T 0783/05 (Identifizierbares Mineralfaserprodukt/KNAUF INSULATION GMBH) of 8.7.2008

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2008:T078305.20080708
Datum der Entscheidung: 08 Juli 2008
Aktenzeichen: T 0783/05
Anmeldenummer: 00125613.0
IPC-Klasse: C03C 25/62
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung eines identifizierbaren Faserproduktes
Name des Anmelders: Knauf Insulation GmbH
Name des Einsprechenden: 01: ROCKWOOL INTERNATIONAL A/S
02: Saint-Gobain Isover G+H AG
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention Art 54(3)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 112
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Hauptantrag: Änderungen (zulässig), Neuheit (ja) - Priorität einer Entgegenhaltung (nicht gültig); Erfinderische Tätigkeit (nein) - naheliegende Alternative
Hilfsantrag I: Änderungen (unzulässig)
Hilfsantrag II: Änderungen (zulässig); Deutlichkeit (nein)
Vorlage an die Große Beschwerdekammer (zurückgewiesen)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1888/12
T 1720/16
T 3003/18
T 1556/19

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden betreffen das europäische Patent EP-B-1 108 694 mit der Priorität vom 13. Dezember 1999 (DE 19960085) und der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung eines identifizierbaren Faserproduktes". Sie wurden eingelegt von der Patentinhaberin (im folgenden: Beschwerdeführerin I) und der Einsprechenden 01 (im folgenden: Beschwerdeführerin II) und richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent auf der Grundlage des Anspruchsatzes des dritten Hilfsantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 12. April 2005, aufrechtzuerhalten.

Am Verfahren ist gemäß Artikel 107 EPÜ, zweiter Satz, außerdem beteiligt die Einsprechende 02.

II. Die Einspruchsabteilung befand, dass die Gegenstände der Ansprüche 1 der vorrangigen Anträge nicht neu seien in Hinblick auf jede der Entgegenhaltungen

E1: DE-A-19 646 813;

E2: US-A-4 032 691;

E3: J.L.C. Wijers, "Industriel lasergraveren baant zich een weg", Polytechnisch Tijdschrift, Jan. 1991, Nr.1, Seiten 40 bis 44; und

E3a: Übersetzung davon ins Deutsche;

E4: WO-A-01/14148 und

E4a: Deutsche Patentanmeldung AZ 199 39 827.5 vom 21. August 1999 (ältestes Prioritätsdokument von E4).

Da jedoch keines dieser Dokumente ein abdeckendes Vlies offenbarte, war der Gegenstand der Ansprüche des dritten Hilfsantrags neu; das dort beanspruchte Markieren des den Dämmstoff abdeckenden Vlieses war, ausgehend von

E5: DE-A-32 29 601

als nächstem Stand der Technik, auch erfinderisch, da E5 keinen Hinweis auf ein Abdeckvlies gäbe und der Fachmann allenfalls den Dämmstoff, nicht aber das Vlies mit einem Laser markiert hätte.

III. Außerdem sind u.a. die folgenden Dokumente aus dem Einspruchsverfahren bekannt:

E6: DE-U-298 22 362

E7: EP-A-0 795 424

E8: DE-A-196 30 478

E9: DE-U-296 03 918

E10: WO-A-00/45000

E12: Römpp Lexikon Chemie, 10. Aufl., Hsg. J. Falke und M. Regitz, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, DE, 1997, Seiten 1783 bis 1785 und 2376.

Die nachstehenden Dokumente wurden von der verfahrensbeteiligten Einsprechenden O2 im Beschwerdeverfahren zitiert:

E14: Ch. Roesch, Monitoring "Nachwachsende Rohstoffe", Vierter Sachstandsbericht, TAB-Arbeitsbericht Nr. 61, Juli 1999, Seiten 24 bis 26, 63 bis 68;

E15: Produktdatenbatt "Heralan-TP", Heraklith Dämmsysteme;

E16: Produktdatenbatt "Heralan-KD-035", Heraklith Dämmsysteme; und

E17: Produktdatenbatt "Heralan-BM", Heraklith Dämmsysteme.

IV. Die Beschwerdeführerin I beantragte im Beschwerde schriftsatz, das Patent im erteilten Umfang aufrecht zuerhalten, hilfsweise im Umfang eines der Hilfsanträge I bis III. Diese Hilfsanträge wurden mit Schreiben vom 5. Juni 2008 ersetzt durch die Hilfsanträge I bis IV, in deren Ansprüchen die Faserprodukte aus tierischen oder/und pflanzlichen Fasern nicht mehr mitumfasst wurden.

