European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2006:T089704.20060407 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 07 April 2006 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0897/04 | ||||||||
Anmeldenummer: | 98123874.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | D01H 5/26 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Spinnereimaschinen-Streckwerk | ||||||||
Name des Anmelders: | Saurer GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Wilhelm Stahlecker GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Klarheit und Ausführbarkeit - ja Neuheit und erfinderische Tätigkeit - ja |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 16. Dezember 1998 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 18. Dezember 1997 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 98123874.4 wurde das europäische Patent Nr. 924 323 mit sieben Ansprüchen erteilt.
II. Gegen das erteilte Patent wurde, gestützt auf die Einspruchsgründe des Artikels 100 a), b) und c) EPÜ Einspruch eingelegt und der Widerruf des Patents beantragt.
III. Die Einspruchsabteilung hielt das Patent mit ihrer am 25. Mai 2004 zur Post gegebenen Entscheidung in geändertem Umfang mit fünf Ansprüchen aufrecht.
Sie kam zu dem Ergebnis, dass das Patent nicht unzulässig erweitert worden war. Der Schutzgegenstand sei in den Ansprüchen deutlich angegeben und die Erfindung sei durch einen einschlägigen Fachmann ausführbar. Der neue Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf den Stand der Technik nach:
D1: DREF-Ringspinnverfahren für 1993 für Spinnereien verfügbar, Textil praxis international, 1992, Seiten 189 und 190
D2: Untersuchung verschiedener Faserbündelungsmethoden zur Eliminierung des Spinndreiecks, Mittex 4/96, Seiten 10 bis 14
D3: Yes, there is still more to achieve with yarns, ATA JOURNAL JUN/JUL 1995, Seiten 28 bis 30
D4: DE-A-43 23 472
D5: GB-A-1 378 177
Der unabhängige Anspruch 1 lautet:
"Spinnereimaschinen-Streckwerk (1) mit Unterwalzen (2, 3, 4, 5), mit Oberwalzen (10, 13), mit Unterriemchen (11) und Oberriemchen (12) sowie mit einem pneumatischen Luntenverdichtungsaggregat (19) am Ausgang des Streckwerkes (1),
dadurch gekennzeichnet, dass
nach Entnehmen des Luntenverdichtungsaggregats (19) aus dem Streckwerk (1) die verbleibende Anordnung der Streckwerk-Bestandteile auf ein Streckwerk ohne Luntenverdichtungsfunktion umrüstbar ist bzw. umgekehrt und
dass zum Umrüsten der Streckwerk-Bestandteile die verbliebenen Unterwalzen (2, 3, 4, oder 5), die Oberwalzen (10), die Unterriemchen (11) und die Oberriemchen (12) um jeweils eine Position in Richtung des Laufes der Faserlunten (17) versetzbar sind und
dass die Lagerungen der Unterwalzen (2 - 5) einerseits und die Walzenhalter (22) der Oberwalzen (10, 13) andererseits untereinander gleich sind."
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 14. Juli 2004 Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt und die Beschwerde begründet. Mit der Beschwerde hat sie noch eingereicht:
D6: DE-A-33 01 239
V. Die Beschwerdekammer hat in ihrem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Bescheid vom 24. Januar 2006 ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage mitgeteilt.
Danach bestünden weder gegen die Klarheit der Einsprüche noch gegen die Ausführbarkeit der Erfindung Bedenken.
Auch im Hinblick auf die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit sei den Ausführungen der Einspruchsabteilung nichts hinzuzufügen.
