T 1412/04 () of 16.3.2006

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T141204.20060316
Datum der Entscheidung: 16 März 2006
Aktenzeichen: T 1412/04
Anmeldenummer: 95112935.2
IPC-Klasse: C08B 37/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Cyclodextrinderivate mit mindestens einem stickstoffhaltigem Heterozyklus, ihre Herstellung und Verwendung
Name des Anmelders: Consortium für elektrochemische Industrie GmbH
Name des Einsprechenden: Cerestar Holding B.V.
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
European Patent Convention 1973 R 71(2)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0020/81
T 0595/90
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 697 415, angemeldet am 17. August 1995 unter Beanspruchung einer DE-Priorität vom 18. August 1994, wurde am 21. November 2001 (Patentblatt 2001/47) bekannt gemacht. Das Patent enthielt 9 Ansprüche.

Die unabhängigen Ansprüche 1, 2, 4, 5, 6, 7, 8 und 9 lauteten wie folgt:

"1. Cyclodextrinderivate, dadurch gekennzeichnet, daß sie mindestens einen stickstoffhaltigen Heterozyklus mit mindestens einem elektrophilen Zentrum enthalten, wobei die elektrophilen Zentren gleich oder verschieden sind und Kohlenstoffatome sind, an denen Halogen, insbesondere F, Cl, oder ein Ammoniumsubstituent, insbesondere Trialkylammonium oder ein substituierter oder unsubstituierter Pyridinium-Substituent, kovalent gebunden ist.

2. Cyclodextrinderivate der folgenden Formel I:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

(i)

(i)

wobei R OH oder OR**(1) oder R**(2) bedeutet und

R**(1) ein hydrophiler Rest ist, welcher gleich oder verschieden sein kann und

R**(2) ein entweder direkt angeknüpfter oder ein über einen Spacer mittels einer Ether-, Thioether-, Ester- oder Amin-Bindung angeknüpfter stickstoffhaltiger Heterocyclus ist,

wobei der Spacer ein Alkyl bzw. Hydroxyalkylrest mit

1-12 Kohlenstoffatomen ist, der über eine Ether-, Thioether-, Ester- oder Amin-Bindung an die Anhydroglukose gebunden ist und der stickstoffhaltige Heterocyclus mindestens einen Halogen- oder einen. Ammonium-Substituenten umfaßt und mindestens einmal pro Cyclodextrin vorhanden ist und n = 6, 7 oder 8 bedeutet.

4. Cyclodextrinderivate ausgewählt aus der Gruppe 2,4-Dichlor-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine, 2-Chlor-4-hydroxy-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine (Natrium-Salze), 2-Fluor-4-hydroxy-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine (Natrium-Salze), 2,4,5-Trichlorpyrimidyl-Cyclodextrine, 5-Chlor-2,4-difluorpyrimidyl-Cyclodextrine, 6-(2,3-Dichlor)-chinoxalinoyl-Cyclodextrine, 5-(2,4-Dichlor)-pyrimidinoyl-Cyclodextrine, 2-Amino-4-chlor-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine, 2-Chlor-4-ethylamino-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine, 2-Chlor-4-diethylamino-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine, 2-Chlor-4-methoxy-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine.

5. Verfahren zur Herstellung von Cyclodextrinderivaten gemäß einem der Ansprüche 1 bis 4 dadurch gekennzeichnet, daß natives alpha,beta und/oder gamma-Cyclodextrin und/oder ein geeignetes alpha,beta und/oder gamma-Cyclodextrinderivat in einem geeigneten Reaktionsmedium in Gegenwart eines Säureakzeptors und gegebenenfalls eines oberflächenaktiven Mittels in schwach saurem bis stark basischem Milieu bei Temperaturen von -10 bis +70ºC mit geeigneten stickstoffhaltigen Heterocyclen umgesetzt und ggf. anschließend im neutralen oder schwach basischen Bereich ggf. unter Zuhilfenahme eines Puffers in ansonsten bekannter Art und Weise aufgearbeitet wird.

6. Lösungen enthaltend Cyclodextrinderivate gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß sie einen pH von 7 bis 9 haben.

7. Zusammensetzungen, die Cyclodextrinderivate gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4 in gebundener Form enthalten.

8. Selektive Trennmittel für die Chromatographie, dadurch gekennzeichnet, daß sie Cyclodextrinderivate gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4 bzw. Zusammensetzungen gemäß Anspruch 7 enthalten.

