhaltene Suspension unter etwa 30ºC, vorzugsweise unter etwa 10ºC, mit Acetylen umsetzt (Seite 2, rechte Spalte, Zeile 26 bis 31). Die Lithiumacetylid-Ammoniak-Lösung kann durch Auflösung von Lithium, Lithiumamid, Dilithiumacetylid, Lithiumhydrid, Butyl-Lithium oder anderen geeigneten Lithiumsalzen, vorzugsweise Lithium oder Lithiumamid, in flüssigem Ammoniak und gegebenenfalls Umsetzung mit Acetylen erfolgen (Seite 3, rechte Spalte, Zeile 57 bis 62). Ferner beschreiben die Beispiele die Herstellung eines Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes in Gegenwart von Lithium, flüssigem Ammoniak und Acetylen bei -35ºC oder -40ºC (Beispiele 1 bis 5).

6.3 Angesichts dieses nächstliegenden Standes der Technik ist die der vorliegenden Erfindung zugrundeliegende technische Aufgabe zu bestimmen.

6.3.1 Gemäß der Beschwerdegegnerin bestand die objektive Aufgabe hier darin, ein verbessertes Verfahren zur Herstellung eines Lithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes bereitzustellen, das folgende Vorteile aufweist: Die beim Verfahren gemäß Dokument (1) bei Austausch des Lösungsmittels gebildeten unerwünschten Derivate (Seite 3, linke Spalte, Zeilen 43 bis 47) treten bei Verwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens nicht auf, da kein Lösungsmittelaustausch notwendig ist. Das gemäß Dokument (1) verwendete Lithium setze bei Reaktion mit Ammoniak Wasserstoff frei, welcher die Bildung und/oder die Stabilität des Lithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes beeinflussen könne. Die Umsetzung des Lithiumamids sei unter den im Dokument (1) angegebenen Reaktionsbedingungen unvollständig und könne daher zu unerwünschten Polymerisationsreaktionen führen (Spalte 1, Absatz 2 Zeilen 15 bis 23 des Streitpatents). In Anbetracht des im Anspruch 1 aufgeführten Temperaturbereichs sei ein Kühlungssystem nicht notwendig. In Abwesenheit einer weiteren Zugabe von Acetylen werde das Explosionsrisiko vermindert. Der erhaltene Komplex sei dazu stabil.

6.3.2 Dazu ist festzustellen, dass die Hinzufügung eines organischen Lösungsmittels im Anspruch 1 nicht ausgeschlossen ist, umso mehr als die Beschreibung (Spalte 2, Zeile 30 bis 33) und die Beispiele des Streitpatents den Austausch von Ammoniak durch ein organisches Lösungsmittel offenbaren. Dass keine Temperaturkontrolle notwendig sei steht in Widerspruch zum anspruchsgemäßen Temperaturbereich zwischen -10ºC und 30ºC (siehe Anspruch).

Die Kammer sieht keinen Grund zu vermuten, dass die Verfahrenbedingungen zu einem Explosionsrisiko führen. Insbesondere erwähnt das vom Autor des Dokuments (1) verfasste Dokument (4) kein solches. Diese Behauptung ist daher unsubstantiiert. Ebenfalls ist für die angebliche Beeinträchtigung der Stabilität des Komplexes durch die Bildung von Wasserstoff kein Nachweis erfolgt.

6.3.3 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern können Vorteile, auf die sich die Beschwerdegegnerin gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik beruft, die sie aber nicht ausreichend belegt, bei der Ermittlung der zu lösenden Aufgabe und damit für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Erwägung gezogen werden (u.a. T 20/81, ABl. EPA 1982, 217, Punkt 3). Im vorliegenden Fall haben die behaupteten Vorteile für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit daher außer Betracht zu bleiben.

6.4 Infolgedessen besteht die zu lösende Aufgabe hier darin, ein weiteres Verfahren zur Herstellung eines Monolithiumacetylid-Ammoniak-Komplexes bereitzustellen.

6.5 Dass diese Aufgabe tatsächlich erfolgreich gelöst wurde, wurde in Hinblick auf die Beispiele 1 und 2 von der Beschwerdeführerin nicht bestritten und sieht auch die Kammer keinen Grund, dies zu bezweifeln.

6.6 Es bleibt dann zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, zu dem beanspruchten Verfahren zu gelangen.

6.6.1 Aus Dokument (1) ist zu entnehmen, dass die Lithiumacetylid-Ammoniak-Lösung in flüssigem Ammoniak, vorzugsweise durch Lösung von Lithium oder Lithiumamid, und gegebenenfalls Umsetzung mit Acetylen erfolgen kann. Die Beispiele beschreiben den Einsatz von Lithium bei -35ºC oder -40ºC. Danach wird Ammoniak abgedampft und die abdestillierte Menge laufend durch Diäthylether ersetzt, um den Lithiumacetylid-Ammoniak-Komplex zu erzeugen.

6.6.2 Da die Herstellung des Komplexes in Dokument (1) in flüssigem Ammoniak erfolgt, erkennt der Fachmann unmittelbar die beiden möglichen Alternativen, nämlich entweder das Verfahren unter normalem Druck bei oder unterhalb -33ºC, oder unter erhöhtem Druck oberhalb -33ºC, durchzuführen. Da Dokument (1) die erste Alternative, d.i. die Herstellung der Lösung unter normalem Druck, in den Ausführungsbeispielen offenbart, wird der Fachmann es als weitere naheliegende Alternative in Betracht ziehen, das Verfahren bei erhöhter Temperatur und unter erhöhtem Druck durchzuführen, und zwar auch bei einer Temperatur und einem Druck, die zwangsläufig innerhalb der im Anspruch definierten Bereiche liegen. Er weiß nämlich, dass bei einer einheitlichen reinen Flüssigkeit Dampfdruck und Siedetemperatur nach der Dampfdruckkurve einander fest zugeordnet sind.

6.6.3 Gemäß Dokument (1) kann dazu wahlweise Lithium oder Lithiumamid zur Herstellung der Lithiumacetylid-Ammoniak-Lösung eingesetzt werden (Seite 3, rechte Spalte, Zeile 61). Daher würde der Fachmann in naheliegender Weise Lithiumamid auswählen, wenn es nötig wäre, die Bildung von Wasserstoff zu vermeiden.

6.6.4 Gemäß der Lehre von Dokument (1) wird anschließend Ammoniak abgedampft und durch ein organisches Lösungsmittel ersetzt. Die weitere Stufe ist jedoch für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht relevant, da diese Stufe im beanspruchten Verfahren nicht ausgeschlossen und in der Beschreibung des Streitpatents sogar explizit vorgesehen ist (Absatz [0016] und Beispiel 1).

6.6.5 Somit war der Fachmann, der die zugrundeliegende Aufgabe lösen will, ausgehend von Dokument (1) in naheliegender Weise zu einer innerhalb des Anspruchs fallenden Alternative gelangt.

6.7 Folglich beruht der Gegenstand dieses Antrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtenen Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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