European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2007:T015005.20070426 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 April 2007 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0150/05 | ||||||||
Anmeldenummer: | 99104265.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | C21D 8/02 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung von mikrolegierten Baustählen | ||||||||
Name des Anmelders: | SMS Demag AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Erweiterung durch Änderungen (nein) Neuheit (ja) Erfinderische Tätigkeit (ja) Rückzahlung der Beschwerdegebühr (nein - keine Begründung vorgebracht und kein wesentlicher Verfahrensfehler erkennbar) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 99 104 265.6 Beschwerde eingelegt.
Die Prüfungsabteilung entschied, daß die Änderungen der mit Schreiben vom 25. März 2003 eingereichten Ansprüche 1-3 nach Artikel 123 (2) EPÜ zulässig sind. Außerdem wurde das beanspruchte Verfahren gemäß Anspruch 1 als neu erachtet, es beruhte allerdings auf keiner erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem nächstkommenden Stand der Technik D4 (EP-A-0 595 282) in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen des Fachmannes. Dazu wurden D3: US-A-5 622 572 sowie D5: Stahl und Eisen, 101 (1981), Seiten 593-595 herangezogen. Das Erzielen einer bestimmten Mindeststreckgrenze wurde als für den Fachmann verbleibende Aufgabe angesehen.
II. Mit dem Bescheid vom 11. Juli 2006, teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung im Hinblick auf den geltenden Anspruch 1, welcher der angefochtenen Entscheidung als einzigem Antrag zugrunde lag, mit. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 schien das Erfordernis von Artikel 56 EPÜ zu erfüllen. Außerdem wies die Kammer darauf hin, daß im vorliegenden Fall die zweiteilige Form gegenüber dem vorliegenden Stand der Technik nicht korrekt sei und daher die einteilige Form zweckmäßiger wäre. Die Anmelderin wurde aufgefordert, einen präzisierten und entsprechend modifizierten Anspruch 1 einzureichen. Des Weiteren sollte eine angepasste Beschreibung eingereicht werden, in welche die Dokumente D4 und D3 aufgenommen und kurz umrissen werden sollten, um die Erfordernisse der Regel 27(1)(b) EPÜ zu erfüllen. Die Kammer wies außerdem darauf hin, daß die Beschwerdeführerin die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt hatte, ohne in ihrer Beschwerdebegründung die Gründe dafür darzulegen.
III. Mit Schreiben datiert vom 16. Oktober 2006 reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Anspruch 1 zusammen mit geänderten Beschreibungsseiten 1 bis 4 sowie 4a und 4b ein und beantragte die Erteilung eines Patents auf der Basis dieser Unterlagen. Für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wurden keinerlei Gründe dargelegt.
IV. Unter Berücksichtigung der Beanstandungen gemäß der telefonischen Rücksprache vom 26. Oktober 2006 reichte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 7. November 2006 korrigierte Beschreibungsseiten 1 und 2 ein.
V. Die Beschwerdeführerin beantragt somit, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Beschreibung:
Seiten 1 bis 2, wie mit Schreiben vom 7. November 2006 eingereicht,
Seiten 3, 4, 4a und 4b, wie mit Schreiben vom 16. Oktober 2006 eingereicht, und
Seiten 5 bis 8 der Anmeldung, wie ursprünglich eingereicht.
Ansprüche:
Ansprüche 1 bis 3, wie mit Schreiben vom 16. Oktober 2006 eingereicht.
