T 1316/04 () of 25.11.2005

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2005:T131604.20051125
Datum der Entscheidung: 25 November 2005
Aktenzeichen: T 1316/04
Anmeldenummer: 97116608.7
IPC-Klasse: G08G 69/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verwendung von Polyamid-Formmassen zur Herstellung von optischen oder elektrooptischen Formteilen
Name des Anmelders: EMS-INVENTA AG
Name des Einsprechenden: Degussa AG
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Klarheit der Ansprüche (verneint) - Hauptantrag
Erfinderische Tätigkeit (verneint) - 1. Hilfsantrag
2. Hilfsantag - nicht zugelassen
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/92
G 0001/99
T 0435/91
T 0299/97
T 0381/02
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 837 087 auf die europäische Patentanmeldung Nr. 97 116 608.7 der Ems-Inventa AG, angemeldet am 24. September 1997 unter Beanspruchung der Priorität der deutschen Voranmeldung 19642885 vom 17. Oktober 1996, wurde am 20. März 2002 bekannt gemacht (Patentblatt 2002/12). Das erteilte Patent enthielt 11 Ansprüche, wobei der unabhängige Anspruch 1 wie folgt lautete:

"Verwendung von Polyamid-Formmassen, deren Legierungen oder Blends, die mindestens ein Homopolyamid enthalten, das aus aliphatischen Monomerbausteinen mit mindestes 8-C-Atomen mit cycloaliphatischen Monomerbausteinen erhalten worden ist, zur Herstellung von Formkörpern für optische oder elektrooptische Anwendungen."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 11 betrafen bevorzugte Ausführungsformen der Verwendung gemäß Anspruch 1.

II. Gegen das Patent wurde am 16. Dezember 2002, gestützt auf die Bestimmungen des Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) und des Artikels 100 b) EPÜ (mangelnde Ausführbarkeit), von der Degussa AG Einspruch erhoben.

Der im Einspruchsverfahren berücksichtigte Stand der Technik umfasste - inter alia - folgende Dokumente:

D1: DE-A-15 95 150;

D1a: DE-C-15 95 150;

D2: EP-A-0 619 336; und

D8: EP-A-0 725 101.

III. Mit der am 25. Juni 2004 mündlich verkündeten und am 21. September 2004 schriftlich begründeten Zwischenentscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Gegenstand des im Laufe des Einspruchsverfahrens eingereichte Hauptantrags mit den Ansprüchen 1-8 den Erfordernissen des EPÜ genüge.

a) Anspruch 1 des Hauptantrags lautete wie folgt (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 fett gedruckt):

"Verwendung von transparenten Polyamid-Formmassen, deren Legierungen oder Blends, die mindestens ein Homopolyamid enthalten, das aus aliphatischen Monomerbausteinen mit mindestes 8-C-Atomen mit cycloaliphatischen Monomerbau steinen erhalten worden ist, zur Herstellung von Linsen, Brillengläsern oder Lupen."

Die abhängigen Ansprüche 2-8 entsprachen den erteilten Ansprüchen 3 und 6-11.

b) Nach Ansicht der Einspruchsabteilung verstießen die Änderungen in Anspruch 1 nicht gegen Artikel 123(2) und (3) EPC. So werde die Einfügung von "transparent" durch Seite 8, Zeile 6 der ursprünglichen Anmeldung und die Beschränkung auf "Linsen, Brillengläser oder Lupen" durch den ursprünglichen Anspruch 2 gestützt.

c) Beispiel 1 des Streitpatents zeige zumindest einen Weg zur Ausführung der Erfindung. Außerdem sei es durch die Beschränkung auf transparente Polyamide in Anspruch 1 für den Fachmann möglich, ohne unzumutbaren Aufwand geeignete Polyamide zu identifizieren, die für die Herstellung von Linsen, Brillengläsern oder Lupen geeignet seien, insbesondere da transparente Polyamide aus D1a, D2 und D8 bekannt seien. Somit seien die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ erfüllt.

d) Da keinem der im Verfahren befindlichen Dokumente die Verwendung der in Anspruch 1 definierten transparenten Polyamide für Linsen, Brillengläser oder Lupen zu entnehmen sei, komme dem Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 die Neuheit zu. Dies gelte insbesondere auch gegenüber dem Dokument D1a. Insbesondere das Beispiel der D1a könne nicht als Offenbarung interpretiert werden, dass der dort verwendete Polyamid-Rohling als Brillenglas verwendet worden sei. Auch sei die Aufgabe der D1a (Bereitstellung von Formkörpern mit guter optischer Durchsichtigkeit bzw. geringer Trübung nach vorangegangener langzeitiger Einwirkung von heißem Wasser) klar zu unterscheiden von der patentgemäßen Aufgabe (Bereitstellung funktionsfähiger Linsen, Brillengläser oder Lupen, insbesondere mit hohem Brechungskoeffizienten, hoher Abbé-Zahl und niedriger Dichte).

e) Ausgehend von D1a als nächstliegendem Stand der Technik sei den vorliegenden Dokumenten weder einzeln noch in Kombination die genügend konkrete Anregung zu entnehmen, dass sich die bestimmten im geänderten Anspruch 1 definierten Polyamide in besonderer Weise für die Herstellung von Linsen, Brillengläsern oder Lupen eignen.