9. Membranen, Folien, Filme, Textilien oder Leder, an welche Cyclodextrinderivate gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4 kovalent gebunden sind."

Anspruch 3 war vom Anspruch 2 abhängig.

II. Gegen das Patent wurde am 20. August 2002 unter Hinweis auf Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit den Artikeln 54 und 56 EPÜ und Artikel 100 b) EPÜ Einspruch eingelegt.

Der Einspruch stützte sich auf das folgende Dokument:

D1: Ching-erh Lin et al "Chemically Bonded Cyclodextrin Silica Stationary Phases for Liquid Chromotographic Separation of Some Disubstituted Benzene Derivatives"; Journal of Chromatographic Science, Vol. 27, November 1989; Seiten 665-671.

III. Mit ihrer Entscheidung vom 25. Oktober 2004 widerrief die Einspruchsabteilung das Patent.

Der Entscheidung lagen die Ansprüche 1 bis 9, die mit Schreiben vom 1. April 2003 eingereicht worden waren, zugrunde.

Ansprüche 1 und 2 dieses Anspruchssatzes lauteten wie folgt:

"1. Cyclodextrinderivate, dadurch gekennzeichnet, daß sie mindestens einen stickstoffhaltigen Heterozyklus mit einem elektrophilen Zentrum enthalten, wobei das elektrophile Zentrum ein Kohlenstoffatome ist, an dem Halogen, insbesondere F, Cl, oder ein Ammoniumsubstituent, insbesondere Trialkylammonium oder ein substituierter oder unsubstituierter Pyridinium-Substituent, kovalent gebunden ist.

2. Cyclodextrinderivate der folgenden Formel I:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

(i)

(i)

wobei R OH oder OR**(1) oder R**(2) bedeutet und

R**(1) ein hydrophiler Rest ist, welcher gleich oder verschieden sein kann und

R**(2) ein entweder direkt angeknüpfter oder ein über einen Spacer mittels einer Ether-, Thioether-, Ester- oder Amin-Bindung angeknüpfter stickstoffhaltiger Heterocyclus ist,

wobei der Spacer ein Alkyl bzw. Hydroxyalkylrest mit 1-12 Kohlenstoffatomen ist, der über eine Ether-, Thioether-, Ester- oder Amin-Bindung an die Anhydroglukose gebunden ist und der stickstoffhaltige Heterocyclus mindestens einen Halogen- oder einen Ammonium-Substituenten umfaßt und einmal pro Cyclodextrin vorhanden ist und n = 6, 7 oder 8 bedeutet."

Anspruch 4 unterschied sich vom erteilten Anspruch 4 dadurch daß die Verbindung 2,4-Dichlor-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine gestrichen worden war.

Die Ansprüche 5 bis 9 entsprachen den erteilten Ansprüchen 5 bis 9.

Anspruch 3 war abhängig vom Anspruch 2.

Nach Auffassung der Einspruchsabteilung genügte dieser Antrag den Erfordernissen der Artikel 123 (2), 123 (3) und 83 EPÜ.

Die Einspruchsabteilung erkannte die Neuheit des Gegenstands der Ansprüche 1, 3, 4 und 9 gegenüber dem Dokument D1 an. Nach Auffassung der Einspruchsabteilung war aber der Gegenstand der Ansprüche 2, 5, und 6 bis 8 nicht neu gegenüber D1.

Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands der Ansprüche 1, 3, und 4 vertrat die Einspruchsabteilung die Meinung, daß nicht alle beanspruchten Derivate die behauptete Wirkung, d.h. eine geringere Reaktivität als die Derivate aus D1, aufwiesen, und daß daher nicht alle die entsprechende technische Aufgabe, diesen Effekt zu erzielen, lösen würden. Daher erkannte die Einspruchsabteilung die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands dieser Ansprüche nicht an.

Laut Entscheidung war ebenfalls der Gegenstand des Anspruchs 5, der ein Verfahren zur Herstellung der Derivaten gemäß den Ansprüchen 1, 3 und 4 betraf, als nicht erfinderisch zu betrachten, da die hergestellten Derivate nicht erfinderisch waren.

IV. Gegen diese Entscheidung wurde vom Patentinhaber (Beschwerdeführer) am 16. Dezember 2004 Beschwerde eingelegt. Die Zahlung der Beschwerdegebühr erfolgte am gleichen Tag.