VI. Am 7. April 2006 fand eine mündliche Verhandlung statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 924 323.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
VII. Die Beschwerdeführerin brachte vor, die Lehre des Anspruchs 1 sei unvollständig und lasse sich wegen der Breite der Formulierung auf die Streckwerke gemäß D4, D2 oder D1 lesen. Der Wortlaut umfasse im Prinzip alle Streckwerke mit Luntenverdichtungsfunktion, die letztlich immer auf die Funktion ohne Luntenverdichtung rückrüstbar seien. Insbesondere sei der Begriff "umrüstbar" unklar, weil damit nicht ausgesagt werde, dass die Walzen und Riemchen auch tatsächlich versetzt würden. Der Fachmann könne beim Streckwerk nach D1 oder D4 die entsprechende Ausgangs-Oberwalze ohne weiteres weglassen und erhalte so bereits das angestrebte Ergebnis, denn die geringe Verlängerung der ungeführten Strecke des verzogenen Faserbandes spiele keine entscheidende Rolle. Im Beispiel nach Abbildung 7 in D2 brauche nichts versetzt, sondern nur die perforierte Oberwalze gegen eine normale Klemmwalze ausgetauscht werden.
Außerdem fehle die Anweisung für die Umgestaltung des Walzenantriebs, denn die Antriebsdrehzahlen müssten bei Wegfall des Luntenverdichtungsaggregats wesentlich geändert werden. Zudem sei im Patent ein Ausführungsbeispiel nach Figur 3 enthalten, bei dem nicht alle verbleibenden Unterwalzen versetzt würden.
Die beanspruchte Lehre sei gegenüber D1 nicht neu, weil auch das daraus bekannte Streckwerk umrüstbar sowie die Walzen versetzbar seien, unabhängig davon, ob dies durchgeführt werde oder nicht. Jedenfalls beruhe sie nicht auf erfinderischer Tätigkeit, denn die aufgezeigten Maßnahmen seien in den Augen des zuständigen Fachmannes völlig trivial. Wenn er vom Kompaktgarnspinnen auf Normalgarn umstellen wolle, sei es mehr als naheliegend, das Luntenverdichtungsaggregat oder die Besaugung einfach wegzulassen. Die Anordnung der Unterwalzen in einer Stanze und der Oberwalzen in einem Belastungsarm sei ebenfalls trivial.
VIII. Die Beschwerdegegnerin führte aus, ein einfaches Weglassen des Luntenverdichtungsaggregats führe zu schlechteren Ergebnissen, so dass nur ein Umbau des Streckwerks mit Beibehaltung des Klemmpunktes befriedigend arbeite. Deshalb sei die Lehre des Anspruchs 1 auch klar und nachvollziehbar, das Streckwerk auf Betrieb mit und ohne Luntenverdichtungsfunktion umzurüsten.
Die Lehre des Patents sei durch den einschlägigen Fachmann ausführbar, denn es gehe hier nicht um den Streckwerksantrieb, sondern um die Anordnung der Walzen und Riemchen. Er könne beispielsweise in D6 die entsprechenden Konstruktionselemente für den Antrieb finden oder zum Prioritätszeitpunkt allgemein bekannte regelbare Elektromotoren verwenden.
Bereits die Problemstellung ergebe sich nicht ohne weiteres in der täglichen Produktionspraxis. Der Streckwerkshersteller musste erst das Problem erkennen und den Kunden eine technisch einfache und doch ausgereifte Konstruktion anbieten. Der gesamte entgegengehaltene Stand der Technik enthalte keinerlei Anregung zur Aufgabenstellung, auf möglichst einfache Weise die Verdichtungsfunktion nur zeitweise wegzulassen, ohne schlechtere Spinnergebnisse gegenüber Streckwerken zu erhalten, die gänzlich ohne Luntenverdichtung arbeiteten. Auch im Hinblick auf die Lösung sei im Stand der Technik kein Anhaltspunkt zu finden, denn die bekannten Streckwerke würden nur in die Richtung mit einem Luntenverdichtungsaggregat hochgerüstet, ohne dass ein Rückbau vorgesehen wäre. Im Anspruch seien auch die technischen Mittel angegeben, um dies zu bewerkstelligen, und die im Stand der Technik nicht vorhanden seien.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Klarheit und Ausführbarkeit
2.1 Die Einspruchsabteilung hat zutreffend ausgeführt, die Begriffe "umrüstbar" und "versetzbar" seien in der Weise zu verstehen, dass das Spinnereimaschinen-Streckwerk in relativ einfacher Weise in die Funktion mit und ohne Verdichtungseinheit umbaubar ist. Die Kammer teilt diese Auffassung, wonach im fachmännischen Verständnis der Schwerpunkt auf dieser einfachen Umrüstbarkeit liegt und gerade nicht so zu interpretieren ist, dass eine nachträglich mit einem Streckwerk hochgerüstete Maschine wieder rückbaubar sein soll, was auch durch die weiteren im Anspruch 1 enthaltenen Merkmale ausgedrückt wird.
