T 0778/05 (Landwirtschaftliches Nutzfahrzeug/CLAAS) of 23.10.2007

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2007:T077805.20071023
Datum der Entscheidung: 23 October 2007
Aktenzeichen: T 0778/05
Anmeldenummer: 97114247.6
IPC-Klasse: A01D 41/12
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Landwirtschaftliches Nutzfahrzeug mit verstellbar angeordneten Bearbeitungsgerät
Name des Anmelders: CLAAS KGaA
Name des Einsprechenden: Deere & Company
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: Neuheit (bejaht)
Zurückverweisung an die erste Instanz
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1321/04
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit am 27. April 2005 zur Post gegebener Entscheidung wurde das europäische Patent Nr. 845 198 widerrufen. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der mit einem Haupt- bzw. einem Hilfsantrag beanspruchte Gegenstand nicht neu gegenüber der Druckschrift US-A-5 438 771 (E2) bzw. WO-A-95/16228 (E1) sei.

II. Die Patentinhaberin (nachstehend Beschwerdeführerin) hat am 17. Juni 2005 gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt und am selben Tag wurde die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerde wurde am 26. August 2005 begründet.

III. Am 23. Oktober 2007 wurde vor der Kammer mündlich verhandelt.

Während der mündlichen Verhandlung überreichte die Beschwerdeführerin sechs komplette Sätze Patentansprüche sowie eine angepasste Beschreibung für den Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 5.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis des Hauptantrages oder eines der Hilfsanträge 1 bis 5 wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung.

Der Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:

"Landwirtschaftliches Nutzfahrzeug (LNF) mit einem in seiner Lage und/oder Ausrichtung gegenüber dem Fahrzeug (f) verstellbar angeordneten Bearbeitungsgerät (b), wobei das Nutzfahrzeug eine Satellitennavigations-Empfangseinheit (GPS) aufweist,

dadurch gekennzeichnet,

dass das landwirtschaftliche Nutzfahrzeug (LNF) eine Auswerteinheit (AWE) aufweist, die aus den Daten der Satellitennavigations-Empfangseinheit (GPS) die absolute Position (Pb1, Pb2, ...) mindestens eines Referenzpunktes (b1, b2, ...) an dem Bearbeitungsgerät (b) im terrestrischen Bezugssystem bestimmt und wobei die Auswerteinheit (AWE) die absolute Position des Bearbeitungsgerätes (b) im terrestrischen Bezugssystem bestimmt und zumindest die absolute Position des Referenzpunktes (b1, b2) in einem historischen Datenkataster wieder abrufbar hinterlegt."

Die Ansprüche der Hilfsanträge 1 bis 5 sind auf ein "Landwirtschaftliches Nutzfahrzeug" gerichtet.

V. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. Die Beschwerdeführerin trug im wesentlich vor, der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages bzw. der Hilfsanträge sei schon deshalb neu, weil keine der Druckschriften E1 und E2 ein landwirtschaftliches Nutzfahrzeug im Sinne der beanspruchten Erfindung offenbare.

Die Beschwerdegegnerin widersprach diesen Ausführungen.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

1.1 Die Beschwerde ist zulässig.

1.2 Im Hinblick auf den von der Beschwerdeführerin eingereichten Handelregisterauszug vom 8. Februar 2006 (siehe die Satzungsänderung bezüglich der Firma, eingetragen am 10. März 1999) handelt es sich bei "Claas KGaA mbH" und "Claas KGaA" um dieselbe Rechtsperson.

2. Der Begriff "Landwirtschaftliches Nutzfahrzeug"

2.1 Die Beschwerdegegnerin hat im Zusammenhang mit diesem Begriff im wesentlichen vorgetragen, dass Nutzfahrzeuge, wie Planierraupen oder Bagger, als "landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge" anzusehen seien, weil sie sich für die landwirtschaftliche Nutzung eigneten.

2.2 Die Kammer kann diesem Argument aus den folgenden Gründen nicht folgen:

i) Laut ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe insbesondere T 1321/04, nicht veröffentlicht) ist den im Anspruch verwendeten Begriffen die im einschlägigen Stand der Technik übliche Bedeutung zu geben, sofern ihnen nicht in der Beschreibung ein besonderer Sinn zugewiesen wird.