IV. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 19. November 2004 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein.

In der am 26. Januar 2005 eingereichten Beschwerdebegründung und in ihrem Schriftsatz vom 17. Oktober 2005 argumentierte die Beschwerdeführerin wie folgt:

a) Der in Anspruch 1 eingefügte Begriff "transparent" sei unklar (Artikel 84 EPÜ), da das Streitpatent keinerlei Definition des Begriffes enthalte. Insbesondere bei optischen Anwendungen wie im vorliegenden Fall sei es aber wichtig, den Grad der Transparenz zu definieren. Erfolge dies nicht, so sei völlig offen, welchen Grad an Transparenz das entsprechende Material haben müsse. Bereits der Aussage in Absatz [0004] des Streitpatents, dass sich bekannte transparente Polyamide nicht für optische Anwendungen eignen würden, da sie keine ausreichende Transparenz besäßen, könne entnommen werden, dass die Verwendung des Begriffs "transparent" zu einer unklaren Bestimmung des Schutzgegenstandes in Anspruch 1 führe. Hier seien nämlich auch Polyamide mit umfasst, die für die optischen Anwendungen in Linsen, Lupen und Brillengläsern überhaupt nicht geeignet seien, obwohl sie ebenfalls als transparent bezeichnet werden.

b) Darüber hinaus stelle die Einfügung des Begriffs "transparent" eine unzulässige Erweiterung dar (Artikel 123(2) EPÜ), da transparente Polyamid-Formmassen mit den im geänderten Anspruch 1 beschriebenen Spezifikationen nicht in der ursprünglichen Anmeldung offenbart seien.

c) Im Hinblick auf das Verbot der reformatio in peius sei es der Patentinhaberin im vorliegenden Fall nicht erlaubt, das Patent in einem weiteren Umfang zu verteidigen als durch die Entscheidung der Einspruchsabteilung festgelegt. Insbesondere könne durch die Streichung des einschränkenden Merkmals "transparent" nicht mehr auf die ursprünglich erteilte Anspruchsversion zurückgegangen werden.

d) Allein durch die Beschränkung auf transparente Polyamide sei nicht sichergestellt, dass das Streitpatent im gesamten Bereich des Anspruchs ohne unzumutbaren Aufwand ausgeführt werden könne, da transparente Polyamide auch solche sein können, die für optische Anwendungen nicht geeignet seien.

Weiterhin sei der Fachmann nicht in der Lage, die geeigneten transparenten Polyamid-Formmassen ausfindig zu machen, weil die notwendigen Messmethoden zur Ermittlung des Brechungs koeffizienten, der Abbé-Zahl und der Dichte in der Patentschrift nicht angegeben seien. Da es offensichtlich verschiedene Normen zur Ermittlung der entsprechenden Messwerte gebe, sollte zumindest angegeben sein, welche der zur Verfügung stehenden Methoden für die einzelnen Messwerte gewählt worden sind.

e) Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei gegenüber dem Dokument D1 bzw. D1a nicht neu. Der Unterschied zwischen der Verwendung gemäß Anspruch 1 und der Lehre der D1a bestehe in der Auswahl einer spezifischen Verwendung aus einer bekannten Verwendungsgruppe, nämlich optischen Formkörpern. Aber eine spezifische Angabe der Verwendung könne die Neuheit nicht begründen, wenn der Stand der Technik bereits die Verwendung für den Oberbegriff beschreibe.

f) Ausgehend von D1a als nächstliegendem Stand der Technik sei die technische Aufgabe des Streitpatents darin zu sehen, die in D1a beschriebenen transparenten Polyamidformmassen für spezifische optische Formkörper zur Verfügung zu stellen. Die Lösung dieser technischen Aufgabe, nämlich die Bereitstellung für Linsen, Brillengläser oder Lupen sei für den Fachmann nahe liegend, da die häufigsten optischen Formkörper gerade Linsen, Brillengläser oder Lupen seien. Zudem enthalte D1a selbst und das Streitpatent in Absatz [0004] einen Hinweis auf die Verwendung von Polyamiden zur Herstellung von optischen Linsen und Brillengläsern. Außerdem sei die zusätzliche Aussage in Absatz [0004] des Streitpatents, dass transparente Polyamide nicht im eigentlichen optischen Bereich wie Linsen, Lupen, Sonnenbrillen, usw. eingesetzt worden seien, falsch, wie die eingereichten Dokumente D10-D12 zeigen.

D10: GB-A-1 420 741;

D11: JP-A-03-50264 (inkl. englischer Übersetzung);

und

D12: JP-A-03-33157 (inkl. englischer Übersetzung).