V. Mit der am 17. Februar 2005 eingereichten Beschwerdebegründung reichte der Beschwerdeführer einen neuen Anspruchssatz bestehend aus 9 Ansprüchen ein und führte aus, daß die Ansprüche 1, 5 bis 9 den Ansprüchen 1, 5 bis 9 des Anspruchssatzes, der der angegriffenen Entscheidung zu Grunde lag, entsprächen.

Anspruch 2 lautete wie folgt:

"Cyclodextrinderivate der folgenden Formel I:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

(i)

(i)

wobei R OH oder OR**(1) oder R**(2) bedeutet und

R**(1) ein hydrophiler Rest ist, welcher gleich oder verschieden sein kann und

R**(2) ein entweder direkt angeknüpfter oder ein über einen Spacer mittels einer Ether-, Thioether-, Ester- oder Amin-Bindung angeknüpfter stickstoffhaltiger Heterocyclus ist,

wobei der Spacer ein Alkyl bzw. Hydroxyalkylrest mit 1-12 Kohlenstoffatomen ist, der über eine Ether-, Thioether-, Ester- oder Amin-Bindung an die Anhydroglukose gebunden ist und der stickstoffhaltige Heterocyclus einen Halogen- oder einen Ammonium-Substituenten umfaßt und mindestens einmal pro Cyclodextrin vorhanden ist und n = 6, 7 oder 8 bedeutet."

Anspruch 4 unterschied sich vom Anspruch 4 des Anspruchssatzes, der der angegriffenen Entscheidung zu Grunde lag dadurch, daß die Verbindungen 2,4,5-Trichlorpyrimidyl-Cyclodextrine, 5-Chlor-2,4-difluorpyrimidyl-Cyclodextrine, 6-(2,3-Dichlor)-chinoxalinoyl-Cyclodextrine, 5-(2,4-Dichlor)-pyrimidinoyl-Cyclodextrine gestrichen worden waren.

Anspruch 3 war vom Anspruch 2 abhängig.

In der Beschwerdebegründung trug der Beschwerdeführer im wesentlichen vor:

(i) Zur Neuheit:

(i.1) Der unabhängige Anspruch 2 sei so geändert worden, daß der stickstoffhaltige Heterozyklus nun einen Halogen- oder einen Ammonium-Substituenten umfasse und mindestens einmal pro Cyclodextrin vorhanden sei.

(i.2) Damit enthielte Anspruch 2 nur mehr ein elektrophiles Zentrum am Heterozyklus.

(i.3) Dl sei damit nicht mehr neuheitsschädlich für den Anspruch 2.

(i.4) Das gleiche gälte für die Ansprüche 3 bis 4.

(i.5) Da die Cyclodextrinderivate gemäß den Ansprüchen 1 bis 4 neu seien, sei der Gegenstand der Ansprüche 5 bis 8 neu.

(ii) Zur erfinderischen Tätigkeit:

(ii.1) Aufgabe der vorliegenden Erfindung war es, Cyclodextrinderivate zur Verfügung zu stellen, die die Nachteile bekannter Cyclodextrinderivate nicht aufwiesen. Bezug wurde auf den Absatz [0073] des Streitpatents genommen.

(ii.2) Da diese Derivate alle nur mehr ein elektrophiles Zentrum am Heterozyklus aufweisen, besäßen diese Derivate eine verminderte Reaktivität im Vergleich zu den Derivaten aus Dl und neigten auch nicht zur Ausbildung von Oligomeren oder Polymeren.

(ii.3) Diese vorteilhaften Eigenschaften seien durch den Stand der Technik nicht nahe gelegt worden.

VI. In seinem Schreiben vom 7. Juli 2005 widersprach der Beschwerdegegner (Einsprechender) dem Vorbringen des Beschwerdeführers. Er beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und hilfsweise eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Seine Argumente können wie folgt zusammengefasst werden:

(i) Laut Beschwerdeführer sollen die beanspruchten Derivate eine niedrigere Reaktivität als die aus D1 aufweisen. Sie sollen daher nicht zur Ausbildung von Oligomeren oder Polymeren neigen.

(ii) Diese Argumente seien nicht zutreffend, da die Derivate aus D1 zu den bevorzugten Derivaten gemäß dem erteilten Patent gehörten.

(iii) Darüber hinaus seien die angeblichen Vorteile, auf die sich der Beschwerdeführer berufe, nicht hinreichend belegt.

VII. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2005 nahm der Beschwerdegegner seinen Antrag auf mündliche Verhandlung zurück. Darüber hinaus teilte der Beschwerdegegner der Kammer mit, daß er nicht an der für 16. März 2006 anberaumten mündlichen Verhandlung teilnehmen würde.