V. Am 8. Juli 2008 fand eine mündliche Verhandlung statt.

Nach Abschluss der Debatte der Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags im Hinblick auf E4 zog die Beschwerdeführerin I diesen Hauptantrag und in weiterer Folge auch den Hilfsantrag I zurück und machte die Hilfsanträge II bis IV, eingereicht mit Schreiben vom 5. Juni 2008, zu ihrem neuen Hauptantrag bzw. zu den neuen Hilfsanträgen I und II.

Die Beschwerdeführerin II reichte während der mündlichen Verhandlung ein auf vier Seiten handschriftlich abgefasstes, nicht näher bezeichnetes Dokument mit von der Grossen Beschwerdekammer zu beantwortenden Fragen ein. Da der genaue Wortlaut im weiteren Verfahren keine Rolle spielt, wird hier von einer Wiedergabe abgesehen und auf die Beilage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen. Die Einreichung dieses Dokuments sieht die Kammer als Antrag auf Befassung der Grossen Beschwerdekammer im Sinne von Artikel 112 EPÜ an.

VI. Die Ansprüche gemäß Hauptantrag lauten:

"1. Verfahren zur Herstellung eines identifizierbaren Mineralfaserproduktes, da durch gekennzeichnet, dass auf mindestens ei nem Oberflächenabschnitt des Mineralfaserpro dukts eine Kennzeichnung mit einem Laserstrahl aufgebracht wird.

2. Verfahren nach Anspruch 1, bei dem die Kenn zeichnung mit einem Laserstrahl auf dem betreffen den Oberflächenabschnitt eingebrannt wird."

Die Ansprüche der Hilfsanträge I und II entsprechen denen des Hauptantrags, mit der Maßgabe, dass in Anspruch 1 der Ausdruck

"welches die Bestimmungen der DIN 4102 A1 erfüllt" bzw.

"welches die Bestimmungen der Nichtbrennbarkeit gemäß DIN 4102 A1 erfüllt"

zwischen den Wörtern "Mineralfaserprodukt" und "dadurch gekennzeichnet, dass" eingefügt wurde. Hierbei wurde während der mündlichen Verhandlung der in den mit Schreiben vom 5. Juni 2008 als Hilfsanträge III und IV eingereichten Anträgen vorkommende, falsche Ausdruck "4201" durch den richtigen Ausdruck "4102" ersetzt.

VII. In ihrer Beschwerdebegründung, in weiteren Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin I im wesentlichen wie folgt argumentiert:

Die Dokumente E1 bis E3 seien durchwegs gattungsfremd und könnten den Anspruchsgegenstand weder vorwegnehmen noch nahelegen. Auch wenn die Ansprüche dies nicht explizit aussagten, so sei aus der Beschreibung doch hinreichend klar, dass es bei der Erfindung um die Markierung von Dämmstoffen gehe. E1, ein Dokument über die Kennzeichnung von Lebensmitteln mittels Laser, sei daher eindeutig gattungsfremd. E2 betreffe ein mehrlagiges phototechnisches Erzeugnis auf einem Papierträger mit einer wärmeisolierenden und einer photosensitiven Schicht und sei deshalb ebenfalls weit entfernt vom Gegenstand des Streitpatents. E3 betreffe darüber hinaus nicht die Lasermarkierung, sondern die Lasergravur. Dabei handele es sich um eine dreidimensionale Kennzeichnungsmethode, die nur auf geschlossenen Oberflächen realisierbar sei. Dies werde bestätigt durch die auf Seite 44 von E3 genannten technischen Materialien, die mit Lasergravur versehen werden könnten, nämlich z.B. Metalle, Kunststoffe, Quarz, Keramik und Email. Eine dauerhafte und eindeutige Kennzeichnung von Mineralfaserprodukten durch Lasergravur komme wegen der fehlenden geschlossenen Oberfläche nicht in Frage. Der Lichtpunktdurchmesser des laut E3 beim Gravieren verwendeten Laserstrahls sei so klein, dass beim Versuch, Mineralfaserdämmstoffe zu markieren, nur die Luftzwischenräume zwischen den extrem dünnen Fasern getroffen würden.

Da die Priorität vom 21. August 1999 nicht gültig sei, gehöre E4 nicht zum Stand der Technik. Im übrigen werde gemäß E4 die Markierung in die Fläche des Dämmstoffes eingebracht, im Gegensatz zum beanspruchten Markierungsverfahren, bei dem die Kennzeichnung auf (mindestens) einen Oberflächenabschnitt aufgebracht werde.