Diese Dokumente seien relevant, weil sie den Stand der Technik, wie er in Absatz [0004] des Streitpatents dargestellt werde, bestätigen und ergänzen. Außerdem sei deren Einführung durch die Entscheidung der Einspruchsabteilung veranlasst worden, da diese in ihrer Begründung die in Absatz [0004] angegebenen Tatsachen nicht berücksichtigt habe.

V. Mit Schreiben vom 24. Juni 2005 beantragte die Beschwerdeführerin zusätzlich die Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens.

VI. In ihren Eingabe vom 2. August 2005 widersprach die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) den unter Artikel 84, 123(2), 83, 54 und 56 EPÜ erhobenen Einwänden.

a) Für funktionelle Merkmale gelte generell, dass sie dem Fachmann eine ausreichend klare technische Lehre offenbaren müssen, die er mit zumutbarem Aufwand ausführen kann. Im vorliegenden Fall komme es somit darauf an, ob ein Fachmann in der Lage sei, anhand der bekannten Methoden die Transparenz von Polyamiden zu ermitteln, um danach feststellen zu können, ob die Polyamide auch für den erfindungsgemäßen Zweck geeignet seien. In Absatz [0009] des Streitpatents sei bereits beschrieben, dass die transparenten Polyamide bevorzugt eine bestimmte Lichttransmission haben. Es sei daher nicht zu erkennen, warum der Begriff "transparent" unklar sein solle.

b) Der Begriff "transparent" sei durch mehrere Textstellen der ursprünglichen Beschreibung gestützt.

c) Es sei unstreitig, dass ein Durchschnittsfachmann sowohl transparente Polyamide kenne, wie auch die Standardmethoden zur Bestimmung der wichtigsten Kennzahlen für derartige Polymere. Somit bedürfe es keines unzumutbaren Aufwandes geeignete Polyamide zu finden.

Bei den Messmethoden für die Dichte, den Brechungskoeffizienten und die Abbé-Zahl handele es sich durchwegs um gängige DIN- und ISO-Normen, sodass es völlig abwegig sei, anzunehmen, der Fachmann verfüge nicht über die nötigen Kenntnisse zur Durchführung derartiger Messungen.

d) Für die Beurteilung der Neuheit komme es darauf an, ob einem relevanten Stand der Technik alle Merkmale des beanspruchten Gegenstandes explizit zu entnehmen sind. Dies sei im Falle von D1 bzw. D1a nicht der Fall.

e) Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit sei die Entscheidung der Einspruchsabteilung nicht zu beanstanden. Ausgehend von D1a als nächstliegendem Stand der Technik komme der Fachmann in keinem Fall zu den spezifischen Verwendungen gemäß Anspruch 1, insbesondere da sich D1a mit einer anderen Aufgabe als das Streitpatent befasst.

f) Die von der Beschwerdeführerin eingereichten Dokumente D10-D12 seien nicht relevanter als die, die bereits im Verfahren diskutiert worden seien. Diese Dokumente seien somit als verspätetes Vorbringen anzusehen und im weiteren Verfahren nicht zu berücksichtigen.

VII. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2005 reichte die Beschwerdegegnerin die Hilfsanträge 1-4 ein.

Mit Schreiben vom 11. November 2005 reichte sie eigene Übersetzungen der Dokumente D11 und D12 ein, um zu zeigen, dass die in diesen Dokumenten offenbarten Polyamide nicht als Brillenglas verwendet wurden, sondern lediglich als Brillengestelle.

VIII. In ihrem Schreiben vom 18. November 2005 bezweifelte die Beschwerdeführerin die Zulässigkeit der in einem solch späten Verfahrensstadium vorgelegten Hilfsanträge 1-4.

IX. Am 25. November 2005 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

a) Bei der Diskussion, ob Anspruch 1 des Hauptantrags (d. h. wie von der Einsruchsabteilung aufrecht erhalten) die Erfordernisse der Artikel 84 und 123(2) EPÜ erfüllt, folgten die Parteien im Wesentlichen ihren bereits schriftlich vorgetragenen Argumenten.

b) Im Verlauf dieser Diskussion zog die Beschwerdegegnerin ihre bisherigen Hilfsanträge 1-4 zurück und reichte einen neuen Hilfsantrag 1 und einen neuen Hilfsantrag 2 ein.

i) Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 lautete wie folgt:

"Verwendung von Polyamid-Formmassen, deren Legierungen oder Blends, die mindestens ein Homopolyamid enthalten, das aus aliphatischen Monomerbausteinen mit mindestes 8-C-Atomen mit cycloaliphatischen Monomerbausteinen erhalten worden ist, zur Herstellung von optischen Linsen mit einem Brechungskoeffizienten nD**(20) >= 1,50, einer Abbé-Zahl > 40 und einer Dichte <= 1,1 g/cm**(3)".