VIII. Mit seiner Eingabe vom 2. Februar 2006 reichte der Beschwerdeführer eine an die mit seiner Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche 1 bis 9 angepasste Beschreibung ein.

IX. Am 16. März 2006 wurde eine mündliche Verhandlung, in Abwesenheit des Beschwerdegegners durchgeführt. Nach eingehender Diskussion über die Klarheit und die Neuheit gegenüber D1 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anspruchssatzes, nahm der Beschwerdeführer diesen Antrag zurück und legte zwei neue Anspruchssätze mit jeweils 6 Ansprüchen als Hauptantrag und Hilfsantrag vor.

Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"1. Cyclodextrinderivat ausgewählt aus der Gruppe, 2-Chlor-4-hydroxy-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine (Natrium-Salze), 2-Fluor-4-hydroxy-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine (Natrium-Salze), 2-Amino-4-chlor-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine, 2-Chlor-4-ethylamino-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine, 2-Chlor-4-diethylamino-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine, 2-Chlor-4-methoxy-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine."

Ansprüche 2 bis 6 entsprächen, im wesentlichen, den erteilten Ansprüchen 5 bis 9.

Anspruch 1 des Hilfsantrags lautete:

"2-Chlor-4-hydroxy-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine."

Der Gegenstand der Ansprüche 2 bis 6 des Hilfsantrags unterschied sich von dem Gegenstand der Ansprüche 2 bis 6 des Hauptantrags durch die Einschränkung auf 2-Chlor-4-hydroxy-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine als Cyclodextrinderivat.

Der Beschwerdeführer trug größtenteils seine bereits in der Beschwerdebegründung dargelegten Argumente vor, und ergänzte ihre schriftlichen Ausführungen im wesentlichen wie folgt:

(i) Im Vergleich zu dem Cyclodextrinderivat aus D1 wiesen die beanspruchten Cyclodextrinderivate nur ein elektrophiles Zentrum pro Heterocyclus auf.

(ii) Sie seien leicht herstellbar.

(iii) In Dl sei Cyanurchlorid direkt mit dem Cyclodextrin umgesetzt worden. In den Beispielen des Patents sei zuerst eine Dichlorverbindung durch Umsetzung des Cyanurchlorids mit NaOH hergestellt. Damit seien Nebenreaktionen des Cyanurchlorids vermieden worden.

(iv) Darüber hinaus seien Monochlortriazincyclodextrine aufgrund sterischer Hinderung weniger reaktiv als Dichlortriazincyclodextrin.

(v) Daher sei die Bildung von Oligomeren oder Polymeren während der Herstellung der Monochlorderivate unterdrückt worden. Es entstünden daher nicht vernetzte Cyclodextrinderivate.

(vi) Die hohe Zahl der Anwendungsbeispiele im Streitpatent sei ebenfalls ein Beweis dafür, daß die beanspruchten Verbindungen erfinderisch seien.

X. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis der Ansprüche 1 bis 6 laut Hauptantrag bzw. laut Hilfsantrag, beide eingereicht während der mündlichen Verhandlung.

Der Beschwerdegegner beantragte schriftlich, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Verfahrensrechtliche Fragen

2.1 Wie oben im Absatz VIII dargestellt, nahm der Beschwerdegegner, entsprechend seiner Eingabe vom 13. Dezember 2005 nicht an der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2006 teil.

2.2 Gemäß Regel 71 (2) EPÜ wurde die mündliche Verhandlung ohne ihn durchgeführt.

Hauptantrag

3. Wortlaut der Ansprüche

3.1 Ansprüche 1 bis 6 des Hauptantrags sind durch die ursprünglichen Ansprüche 4 bis 9 gestützt.

3.2 Darüber hinaus ist der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 6 gegenüber dem Gegenstand der erteilten Ansprüche 4 bis 9 eingeschränkt worden.

3.3 Daher genügen die Ansprüche 1 bis 6 des Hauptantrags den Erfordernissen der Artikel 123 (2) und 123 (3) EPÜ.

4. Stand der Technik

4.1 Dokument D1 beschreibt die Herstellung von 2,4, Dichloro-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrin durch Umsetzung von Cyanurchlorid mit beta-Cyclodextrin in einem Reaktionsmedium bestehend aus Aceton und Wasser bei einem pH >8 in Anwesenheit eines Säureakzeptors (Na2CO3). Die Reaktion findet bei Raumtemperatur innerhalb von 4 Stunden statt. Das Reaktionsprodukt wird mit Aceton gefällt, gewaschen und getrocknet (Seite 666, Zeilen 11-17).