Durch den Hinweis in der Beschreibung auf die Bestimmungen der DIN 4102 A1 über Nichtbrennbarkeit betreffe das beanspruchte Verfahren solche Mineralfaserprodukte aus tierischen und/oder pflanzlichen Fasern, die als Baustoffe Verwendung fänden und also der DIN 4102 A1 unterfielen. Die Hilfsanträge I und II machten diesen Sachverhalt auch in den Ansprüchen deutlich. Die DIN 4102 A1 werde von der einschlägigen Industrie beachtet und ihre Vorschriften würden regelmäßig angewandt; ein Hinweis auf diese Norm sei daher die klarste Art und Weise, Eigenschaften von Mineralfaserprodukten wie Nichtbrennbarkeit und Temperaturbeständigkeit anzugeben. Dabei sei auf den Inhalt der Norm zum relevanten Zeitpunkt des Streitpatents abzustellen. Nichtbrennbarkeit gemäß DIN 4102 Brandklasse A1 sei bei Mineralfaserprodukten nur bei einem reduzierten Gehalt an Bindemittel gewährleistet. Faserprodukte aus Glasfasern, die nur mit einem höherem Bindemittelanteil herstellbar seien, der zur Brennbarkeit führe, seien vom Anspruch nicht umfasst. Laut E14 erfüllten nur Steinfasern die DIN Brandklasse A1.

VIII. Die Beschwerdeführerin II brachte im wesentlichen folgendes vor:

Der Gegenstand des Hauptantrags sei nicht neu im Hinblick auf Dokument E4. Dieses beanspruche zu Recht die älteste Priorität vom 21. August 1999, also vor dem Prioritätstag des Streitpatents. Optionale Merkmale, wie die Anwesenheit hitzeaktiver Bestandteile, die in E4a nicht offenbart seien, könnten die Gültigkeit der Priorität für in E4 enthaltene allgemeinere bzw. alternative Ausführungsformen nicht in Frage stellen. Im Übrigen seien die Bindemittel, beispielsweise Phenolharze, selbst hitzeaktiv; ihre Verfärbung durch Laserhitze sei in E4a bereits klar beschrieben. E4 offenbare nun bereits ein Verfahren zur Herstellung eines Dämmstoffes aus organischen und/oder anorganischen Fasern, bei dem eine Markierung mittels Laser in die Fläche des Dämmstoffes eingebracht werde und treffe daher den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags neuheitsschädlich.

Was die Ansprüche der Hilfsanträge I und II angehe, so sei das Merkmal der Nichtbrennbarkeit gemäß DIN 4102 A1 bei Mineralfaserprodukten automatisch erfüllt. Die beanspruchten Gegenstände seien daher ebenfalls nicht neu gegenüber E4. Hilfsantrag II genüge nicht den Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ, da im Anspruch 1 das Merkmal der Nichtbrennbarkeit weggelassen worden sei. Das Merkmal "Temperaturbeständigkeit", das ebenfalls in der Beschreibung im Zusammenhang mit den Bestimmungen der DIN 4102 A1 genannt sei, fehle ebenfalls.

IX. Die verfahrensbeteiligte Einsprechende 02 argumentierte im wesentlichen wie folgt:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei nicht neu im Hinblick auf E4, welches zu Recht die Priorität von E4a beanspruche. Bei der Prüfung der Priorität sei zu untersuchen, ob die in E4a beschriebene Erfindung auch in E4 enthalten sei. Diese Frage sei zu bejahen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei auch nicht neu im Hinblick auf E3. Dort sei unter Punkt 6 "Glasfaser" als ein mittels Laser zu markierendes Substrat genannt. Dem Fachmann sei bewusst, dass eine einzelne Glasfaser nicht beschreibbar sei. Er würde daher die genannte Stelle als klaren Hinweis auf ein Glasfaserprodukt, zum Beispiel ein Vlies aus Glasfasern, verstehen. Dies stehe in Übereinstimmung mit der Offenbarung in E3 von beispielsweise Leder, welches ebenfalls ein faserig-poröses, luftdurchlässiges Produkt sei (gemäß E12).

Selbst wenn man die Neuheit gegenüber E3 unterstelle, so habe es doch ausgehend von E5 als nächstem Stand der Technik nahegelegen, einen Laser zum Markieren der Oberfläche von Mineralfaserprodukten zu verwenden. Aus E5 sei bereits ein Markierungsverfahren bekannt, bei dem die Oberfläche einer Dämmstoffbahn mittels Heißluftdüsen markiert werde, wobei die Markierung durch die hitzbedingte Verfärbung des Bindemittels entstehe. Derartige Verfahren lieferten nur unscharfe bzw. undeutliche Konturen der Markierungen, wie dies in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents diskutiert werde. Die Aufgabe gegenüber E5 bestünde also darin, ein Verfahren zur schärferen Markierung mit feineren Linien und größerer Flexibilität beim Aufbringen anzugeben. Dem Fachmann auf dem Gebiet des Markierungswesens sei das Dokument E3 bekannt, das die Markierung einer Vielzahl von Stoffen mit einem Laser vorschlage. Die dabei laut E3 (erster Absatz) aufgrund physischer und/oder chemischer Vorgänge auftretende auffällige Verfärbung des Materials entspreche den Vorgängen bei der Markierung mit Heißluft, sei aber enger begrenzt. Der Fachmann habe daher keinen Grund gehabt anzunehmen, dass das Prinzip des Lasers bei der Markierung von Mineralfaserprodukten nicht zum Erfolg führen würde.