Die abhängigen Ansprüche 2-7 entsprachen den erteilten Ansprüchen 6-11.

ii) Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 lautete wie folgt:

"Verwendung von transparenten Polyamid-Form massen, deren Legierungen oder Blends, die mindestens ein Homopolyamid enthalten, das aus aliphatischen Monomerbausteinen mit mindestes 8-C-Atomen mit cycloaliphatischen Monomerbau steinen erhalten worden ist, zur Herstellung von Linsen oder Brillengläsern mit einer Dichte <= 1,1 g/cm**(3) und einer Lichttransmission von über 90% für Schichtdicken >= 5 mm."

Die abhängigen Ansprüche 2-7 entsprachen den erteilten Ansprüchen 6-11.

c) Die Beschwerdeführerin beantragte die neu eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 nicht zuzulassen, da der jeweilige Anspruch 1 prima facie nicht gewährbar sei. Darüber hinaus verstoße der Anspruch 1 gegen das Verbot der reformatio in peius.

d) Bezüglich des Hilfsantrags 1 erhob die Beschwerdeführerin keine Einwände unter Artikel 84 und 123 EPÜ, hielt aber ihre bereits gegenüber dem Hautantrag erhobenen Einwände unter Artikel 83, 54 und 56 EPÜ aufrecht. Beide Parteien griffen dabei im Wesentlichen auf die Argumente zurück, die sie bereits schriftlich für den Hauptantrag vorgebracht haben.

X. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

XI. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents

- auf Grundlage der am 25. November 2005 während der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1-7 (Hilfsantrag 1), oder

- auf Grundlage der am 25. November 2005 während der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1-7 (Hilfsantrag 2).

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikel 106 bis 108 EPÜ und der Regel 64 EPÜ und ist daher zulässig.

2. Hauptantrag (Beschwerdegegnerin)

2.1 Die Einspruchsabteilung fand, dass das angegriffene Patent in geändertem Umfang mit den in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Patentansprüchen 1-8 aufrechterhalten werden konnte (siehe Punkt III a), oben). Dabei war der erteilte Anspruch 1 dahingehend geändert worden, dass vor dem Begriff "Polyamid-Formmassen" der Begriff "transparent" eingefügt und der Anspruch auf die Verwendung von transparenten Polyamidformmassen mit bestimmten Monomerbausteinen zur Herstellung von Linsen, Brillengläsern oder Lupen eingeschränkt worden war.

2.2 Transparenz (von lat. trans "(hin)durch" und parere "scheinen, sich zeigen") bezeichnet Phänomene, die ganz oder teilweise durchsichtig sind. Obwohl es sich dabei um einen relativen Begriff handelt, findet sich weder im Patentanspruch noch in der Beschreibung des Streitpatents eine Definition, wie der Begriff "transparent" im Zusammenhang mit Polyamidformmassen zu verstehen ist.

2.2.1 Dass der Begriff "transparent" durchaus unterschiedliche Interpretationen erfahren kann, ist bereits aus der Patentschrift selbst ersichtlich So heißt es in Absatz [0004]:

"Transparente Polyamide sind neben PC, PMMA u. a. beliebte Werkstoffe für Brillengestelle und Brillengläser, sie sind aber nicht im eigentlichen optischen Bereich wie Linsen, Lupen, Sonnenbrillen usw. eingesetzt worden wegen mangelnder Transparenz, Reinheit, Zähigkeit, Lösungsmittelbeständigkeit, Kratzfestigkeit (Ritzhärte) und Dimensionsstabilität."

Bereits dieser Aussage kann ohne weiteres entnommen werden, dass manche transparente Polyamide für die Verwendung gemäß Anspruch 1 keine ausreichende Transparenz aufweisen. Insofern ist unklar, welchen Grad an Transparenz die im Anspruch 1 bezeichneten Polyamidformmassen besitzen müssen, so dass sie unter den Schutzgegenstand des Patents fallen.

2.2.2 Ein weiterer Beweis dafür, dass der geänderte Anspruch 1 den Gegenstand dessen, was im Patent unter Schutz gestellt werden soll, nicht klar definiert, wird auch an einem Beispiel aus dem im Streitpatent erwähnten Dokument D8 deutlich. Gemäß Absatz [0007] des Streitpatents werden die transparenten Polyamide nach D8 "erfindungsgemäß zur Herstellung von Formkörpern für optische oder elektrooptische Anwendungen eingesetzt". Auf der anderen Seite wird in dem Vergleichsbeispiel von D8 (Beispiel 2) mit Monomerbausteinen gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags ein transparentes Polyamid mit einem Trübungsschleier hergestellt. Es stellt sich also die Frage, ob die Verwendung dieses Polyamids (transparent aber mit Trübungsschleier) unter den Anspruch 1 des Hauptantrags fällt.

2.2.3 Auch die in Absatz [0009] des Streitpatents gegebene Definition für die Transparenz der Formkörper (Lichttransmission von über 90% für Schichtdicken >= 5 mm) kann nicht zur Klärung des Begriffs "transparent" in Anspruch 1 beitragen. So definiert Absatz [0009] die Transparenz für das Endprodukt, während sich der Begriff "transparent" in Anspruch 1 auf das Ausgangsprodukt bezieht. Da sich aber, wie von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die Transparenz während des Formvorgangs verändern kann, ist die Transparenz des Ausgangsproduktes nicht notwendigerweise identisch mit der Transparenz des Endproduktes. Aus diesem Grund kann auch die Definition der Transparenz, die das Streitpatent für das Endprodukt gibt, nicht auf das Ausgangsprodukt übertragen werden.