VI. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem einzigen Antrag lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Herstellung von mikrolegierten Baustählen durch Walzen in einer CSP-Anlage (CSP=Compact Strip Production), wobei der gegossene Brammenstrang, geteilt in Walzlängen, über einen Ausgleichsofen einer mehrgerüstigen CSP-Walzstraße zugeführt und dort kontinuierlich zu Warmbreitband ausgewalzt, in einer Kühlstrecke gekühlt und zu Bunden gehaspelt wird, wobei zur Erzielung optimaler mechanischer Eigenschaften und zur Anpassung an die spezifische thermische Vorgeschichte der in der CSP-Walzanlage mit Gussgefüge eingeführten Dünnbrammen beim Durchlauf der Dünnbramme durch die CSP-Anlage eine kontrollierte Gefügeentwicklung durch thermomechanisches Walzen durchgeführt wird, mit den Verfahrensschritten: a) Änderung der Guss-Struktur durch Einstellung definierter Temperatur- und Formänderungsbedingungen bei der ersten Umformung im ersten Walzgerüst der mehrgerüstigen CSP-Walzstraße, wobei die Temperatur oberhalb der Rekristallisations-Stop-Temperatur (TR) liegt, so dass eine vollständige Rekristallisation des Gussgefüges vor Beginn des zweiten Umformschrittes erfolgt;
b) Umformung in den letzten Walzgerüsten bei Temperaturen unterhalb der TR-Temperatur, wobei die Umformung einen Betrag von 30% nicht unterschreiten soll und die Endwalztemperatur nahe bei der Ar3-Temperatur (Temperatur der Austenit/Ferrit-Umwandlung) liegt; c) gesteuerte Abkühlung der Warmbreitbänder in der Kühlstrecke, vorzugsweise einer Laminar-Kühlstrecke, wobei bei einer Temperatur, die zwischen der Ar3-Temperatur und der BS-Temperatur (Bainit-Start-Temperatur) liegt, die polymorphe Umwandlung des Austenits erfolgt und d) dass zur Herstellung von hochfesten mikrolegierten Baustählen mit einer Streckgrenze von >= 480 MPa zur Erreichung eines optimalen Eigenschaftskomplexes bezüglich Festigkeit und Zähigkeit der Baustähle die verfügbaren Verfestigungsmechanismen komplex genutzt werden, indem zusätzlich zum thermomechanischen Walzen mit den oben genannten Verfahrensschritten eine weitere Gefügebeeinflussung in der Dünnbramme durch eine Änderung der Werkstoffzusammensetzung herbeigeführt wird, durch die
· eine gezielte Mischkristallverfestigung durch einen erhöhten Siliziumgehalt im Bereich von 0,41 bis 0,60% und/oder · eine komplexe Mischkristallverfestigung durch einen erhöhten Gehalt an Kupfer im Bereich von 0,11 bis 0,30%,
· an Chrom im Bereich von 0,20 bis 0,60%,
· an Nickel im Bereich von 0,10 bis 0,60%
erzielt wird."
VII. Bei der vorliegenden Entscheidung wurden die Dokumente D3 bis D5 und die in der vorliegenden Anmeldung zitierte DE-A-197 25 434 berücksichtigt.
VIII. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Die Änderungen von Anspruch 1 basieren auf einer Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 und 2 sowie der Beschreibung, Seite 3, Zeilen 8 bis 10 sowie den Verfahrensmerkmalen der im ursprünglichen Anspruch 1 zitierten DE-A-19725434.9-24 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung. Somit seien die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ erfüllt.
Die Neuheit des Verfahrens von Anspruch 1 wurde in der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage gestellt.
Für einen Fachmann ohne Kenntnis des beanspruchten Verfahrens ist es schwer bzw. unmöglich, die erfindungswesentlichen Merkmale aus den Dokumenten des Standes der Technik, insbesondere D4 und D5, unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung herzuleiten. Die Aufgabenstellung lautet, ausgehend vom Verfahren der nicht vorveröffentlichten DE-A-197 25 434 dieses Verfahren weiter zu verbessern bzw. zu optimieren. Durch das beanspruchte Verfahren werden bekannte metallurgisch nutzbare festigkeitssteigernde Wirkmechanismen miteinander kombiniert und ausgerichtet auf das CSP-Verfahren optimal zur Anwendung gebracht, wobei insbesondere der Mechanismus der Mischkristallverfestigung günstig beeinflußt wird.