Die neu eingereichten Dokumente E14 bis E17 zeigten, dass der Begriff "Mineralfaserprodukt" nicht auf Baustoffe beschränkt sei, was auch von der Beschreibung des Streitpatents nicht gedeckt sei. Das neue Merkmal in den Hilfsanträgen I and II betreffend die DIN 4102 A1 sei unklar, da die DIN 4102 aus 22 Teilen bestünde und ihre letzte Modifikation von 2004 herrühre, was aus den Ansprüchen nicht hervorgehe. Die Ansprüche seien auch unzulässig erweitert worden, da im Hilfsantrag I der Zusatz "Nichtbrennbarkeit" fehle.

X. Anträge:

Die Beschwerdeführerin I beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im geänderten Umfang gemäß dem Hauptantrag, eingereicht als Hilfsantrag II mit Schreiben vom 5. Juni 2008, hilfsweise gemäß dem Hilfsantrag I, eingereicht als Hilfsantrag III mit Schreiben vom 5. Juni 2008 oder dem Hilfsantrag II, eingereicht als Hilfsantrag IV mit Schreiben vom 5. Juni 2008.

Die Beschwerdeführerin II beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents. Sie beantragt ferner die Vorlage von Fragen an die Grosse Beschwerdekammer, die handschriftlich auf dem nicht näher bezeichneten Dokument verfasst sind und als Anlage dem Protokoll der mündlichen Verhandlung beigefügt sind.

Die am Verfahren beteiligte Einsprechende 02 beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Entscheidungsgründe

1. Änderungen

1.1 Hauptantrag und Hilfsantrag II

Anspruch 1 des Hauptantrags geht aus den erteilten Ansprüchen durch Streichung der Merkmale "oder eines Faserproduktes aus tierischen oder/und pflanzlichen Fasern" und "oder des Faserproduktes aus tierischen oder/und pflanzlichen Fasern" hervor und ist damit identisch mit dem Wortlaut des Anspruchs 1 wie ursprünglich eingereicht.

Anspruch 1 des Hilfsantrags II unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass er das Merkmal "welches die Bestimmungen der Nichtbrennbarkeit gemäß DIN 4102 A1 erfüllt" enthält. Dieses Merkmal ist auf Seite 4, zweiter Absatz, der ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart. Das im selben Absatz genannte Erfordernis der "Temperaturbeständigkeit bis beispielsweise 600ºC", auf das die Beschwerdeführerin II hingewiesen hat, steht nach Auffassung der Kammer an dieser Stelle nicht im Zusammenhang mit der DIN 4102 A1. Die Nichtaufnahme dieses Merkmals in den unabhängigen Anspruch stellt daher keinen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ dar.

Die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ sind damit, was den Hauptantrag und den Hilfsantrag II betrifft, erfüllt.

1.2 Hilfsantrag I

Anspruch 1 des Hilfsantrags I enthält das Merkmal "welches die Bestimmungen gemäß DIN 4102 A1 erfüllt". Es basiert auf der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung (Seite 4, zweiter Absatz), wobei jedoch der Zusatz betreffend die Nichtbrennbarkeit weggelassen wurde.

Die Kammer sieht dies als eine unzulässige Erweiterung an, da gemäß den ursprünglichen Unterlagen die Bestimmungen der DIN 4102 A1 hinsichtlich der Nichtbrennbarkeit erfüllt sein mussten, im geänderten Anspruch aber beliebige andere in der Norm enthaltene Bestimmungen an deren Stelle treten können.

Anspruch 1 erfüllt daher nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ. Der Hilfsantrag I ist somit nicht gewährbar.

2. Deutlichkeit (Hilfsantrag II)

Anspruch 1 laut Hilfsantrag II ist unklar, da auf eine DIN Norm 4102 A1 unbestimmten Datums Bezug genommen wird. Erfahrungsgemäß werden solche Normen im Laufe der Zeit, d.h. möglicherweise noch während der Gültigkeitsdauer des Streitpatents, unter Umständen sogar mehrmals, revidiert, wobei substantielle Änderungen nicht auszuschließen sind. Die verfahrensbeteiligte Einsprechende O2 hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, dass die DIN 4102 letztmalig im Jahre 2004 modifiziert worden sei. Das Argument der Beschwerdeführerin I, dass bei der Betrachtung der DIN Norm auf den Zeitpunkt des Streitpatents abzustellen sei, überzeugt nicht, da die Beschreibung keinen derartigen Hinweis enthält.