2.3 Dies macht deutlich, dass der Fachmann nicht klar bestimmen kann, welche Polyamidformmassen er anspruchs gemäß einsetzen soll. Mit anderen Worten verhindert die Einfügung des Begriffs "transparent" in Anspruch 1 eine klare Bestimmung des Schutzgegenstandes in Anspruch 1. Folglich erfüllt Anspruch 1 des Hauptantrags die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht.

2.4 Bei dieser Sachlage erübrigt sich jegliche weitere Diskussion des Anspruchs 1.

2.5 Da Anspruch 1 des Hauptantrags nicht gewährbar ist, wird der Hauptantrag zurückgewiesen.

3. Zulassung der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsanträge 1 und 2

3.1 Die Hilfsanträge 1 und 2 wurden von der Beschwerdegegnerin eingereicht, nachdem sich im Verlauf der mündlichen Verhandlung herausgestellt hatte, dass der von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachtete Anspruch 1 und die bis dahin vorliegenden Hilfsanträge (Punkt VII, oben) an den Vorschriften des Artikels 84 EPÜ scheitern würden.

3.2 Bei einer alleinigen Beschwerde des Einsprechenden gegen eine Zwischenentscheidung, mit der das Patent von der ersten Instanz in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, wie im vorliegenden Fall, ist der Patentinhaber nur Verfahrensbeteiligter nach Artikel 107, Satz 2 EPÜ und primär darauf beschränkt, die Fassung des Patents zu verteidigen, in welcher es die erste Instanz in ihrer Zwischenentscheidung aufrechterhalten hat. Änderungen, die er im Beschwerdeverfahren vorschlägt, können von der Kammer abgelehnt werden wenn sie weder sachdienlich noch erforderlich sind (G 9/92, ABl. EPA 1994, 875; Punkt 16 der Entscheidungsgründe). Außerdem ist bei dieser Fallkonstellation der Grundsatz des Verschlechterungsverbots (reformatio in peius) zu berücksichtigen (G 1/99, ABl. EPA 2001, 381; Leitsatz).

3.3 Hilfsantrag 1

3.3.1 Im vorliegenden Fall, ließ die Kammer den Hilfsantrag 1 trotz seiner späten Vorlage in der mündlichen Verhandlung zu, wobei berücksichtigt wurde, dass

- die Diskussion in der mündlichen Verhandlung Änderungen der Anträge erforderlich machte und neue Anträge für die Patentinhaberin die letzte Möglichkeit darstellten, noch ein Patent für den betreffenden Gegenstand zu erlangen,

- Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 eine einfache Kombination der Merkmale der erteilten Ansprüche 1 und 3 darstellt und die Ansprüche 2-7 den erteilten Ansprüchen 6-11 entsprechen,

- die Ansprüche des Hilfsantrags 1 eindeutig die Erfordernisse der Artikel 123 und 84 EPÜ erfüllen,

- die Ansprüche des Hilfsantrags 1 keine grundsätzlich neuen Fragen aufwerfen, und

- die Beschwerdeführerin durch die Beschränkung auf erteilte Ansprüche nicht überrascht werden konnte.

3.3.2 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei der Hilfsantrag 1 zurückzuweisen, da es der Beschwerdegegnerin durch die Streichung des einschränkenden Merkmals "transparent" in Anspruch 1 erlaubt würde, das Patent in einem weiteren Umfang zu verteidigen als durch die Entscheidung der Einspruchsabteilung festgelegt. Dies verstoße gegen den Grundsatz des Verschlechterungsverbots (reformatio in peius).

Es ist zwar richtig, dass ein geänderter Anspruch, durch den der Einsprechende und alleinige Beschwerdeführer schlechter gestellt würde als ohne die Beschwerde, grundsätzlich zurückgewiesen werden muss. Aber wie in G 1/99 (supra) ausgeführt, kann von diesem Grundsatz ausnahmsweise abgewichen werden, "um einen im Beschwerdeverfahren vom Einsprechenden/Beschwerdeführer oder von der Kammer erhobenen Einwand auszuräumen, wenn andernfalls das in geändertem Umfang aufrechterhaltene Patent als unmittelbare Folge einer unzulässigen Änderung, die die Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung für gewährbar erachtet hatte, widerrufen werden müsste".

Im vorliegenden Fall kann der Mangel der unzulässigen Änderung "transparent" nur dadurch beseitigt werden, dass das Merkmal wieder gestrichen wird. Die Streichung des Merkmals entspricht damit der in G 1/99 (supra) geschilderten Ausnahmesituation (Leitsatz, letzter Abschnitt) und verstößt somit nicht gegen den Grundsatz des Verschlechterungsverbots (reformatio in peius).