Gemäß Artikel 54 EPÜ ist das Verständnis des Fachmanns maßgebend für die Frage, was aus einer Entgegenhaltung als bekannt zu werten ist. Nach den Richtlinien, Teil C-IV, 7.2 sind nicht genannte Merkmale, wenn sie für den Fachmann vom Inhalt miterfasst sind, neuheitsschädlich. Andererseits beschränkt sich die Neuheitsschädlichkeit nur auf den Gegenstand, der unmittelbar aus der Entgegenhaltung hervorgeht, wozu allgemein bekannte Äquivalente nicht gehören.
Selbst bei Kenntnis des erfindungsgemäßen Verfahrens sind die Dokumente des vorliegenden Standes der Technik nicht ausreichend, um die erfinderische Tätigkeit zu verneinen. So wird in der Entscheidung ausgeführt "Ob die Rekristallisation bei dieser Zwischenspeicherung vollständig abläuft, bleibt in der D4 offen. Die Prüfungsabteilung ist jedoch der Meinung, dass es aus dem Inhalt der D4 für den Fachmann klar ist, dass nach dem Vorwalzen vollständig rekristallisiert wird bevor es in der Fertigstraße fertiggewalzt wird", was von der Anmelderin bestritten wird.
Die erfinderische Tätigkeit sei somit für das Verfahren gemäß Anspruch 1 gegeben.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
1.1 Anspruch 1 basiert auf den Ansprüchen 1 und 2 sowie Seite 3, Zeilen 8 bis 10 sowie Seite 6, Zeilen 1 bis 4 der Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung in Kombination mit den Verfahrensmerkmalen a), b) und c) der im ursprünglichen Anspruch 1 zitierten, zum Anmeldetag veröffentlichten DE-A-197 25 434.9.
Die Aufnahme der Verfahrensschritte a), b) und c) aus der zitierten DE-A-197 25 434.9 bedeutet keinen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ, da aus der Beschreibung und aus Anspruch 1 der vorliegenden Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung zweifelsfrei erkennbar ist (siehe Seite 3, Zeilen 5 bis 29; Seite 4, Zeilen 1 bis 17 und Zeile 22 bis Seite 5, Zeile 1; Seite 7, Zeilen 7 bis 20; Anspruch 1), dass
i) für diese Verfahrensschritte Schutz begehrt wird,
ii) diese Verfahrensschritte zur Lösung der der Erfindung zugrunde liegenden technischen Aufgabe beitragen,
iii) diese Merkmale eindeutig zur Beschreibung der in der eingereichten Anmeldung enthaltenen Erfindung und damit zum Offenbarungsgehalt der vorliegenden Anmeldung gehören, und
iv) diese Merkmale in der Offenbarung der veröffentlichten DE-A-197 25 434 genau definiert und identifizierbar sind (siehe T 689/90, ABl. 10/1993, 616).
1.2 Die vorliegenden abhängigen Ansprüche 2 bis 3 basieren auf den Ansprüchen 2 und 3 bzw. den Ansprüchen 2 und 4 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung.
1.3 Die Änderungen der Austauschseiten der Beschreibung betreffen nur die Anpassung an Anspruch 1 bzw. wurden die Dokumente D3 und D4 darin aufgenommen und kurz umrissen, um die Erfordernisse der Regel 27(1)(b) EPÜ zu erfüllen
1.4 Somit erfüllen sowohl die Ansprüche 1 bis 3 sowie die Austauschseiten 1 bis 4, 4a und 4b die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ.
2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
2.1 Mangelnde Neuheit des beanspruchten Verfahrens von Anspruch 1 war von der Prüfungsabteilung nicht behauptet worden (siehe Entscheidungsgründe, Punkt 2, Seite 3, zweiter Absatz).
2.2 Der Kammer liegen auch keine Dokumente vor, die alle Merkmale des Anspruchs 1 aufweisen würden. Dies gilt insbesondere für D3 und D4 (siehe Punkt 3, unten). Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu (Artikel 54 EPÜ).