Der Hilfsantrag II ist daher nicht gewährbar.

3. Prioritäten; Dokumente E4/E4a und E10

3.1 Die Priorität des Streitpatents vom 13. Dezember 1999 wird gültig beansprucht und wurde nicht bestritten. Die Bedingungen des Artikels 87 und 88 EPÜ sind erfüllt.

3.2 Dokument E4 ist eine am 1. März veröffentlichte internationale Anmeldung, benennt das europäische Patentamt als Bestimmungsamt und hat daher nach Artikel 153 (1) a und (2) EPÜ die Wirkung einer vorschriftsmäßigen europäischen Anmeldung. Es beansprucht als frühesten Prioritätstag den 21. August 1999, sowie die weiteren Prioritäten vom 10. Februar 2000 und vom 6. April 2000. Die beiden jüngeren Prioritätsdaten liegen nach dem relevanten Tag des Streitpatents.

Die Gültigkeit der Priorität vom 21. August 1999 wurde von der Beschwerdeführerin I in Frage gestellt, da die Dokumente E4 und E4a nicht die gleiche Erfindung beträfen bzw. Anspruchsmerkmale in E4 keine Entsprechung in E4a hätten.

3.3 Die in E4 beanspruchte Erfindung betrifft laut Anspruch 1 ein:

"Verfahren zur Herstellung eines Dämmstoffes, insbesondere aus organischen und/oder anorganischen Fasern, beispielsweise aus mit oder ohne organischen und/oder anorganischen Bindemitteln versehenen Glas-und/oder Keramikfasern, wobei den Bindemitteln hitzeaktive Bestandteile, vorzugsweise Pigmente, beigefügt werden, und/oder aus Kunststoff-Hartschaum, wie bei spielsweise expandiertem oder extrudiertem Polystyrol, Phenolharz, Polyurethanschaum oder Polyisocyanoratschaum, und/oder aus Porenbeton, Mineralschaum, Schaumglas, Sinterglas, aufgeschäumten Wasserglas oder ähnlichen sich partiell verfärbenden und/oder aufblähenden Schmelzen, wobei der Dämmstoff durch Wärmeenergie in seiner Farbe und/oder Gestalt veränderbar ist, bei dem auf zumindest einer Fläche, insbesondere einer großen Oberfläche zumindest eine Markierung als Produktbezeichnung und/oder als Schneidhilfe angeordnet wird, dadurch gekennzeichnet, dass der Dämmstoff mit zumindest einem Laserstrahl beaufschlagt wird, mit dem die Markierungen in die Flache des Dämmstoffs eingebracht werden." [Hervorhebung durch die Kammer].

Die Kammer kann es dahingestellt lassen, ob alle in E4 beanspruchten und offenbarten Ausführungsformen die Anwesenheit von hitzeaktiven Bestandteilen zwingend vorsehen, oder ob dieses Merkmal nur fakultativ zu lesen sei, wie die Beschwerdeführerin II argumentiert. Der Anspruch ist wegen des Satzbaus diesbezüglich nicht klar abgefasst. Es geht aber aus dem Anspruch eindeutig hervor, dass jedenfalls in den Ausführungsformen, wo Bindemittel zugegen ist, diesem hitzeaktive Bestandteile, vorzugsweise Pigmente, zugesetzt werden. Die Beschreibung der E4, insbesondere Seiten 3, zweiter und dritter Absatz, und Seite 7, letzter Absatz, steht dazu in keinem Widerspruch.

3.4 Das Prioritätsdokument E4a offenbart nun in Anspruch 1 ein

"Verfahren zur Herstellung eines Mineralwolleproduktes, insbesondere in Bahn- oder Plattenform, vorzugsweise aus mit Bindemitteln gebundenen Mineralfasern, bei dem die Mineralfasern nach ihrer Benetzung mit Bindemitteln auf einer Fördereinrichtung als Bahn abgelegt werden, dadurch gekennzeichnet, daß die Bahn mit zumindest einem Laserstrahl beaufschlagt wird, mit dem in eine Ober fläche der Bahn Markierungen eingebracht werden." [Hervorhebung durch die Kammer].