3.3.3 Auch das Argument der Beschwerdeführerin, dass Hilfsanträge, die in einem späten Verfahrensstadium gestellt werden, im Hinblick auf die geänderte Verfahrensordnung der Beschwerdekammern nicht zuzulassen seien, greift nicht. Die am 1. Mai 2003 in Kraft getretene geänderte Verfahrensordnung der Beschwerdekammern verbietet die Zulassung später Anträge nicht, sondern stellt deren Zulassung in das Ermessen der Kammer. So wird in Artikel 10b (1) und (3) ausgeführt:

"(1) Es steht im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt.

(3) Änderungen des Vorbringens werden nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist."

3.3.4 Aus den oben dargelegten Gründen fand es die Kammer daher angemessen, den Hilfsantrag 1 zuzulassen.

3.4 Hilfsantrag 2

Im Gegensatz zu Hilfsantrag 1 ließ die Kammer den Hilfsantrag 2 nicht zu, da Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 prima facie nicht gewährbar ist. Erstens wird die Beschränkung auf die Verwendung von transparenten Polyamid-Formmassen zur Herstellung von Linsen und Lupen mit einer Dichte <= 1,1 g/cm**(3) und einer Lichtdurchlässigkeit von über 90% für Schichtdicken >= 5 mm nicht durch die ursprüngliche Beschreibung gestützt. Die beiden Parameter der Endprodukte werden auf Seite 7 der ursprünglichen Beschreibung nur in Kombination mit weiteren Parametern offenbart. Das willkürliche Herauslösen einzelner Parameter aus der ursprünglichen Offenbarung schafft Kombinationen, die als solche nie offenbart waren. Zweitens ist es fraglich, ob der unklare Begriff "transparent", der sich auf die Ausgangsprodukte bezieht, durch die Angabe der Lichttransmission der Endprodukte näher definiert werden kann (siehe Punkt 2.2.3, oben). Aus diesen Gründen war die Zulassung des Hilfsantrags 2 abzulehnen.

4. 1. Hilfsantrag

4.1 Änderungen

4.1.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 (Punkt IX b)i), oben) schränkt die Verwendung der im erteilten Anspruch 1 genannten Polyamidformmassen, deren Legierungen oder Blends auf die Herstellung von optischen Linsen mit einem Brechungskoeffizienten nD**(20) >= 1,50, einer Abbé-Zahl > 40 und einer Dichte <= 1,1 g/cm**(3) ein. Diese eingeschränkte Verwendung ist in dem erteilten abhängigen Anspruch 3, bzw. dem ursprünglichen Anspruch 3, offenbart. Einwände unter Artikel 123(2) und (3) EPÜ ergeben sich daher nicht. Auch die Beschwerdeführerin erhob diesbezüglich keine Einwände.

4.1.2 Die abhängigen Ansprüche 2-7 des Hilfsantrags 1 entsprechen den erteilten Ansprüchen 6-11 (bzw. den ursprünglichen Ansprüchen 6-11), wobei lediglich die Nummerierung und der Rückbezug entsprechend geändert worden sind. Somit bestehen auch gegen die Ansprüche 2-7 des Hilfsantrags 1 keine Einwände unter Artikel 123 EPÜ.

4.1.3 Da sich der geänderte Anspruch 1 aus der bloßen Zusammenfügung des Wortlauts der erteilten Fassungen des Anspruchs 1 und des davon abhängigen Anspruchs 3 ergibt und somit keine sachlichen Änderung erfolgt ist, kann Anspruch 1 hinsichtlich der Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ von der Kammer nicht überprüft werden (z. B. T 381/02 vom 26. August 2004, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Punkt 2 der Entscheidungsgründe).

4.2 Mangelnde Offenbarung

4.2.1 Für die Verwendung gemäß Anspruch 1 sind Formmassen auszuwählen, die ein Homopolyamid enthalten, das aus bestimmten cycloaliphatischen Monomerbausteinen erhalten worden ist. Darüber hinaus sind nur solche Formmassen auszuwählen, die zu optischen Linsen mit einem bestimmten Eigenschaftsprofil (Brechungskoeffizient, Abbé-Zahl und Dichte) führen.

4.2.2 Im Hinblick auf die Offenbarung der Erfindung vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, dass das angestrebte Ergebnis im gesamten Bereich des Anspruchs 1 nicht ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen sei, da die in Anspruch 1 definierten Homopolyamide auch solche umfassen, die für optische Anwendungen nicht geeignet seien.