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
3.1 Nächster Stand der Technik
3.1.1 Übereinstimmend mit der angefochtenen Entscheidung wird Dokument D4 als nächstkommender Stand der Technik erachtet, weil es ein Verfahren zum Walzen mittels einer CSP-Anlage offenbart, allerdings mit einem ersten Vorwalzstich in der Vorwalzstraße bei einer Temperatur von über 1150ºC, d.h. oberhalb der Rekristallisationstemperatur, mit anschließender Rekristallisation sowie einem Kühlen des Bandes auf Walztemperatur für das anschließende Fertigwalzen in der CSP-Fertigstrasse (siehe Anspruch 1 In Kombination mit Spalte 2, Zeile 19 bis Spalte 3, Zeile 1). Ein "thermomechanisches Walzen" ist explizit in D4 nicht erwähnt. Die D4 zugrunde liegende Aufgabe ist, ein Verfahren bzw. eine Vorrichtung zu schaffen, mit dem bzw. mit der alle bekannten Stahlqualitäten absolut flexibel gewalzt werden können (siehe Spalte 1, Zeilen 25 bis 30). D4 offenbart weder irgendeine Stahlzusammensetzung noch irgendwelche Umformgrade beim Walzen der Dünnbrammen.
3.1.2 Gemäß D4 wird also vorgewalzt, so dass eine plastisch deformierte Dünnbramme mit rekristallisiertem Gefüge in die CSP-Fertigstrasse einläuft, während gemäß Anspruch 1 die Dünnbramme mit dem Gussgefüge in das erste Walzgerüst der CSP-Fertigstrasse eingebracht wird, wobei sich diese Dünnbramme zusätzlich auch durch die Topologie von dem vorgewalzten Produkt unterscheidet.
3.1.3 Die Beschwerdeführerin bestritt im Beschwerdeverfahren erstmalig, dass beim Verfahren gemäß D4 vollständig rekristallisiert wird, obwohl die diesbezügliche gemachte Annahme der Prüfungsabteilung - wonach die vorgewalzte Dünnbramme vollständig rekristallisiert sein dürfte - sehr plausibel erscheint.
Dies deshalb, da gemäß D4 bei einer Temperatur von über 1150ºC, d.h. weit über der Rekristallisationstemperatur, vorgewalzt und dieses vorgewalzte Material mit der Aufwickelvorrichtung 10 aufgewickelt wird. Somit kann dieses aufgewickelte, vorgewalzte Bandmaterial länger auf einer Temperatur über der Rekristallisationstemperatur bleiben, so dass es sehr wahrscheinlich ist, daß die Rekristallisation vollständig abläuft. In diesem Zusammenhang berücksichtigt die Kammer auch die Ausführungsbeispiele der zitierten DE-A-197 25 434, gemäß denen die Rekristallisation beim Walzen des Baustahls bei einer Temperatur von 1080ºC zwischen dem ersten und dritten Walzgerüst (mit geöffnetem zweiten Walzgerüst) abläuft. Diese Annahme der Prüfungsabteilung wird daher, auch aus der Einschätzung der Kammer, als plausibel erachtet.
3.1.4 Die Beschwerdeführerin hat im gesamten Prüfungs- und Beschwerdeverfahren nicht bestritten, dass
a) warmgewalztes Stahlband in der Regel ein "Baustahl" ist,
b) dass der Hinweis in D4 auf "das optimale Einstellen des Temperaturverlaufs in der Fertigstrasse" vom Fachmann als Hinweis auf das "thermomechanische Walzen" verstanden wird, und
c) dass, da "Baustahl" im Allgemeinen nicht bainitisch ist, beim thermomechanischen Walzen die Bedingung c) von Anspruch 1 erfüllt sein muß (d.h. gesteuerte Abkühlung in der Kühlstrecke bei einer Temperatur zwischen der Ar3-Temperatur und der BS-Temperatur).
Obwohl die Aufgabe der vorliegenden Anmeldung bzw. der Erfindung ausgehend von diesem nicht vorveröffentlichten Stand der Technik DE-A-197 25 434 definiert wurde, bildet D4 tatsächlich den nächstkommenden Stand der Technik gemäß Artikel 54 EPÜ.