Das Merkmal "bei dem die Mineralfasern nach ihrer Benetzung mit Bindemitteln auf einer Fördereinrichtung als Bahn abgelegt werden" ist dabei nicht fakultativ, was man schon daraus erkennen kann, dass nachfolgend im kennzeichnenden Teil von einer Bahn gesprochen wird. Das Mineralfaserprodukt muss also zwingend in dieser Form vorliegen. Dies steht in Übereinstimmung mit der Beschreibung der E4a, Seite 5, letzter Absatz, wonach die Laserenergie das Bindemittel im Mineralwolle dämmstoff verfärbt, sodass der Schriftzug auf dem Vlies zu lesen ist. Die in E4a offenbarte Erfindung bedient sich also des Prinzips, ein Bindemittel durch Lasereinwirkung zu verfärben und so die Oberfläche des Mineralfaserprodukts zu markieren. Voraussetzung dafür ist, dass die Mineralfasern zwingend mit Bindemitteln benetzt werden. Dem Bindemittel zuzusetzende hitzeaktive Bestandteile hingegen sind in E4a an keiner Stelle offenbart. Dass laut E4a das Bindemittel selbst durch Wärmeenergie verfärbt wird (siehe Anspruch 8), stellt keine Offenbarung eines zusätzlichen, hitzeaktiven Bestandteils dar.

Daher genießt E4 nicht die Priorität von E4a, insoweit die Verfahren mit Bindemittel versehene Mineralfaserprodukte betreffen, wobei denen dem Bindemittel hitzeaktive Bestandteile zugesetzt werden, weil in E4a keine hitzeaktive Bestandteile offenbart sind. E4 genießt aber andererseits auch nicht die Priorität von E4a insoweit, als es allenfalls Verfahren betrifft, bei denen die Mineralfaserprodukte kein Bindemittel enthalten, da solche Verfahren in E4a nicht offenbart sind.

Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob auch weitere Anspruchsmerkmale von E4, nämlich dass die Markierung als Produktbezeichnung und/oder Schneidhilfe ausgeführt wird und dass der Dämmstoff durch Wärmeenergie in seiner Farbe und/oder Gestalt veränderbar ist, eine Entsprechung in E4a haben oder nicht.

Der früheste Zeitrang von E4 ist daher der vom 10. Februar 2000. Dieser Zeitrang liegt nach dem gültigen Prioritätstag des Streitpatents (13. Dezember 1999).

E4 ist daher kein älteres Recht im Sinne des Artikels 54 (3) EPÜ und daher nicht weiter zu berücksichtigen.

3.5 Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ ist Dokument E10 (Priorität vom 28. Januar 1999, veröffentlicht am 3. August 2000). Siehe auch Punkt 4.4.

4. Neuheit (Hauptantrag)

4.1. E3 offenbart ein Markierungs- und Gravurverfahren mittels Laser, anwendbar auf verschiedenste Materialien, darunter auch die Faserprodukte Leder und Papier (siehe Seite 44 des niederländischen Originaldokuments, Kasten links unten). Leder und Papier sind aber keine Mineralfaserprodukte. Zwar wird in E3 unter der Liste der mittels Laser zu markierenden Materialien unter Punkt 6 auch "fiberglas" bzw. in der deutschen Übersetzung "Glasfaser" genannt (E3, Seite 44, linke Spalte unten; bzw. E3a, vorletzte Seite, Punkt 6). Hierin will die Einsprechende O2 einen für den Fachmann eindeutigen Hinweis auf Glasfaserprodukte bzw. Mineralfaserprodukte sehen.

Die Beschwerdeführerin I argumentiert dagegen, dass der Fachmann an der genannten Stelle eine optische Glasfaser verstehen würde, deren Umhüllung es zu markieren gilt. Die Kammer ist der Auffassung, dass die Verwendung des Singulars ("Glasfaser") nicht auf ein Produkt aus einer Vielzahl von Glasfasern hinweist. Die Möglichkeit des Markierens einer Glasfaser bzw. deren Umhüllung scheint nicht völlig ausgeschlossen. Aufgrund der Tatsache, dass mehrere, nicht unplausible Interpretations möglichkeiten bestehen, die nicht allesamt unter "Mineralfaserprodukt" zu subsumieren sind, anerkennt die Kammer die Neuheit des Anspruchsgegenstandes gegenüber E3.

4.2 In E2 ist ein Verfahren zum Lasermarkieren eines Substrats offenbart, welches unter anderen auch Papier oder beschichtetes Papier sein kann (siehe Spalte 2, Zeilen 8 bis 17; Spalte 1, Beispiel 2). Da Papier zweifellos ein Faserprodukt aus pflanzlichen Fasern ist, im Gegensatz zu einem Mineralfaserprodukt, ist E2 nicht neuheitsschädlich.