Zunächst ist unbestritten, dass Polyamide mit der anspruchsgemäß definierten Monomerenkombination bekannt und ohne unzumutbaren Aufwand zugänglich sind. Darüber hinaus wird in der Patentschrift in Spalte 2, Absatz [0007] auf die transparenten Polyamide der D8 verwiesen, die alle gestellten Anforderungen erfüllen und deshalb erfindungsgemäß zur Herstellung von Formkörpern für optische oder elektrooptische Anwendungen eingesetzt werden. Auch das Beispiel 1 im Streitpatent verwendet die in der D8 bevorzugten Monomeren Bis(3-methyl-4-aminocyclohexyl)methan und Dodecandicarbonsäure. Daneben kann auf die in D1a und D2 offenbarten Polyamide verwiesen werden, von denen bekannt ist, dass sie zu transparenten Formgegenständen verarbeitet werden können (D1a: Spalte 4, Zeilen 25-27; D2: Seite 3, Zeilen 34-37). Anhand von Routinemessungen kann der Fachmann weiterhin feststellen, ob diese bekannten Polyamide zu optischen Linsen mit dem gewünschten Eigenschaftsprofil führen, wobei die Bestimmung des Brechungskoeffizienten, der Abbé-Zahl und der Dichte anhand von Standardmethoden erfolgt, die dem Fachmann an sich bekannt sind. Auch die Beschwerdeführerin selbst hat im Einspruchsverfahren diese Parameter problemlos gemessen. Gemäß ihrem Einspruchsschriftsatz, eingereicht am 16. Dezember 2002, hat sie das Beispiel der D1 nachgearbeitet und die Parameter Brechungskoeffizient, Abbé-Zahl und Dichte des Formkörpers aus dem erhaltenen Polyamid gemessen. Dass der Fachmann bei der Auswahl der Polyamide auch die in diesem Stand der Technik offenbarte Lehre berücksichtigt (z. B. bestimmter Gehalt an trans,trans-Stereoisomeren des Diamins), erscheint selbstverständlich. Im vorliegenden Fall kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass ein Fachmann über die nötigen Kenntnisse verfügt, um ohne unzumutbaren Aufwand geeignete Polyamide für die Verwendung gemäß Anspruch 1 aus dem Stand der Technik auszuwählen.

Die Beschwerdeführerin hat sich insbesondere auf die Entscheidung T 435/91 (ABl. EPA 1995, 188) berufen, die nach ihrem Dafürhalten den Einwand der mangelnden Offenbarung stütze. Doch der vorliegende Fall unterscheidet sich grundsätzlich von dem in T 435/91 (supra) entschiedenen Fall. Wie die obigen Ausführungen zeigen, versetzt die Information im Streitpatent (Beispiel, Verweis auf D8) und einschlägiges Fachwissen (D1a, D2) den Fachmann in die Lage, geeignete Polyamide ohne unzumutbaren Aufwand ausfindig zu machen.

4.2.3 Daneben hat die Beschwerdeführerin mangelnde Offenbarung der Messmethoden für den Brechungskoeffizienten, die Abbé-Zahl und die Dichte geltend gemacht. Sie hat aber nie bestritten, dass es sich bei diesen Messmethoden um Standardmethoden handelt, die dem Fachmann an sich bekannt sind. Bei der Nacharbeitung des Beispiels 1 der D1, konnte sie diese Parameter offensichtlich ohne Probleme messen (siehe Punkt 4.2.2, oben).

Die Argumentation der Beschwerdeführerin scheint vielmehr darauf gerichtet zu sein, dass durch die fehlende Angabe der Messbedingungen eine Unsicherheit bezüglich der in Anspruch 1 geforderten Zahlenwerte für Brechungskoeffizient, Abbé-Zahl und Dichte entsteht. So hängt z. B. der Wert der Abbé-Zahl von der bei der Messung verwendeten Wellenlänge ab: die Abbé-Zahl nye, gemessen bei der gelbgrünen Fraunhoferschen Linie "e" (Quecksilberlinie), wird sich etwas von der Abbé-Zahl nyd, gemessen bei der D-Linie von Natrium, unterscheiden. Aber diese Unsicherheit bezüglich der in Anspruch 1 genannten Zahlenwerte ist kein Zeichen mangelnder Ausführbarkeit (der Fachmann kann die Parameter auf jeden Fall messen), sondern wäre lediglich unter Artikel 84 EPÜ zu beanstandet (z. B. T 299/97 vom 6. Juni 2001, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Punkt 1 der Entscheidungsgründe). Eine solche Beanstandung ist aber im vorliegenden Fall, wie unter Punkt 4.1.3 ausgeführt, nicht möglich.

4.3 Neuheit

4.3.1 Der einzige Neuheitseinwand der Beschwerdeführerin beruht auf dem Dokument D1a.

D1a betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Polyamiden, deren Monomerkombination unter die Definition des Homopolyamids in Anspruch 1 fällt. Neben einer Reihe nicht-optischer Anwendungen wird auch auf die Verwendung der Polyamide zur Herstellung optischer Formkörper hingewiesen (Spalte 4, Zeilen 13-24), wobei die Form körper eine besonders starke optische Durchsichtigkeit aufweisen, die sie selbst bei langzeitiger Einwirkung heißen Wassers beibehalten (Spalte 4, Zeilen 25-27). Die spezifische Verwendung als Linse wird in D1a jedoch nicht angesprochen. Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin gilt der Grundsatz, dass eine allgemeine Offenbarung nicht neuheitsschädlich für einen spezifischen Gegenstand ist, auch für einen Verwendungsanspruch.