3.2 Aufgabe
Das Verfahren nach Anspruch 1 unterscheidet sich von demjenigen nach D4 dadurch, dass die Dünnbramme mit Gussgefüge direkt thermomechanisch in der CSP-Walzstraße gewalzt wird, so dass eine vollständige Rekristallisation des Gussgefüges vor dem zweiten Umformschritt erfolgt, wobei die Umformung in den letzten Walzgerüsten mit einem Umformgrad erfolgt, der 30% nicht unterschreitet, und bei dem der Baustahl bestimmte Zusätze von 0.41-0.60 % Si und/oder, 0.11-0.30 % Cu, 0.20-0.60 % Cr, 0.10-0.60 % Ni aufweist.
Ausgehend von D4 wird die mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 zu lösende objektive Aufgabe darin gesehen, einen Baustahl höchster Festigkeitsklasse mit einer Mindeststreckgrenze von mindestens 480 MPa mit einem ferritisch-perlitischen Gefüge mittels CSP-Anlage herzustellen (vgl. ursprünglich eingereichte Anmeldung, Seite 3, Zeilen 21 bis 29).
3.3 Lösung der Aufgabe
Das Verfahren gemäß Anspruch 1 löst die unter Punkt 3.2 definierte Aufgabe.
Aufgrund der Beispiele der Anmeldung geht die Kammer davon aus, daß das thermomechanische Walzen bei den angegebenen Bedingungen in Kombination mit den Legierungszusätzen des Baustahls zu einer effektiven Erhöhung der Streckgrenze führt (siehe Seite 7, dritter und vierter Absatz).
3.4 Die Lösung dieser Aufgabe gemäß Anspruch 1 beruht aus den folgenden Gründen auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3.5 Keines der vorliegenden Dokumente D3 bis D5 gibt dem Fachmann eine Anregung für den Gegenstand von Anspruch 1, wonach
a)das thermomechanische Walzen der Dünnbramme mit Gussstruktur, deren Gussgefüge im ersten Walzstich geändert und vor der zweiten Umformung vollständig rekristallisiert wird, mit
b) Umformgraden von mindestens 30% in den letzten Walzstichen und einer Endtemperatur nahe der Ar3-Temperatur erfolgt, mit
c) einem Baustahl zu kombinieren ist, der mit einem definierten Gehalt von spezifischen Legierungselementen aus der Gruppe von Si, und/oder Cu, Cr, Ni legiert wurde.
3.6 D3 offenbart einen mikrolegierten Baustahl enthaltend (in Gew.%) 0.05 C, 1.30 Mn, 0.020 P, 0.010 S, 0.25 Si, 0.30 Ni, 0.18 Cr, 0.05 Mo, 0.30 Cu, 0.06 V, 0.035 Nb und 0.05 Al, der eine Mindeststreckgrenze ("minimum yield strength") von mindestens 65 ksi, entsprechend 450 MPa, aufweist (vgl. Beispiele 1-4; und Spalte 2, Zeilen 2 bis 25).
3.6.1 Gemäß einem ersten Walzverfahren von Beispiel 1 erfolgt das erste Walzen bei 1037.8-926.7ºC mit weiterem Walzen bei 871.1-787.8ºC.
3.6.2 Die zweite Walzvariante von Beispiel 1 stellt ein thermomechanisches Walzen dar, bei dem die Austenitkorngröße kontrolliert und jede Rekristallisation vermieden werden soll. Das Walzen beginnt nach dem Homogenisierungsglühen bei 1204.4-1287.8ºC und das wesentliche Walzen erfolgt beim Abkühlen im Temperaturbereich von 1037.8-879.4ºC. Dabei wird das Walzen im Temperaturbereich des Transformationsbeginns eingestellt (d.h. bei ca. 879.4ºC) und das Blech kann mittels Wassersprühnebels gekühlt werden (siehe Spalte 5, Zeilen 40 bis 57), anschließend kann dann im Bereich von 897.4-721.1ºC weiter gewalzt werden. Das fertige Blech darf dann langsam auf Raumtemperatur abkühlen oder durch Abschrecken von einer Temperatur über 721.1ºC abgekühlt werden (siehe Spalte 2, Zeilen 30 bis 56; Spalte 5, Zeilen 40 bis 57).