4.3 E1 offenbart ein Verfahren zum Erzeugen von Bildern und Schriften in pastösen Esswaren, wie Fleisch-, Teig-, Süßwaren oder anderen Fertigprodukten der Lebensmittelindustrie mittels eines CO2- Laserbeschriftungssystems (siehe Anspruch 1). Als Substrat ist auch beispielsweise ein Schnitzel, mit oder ohne Panade, erwähnt (siehe Seite 2, Zeile 7). Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei Fleisch bzw. anderen Esswaren aus Muskelfasern um Faserprodukte handelt, da es jedenfalls keine Mineralfaserprodukte sind. Daher kommt dem Anspruch 1 des Hauptantrags Neuheit gegenüber E1 zu.

4.4 Andere Dokumente wurden nicht als neuheitsschädlich entgegengehalten und sind der Kammer auch nicht ersichtlich.

E8 betrifft das Laserbeschriften von Kunststofffolien, in die ein lasersensitives Additiv eingelagert ist. Es sind keine zu kennzeichnenden Faserprodukte oder Mineralfaserprodukte offenbart.

E9 lehrt das Kennzeichnen von Mineralfaserprodukten durch einen Kennzeichnungsstreifen, der sich über die Breite der Faserbahn erstreckt. Kennzeichnen mittels Laser ist nicht offenbart.

E10 ist nicht neuheitsschädlich, da nichts über Laserkennzeichnung ausgesagt wird.

4.5 Die Bestimmungen des Artikels 54 EPÜ sind daher erfüllt.

5. Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag)

5.1 Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Kennzeichnung eines Mineralfaserproduktes mit einem Laserstrahl.

5.2 Die Kennzeichnung von Dämmstoffbahnen aus Mineralfasern durch einen aus einer Heißluftdüse austretenden gebündelten Heißluftstrahl unter lokaler Zersetzung und Verfärbung des Bindemittels war bereits aus E5 bekannt (Seite 11 [handschriftlich], Zeilen 14 bis 30; Seite 16, Zeilen 20 bis 25). Die Verfahrensbeteiligte 02 ging schriftlich (Schreiben vom 20. Dezember 2006) und in der mündlichen Verhandlung von E5 als nächstliegendem Stand der Technik aus. Das in E5 beschriebene Verfahren weist den Nachteil auf, dass die Kennzeichnung durch den Heißluftstrahl unscharf und wenig dauerhaft ist. Siehe auch Beschreibungseinleitung des Streitpatents, Paragraphen [0005] bis [0008]. Die Kammer schließt sich dieser Analyse an.

5.3 Angesichts der Offenbarung von E5 besteht die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe darin, ein Verfahren zur Erzielung einer dauerhaften Kennzeichnung mit scharfem Konturenbild auf Mineralfaserprodukten anzugeben. Diese Aufgabe ist auch in der Beschreibung des Streitpatents (Paragraphen [0007] bis [0009]) genannt.

5.4 Zur Lösung der oben genannten Aufgabe schlägt das Streitpatent das Verfahren gemäß Anspruch 1 vor, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass die Kennzeichnung mit einem Laserstrahl aufgebracht wird.

5.5 Eine erfolgreiche Lösung der oben formulierten Aufgabe wird von der Beschwerdeführerin II und der Verfahrensbeteiligten O2 nicht bestritten und ist auch glaubhaft.

5.6 Es bleibt zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen gegeben hat, die genannte Aufgabe mit Hilfe eines Laserstrahls zu lösen.

Zur Lösung dieser Aufgabe würde der Fachmann auf dem Gebiet der Herstellung von Mineralfaserprodukten nach Meinung der Kammer sich auch auf dem Gebiet der Kennzeichnung, Markierung und Beschriftung industrieller Oberflächen umsehen bzw. einen dort tätigen Fachmann zu Rate ziehen.