4.2 Dieses Cyclodextrinderivat wird in einer wässrigen Lösung bei 50ºC und pH 8 innerhalb von 48 Stunden mit einem Silan modifizierten Kieselgel umgesetzt. Durch Anbindung des Cyclodextrinderivats an das Silicagel entsteht ein Trennmittel für Chromatographie (Seite 666, Zeilen 26-35; Fig. 1).

5. Neuheit

5.1 Da D1 nur Cyclodextrinderivate beschreibt, die eine 2,4, Dichloro-1,3,5-triazinyl-Gruppe umfassen, kann die Kammer nur feststellen, daß D1 den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht neuheitsschädlich vorwegnehmen kann.

5.2 Aus diesen Gründen kommt die Kammer zur Schlussfolgerung, daß der Gegenstand des Anspruch 1 die Kriterien des Artikels 54 EPÜ erfüllt.

5.3 Die selbe Schlussfolgerung trifft a fortiori auch auf die Ansprüche 2 bis 6 zu.

6. Erfinderische Tätigkeit

6.1 Das Streitpatent betrifft Cyclodextrinderivate mit mindestens einem stickstoffhaltigen Heterozyklus. Diese Derivate sind in der Lage mit beliebigen Verbindungen, die eine oder mehrere nukleophile Gruppen tragen, unter Bildung kovalenter Bindungen zu reagieren, und sie können sich daher an Substrate wie chromatographische Trennmittel anbinden.

6.2 Derartige Verbindungen sind aus dem Dokument D1 bekannt, das die Kammer als nächstliegenden Stand der Technik betrachtet.

6.3 Laut Beschwerdeführer sollten die beanspruchten Cyclodextrinderivate eine niedrigere Reaktivität im Vergleich zu den Cyclodextrinderivaten aus D1 aufweisen. Darüber hinaus sollten sie leichter herstellbar sein.

6.4 Die Kammer bemerkt aber zuerst, daß alle einst beanspruchten Cyclodextrinderivate als "reaktiv" in der ursprünglichen Anmeldung dargestellt worden waren (cf. EP-A1-0 697 415; Seite 2; Zeilen 1-2), daß Cyclodextrinderivate, die 1 bis 3 elektrophile Zentren pro stickstoffhaltigem Heterozyklus aufweisen, bevorzugt waren (Seite 2, Zeile 21), und insbesondere daß 2,4, Dichloro-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrin zu den besonders bevorzugten Cyclodextrinderivaten gehörten (Seite 4, Zeilen 33-38). Daher kann die Kammer nur zur Schlussfolgerung kommen, daß 2,4, Dichloro-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrin ein Cyclodextrinderivat mit einer besonders bevorzugten Reaktivität wie die nun beanspruchten Cyclodextrinderivate darstellt, so daß von vornherein kein Unterschied bezüglich der Reaktivität zwischen den nun beanspruchten Cyclodextrinderivaten und denen aus D1 ersichtlich ist.

6.5 Darüber hinaus gibt es im Streitpatent, nach Auffassung der Kammer, keine Beispiele, die die angebliche verminderte Reaktivität der nun beanspruchten Cyclodextrinderivaten gegenüber 2,4 Dichloro-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrin belegen.

6.6 Außerdem ist es, nach Ansicht der Kammer, nicht glaubhaft, daß ein beanspruchtes Cyclodextrinderivat wie ein gamma-Cyclodextrinderivat mit einem Substitutionsgrad von 3 per Anhydroglukose, d.h. mit 24 elektrophilen Zentren (siehe Streitpatent Absatz [0050]) weniger reaktiv als die Cyclodextrinderivate aus D1, die maximal 4 elektrophile Zentren aufweisen, sein kann.

6.7 In diesem Zusammenhang weist aber die Kammer darauf hin, daß die Beweislast beim Beschwerdeführer liegt, und daß deshalb der Beschwerdeführer den Nachweis durch Versuchsergebnisse hätte erbringen müssen, daß die beanspruchten Cyclodextrinderivate eine verminderte Reaktivität gegenüber denen aus D1 aufweisen. Die Kammer kann jedoch nur feststellen, daß der Beschwerdeführer im Laufe des Einspruchs- bzw. Beschwerdeverfahren keine solche Vergleichsbeispiele eingereicht hat.