3.6.3 D3 macht keine allgemeinen Aussagen über den Umformgrad beim Walzen. Gemäß Variante 1 von Beispiel 1 wird von einer Dicke von 10 inch (25.4 cm) auf 2 inch (5.08 cm) und schließlich auf 1.25 inch (3.175 cm) heruntergewalzt. Somit erfolgt im ersten Stich eine Umformung mit einer Dickenabnahme von 10-2 inch = 8 inch (20.32 cm), entsprechend einer Stichabnahme von 80.0%, und im zweiten Stich mit einer Dickenabnahme von 2-1.25 inch = 0.75 inch (1.905 cm) entsprechend einer Stichabnahme von 37.5%. Für das thermomechanische Walzen gemäß der Variante 2 von Beispiel 1 gibt es keine Angaben für die Dickenabnahme bzw. dem Umformgrad (siehe Beispiel 1). Gemäß Beispiel 2 wird die Anfangsdicke von 12 inch (30.48 cm) auf eine Enddicke von 1.25 inch (3.175 cm) heruntergewalzt, wobei der Umformgrad des ersten Stiches nicht angegeben ist (siehe Beispiel 2). Die Ar3-Temperatur des Baustahls ist in D3 nicht angegeben und es gibt auch keinen expliziten Hinweis, den Baustahl im Bereich der Ar3-Temperatur fertig zu walzen. Nur für die Variante 2 mit "thermomechanischem Walzen" gemäß Beispiel 1 von D3 wird für den Fachmann ein Walzen mit einer Mindestumformung um die Ar3-Temperatur impliziert (siehe D5, Seite 595, rechte Spalte, vierter Absatz), wobei aber gemäß D3 unterhalb der Ar3-Temperatur die Endwalzung erfolgen kann (siehe oberen Punkt 3.6.2).
D3 macht keine Aussage über die mit den beschriebenen Verfahren erzielten Gefüge. Aufgrund der Vermeidung der Rekristallisation beim beschriebenen thermomechanischen Walzen muss das Gefüge nach D3 aber unterschiedlich von jenem gemäß vorliegender Anmeldung sein.
3.6.4 Da die Stahlzusammensetzung gemäß D3 mit 0.30 Gew.% Cu unter die Baustahlzusammensetzung von Anspruch 1 fällt, müßte der Baustahl nach D3 - sofern die Schritte des thermomechanischen Walzens ident wären - eine Mindeststreckgrenze von 480 Mpa erzielen. Eine derartige Mindeststreckgrenze ist aber D3 nicht entnehmbar.
3.6.5 Übereinstimmend mit der Prüfungsabteilung ist die Kammer der Ansicht, dass die Mindeststreckgrenze auch durch den Umformungsgrad beeinflußt wird. Ein Wert der Mindestumformung von 30% in den letzten Walzgerüsten, wie in Anspruch 1 definiert, ist aber weder von D3 noch von D4 (siehe oberen Punkt 3.1.1) oder von D5 bekannt oder nahegelegt.
3.6.6 Im Übrigen würde der Fachmann die Lehren der beiden Dokument D4 und D3 auch nicht miteinander kombinieren, weil die beiden technischen Lehren nicht kompatibel sind, da nach D4 die (vollständige) Rekristallisation nach dem ersten Walzschritt erfolgt (siehe oberen Punkt 3.1.3), während gemäß dem thermomechanischen Verfahren nach D3 keine Rekristallisation eintreten soll (siehe oberen Punkt 3.6.2).
3.7 Die anderen Dokumente des Recherchenberichts werden als weniger relevant als D3 oder D4 betrachtet.
3.8 Daher beruht das Verfahren gemäß Anspruch 1 nach Ansicht der Kammer auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
3.9 Die abhängigen Ansprüche 2 und 3 definieren bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 1 und weisen daher ebenfalls eine erfinderische Tätigkeit auf.