Im Beispiel von D1a werden Polyamide aus Bis(p-amino cyclohexyl)methan und Decandicarbonsäure (1,10) unter Verwendung von Diaminen mit unterschiedlichem Gehalt an dem trans,trans-Stereoisomeren hergestellt. Mit dem Lesen eines Textes durch die formgepressten Rohlinge hindurch wird auf Transparenz bzw. Trübung nach Einwirkung von heißem Wasser getestet. Jedoch ist dieser Test nicht so zu interpretieren, dass der Rohling als Linse verwendet worden ist.

4.3.2 Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 gegenüber D1a neu.

4.3.3 Auch kein anderes im Verfahren befindliche Dokument beschreibt die Verwendung der in Anspruch 1 definierten Polyamide zur Herstellung von optischen Linsen.

4.4 Erfinderische Tätigkeit

4.4.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 betrifft die Verwendung von Polyamid-Formmassen, deren Legierungen oder Blends, die mindestens ein bestimmtes Homopolyamid aufweisen, zur Herstellung von optischen Linsen mit einem bestimmten Eigenschaftsprofil.

4.4.2 Nächstliegender Stand der Technik ist das Dokument D1a, von dem auch die Einspruchsabteilung und beide Parteien ausgegangen sind. Wie bereits in Punkt 4.3.1 erwähnt, offenbart D1a transparente Polyamide, die unter die Definition des Homopolyamids von Anspruch 1 fallen, und deren Verwendung zur Herstellung von transparenten optischen Formkörpern.

Ausgehend von D1a ergibt sich daher die objektive technische Aufgabe, die in D1a beschriebenen transparenten Polyamide für spezifische weitere Verwendungen bereitzustellen.

4.4.3 Der Schritt von der allgemeinen Offenbarung "optische Formkörper" in D1a zu "optische Linsen" ist aber für den Fachmann nahe liegend, da Linsen übliche optische Formkörper darstellen. Dabei ist auch zu bedenken, dass der Begriff optische Linsen sehr breit ist. Als Linse bezeichnet man üblicherweise ein optisch wirksames Bauelement mit zwei lichtbrechenden Flächen, von denen mindestens eine Fläche konvex oder konkav ist, so dass auch optische Brillengläser und Lupen (Konvexlinse kleiner Brennweite) unter diese Definition fallen.

4.4.4 Weiterhin gibt D1a selbst dem Fachmann einen Hinweis auf die anspruchsgemäße Verwendung. Im Beispiel der D1a werden, wie in Punkt 4.3.1 erwähnt, Rohlinge aus Polyamiden siedendem Wasser ausgesetzt und anschließend Messungen vorgenommen. Diese Messungen erfolgen dadurch, dass geprüft wird, ob das Lesen eines Textes durch den formgepressten Rohling möglich ist. Für einen Fachmann ist es offensichtlich, dass derartige Untersuchungen auch im Hinblick auf die Eignung für optische Linsen (auch Brillengläser) von Bedeutung sind, da diese beim bestimmungsgemäßen Gebrauch bei Kontakt mit heißem Wasser, z. B. beim Reinigen oder bei längerer Gebrauchsdauer in feuchter und warmer Atmosphäre, nicht eintrüben dürfen.

4.4.5 Darüber hinaus beschreibt Absatz [0004] des Streitpatents selbst, dass transparente Polyamide anderer Zusammensetzung beliebte Werkstoffe für Brillengestelle und Brillengläser sind. Was die weitere Feststellung in diesem Absatz [0004] betrifft, dass diese transparenten Polyamide nicht im eigentlichen optischen Bereich wie Linsen, Lupen und Sonnenbrillen eingesetzt worden sind, wurde dies von der Beschwerdeführerin bestritten und durch die Einreichung der Dokumente D11-D12 widerlegt. Beide Dokumente erwähnen die Verwendung von Polyamiden als Linsen.

4.4.6 Auch die Angabe der Eigenschaften der Linse (Brechungskoeffizient, Abbé-Zahl und Dichte) kann nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen. Diese Parameter sind, wie die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, für Linsen übliche Parameter. Außerdem hat die Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren das Beispiel der D1 nachgearbeitet und gezeigt, dass Formkörper aus dem erhaltenen Polyamid die relevanten Parameter gemäß Anspruch 1 aufweisen.

4.4.7 Aus diesen Gründen war es für den Fachmann nahe liegend, die aus der D1a bekannten Polyamide nicht nur generell für optische Formkörper einzusetzen, sondern speziell auch für optische Linsen. Ausgehend von der D1a würde er unweigerlich zu einer Ausführungsform gelangen, die unter den Schutzbereich des Anspruchs 1 fällt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

5. Da der Hauptantrag und der Hilfsantrag 1 der Beschwerdegegnerin nicht gewährbar sind, und der Hilfsantrag 2 nicht zugelassen worden ist, ist das Patent zu widerrufen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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