6.8 Die Kammer bemerkt auch, daß das Herstellungsverfahren für Dichloro-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrin in D1 das gleiche wie das Herstellungsverfahren der beanspruchten Cyclodextrinderivate gemäß Anspruch 2 ist (cf. Anspruch 2), so daß es aus dem Streitpatent nicht ableitbar ist, daß die 2,4 Dichloro-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine schwieriger herstellbar als die nun beanspruchten Cyclodextrinderivate sein können.

6.9 Die Kammer kann auch nicht das Argument des Beschwerdeführers akzeptieren, daß die Cyclodextrinderivate aus D1 zur Bildung von Oligomeren oder Polymeren führen, die deren Herstellung erschweren können, erstens, weil kein Beleg für die Bildung von Oligomeren oder Polymeren in D1 von Seite des Beschwerdeführers erbracht worden ist, und zweitens, weil die beanspruchten Cyclodextrinderivate ebenfalls zur Bildung von Oligomeren führen (Streitpatent, Beispiel 16). Das weitere Argument des Beschwerdeführers, daß das Verfahren aus D1 Schwierigkeiten mit sich bringt, da Cyanurchlorid direkt mit Cyclodextrin umgesetzt wird, während im Streitpatent Cyanurchlorid zuerst mit NaOH umgesetzt wird, kann ebenfalls nicht überzeugen, da diese Verfahrensstufe kein wesentliches Merkmal des Verfahrens zur Herstellung der beanspruchten Derivate (siehe Anspruch 2) darstellt.

6.10 Aus diesen Gründen können die Vorteile, auf die sich der Beschwerdeführer gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik (D1) beruft, bei der Ermittlung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe und damit für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen werden (siehe auch T 20/81; ABL. 1982, 217).

6.11 Deshalb soll die technische Aufgabe ausgehend von D1 nur in der Bereitstellung von weiteren reaktiven Cyclodextrinderivaten mit mindestens einem stickstoffhaltigen Heterozyklus, die sich an einem Substrat, wie z.B. einem chromatographischen Trennmittel anbinden können, angesehen werden.

6.12 Die streitpatentgemäße Lösung der technischen Aufgabe gemäß Anspruch 1 besteht in der Bereitstellung von reaktiven Cyclodextrinderivaten, die nur ein elektrophiles Zentrum per Triazinzyklus aufweisen.

6.13 Obwohl Cyclodextrinderivate mit nur einem elektrophilen Zentrum per Triazinzyklus anstatt von zwei wie in D1 als eine nahe liegende und vorstellbare Alternative zu den reaktiven Cyclodextrinderivaten aus D1 betrachtet werden können, da D1 (Fig.1) zeigt, daß lediglich ein elektrophiles Zentrum per Triazinzyklus in der Anbindung des Substrats involviert ist, hätten die beanspruchten Cyclodextrinderivate dennoch als erfinderisch angesehen werden können, sofern es im Stand der Technik kein analoges Verfahren zu ihrer Herstellung gibt (siehe auch T 595/90; ABl 1994, 695; Entscheidungsgründe Nr. 5).

6.14 Dies ist hier aber nicht der Fall, da das Verfahren aus D1 genau dem Verfahren zur Herstellung dieser Derivate entspricht.

6.15 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht gegenüber dem zitierten Stand der Technik somit nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ).

6.16 Daher muss der Hauptantrag zurückgewiesen werden.

Hilfsantrag

7. Anspruch 1 dieses Antrages unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags nur dadurch, daß sein Gegenstand auf ein bestimmtes Cyclodextrinderivat d.h. 2-Chlor-4-hydroxy-1,3,5-triazinyl-Cyclodextrine eingeschränkt worden ist.

7.1 Diese Einschränkung kann aber zu keiner vom Hauptantrag abweichenden Beurteilung der gegenüber D1 vorliegenden technischen Aufgabe führen.

7.2 Dementsprechend liegt bezüglich des Hilfsantrags dieselbe Aufgabe vor, wie in obigem Punkt 6.11 für den Hauptantrag dargelegt.

7.3 Die Frage des Naheliegens des Gegenstands des Anspruchs 1 muss daher in derselben abschlägigen Weise wie für den Hauptantrag beurteilt werden (cf. Punkte 6.13 und 6.14 oben).

7.4 Somit beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

7.5 Daher muss auch der Hilfsantrag zurückgewiesen werden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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