4. Rückzahlung der Beschwerdegebühr (Regel 67 EPÜ)
4.1 Die Beschwerdeführerin beantragte die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, ohne dafür die Gründe in der Beschwerdebegründung darzulegen. Sie reagierte auch nicht auf den Hinweis bezüglich dieses Mangels im Bescheid der Kammer vom 11. Juli 2006 (siehe oberen Punkt II).
4.2 Die Kammer kann daher nur mutmaßen, daß die Rückzahlung wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Artikel 113 (1) EPÜ) beantragt wurde, weil die Prüfungsabteilung das Dokument D5 erstmalig in der der Beschwerde zugrunde liegenden Entscheidung zitiert hatte.
Im Hinblick auf diese Mutmaßung führt die Kammer folgendes aus:
4.2.1 Zwar ist es zu beanstanden, daß das Dokument D5 erstmalig in der Entscheidung zitiert wurde. D5 wurde allerdings lediglich beispielhaft als Stütze dafür erwähnt, dass die im, der Entscheidung vorausgegangenen, letzten Bescheid vorgebrachte Argumentation bezüglich mangelnder erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf die übliche Definition des thermomechanischen Walzens den Tatsachen entspricht. Diese Zitierung erfolgte in nicht notwendiger Weise, da diese Behauptung von der Anmelderin nicht in Frage gestellt worden war. Insofern liegt zwar ein Verfahrensfehler vor, allerdings kein wesentlicher Verfahrensfehler.
Die für die Beschwerdeführerin negative Entscheidung betreffend Verfahrensanspruch 1 basiert nämlich auf den von der Prüfungsabteilung im Zweitbescheid vom 20. November 2002 vorgebrachten Argumenten bzw. dem Grund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit, zu der sich die Anmelderin aber äußern konnte (siehe auch dritter Bescheid der Prüfungsabteilung vom 2. September 2003) und dies auch getan hat (vgl. die Schreiben der Anmelderin vom 25. März 2003 bzw. vom 9. Januar 2004).
Somit sind die Erfordernisse von Artikel 113 (1) EPÜ, wonach Entscheidungen nur auf Gründe gestützt werden dürfen, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten, erfüllt, da sich die Beschwerdeführerin zum Grund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit nach förmlicher Aufforderung tatsächlich äußern konnte, auch wenn ihre Argumentation für die Prüfungsabteilung letztlich nicht überzeugend war.
4.2.2 Gemäß den Richtlinien für die Prüfung im EPA, E-X, 5, "Ist es insbesondere von Bedeutung, daß auf wichtige Tatsachen und Argumente sorgfältig eingegangen wird, die gegen die getroffene Entscheidung sprechen könnten. Andernfalls könnte der Eindruck entstehen, daß solche Punkte übersehen worden sind". So sollte die unterliegende Partei erfahren, warum ihre Argumente nicht akzeptiert wurden. In der Entscheidung der Prüfungsabteilung, welche eine Begründung für die mangelnde erfinderische Tätigkeit von Anspruch 1 aufweist und somit die Erfordernisse von Regel 68(2) EPÜ erfüllt, ist auch auf die Argumente der Beschwerdeführerin eingegangen worden.
4.2.3 Die Kammer ist daher der Ansicht, daß der Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr aufgrund des Nichtvorliegens eines wesentlichen Verfahrensmangels nicht gerechtfertigt ist. Im Übrigen fehlt auch die Begründung dafür (vgl. VOBK Artikel 10(a)(2)).
Somit ist keine Basis für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 67 EPÜ vorhanden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Beschreibung:
Seiten 1 bis 2, wie mit Schreiben vom 7. November 2006 eingereicht,
Seiten 3, 4, 4a und 4b, wie mit Schreiben vom 16. Oktober 2006 eingereicht, und
Seiten 5 bis 8 der Anmeldung, wie ursprünglich eingereicht.
Ansprüche:
Ansprüche 1 bis 3, wie mit Schreiben vom 16. Oktober 2006 eingereicht.