Wie die Beschwerdeführerin zwar zurecht bemängelt, ordnet sich das Ausführungsbeispiel der ursprünglichen Figur 4 nicht ganz dem Wortlaut des Anspruchs 1 unter. Es ist jedoch im fachmännischen Verständnis klar, dass es nach Entnehmen des Luntenverdichtungsaggregats ohne die Walze 5 keinen Sinn macht, diese verbliebene Walze in Richtung des Laufs der Faserlunte zu versetzen, weil dafür keine Lagerung vorgesehen ist. Diese Ausführungsform stimmt jedoch insofern mit der der ursprünglichen Figur 3 überein, als die Walze 5 dieselbe Funktion erfüllt wie die versetzte Walze 4, so dass dasselbe Ergebnis erzielt wird. Im übrigen besagt der Wortlaut des Anspruchs nicht, dass alle verbliebenen Walzen versetzt werden müssen, da sie eben nur "versetzbar" sein sollen.
2.2 Auch gegen die Beurteilung der Ausführbarkeit der Erfindung hat die Kammer keine Bedenken, denn die Einspruchsabteilung hat zurecht festgestellt, dass der einschlägige Fachmann in der Lage ist, die erforderliche Anpassung des Walzenantriebs mit Hilfe des allgemeinen fachlichen Könnens vorzunehmen, was im Prinzip auch durch die von der Beschwerdeführerin eingereichte Druckschrift D6 bestätigt wird.
3. Neuheit
Die Beschwerdeführerin machte mangelnde Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gegenüber D1 geltend, ohne dessen Merkmale im einzelnen mit dem Stand der Technik zu vergleichen. In D1 wird lediglich der nachträgliche Einbau eines Faserbündelungsaggregats in bestehende alte Ringspinnmaschinen behandelt. Von einer Umrüstbarkeit für den Betrieb mit und ohne Luntenverdichtung ist keine Rede. Außerdem zeigt die schematische Darstellung in der linken Spalte, dass das Luntenverdichtungsaggregat dort nicht ohne weiteres entnommen werden kann und darüber hinaus ein Versetzen verbliebener Walzen wegen der unterschiedlichen Durchmesser ebenso nicht ohne größere Umbauten möglich ist. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu (Artikel 54 EPÜ).
4. Erfinderische Tätigkeit
Seitens der Kammer ist die Begründung der erfinderischen Tätigkeit in der Einspruchsentscheidung ebenfalls nicht zu beanstanden. Es trifft zu, dass keine der Entgegenhaltungen einen Hinweis auf die dem Patent zugrundeliegende Problemstellung oder eine entsprechende Anregung zur Lösung mit den Merkmalen des Anspruchs 1 enthält (Artikel 56 EPÜ).
5. Da sich die Sach- und Antragslage gegenüber dem Einspruchsverfahren in der Beschwerde nicht wesentlich geändert hat, hatte die Kammer im Rahmen ihrer Überprüfungsfunktion lediglich festzustellen, ob die von der Einspruchsabteilung für die Aufrechterhaltung des Patents im beantragten Umfang angegebenen Gründe die Entscheidung tragen.
Das Patent kann daher mit den im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen im beschränkten Umfang aufrechterhalten werden (Artikel 52 (1) EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.