Dokument E3 befasst sich mit der industriellen Lasergravur, einem Verfahren zur Herstellung von unlöschbaren Kodierungen an Produkten. Dabei wird das gewünschte Muster in einer fließenden Linie mit einem Laserstrahl im Dauer- oder Pulsbetrieb aufgebracht, wobei an der getroffenen Stelle eine kleine Materialmenge schmilzt und verdunstet (siehe E3a, Seite 1, erster, dritter und vierter Absatz). E3/E3a betrifft aber nicht nur, wie die Beschwerdeführerin I argumentiert, das Lasergravieren, sondern befasst sich auch mit der Laserkennzeichnung bzw. dem Lasermarkieren von technischen Materialien. Dies geht aus der Überschrift auf der ersten Seite ("Rasendschnell kennzeichnen und gravieren"), aus der Tabelle, Seite 43, linke Spalte (übergetitelt: "markeren" (Markieren) und aus Seite 44, Kasten links unten (übergetitelt: "Mit Laser kennzeichenbare technische Materialien") hervor. Es ist daher für die zugrundeliegende Aufgabe relevant. Aus E3 ist auch bekannt, dass das feinste Detail beim Lasermarkieren 0,1 bis 5 mm beträgt (Tabelle Seite 43). Im Übrigen darf als bekannt vorausgesetzt werden, dass ein Laserstrahl scharf zu fokussieren ist. Die Lasertechnik bot sich daher für Markierungen bzw. Kennzeichnungen mit einer hohen Konturenschärfe an. Die Einwirkung des Lasers führt zu einer auffälligen Verfärbung des Materials und dient zur unlöschbaren, also dauerhaften Kodierungen an Produkten (siehe E3a, erster Absatz, erster Satz). Ein weiterer Vorteil der Lasertechnik, insbesondere der Laserkennzeichnung ist laut E3 deren hohe Geschwindigkeit und flexible Anwendung (E3a, zweiter Absatz, vorletzter Satz). Damit bietet sich angesichts der Aufgabenstellung die Lasermarkierung, im Vergleich zur Heißluftmarkierung gemäß E5, als eine vielversprechende alternative Methode an, um dauerhafte und konturenscharfe Kennzeichnungen bzw. Markierungen zu erzielen.

5.7 Die Beschwerdeführerin I argumentiert dagegen, dass die aus den Entgegenhaltungen bekannten Materialien sämtlich eine nahezu geschlossene Oberfläche aufwiesen, im Gegensatz zur Oberfläche eines Mineralfaserproduktes, die zum Grossteil aus "Luft" bestünde. Auf einer solchen wäre es nicht zu erwarten gewesen, dass eine konturenscharfe und dauerhafte Markierung zu erzielen sei. Erfindungsgemäß werde auch auf der Oberfläche markiert, nicht in einem Oberflächenabschnitt.

Die Kammer findet diese Argumente aus folgenden Gründen nicht überzeugend: Unter der Vielzahl der in E3 aufgeführten, mit Laser markierbaren technischen Materialien befinden sich, wie erwähnt, auch die technischen und natürlichen Faserprodukte Papier und Leder. Leder weist ebenfalls keine geschlossene Oberfläche auf, sondern ist porös und luftdurchlässig (siehe E12, Seite 2376, rechte Spalte). Der Fachmann musste also nicht befürchten, dass die Markierung von Faserprodukten mittels Laserstrahl allein wegen deren Oberflächenbeschaffenheit unmöglich wäre. Die von der Beschwerdeführerin I gemachte Unterscheidung zwischen einer Markierung auf der Oberfläche und in einem Oberflächenabschnitt scheint der Kammer eine semantische zu sein, da physikalisch betrachtet jede Markierung eine, sei es auch nur geringe, Tiefenwirkung hat.

5.8 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).

6. Befassung der Großen Beschwerdekammer

6.1 Gemäß Artikel 112 (1) a EPÜ befasst die Beschwerdekammer, bei der ein Verfahren anhängig ist, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten die Große Beschwerdekammer, wenn sie hierzu eine Entscheidung für erforderlich hält. Weist die Beschwerdekammer den Antrag zurück, so hat sie die Zurückweisung in der Endentscheidung zu begründen.

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin II ihren Antrag im wesentlichen damit begründet, dass die Kammer in der mündlichen Verhandlung eine Zwischenentscheidung, betreffend die Gültigkeit der ältesten Priorität des Dokuments E4, zwar bekanntgegeben, aber nicht begründet habe. Dadurch wäre ihr die Möglichkeit entzogen worden, etwaige Gründe für eine Vorlage an die Große Beschwerdekammer zu prüfen und zu formulieren (siehe Punkt 3 des eingereichten handschriftlichen Dokuments). Außerdem hielt sie, soweit dies dem eingereichten Dokument zu entnehmen ist, einige der im Zusammenhang mit der Gültigkeit der Priorität des Dokuments E4 diskutierten Fragen für Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Artikels 112 (1) EPÜ.

6.2 Voraussetzung für eine Vorlage an die Grosse Beschwerdekammer nach Artikel 112 (1) a EPÜ ist, dass die Kammer die Entscheidung einer Frage für das anhängige Verfahren für erforderlich hält.

Diese Voraussetzung trifft im vorliegenden Fall nicht zu, da das Streitpatent aus Gründen zu widerrufen war, die nicht im Zusammenhang stehen mit der Frage der Gültigkeit der Priorität von E4, ganz abgesehen davon, dass dies eine Tatsachen- und keine Rechtsfrage wäre. Auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung kann als Vorlagegrund nicht in Frage kommen.

6.3 Der Antrag ist daher zurückzuweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

3. Der Antrag auf Befassung der Großen Beschwerdekammer wird abgewiesen.

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