Unter "Planierraupe" oder "Bagger" ist üblicherweise kein landwirtschaftliches Nutzfahrzeug zu verstehen.

In einer Passage der Patentschrift wird angegeben, dass die Erfindung "in anderen Nutzfahrzeugen anwendbar ist, wie beispielsweise Baumaschinen, die mit ihren verstellbaren Arbeitswerkzeugen eine Bodenkontur bearbeiten und umgestalten" (siehe Spalte 5, Zeilen 41 bis 49), und aus dem erteilten Anspruch 22 geht hervor, dass die Merkmale der vorstehenden Ansprüche "in einem anderen Nutzfahrzeug als einem landwirtschaftlichen Nutzfahrzeug Anwendung finden".

Daher wird in der Patentschrift deutlich zwischen "landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen" und "anderen Nutzfahrzeugen" unterschieden.

ii) Darüber hinaus ist die Bedeutung von "landwirtschaftlichem Nutzfahrzeug" dem Abschnitt 25 der Patentschrift zu entnehmen, in dem nicht nur auf Mähdrescher, sondern auch auf Kombinationen eines Traktors mit einem Pflug (Spalte 9, Zeilen 7 und 8) bzw. mit "Drillmaschinen, Sämaschinen, ..." (Spalte 9, Zeilen 16 bis 19) oder auf "Feldhäcksler, Zuckerrübenrodern, Kartoffellege- und Erntemaschinen" (Spalte 9, Zeilen 24 und 25) hingewiesen wird.

iii) Die geänderten Unterlagen des Hauptantrages bzw. jedes der Hilfsanträge 1 bis 5 unterscheiden sich von der erteilten Fassung des Patentes im wesentlichen dadurch, dass im erteilten Anspruch 22 die oben genannte Passage in Spalte 5, Zeilen 41 bis 49 sowie eine weitere Passage in Spalte 1, Zeilen 21 bis 25 gestrichen worden sind. Daher beziehen sich diese geänderten Unterlagen ausschließlich auf landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge (ohne jeglichen Hinweis auf "andere Nutzfahrzeuge").

2.3 Aus alledem folgt, dass Baumaschinen, die mit ihren verstellbaren Arbeitswerkzeugen den Boden bearbeiten oder umgestalten, keine "landwirtschaftlichen Nutzfahrzeuge" im Sinne der beanspruchten Erfindung sind.

3. Neuheit

3.1 Der Anspruch 1 des Hauptantrages bzw. jedes der Hilfsanträge 1 bis 5 ist auf ein "landwirtschaftliches Nutzfahrzeug" gerichtet.

3.2 Die Druckschrift E1 bezieht sich auf ein Nutzfahrzeug, das mit seinem Bearbeitungsgerät eine Bodenkontur bearbeitet und umgestaltet (nämlich eine Planierraupe).

Die Druckschrift US-A-5 438 771 (E2) bezieht sich auf ein Nutzfahrzeug mit einem Bearbeitungsgerät zum Lösen, Heben und Ausschütten von Erdreich (nämlich ein Bagger).

Im Hinblick auf die Ausführungen im obigen Abschnitt 2, sind Nutzfahrzeuge dieser Art keine "landwirtschaftlichen Nutzfahrzeuge" im Sinne der beanspruchten Erfindung.

3.3 Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrages bzw. der Hilfsanträge 1 bis 5 neu (Artikel 54 EPC) gegenüber die Druckschrift E1 oder die E2.

4. Weiteres Vorgehen

Im vorliegenden Fall erfolgte der Widerruf des Patentes wegen mangelnder Neuheit, so dass die Frage der erfinderischen Tätigkeit bisher nicht geprüft worden ist. Da der vorrangige Zweck des Beschwerdeverfahrens die Überprüfung von Entscheidungen der ersten Instanz ist, hält es die Kammer für geboten, von ihrem Ermessen gemäß Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch zu machen und die Sache an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage des Hauptantrags bzw. der Hilfsanträge 1 bis 5 zurückzuverweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen.

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